Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das Buch soll helfen, das Phänomen Drogensucht zu veranschaulichen. Wenn man weiß wie Drogensucht entsteht und stattfindet, lassen sich Wege aus der Sucht ersehen. Die Sucht verliert in dem Augenblick an Macht, in dem man sie durchschaut. Die im Buch beschriebenen Techniken können helfen eine Sucht zu überwinden, vorausgesetzt, man ist auf der Suche nach einem Weg!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 188
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Alexander Golfidis, geboren 1963, lebt und arbeitet in München. Nach einer überwunden Drogenabhängigkeit hat er mit dem Schreiben begonnen und ist inzwischen Autor mehrerer Bücher. Nebenbei hat er einen Drogenhilfeverein ins Leben gerufen und ist in der Drogenprävention tätig.
Die Charaktere von Max, Marie, Lisa, Pit, Ben, dem Ex-Mann und Herrn Klar sind frei erfunden und beziehen sich auf keine lebenden Personen. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und vom Autor in keinster Weise beabsichtigt.
Insbesondere die dargestellten Beratungsstellen und Institutionen bilden keinerlei Bezug zu real existierenden Unternehmen oder Einrichtungen.
Vorwort
Wahrnehmung und Sucht
Max – einer von vielen
Der Mensch
Unser Gehirn
Glück und Unglück
Max
Stress
Die Mechanik der Sucht
Herr Klar/ der 1. Besuch
Herr Klar/ die Reflexion
Herr Klar/ die Überwindung
Herr Klar/ das-auf-dem-Weg-bleiben
»Wer die SUCHT schauen will, muss erst die Menschen kennen.«
Dieses Buch bezieht keine Stellung zu Drogen. Es ist kein »Drogen-warn-Buch«. Es will weder Drogen verherrlichen noch verteufeln. In diesem Buch geht es allein um die Sucht und es soll Möglichkeiten aufzeigen, wieder davon frei zu werden. Dazu ist es von Vorteil, die Mechanismen der Sucht zu verstehen.
Falls Ihnen Aussagen oder Behauptungen unseriös oder unwahr erscheinen, bitte ich Sie dies zu prüfen. Das ganze Thema um illegale Drogen ist derart mit Klischees behaftet, dass andersartige Aussagen, die nicht dem kollektiven Allerweltdenken entsprechen, schnell als unrichtig abgetan werden, auch wenn sie wahrheitsgemäß sind.
Marie lag in ihrem Bett und las das noch unveröffentlichte Manuskript eines Romans. In dem Buch ging es um Drogensucht. Ein Thema, für das sie sich früher überhaupt nicht interessiert hatte, bis ihr Sohn Max anfing Drogen zu nehmen und dann immer weiter abgestürzt war. Eigentlich wollte sie in der Erziehung ihr Bestes geben. Max sollte es besser haben als sie. Aber das Leben hatte nicht so mitgespielt. Mit ihrem Ex-Mann hatte es häufig Streitereien gegeben und oft hatten sie die Streits vor Max ausgetragen. Die ganze Ehe hindurch hatte sie sich wie gelähmt gefühlt. Doch was halfen nun Selbstvorwürfe. Außerdem, welche Eltern schafften es schon immer alles richtig zu machen. Auch Eltern unterliefen Fehler. Marie sah auf die Uhr. Es war schon nach Mitternacht. Sie sollte längst schlafen. Morgen musste sie ins Büro. Sie konnte es sich nicht leisten unausgeschlafen zu sein. Wie es Max wohl ging? Marie warf einen Blick auf ihr Handy. Seit einem Anruf aus dem Krankenhaus, wo sie Max vor etwas über einem Jahr mit einer Überdosis eingeliefert hatten, achtete sie darauf, dass es immer griffbereit am Nachttisch lag. Die Worte des Arztes, der Max ins Leben zurückgeholt hatte, hallten ihr noch immer im Ohr: »Ein paar Minuten später und wir hätten nichts mehr für ihn tun können!« Das Bild bekam sie auch nicht mehr aus dem Kopf. Max hatte wie ein Toter in der Intensivstation gelegen. Er war überall verkabelt gewesen. Sogar intubieren und beatmen hatten sie ihn müssen. Der regelmäßig, wiederkehrende Piepton vom Monitor über seinem Bett, war der einzige Hinweis gewesen, dass er am Leben sein musste. Die Erlebnisse damals waren ein gewaltiger Schock für sie. Seither gab es keine Nacht, in der sie richtig durchschlafen konnte. Die Drogensucht ihres Sohnes war eine verdammte Geißel. Ein regelrechter Fluch. Marie las die Überschrift des ersten Kapitels. Sie lautete:
In Platons berühmten Höhlengleichnis sind Menschen in einer Höhle an Schenkeln und Nacken so gefesselt, dass ihr Blick immer nur geradeaus an die Höhlenwand gerichtet ist. Den Höhleneingang hinter sich können sie nicht sehen und erahnen ihn daher auch nicht. Ein in der Nähe des Eingangs brennendes Feuer erhellt die Höhlenwand. Zwischen dem inneren des Gefängnisses und dem Feuer verläuft eine nicht sehr hohe Mauer. Gegenstände werden die Mauer entlang getragen; durch das Feuer werden sie als Schatten an die Wand geworfen. Die Träger allerdings bleiben durch die niedere Mauer verdeckt, sodass nur die Schatten der Gegenstände – Nachbildungen menschlicher Gestalten und anderer Lebewesen aus Stein und Holz – an der Wand vor den Gefangenen erscheinen. Da aber die Gefangen von den Trägern nichts ahnen, und nur die Schatten über die Wand huschen sehen, glauben sie, die Schatten seien Geschöpfe wie sie selbst. Sprechen die Träger, hallt es von der Höhlenwand zurück, als hätten die Schatten geredet. Daraus leiten die Gefangenen ab, dass die Schatten sprechen können. Sie betrachten sie als Lebewesen und deuten das, was geschieht, als reale Handlungen. So entwickeln die Gefangenen eine Wissenschaft von den Schatten, sie versuchen in deren Auftreten und Bewegungen Gesetzmäßigkeiten festzustellen und daraus Prognosen abzuleiten. Lob und Ehre spenden sie dem, der die besten Voraussagen macht.
Kernaussage des Höhlengleichnisses ist, dass die Menschen die Realität in ihrer Gesamtheit gar nicht erfassen, sondern nur einen Teilabschnitt betrachten und glauben, es handle sich dabei, um die Wahrheit.
In der Regel liest sich eine Drogenbiografie so: Ein Jugendlicher kommt aus einem schwierigen Elternhaus, oft abwesende Elternteile, vielleicht auch Missbrauch und Gewalt, dann das Versagen in der Schule, es folgen die falschen Freunde und schließlich kommt er mit Drogen in Kontakt. Dann gibt es ein erstes kurzes Hoch und danach folgt das völlige Abgleiten in die zerstörerische Sucht.
Dieses Modell, wie Drogensucht entsteht, scheint beinahe für die gesamte Menschheit rund um den Globus Gültigkeit zu besitzen.
Für Platon hätten sich hier allerdings bestimmt noch zahlreiche Fragen ergeben:
1. Was sind Drogen? Wer hat den Begriff definiert? Waren es vertrauenerweckende Personen und Institutionen, die den Begriff festgelegt haben – die eine Unterscheidung in legal und nicht legal, in schädlich und nicht schädlich, getroffen haben? Hatten diese Personen das Gemeinwohl vor Augen und waren sie frei von persönlichen und wirtschaftlichen Interessen? Waren sie gebildet und weise genug, eine solche Unterscheidung treffen zu können? Inwiefern hilft es, gewisse schädliche Substanzen zu erlauben und andere hingegen zu verbieten?
Was ist der Unterschied zwischen LSD und Heroin, zwischen Alkohol und Cannabis, Zwischen Tabak und Kakao? Lassen sich tatsächlich alle Drogen auf den gemeinsamen Nenner bringen, dass sie alle süchtig machen?
Werden alle Menschen süchtig, die Drogen probiert haben? Wenn nicht, warum entwickeln dann die einen eine Sucht, die anderen aber nicht?
2. Ist es richtig, dass illegale Drogen verboten sind? Ist es richtig, dass Alkohol und Tabak erlaubt sind?
Jährlich stehen weltweit etwa 9,3 Millionen Alkohol- und Tabaktote, zirka 200.000 Drogentoten gegenüber. Sind die falschen Drogen verboten?
3. Wie ist es möglich, dass hierzulande ein Großteil der älteren Bevölkerung schon einmal ein abhängig machendes Opiat – nämlich Codein (Hustensaft) – zu sich genommen hat, diese aber nicht süchtig wurden, während in den 80er Jahren das Codein zu den am häufigsten gehandelten Ersatzdrogen in der Szene gehörte?
Fragen über Fragen und keine Antworten?
Wenn man ein wenig zu den Drogenverboten recherchiert, lässt sich leider feststellen, dass es nie eine wissenschaftlich objektive Einstufung bezüglich des Gefahrenpotentials der Drogen gegeben hat. Diese Tatsache allein verleiht allen Drogenverbotsbefürwortern einen schlechten Stand. Das mantramäßige Argumentieren der Drogenbekämpfer, die Dynamik illegaler Drogen sei viel bedrohlicher als die von Alkohol und Tabak, erscheint beinahe lächerlich in Hinsicht der hohen Zahlen an Alkohol- und Tabaktoten. Derartige Aussagen taugen allenfalls dazu Ängste zu schüren, doch sie entbehren jeder Grundlage und rücken sie somit ins vage Reich der Mutmaßungen und Spekulationen. Ob Befürworter oder Gegner des Drogenverbots, geholfen ist damit keinem.
1875 wurde in den USA das erste Drogenverbot der westlichen Welt erlassen. Dem Verbot war vorausgegangen, dass die immer zahlreicheren chinesischen Einwanderer – in manchen Bundesstaaten stellten sie schon ein Viertel aller Beschäftigten dar – der einheimischen Arbeiterschaft ein Dorn im Auge waren. Die Gewerkschaften machten mobil gegen die unerwünschten Lohndrücker aus China. In den Fokus der Anti-Chinesen-Propaganda rückte die Sitte des Opiumrauchens. So entstand das erste Drogenverbot, das bei Geld- oder Freiheitsstrafe den Opiumkonsum untersagte.
Bei der Recherche zum umstrittenen Cannabisverbot von 1937, tauchen immer wieder drei Namen auf: William Randolph Hearst, ein Multimillionär; Harry J. Anslinger, ein Politiker und fanatischer Drogengegner; und der Chemiekonzern DuPont, der in dieser Zeit Nylon und Rayon patentierte, die in Konkurrenz zu den Hanfprodukten standen.
William Randolph Hearst, ein Waldbesitzer und Papiermühlen-Magnat, löste in den 1930er Jahren eine riesige Hetzkampagne gegen die Hanfpflanze aus.
Hearst, zu dessen Imperium Dutzende Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Radiosender, ein Filmstudio sowie mehrere Medienfirmen gehörten, war Besitzer von immensen Waldflächen, die er für sein Zeitungsimperium benötigte. Er lief Gefahr Millionen zu verlieren, da sich aus der Hanfpflanze (Cannabis) ebenso Zellstoff zur Papierfertigung herstellen ließ, wie aus Holz. Darüber hinaus sogar noch weitaus schneller, effektiver und kostengünstiger. Seine Zeitungen, die etwa ein Drittel aller volljährigen Bürger Amerikas erreichten, brachten einen Artikel nach dem anderen heraus, die die Hanfpflanze verteufelten. Die Leser wurden mit Schauermärchen überflutet und die Hanfpflanze sollte nun für alles Schlimme verantwortlich sein – von Autounfällen bis zu zügelloser Moral.
Hearst fand Verbündete in Politik und Industrie. Harry J. Anslinger, der Drogengegner und Politiker, und die Chemiefirma DuPont. Sie finanzierten Filme, in denen gewalttätige Cannabis-Abhängige gezeigt wurden.
In einer Szene wurden Landstreicher und jugendliche Gewalttäter dargestellt, die Marihuana (Cannabis) rauchten und anschließend randalierten und über wehrlose Frauen herfielen und sie vergewaltigten.
In einer anderen Sequenz zeigten sie unheilbare Wahnsinnige, die unter dem Einfluss von Cannabis ganze Sippschaften mit einer Axt vernichteten.
1937 hatten der Industrielle und seine Helfer dann ihr Ziel erreicht und die Hanfpflanze (Cannabis) wurde verboten.
Erwähnenswert ist auch, dass die Amerikaner gar nicht wussten, dass das Verbot die Hanfpflanze betraf, die bis dato eine der am häufigsten angebauten Nutzpflanzen in den USA war, da in den Artikeln immer nur von Marihuana die Rede war.
Doch das alles sei hier nur am Rande erwähnt und es ist auch für dieses Buch nicht von Belang. Wichtig für dieses Buch ist allerdings das Drogenverbot an sich. Ob es den gewünschten Erfolg brachte und die Menschheit vor den Gefahren, die von Drogen ausgehen, bewahrt. Oder ob sich das Verbot ins Negative kehrte und die Drogen erst zu einer Gefahr wurden.
Vielleicht lässt sich dieser Zusammenhang nie ganz klären, aber es mutet schon seltsam an, dass die weltweite Drogenproduktion von Jahr zu Jahr steigt; sich seit der US- Militärintervention in Afghanistan, die Opiumproduktion vervierzigfacht hat; die Drogenkriege in Südamerika jedes Jahr mehr Opfer fordern (Wikipedia nennt hier allein für Mexiko seit 2006 eine Zahl von 185.000 Opfern); und die geheimen Drogenlabors beinahe stündlich neue Substanzen entwickeln, die dann ungeprüft auf dem Markt landen – wie etwa Krokodil (eine Substanz, die den Körper von innen zersetzt), Mephedron, Cloud Nine und viele mehr.
Es stellt sich die Frage, ob sich die Menschheit überhaupt diktieren lässt, welche Substanzen sie zur Berauschung verwenden darf und welche keinesfalls? Offensichtlich nicht. Laut einem UN-Bericht hat jeder vierte erwachsene EU-Bürger schon einmal illegale Drogen ausprobiert. Das bedeutet, dass sich einer von vier Erwachsenen strafbar machte, in dem er illegale Drogen nahm und sich zudem den Gefahren einer Suchterkrankung aussetzte.
Eine mögliche Ursache lässt sich vielleicht hier finden:
Während Hanf in den USA vor 1937 überwiegend von der schwarzen Bevölkerung und mexikanischen Immigranten als Rauschmittel genutzt wurde, änderte sich mit dem Verbot die Situation; Anfang / Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckten es die Hipster.
Die Hipsterbewegung entstand rund um vornehmlich schwarze Musiker, die den Bebop – eine Musikrichtung und Ursprung des Modern Jazz – spielten, und um die (meist weißen) Dichter, der Beat Generation. Die Hipster waren vorwiegend in schwarzer Kleidung anzutreffen, die männlichen Exemplare hatten nach Dizzy Gilespies Vorbild ein Ziegenbärtchen und eine Baskenmütze, und sie hingen selbst in dunklen, verrauchten Jazzclubs mit einer Sonnenbrille herum. Und die Hipster hatten eine gewisse Affinität zu illegalen Drogen; Marihuana (Cannabis) rauchen gehörte fast zum »guten Ton«, und Heroin war aufgrund von Charlie Parker, Ray Charles und William S. Burroughs zumindest weit verbreitet. So wurden ausgerechnet die illegalen Drogen – vornehmlich das Cannabis – zum Protestsymbol der Jugend gegen die Konsumgesellschaft.
Anfang der 1960er Jahre schlossen sich einige Hipster zu den The Merry Pranksters zusammen, (Prank kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie Schelmerei oder Streich) – sie fuhren mit einem bunt bemalten Bus durch die USA und luden die interessierte Bevölkerung zu LSD-Happenings ein. Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch Jack Keruacs Buch »On the Road«, über Jazz, Bebop, Sex, Drogen und einer Reise quer durch den US-amerikanischen Kontinent – das von der jungen Bevölkerung wie eine Bibel aufgenommen wurde und für ganze Generationen zum Kult-Buch avancierte. Jetzt wollten alle denselben Lebensstil pflegen wie ihn die Figuren aus dem Roman zelebrierten – sich von gesellschaftlichen Zwängen befreien und Sex und Drogen wann immer sich die Gelegenheit ergab.
Aus den Hipstern und den The Merry Pranksters wurden die Hippies, die sich an deren Lebensstil anlehnten, und auch Drogen konsumierten. Und spätestens ab da traten die illegalen Drogen einen weltweiten Siegeszug an, der bis heute ungebrochen anhält. In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen nahmen Hippies ein leerstehendes Militärgelände in Beschlag und gründeten die staatlich geduldete autonome Gemeinde Christiania. Es gab ein Yogazentrum, Theatergruppen und Gebäude für Kiffer. Die Hauptattraktion von Christiania war allerdings die Pusher Street (Drogenhändlerstraße) wo Haschisch und Cannabis öffentlich an befestigten Ständen verkauft wurden.
In Australien bevölkerten feiernde Hippies das verschlafene Dorf Nimbin und gründeten die größte Kifferkommune des Landes. Zum jährlichen MardiGrass-Festival finden seither bis zu 20.000 Kiffer den Weg nach Nimbin. In USA, Argentinien, Indien, Spanien und auf Hawaii entstanden ähnliche Hippiekolonien. Und in München, im Englischen Garten, war der Monopteros und die Wiese darunter zu Deutschlands berühmtesten Hippieparadies geworden. Einmal die Woche kam sogar der Briefträger zum Monopteros geradelt, wo er den Gammlern und Hippies aus aller Welt die Post zustellte. Dabei musste er sich jedes Mal durch eine Wolke von Haschischrauch kämpfen, die mal aus jenem und mal aus diesem Gebüsch wehte. Bis Mitte der 1990er Jahre zählte der Englische Garten mit zu den ersten Adressen für den Einkauf von Haschisch und Cannabis in Deutschland.
So waren die Ersten, die trotz des Verbots Cannabis rauchten, junge Menschen, Künstler, Musiker, Schauspieler und Intellektuelle.
Und mit dabei – die Vorbilder der Jugend, angefangen mit Louis Armstrong (er rauchte angeblich drei Joints am Tag), Judy Garland, Elvis Presley, Truman Capote, die Animals, die Beatles, die Rolling Stones, – das zieht sich durch bis Lady Gaga und Miley Cyrus heute ... Es waren und sind immer die Vorbilder der jeweiligen Jugend. Und wer wollte nicht sein wie sie und ebenfalls der bürgerlichen Welt den Stinkefinger (oder den Joint) zeigen.
Möglicherweise hat das Drogenverbot zu einem Paradoxon geführt und läuft der eigentlichen Absicht, die Menschheit vor Schaden zu bewahren, zuwider.
Als sich Max noch im Kindesalter befand, war die Situation folgende: Der Vater, beruflich viel unterwegs, lernte auf seinen Geschäftsreisen immer wieder Frauen kennen, mit denen er dann Affären anfing. Die Mutter machte ihrer Enttäuschung auf ihre Art Luft, indem sie ihn mit Vorwürfen traktierte. Die Tonlage schwankte dabei von schrill bis hysterisch laut. Und die am häufigsten verwendeten Wörter hießen: »Wieso?« und »Warum?«. Anfangs versuchte der Vater immer zu beschwichtigen, bis sich beide anschrien, dass die Wände wackelten.
Anstatt dass die Eltern zueinanderfanden, oder aber sich trennten, ging das viele Jahre so, bis Max acht Jahre alt war. Nach einem fürchterlichen Krach, zog der Vater aus und die Eltern ließen sich scheiden.
Doch kaum war der Scheidungsstress abgeklungen, fing die nächste stressige Phase an. Marie, die Mutter, war nun alleinerziehend und hatte kaum mehr Zeit, sich um Max zu kümmern – dazu kam, dass beide Elternteile neue Partner hatten, die ebenso Aufmerksamkeit beanspruchten. Marie traf es besonders hart, sie musste einen wahren Drahtseilakt zwischen Max und ihrem neuen Freund vollziehen, der sich zwar gern in Erziehungsfragen einmischte, aber nicht wirklich Sympathie für das Kind entwickelte. Stattdessen entstand für sie sogar der Eindruck, der neue Freund konkurriere mit Max um ihre Gunst; oft, wenn sie ihm Essen zubereitete oder Sachen hinterherräumte, gab das Anlass für Streitigkeiten.
Die neue Ehefrau des Vaters – er hatte gleich nach der Scheidung wieder geheiratet – machte es nicht besser. Sie mischte sich genauso in die Kindeserziehung ein und wenn Max zu Besuch kam, gab es auch dort Streit.
Ab da begann ein wahrer Psychokrieg zwischen den beiden Parteien, in dessen Verlauf es Max irgendwann nicht mehr wagte, gegenüber dem Vater, die Mutter zu erwähnen, da dieser dann nicht mehr aufhören konnte, über die Ex herzuziehen – wie er sie nun abfällig nannte – und andersrum war es dasselbe. Den zuhause erlebten Stress konnte der mittlerweile vierzehnjährige Max schon lange nicht mehr kompensieren. Sportarten wie Fußball, Handball oder Judo, wo er sich hätte abreagieren können, blieben aus, da sich die Eltern, aus Angst um das Wohlbefinden des Sohnes, nicht einigen konnten und so fing Max an, sich immer mehr zurückzuziehen und am Computer Ego-Shooter Spiele zu spielen; und das teilweise bis spät in die Nacht hinein.
Die Leistungen in der Schule ließen nach und ab der Pubertät, wurden sie nochmal schlechter.
Wie nimmt der inzwischen fünfzehnjährige Max illegale Drogen wahr?
Von den Eltern, den Lehrern und den Drogenaufklärern in der Schule – wie Polizisten und Sozialpädagogen – wurde er vor Drogen gewarnt. Trotzdem kann er sich nicht viel darunter vorstellen, alles was er weiß, hat er vom Hörensagen. Allerdings stellt sich die Sache mit den Drogen für ihn etwas undurchsichtig dar, denn einige von Max Vorbildern – er ist inzwischen ein ausgesprochener Fan von Rap-Musik, wie Snoop Dogg und Wiz Khalifa – bekennen sich öffentlich zum Kiffen und Why SL Know Plug (früher Money Boy), ein anderer Rapper, hält sogar den Konsum von MDMA und Heroin auf Partys für empfehlenswert. Daraus folgert Max: Drogen soll man nicht nehmen, weil sie für normale Leute gefährlich sind, aber verwegene Typen, wie seine Rapp-Vorbilder und auch manche Stars wie Brad Pitt oder Justin Timberlake nehmen nicht nur Drogen, sondern sie können ihnen auch nichts anhaben. Und sogar der amerikanische Präsident Barack Obama galt laut seiner Biografie als großer Kiffer, wie Max kürzlich gelesen hat. Dennoch bleibt für ihn das Thema rund um die Drogen wie ein Buch mit sieben Siegeln. Er hat in seinem jungen Leben noch nie welche genommen- geschweige denn je einen Rauschzustand erlebt.
Das ändert sich, als Max ein Jahr später in die 8. Klasse kommt und mit seinem neuen Sitznachbarn Freundschaft schließt. Pit hat zuhause fast dieselben Verhältnisse wie er; auch seine Eltern sind geschieden und mit dem Neuen der Mutter kommt er nicht klar. Pit ist ungefähr gleich alt, überaus sympathisch, hat viele Freunde und Pit kifft. Nach kurzer Zeit hat Max auch Pits Clique kennengelernt, bei denen Kiffen genauso ein Thema ist, und so kommt es, dass sich Max für das Kiffen zu interessieren beginnt.
*
Durch die Prohibition sind in unserer Welt Berichte über Drogen durchweg negativ gefärbt. Besonders an Schulen werden gewisse Themen rund um die verbotenen Stoffe tunlichst ausgeklammert.
Beispielsweise, dass der deutsche Chemie- und Pharmariese Bayer gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts ein Verfahren zur Synthese von Diacetylmorphin erfand und den gewonnenen Wirkstoff unter dem Namen »Heroin« als nicht süchtig machendes Schmerz- und Hustenmedikament auf den Markt brachte. Während Merck, ein anderes deutsches Unternehmen, ebenfalls ein Mittel gegen Husten im Programm hatte: das Kokain.
Sigmund Freud, der Begründer der modernen Psychoanalyse, war davon so angetan, dass er ein Loblied auf das Kokain verfasste, in dem er es als Heilmittel gegen Depression, Hypochondrie, Hysterie und Morphinsucht anpries. Erst, als Freuds Kollege Ernst Fleischl von Marxow infolge seiner Sucht verstarb, kam es zum Umdenken Freuds. Er hatte Fleischl nämlich das Kokain zur Heilung seiner Morphinsucht verschrieben, mit dem Erfolg, dass Fleischl auch noch vom Kokain abhängig wurde.
Genauso wenig wird erwähnt, dass Hanf (Cannabis) bis Anfang des letzten Jahrhunderts weltweit zu den am häufigsten angebauten Nutzpflanzen gehörte. Vor dem Verbot zählte die Hanfpflanze zu den vielversprechendsten Nutzpflanzen überhaupt: Seile, Stoffe, Bekleidung, Papier, Hanfsamenöl, Farben, Lacke und unzählige andere Dinge ließen sich daraus herstellen. Mit dem Slogan – gewachsen in der Erde – wurde von Henry Ford vor knapp 75 Jahren sogar ein Auto präsentiert, dessen Karosserie überwiegend aus Hanf bestand. Stolz tönte Ford, während er mit einem Hammer die Stabilität seines Hanf-Autos demonstrierte, das Material sei zehn Mal stoßfester als entsprechende Blechbauteile. Er behauptete sogar, das Auto könne sich überschlagen, ohne auseinanderzubrechen. Doch das Cannabisverbot bescherte dem Hanf und dessen Erforschung ein abruptes Ende und ebnete den Weg für ein Produkt des Herstellers DuPont: dem Nylon.
Sind Fachkräfte zur Drogenprävention an eine Schule geladen, ist es ihre Aufgabe, ein negativ behaftetes Bild der Drogen zu vermitteln und so wird nur die halbe Wahrheit erzählt. Keine Erwähnung findet meist die Begebenheit, dass Rauschmittel seit Anbeginn der Menschheit zu unserem Leben gehören. Dass schon in der Steinzeit Alkohol, Fliegenpilze, psilocybinhaltige Pilze, Schlafmohn und Cannabis konsumiert wurden. Einen der ersten schriftlichen Hinweise auf Drogen liefert Homer:
»Schnell in den Wein, warf jene, wovon sie tranken, ein Mittel, Kummer zu tilgen und Groll, und jeglicher Leiden Gedächtnis.«
Gemeint war wohl das Opium.
Genutzt wurden die Drogen aber nicht nur für religiöse Zwecke, wie oft einseitig hervorgehoben wird, sondern auch zu sozialen Riten; an Hochzeiten, Familienfesten und anderen Anlässen.
So bauten die Skythen Schwitzhütten, in denen sie über heißen Steinen Hanfpflanzen verräucherten.
Im Urchristentum galt ein maßvoller Rausch als Quell der Freude.
Und die römischen Kaiser Nero und Marc Aurel erfreuten sich am Theriak, einer im antiken Rom beliebten Medizin, die neben Vipernblut (das gegen einen Giftanschlag helfen sollte), auch Opium enthielt.
Während von den Drogenaufklärern die Möglichkeit eines maßvollen Umgangs mit Alkohol noch zuweilen eingeräumt wird, wird selbiges in Hinblick auf illegale Drogen, wie etwa Cannabis, strikt verneint.
Auch dass ein Drogenrausch nicht immer nur negative Aspekte haben muss, wird generell unter den Teppich gekehrt.
So wird kein Drogenaufklärer jemals etwas davon verlauten lassen, dass Alexandra David Neel ihre erste und einzige Haschisch-Zigarette rauchte, infolge der Berauschtheit eine Eingebung hatte, und den Entschluss fasste nach Indien zu reisen. Sie ist die erste Europäerin, die die verbotene Stadt Lhasa in Tibet besuchte; sie schrieb zahlreiche Bücher, wurde im hohem Alter zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und 100 Jahre alt.
Oder dass Helge Timmerberg, ein Journalist und Schriftsteller, nach einer LSD-Erfahrung, sein Vorhaben Sozialpädagoge zu werden an den Nagel hängte, sich in den Flieger setzte und einer der erfolgreichsten Reisejournalisten Deutschlands wurde.
Auch dass mutmaßlich die letzten drei US-Präsidenten, und damit die mächtigsten Männer der Welt, gekifft haben, findet keine Erwähnung:
»Ich habe nie auf Fragen nach Marihuana geantwortet«, wird Georg Bush in der New York Times zitiert. »Und weißt Du warum? Weil ich nicht wollte, dass irgendein Kind ausprobiert, was ich ausprobiert habe.«
Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, gibt an, er hätte beim Kiffen nicht inhaliert, während Barack Obama ganz offen zugibt, in seiner Jugend gekifft zu haben.
Ebenso werden die vielen positiven Tests mit LSD und Psilocybin an psychisch Kranken in der Drogenaufklärung verschwiegen. Man ist bemüht, ein durchweg negatives Bild aufzuzeigen.