Die Neurobiologie des Glücks - Tobias Esch - E-Book

Die Neurobiologie des Glücks E-Book

Tobias Esch

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Beschreibung

Noch nicht gelesen? Sie haben Glück, der „Meilenstein für die Positive Psychologie in Deutschland“ (O-Ton Eckart von Hirschhausen), erscheint aufgrund großer Nachfrage in der 3. Auflage. Kann man Glück lernen, es trainieren oder ist Glück gesund? Der Autor zeigt, wie Glück in unserem Gehirn funktioniert und, wie positive Gefühle gegen Stress oder Depressionen helfen können. Dazu liefert Tobias Esch die wichtigsten Fakten und Anwendungen inklusive Selbstmanagement. In zahlreichen Beispielen und Übungen, von Meditation bis Selbstheilung, werden die Wege zum Glück aufgezeigt. Dieses Werk ist ein Glücksfall, denn es verbindet Grundlagen mit konkreten Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis.

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Seitenzahl: 508

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Die Neurobiologie des Glücks

Wie die Positive Psychologie die Medizin verändert

Tobias Esch

Mit Geleitworten von

Eckart von Hirschhausen und Gerald Hüther

3., unveränderte Auflage

32 Abbildungen

Georg Thieme Verlag Stuttgart • New York

Anschrift Prof. Dr. med. Tobias Esch Brandenburger Straße 34 14467 Potsdam

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage 20122. Auflage 2014

 

 

 

© 3. Auflage 2017 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart Deutschland Telefon: +49/(0)711/8931-0 Unsere Homepage: www.thieme.de

Printed in Germany

Zeichnungen: Karin Baum, Paphos, Zypern Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Redaktion: Dr. Doris Kliem, Urbach Satz: SOMMER media GmbH & Co. KG, Feuchtwangen gesetzt aus Arbortext APP-Desktop 9.1 Unicode M180 Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe

ISBN 978-3-13-241391-7         1 2 3 4 5 6

Auch erhältlich als E-Book:eISBN (PDF) 978-3-13-241392-4eISBN (ePub) 978-3-13-241393-1

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht.

Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

 

 

 

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Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Geleitwort zur 2. Auflage

Tobias Esch lernte ich kennen und schätzen auf einer Tagung über „Medizin und Meditation“. Mir imponierte von Anfang an die Kombination von einem unaufgeregten Wissenschaftler, der nichts behauptet, was man nicht gut belegen und begründen kann, und einem Visionär, der mit Herzblut und vollem Einsatz daran mitarbeitet, dass die Erkenntnisse der Psychologie und Neurobiologie der letzten 30 Jahre auch endlich Einzug halten in die ärztliche Versorgung.

Ein häufiges Missverständnis der Glücksdebatte lautet, positive Gefühle seien Privatsache und das Streben nach Glück sei womöglich egoistisch. Eines der für mich kuriosesten Ergebnisse der Meditationsforschung ist, dass eine scheinbar so einfache Übung, wie auf einem Kissen zu sitzen und seinen Atem zu beobachten, das Hirn und die Gefühle fundamental ändern kann. Von außen betrachtet wirkt es wie ein Rückzug von der Welt, ein fast autistischer Zustand der Abschottung von äußeren Reizen und Zusammenhängen. Sobald die Meditierenden aber ihre Augen wieder aufschlagen, sind sie viel mitfühlender mit ihren Mitmenschen als vor der Übung.

Alle Welt redet von Stress. Eine kleine kuriose Begebenheit mit Tobias Esch darf ich erzählen: Er fuhr mich von einer Veranstaltung noch nach Hause und wir waren in eifrige Diskussionen verstrickt, als er, nachts, auf menschenleerer Straße und ohne jemanden zu gefährden, noch „gerade“ über eine „dunkelgrüne“ Ampel fuhr. ZACK! Geblitzt! Ich wäre in seiner Situation ausgerastet, hätte lamentiert über die Niedertracht der Blitzer im Allgemeinen und die Unfehlbarkeit meiner persönlichen Fahrkünste im Besonderen. Nicht so Tobias Esch. Er führte seinen Gedanken ruhig und gelassen zu Ende, und erst einen halben Kilometer nach dem Ereignis sagte er: „Oh, ich wurde gerade geblitzt. Schiet!“ Und dann lachten wir beide und setzten unsere Diskussion fort.

Dieses Buch ist aus mindestens 3 Gründen jedem ärztlich, therapeutisch oder menschlich Tätigen sehr zu empfehlen. Es zeigt mit Liebe zum wissenschaftlichen Detail den großen Bogen von der molekularen Hirnforschung zum größeren Kontext der komplexen sozialen Interaktion. Es zeigt, warum Glück gesund ist und vor allem trainierbar. Und Tobias Esch betont wie kaum ein anderer Autor vor ihm den wichtigen Aspekt der persönlichen Reifung über verschiedene Lebensstadien. Was einem mit 20 als absolut erstrebenswert gilt, sollte etwas anderes sein als das, was man mit 40 anstrebt. Und mit 60 und 80 wünscht man jedem, auf andere Erfahrungen zurückzublicken als die, auf die man als 20-Jähriger scharf war. Gerade diese Perspektive des Glücks als Lebensaufgabe, als Indikator für eine gelungene Integration von äußeren Herausforderungen und innerer Reife, macht für mich deutlich, wie viel tiefer Tobias Esch die verschiedenen Dimensionen des Menschseins denkerisch durchdringt und zusammenbringt. Und daher ist das Projekt „Glück in der ärztlichen Praxis“ für jeden noch offen, denn um Patienten in diesem Prozess zu begleiten, müssen Ärzte die Ideen und Techniken z. B. der Achtsamkeit auch selbst verstanden und verinnerlicht haben.

Die praktischen Konsequenzen für die therapeutische Versorgung sind enorm. Es gilt, einen echten Paradigmenwechsel herbeizuführen – zumindest aber eine deutliche Erweiterung: weg von einem rein defizitorientierten „Reparaturbetrieb“, der vornehmlich in Kosten und Kennziffern denkt, hin zu einem Verständnis von Gesundheit, die im Alltag entsteht durch die Summe unserer täglichen Gedanken, Gefühle und Handlungen. Und unserer Beziehungen, denn Glück kommt selten allein. Haben Neurowissenschaftler lange Zeit nur die Verdrahtungen in einem Hirn versucht zu verstehen, gilt es nun, die komplexen Dynamiken der Hirne und Herzen im Miteinander besser zu verstehen. Warum ist Glück ansteckend und Einsamkeit auch? Was braucht es, um das eigene Leben als sinnerfüllt zu empfinden, unabhängig von der körperlichen Verfassung? Kann man Glück können?

Tobias Esch begegnet zu sein ist für mich ein echter „Glücksfall“. Denn es gibt in der deutschen Forscherszene kaum jemanden, der so fächerübergreifend denkt und lehrt. So konnten wir auch in einem ersten gemeinsamen Projekt meiner Stiftung „HUMOR HILFT HEILEN“ die Wirksamkeit eines Online-Glückstrainings an gestressten Call-Center-Mitarbeitern untersuchen. Die Ergebnisse sind gerade zur Publikation eingereicht und sie sind, so viel darf schon verraten werden, sehr ermutigend, weiter in die praktische Anwendung der Positiven Psychologie zu investieren.

Dieses Buch ist ein Meilenstein für die Positive Psychologie in Deutschland. Ich wünsche ihm in der 2. Auflage viele, viele Leser, die sich von dem Gedankenfeuerwerk begeistern und entzünden lassen, die Funken von Freude, Gelassenheit, Selbstfürsorge und Gemeinschaftssinn in jede Arztpraxis hinein sprühen zu lassen.

Dr. med. Eckart von Hirschhausen Berlin, im März 2013

Geleitwort zur 1. Auflage

Alle Wissenschaftsdisziplinen, auch die Medizin, entwickeln sich in einer Weise weiter, die der Fortbewegungsweise von Amöben gleicht. Neue Wege und neue Perspektiven für die Zukunft werden nicht im Zentrum gefunden, wo der Zellkern mit seinen bisher bewährten, in die Struktur der Chromosomen eingebetteten genetischen Programmen liegt. Das Neue beginnt außen, an der Peripherie, dort, wo die einzelne Zelle oder eben die jeweilige Disziplin mit der sie umgebenden Welt in Beziehung tritt. Aus diesen, sich suchend in die Welt vorstreckenden Fortsätzen mit ihren empfindlichen Sensoren kommen die Signale, die dann, im Fall der Amöbe, bis zum Zellkern weitergeleitet werden und die Expression neuer Gensequenzen anregen. Damit sich also innen etwas verändert, muss außen etwas Bedeutsames passieren.

Bei der Amöbe kann das etwas sein, das sie abstößt und zurückweichen lässt, weil es ihr Überleben bedroht. Für die Medizin wäre das beispielsweise der Kontakt mit Geistheilern und esoterischen Vorstellungen. Interessanter sowohl für Amöben wie auch für Gesundheitswissenschaftler ist die Begegnung mit etwas Neuem, das die Möglichkeit bietet, mit weniger Aufwand und gefahrloser als bisher zu überleben und die dazu erforderlichen Leistungen zu vollbringen.

Um das zu finden, strecken sie alle ihre Fühler aus, die Amöben in Form ihrer Fortsätze und die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen in Form ihrer verschiedenen Forschungsrichtungen. Und wenn dort ganz vorn etwas gefunden wird, das neue Perspektiven verspricht, dann bestimmt diese neue Entdeckung zwangsläufig die weitere Richtung, in der sich das ganze Gebilde nun auf den Weg macht.

In der Medizin des letzten Jahrhunderts waren das bedeutsame Entdeckungen der Ursachen und der Entstehung körperlicher und geistiger Erkrankungen und die Entwicklung immer effizienterer und spezifischerer Verfahren und Techniken zu deren Bekämpfung. Es war ein sehr erfolgreicher Weg, der nicht nur das Denken und Handeln aller Beteiligten, sondern auch die Strategien und die innere Organisation unseres Gesundheitssystems bis heute bestimmt hat.

Aber die Suche nach den Ursachen von Erkrankungen und nach immer effizienteren Therapieverfahren ist – um im Bild der Amöbe zu bleiben – eben nur ein Fortsatz, an dem entlang sich die Medizin entwickeln kann. Es gibt noch andere. Und einer von diesen anderen Fortsätzen leitet ebenfalls bereits seit einiger Zeit wichtige Signale in das Innere des medizinischen Systems weiter, die allerdings zu den dort im letzten Jahrhundert herausgeformten inneren Denk- und Organisationsstrukturen nur schwer durchdringen. Diese anderen Signalmuster kommen aus einer Forschungsrichtung, die nicht nach dem sucht, was Menschen krank macht, sondern nach dem, was sie gesund erhält bzw. ihre Fähigkeit stärkt, wieder gesund zu werden. Statt um Pathogenese geht es hier also um Salutogenese. Und die entscheidende Voraussetzung dafür, dass Menschen gesund bleiben und wieder gesund werden können, ist so banal, dass man sich nur darüber wundern kann, wie lange sie von der medizinischen Wissenschaft übersehen worden ist: Wer glücklich ist, wird seltener krank und schneller gesund.

Bezeichnenderweise waren es auch nicht so sehr Mediziner, sondern vor allem die Vertreter einer sehr erfolgreichen Psychotherapierichtung, der sog. Positiven Psychologie, die diesen banalen Umstand in den Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns gestellt und mit entsprechenden Untersuchungen wissenschaftlich nachgewiesen haben. Bedeutsame Rückenstärkung und nun auch experimentelle und theoretische Untermauerung erfuhr dieser Ansatz durch Befunde einer weiteren Disziplin, der Neurobiologie, die als echte Naturwissenschaft nun auch den Anspruch nach Objektivität und experimenteller Beweisbarkeit erfüllte.

So ließ sich inzwischen experimentell nachweisen, dass alle großen, von neuronalen Netzwerken in den älteren Bereichen gesteuerten, integrativen Regelsysteme, also das vegetative, das kardiovaskuläre, das neuroendokrine System und nicht zuletzt das Immunsystem, besser dafür sorgen können, dass ein Mensch gesund bleibt oder wieder gesund wird, wenn er glücklich ist. Diesen Zustand, der nicht erzeugt werden kann und der immer das Resultat einer subjektiven Bewertung ist, bildet offenbar die wichtigste Voraussetzung dafür, dass die im Organismus angelegten Selbstheilungskräfte eines Menschen optimal zur Entfaltung kommen. Wird dieser Zustand von Kohärenz gestört, fühlt sich ein Mensch also unglücklich, funktioniert dieses Selbstheilungsvermögen suboptimal.

So einfach das ist, so groß ist die Herausforderung, die diese banale Erkenntnis für unser gegenwärtiges, vom bisherigen Erfolg des anderen, des pathognostischen Fortsatzes geprägtes Gesundheitssystem bedeutet.

Aber wie eine Amöbe, so ist auch ein Gesundheitssystem oder eine medizinische Wissenschaftsdisziplin ein lebendes und damit sich selbst organisierendes System. Solche Systeme können zwar vorübergehend in erfolgsgebahnte Sackgassen geraten. Aber je weiter sie sich dabei in eine ganz bestimmte Richtung verrennen, desto schwieriger gestaltet sich ihr Überleben und desto sensibler wird ihre Wahrnehmung für all jene Signale, die aus einer anderen, für ihre Weiterentwicklung günstigeren Richtung kommen.

Diese, eine Neuausrichtung des gegenwärtigen Denkens und Handelns in der Medizin ermöglichenden Signale kommen zwar alle aus einer Richtung, aber sie sind als Einzelbefunde weit verstreut und in ihrer Vereinzelung oft auch nur von wenigen hörbar. Deshalb bin ich froh, dass sich Tobias Esch in diesem Buch in so akribischer Kleinarbeit darangemacht hat, all diese verstreuten Befunde zusammenzuführen und aus dieser Kakofonie von Signalen eine Sinfonie zu komponieren, die nun hoffentlich auch weithin gefälliges Gehör findet.

Wie schnell sie einen Richtungswechsel unseres medizinischen Systems in Gang bringt, lässt sich nicht genau sagen. Aber dass sie diesen Richtungswechsel einläutet, ist gewiss.

Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Gerald Hüther Göttingen, im Juni 2011

Vorwort zur 2. Auflage

Das „Glücksthema“ hat sich noch nicht überlebt, wie Sie sehen – immer noch nicht! Ich muss zugeben, dass es mich selbst etwas überrascht, mit welchem Interesse die 1. Auflage meines Buches aufgenommen worden ist, gerade in der Fachwelt, sodass ich schon gleich eine 2. Auflage auf den Weg bringen soll – besser: darf.

Nicht nur die Forschungslandschaft und die wissenschaftliche Erkenntnis ändern sich ständig, sondern – und das freut mich sehr – auch die Einschätzung einer Bedeutsamkeit der in diesem Buch dargelegten Themen. Sie nimmt offenbar weiter zu und trägt zunehmend „Früchte“, auch hierzulande. Und weil sich vieles so schnell ändert, habe ich mich entschlossen, eine vollständige Überarbeitung und Aktualisierung meines Buches vorzunehmen: Die Auflage, die Sie hiermit in den Händen halten, darf abermals als Versuch angesehen werden, alle wichtigen Strömungen und aktuellen Erkenntnisse rund um das Glück aus Sicht von Neurobiologie und Positiver Psychologie – mit Relevanz für die Medizin, aber auch für den therapeutischen, seelsorgerischen oder gesundheitspädagogischen Bereich – zusammenzufassen. Selbstverständlich erhebt es dabei weiterhin nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, wohl aber auf Anerkennung eines ernsthaften Bemühens um Ausgewogenheit, Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit.

Wie ich schon im Vorwort zur 1. Auflage schrieb (und dies gilt noch heute), möchte ich mit diesem Buch niemanden „überreden“. Zu was eigentlich? Dieses Buch hat keine „Agenda“, vielmehr soll es Anstoß geben und Einblicke gewähren, Verknüpfungen ermöglichen, auch Kritik, d. h. einen produktiven Diskurs befördern. Der findet jetzt statt, vielerorts, und das begrüße auch ich sehr. Dabei darf man den Einfluss dieses Buches sicher nicht überbewerten. Aber ich muss gestehen, doch recht angetan gewesen zu sein, als ich in diesem Kontext las, dass das Bundesgesundheitsministerium in seiner Beschreibung der Eckpunkte für eine künftige deutsche Präventionsstrategie Ende 2012 das „erfüllte“ und „glückliche Leben“ (und die Gesundheit als Voraussetzung dafür) als das primäre Ziel herausstellte. Das wäre genau auch meine „Stoßrichtung“ gewesen: das erfüllte Leben nicht als eine abstruse Fantasie, mehr poetisch, philosophisch oder romantisch denn handlungsorientiert, sondern als eine konkrete Proklamation – und sei es auch nur als Ziel oder Richtung – einer medizinischen Gesamtstrategie, jetzt hinsichtlich der Bemühungen im Rahmen einer konkreten, ganzheitlichen und modernen Prävention. Damit wird deutlich, dass das Thema allmählich – zum Glück – aus dem Bereich der grundsatzpolitischen, lebensanschaulichen und klassenkämpferischen Dichotomien und Dogmen herausgewachsen ist und in den Fokus realwissenschaftlicher, -politischer und medizinischer Überlegungen und Diskussionen gerät. Und das ist gut so: Wer weiß, was am Ende von dem Thema und seiner medizinischen Relevanz in den konkreten Lebenswelten der Menschen und in Interventionen ankommt, aber die seriöse Auseinandersetzung damit hat zweifellos begonnen.

Wenn es also eine Intention beim Schreiben dieses Buches gegeben hat, dann jene. An sich könnte ich mich an dieser Stelle zurücknehmen und „abseitsstellen“. Was ich vielleicht auch täte, wenn nicht einerseits schon unsere eigenen Interventionsstudien so viele neue interessante und weiterführende Aspekte (auch Fragen!) aufwerfen würden und andererseits der Erfolg dieses Buches auch ein enges „Dranbleiben“ erforderte.

Zwei Fragen sind in den Diskussionen zu meinem Buch besonders häufig angesprochen worden: Kann man Glück lernen, es „trainieren“? Und: Ist Glück „gesund“? Als Gegenthese: Glück wird in der Gesellschaft bzw. durch die Strukturen und Verhältnisse erzeugt (auch das Unglück); kann da der Einzelne überhaupt etwas ausrichten? Ist in jenem Kontext die „Positive Psychologie“ nicht eine Augenwischerei und behindert vielleicht den äußeren Wandel, ist sie in diesem Sinne gar „gefährlich“? Ich will nicht im Vorwort schon alles zu dieser Frage und zu meinem Versuch einer Beantwortung bzw. Einordnung vorwegnehmen. Nur so viel: Ja, Glück kann man innerhalb gewisser Grenzen, die auch von den Genen, der Persönlichkeit, den Verhältnissen und äußeren Umständen bestimmt werden, lernen und „stärken“. Dies wäre aber kein Selbstbetrug oder das Aufsetzen einer „rosaroten Brille“, denn beide Bereiche der „Glücksfrage“ können – und sollten vielleicht – zunächst unabhängig voneinander betrachtet werden. Ungerechtigkeiten im Außen verschwinden sicher nicht, wenn man „einfach“ lernt, beispielsweise „positiver“ zu kommunizieren. Andererseits hilft aber eine Opferrolle angesichts äußerlicher Missstände auch nicht automatisch weiter bzw. kann sogar ungesund sein, die Regulationsfähigkeit einschränken: Wenn man beispielsweise aufgrund struktureller Missstände – sich dabei ständig grämend oder „ohnmächtig ausgesetzt“ fühlend, ohne Gestaltungsrahmen – eine stressassoziierte Erkrankung bekommt (so steigt u.a. nachweislich das Herzinfarktrisiko in einer solchen Situation), die man mit gestärkter Stressresilienz (welche man durchaus trainieren kann) evtl. hätte besser kontrollieren oder gar verhindern können, dann nutzt das einem selbst am wenigsten. Aber auch der anderen, der gemeinsamen Sache hilft es nicht. Es geht also eher um ein „Sowohl-als-auch“, nicht um das gegenseitige Ausspielen für sich durchaus wichtiger und wohlbegründeter Ansätze.

Wie im Buch mehrfach dargelegt: Das Glück ist auch politisch, aber eben nicht nur. Es anerkennt nicht die einfachen Linien und „Gräben“ in unseren Köpfen – Glück ist komplex, tief und doch, wie Sie lesen werden, einfach zugleich. Es folgt beispielsweise klaren biologischen Prinzipien. Und es wirkt sich auch medizinisch aus. Folglich kann man auch die 2. Frage nach der medizinischen Bedeutsamkeit des Glücks, ob es nun „gesund“ sei, mit einem klaren „Jein“ beantworten. So wie auch bei der Trainierbarkeit von Glück Anteile vorhanden sind, auf die wir wenig Einfluss haben und die wir, zumal allein, kaum beeinflussen können, so ist Glück sicher nicht das „Wundermittel“ zur „Wunderheilung“ oder stellt gar die Medizin insgesamt auf den Prüfstand. Wenn überhaupt, dann erweitert es unser medizinisches Verständnis – z. B. um Aspekte der Selbstheilung, Selbstregulation und „Potenzialentfaltung“, aber auch des gemeinsamen „gesunden Umgangs“ miteinander oder eines „Erblühens“ von Gesellschaften und Wirtschaftsräumen – und kann in diesem Kontext sehr wohl relevante Auswirkungen auf das Gesundheitsverständnis und zuweilen, ja, auch auf Gesundheit und Lebenserwartung haben. Und das sind im Gesundheitswesen harte Währungen, keine „Peanuts“. Was wir alle damit gemeinsam anfangen, kann ich nicht sagen, aber wissen sollten wir darum.

Hinzu kommt: Glück ist, wissenschaftlich betrachtet, „interdisziplinär“. Es verlangt uns auch ein Einbeziehen der Sichtweisen anderer ab. Das kann anstrengend sein: Inter- und Multidisziplinarität sind mitunter mühsam und schwierig, und sie werden auch in einer sich zunehmend verästelnden Wissenschaftswelt nicht immer befördert. Wenn sie entstehen, können zugleich Missverständnisse und Abwehr erwachsen. Dabei sollte es dann nicht um Schuld, Schuldzuweisungen, Zwang oder eine Verzerrung der Wirklichkeit gehen: nicht untereinander und nicht gegenüber unseren Patienten, Klienten, Kunden usw., aber auch nicht gegenüber den einzelnen Ansätzen oder gar ganzen Disziplinen – sofern sie sich dem Diskurs und z. B. einer wissenschaftlichen Überprüfbarkeit offen stellen! Und so freut es mich, dass dieses Buch in der Erstauflage viel Aufmerksamkeit, Lob und auch Kritik bekommen hat. Als besonders erfreulich empfand ich dabei, dass bei allen inhaltlich begründeten – oder auch weniger begründeten – Fragen und Diskursen ein Vorwurf der „Unwissenschaftlichkeit“ nicht heraustönte. Das freut mich insofern, als dass sich der nicht unerhebliche Aufwand, akribisch und über viele Jahre hinweg weit über 1000 Primärstudien und wissenschaftliche Quellen auszuwerten, und die Art und Weise, sie hier einfließen zu lassen, gelohnt zu haben scheinen. Auch wurde der implizite Hinweis („Literatur beim Verfasser“) von Fachkollegen aufgenommen, und es haben sich sehr fruchtbare Wissenschaftsdialoge und Anschlussforschungen ergeben. Ein wirklich spannendes Feld: Dafür und auch für so viele weitere interessante Anregungen meinen herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen!

Dieses Buch ist kein Manifest und schon gar nicht der Weisheit (Wissenschaft) „letzter Schluss“. Es fasst lediglich den Zwischenstand zu einem hochaktuellen und medizinisch relevanten Thema zusammen. Wahrscheinlich ist vieles davon in einigen Jahren überholt. So ist Wissenschaft. Manch einem Leser der Erstauflage war das Geschriebene dabei zu „einfach“, manch einem zu wissenschaftlich oder zu „fachlich“. Vielleicht ist das ein Zeichen, doch die „richtige Mischung“ gefunden zu haben. Dennoch habe ich mich darum bemüht, die Neuauflage etwas abzurunden, auch zu straffen, ohne dabei die beschriebene Mitte bzw. postulierte Ausgewogenheit zu verlieren. Es würde mich freuen, wenn es dieserart gelungen sein sollte, die „Zugangsschwelle“ zu dem Buch etwas niedriger zu gestalten, was sich auch im neuen Layout und in der Preisgestaltung ausdrücken soll – nicht um vordergründig den Absatz zu erhöhen, sondern um die Zielgruppen dieses Buches und damit des Diskurses dezent zu erweitern, weil ich glaube, dass das Thema inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist – es ist „alltagsrelevant“.

Abschließend möchte ich noch einmal herausstellen, dass eine zentrale These meines Buches ist, dass man Glück im zeitlichen, auch lebensgeschichtlichen Zusammenhang sehen muss. Die Biologie lehrt uns hier, dass das Glück der Jugend ein anderes ist als das Glück (die mögliche Zufriedenheit) der späteren Lebensphasen. Es geht hier auch um Reifungs- und Transformationsprozesse und die analogen neurobiologischen Korrelate. Das wird im Buch ausführlich erklärt und erörtert. Ein Problem dieses Ansatzes und „Modells“ ist seine komplexe und mitunter schwierige Überprüfbarkeit im „freien Feld“, d. h. in Echtzeit, jenseits von Labor und wissenschaftlichem Experiment. Ob die gelegentlich eingeflochtenen Ableitungen daher unzulässig sind, mögen Sie entscheiden. Überall dort, wo ich in meiner Argumentation den „sicheren Boden“ bewusst und begründet verlasse, weil ich z.B. Bezüge herstelle und Brücken zu anderen Ansätzen und Disziplinen baue, habe ich das im Text explizit mit dem Hinweis auf die Modellhaftigkeit oder evtl. einen „spekulativen Charakter“ kenntlich gemacht. So sollten Sie jederzeit in der Lage sein, meinen Gedanken zu folgen, aber auch zu wissen, wo sie sich gerade befinden.

Fest steht für mich inzwischen, dass Glück weniger zufällig und schicksalhaft ist als oft angenommen. Natürlich hängt es auch vom jeweiligen Glücksverständnis und seiner Definition ab, aber: Die These einer prinzipiellen Beeinflussbarkeit von Glück, d. h. vom Glückserleben und den individuellen Konsequenzen daraus, ist nicht aus der Luft gegriffen. Sie ist vielmehr Ergebnis jahrzehntelanger internationaler Wissenschaft im gefragten Gebiet, von unzähligen, inter- und multidisziplinären Forschungsgruppen, Kolleginnen und Kollegen. Dabei stechen Psychologie und Neurowissenschaft heraus: Begriffe wie Achtsamkeit, Interozeption und Körpergewahrsein, aber auch Mustererkennung (Pattern Recognition), „Fehlerreduktion“, Stressreduktion, Aufmerksamkeits- und Emotionskontrolle, Körpergefühl, Selbstregulation und Selbstreferenz, Lernen und Gedächtnisbildung, Wachstum, Anpassung und Plastizität und vieles mehr – sie alle haben etwas mit dem Glück, mit innerer Belohnung und vor allem mit Motivation zu tun und sind am Ende nicht ohne Konsequenz für die Medizin und das Gesundheitswesen. Wie stellt Richard Davidson, einer der international angesehensten Neuro- und Kognitionswissenschaftler im gefragten Gebiet, fest: „Das Gehirn wird verändert, ist geschaffen worden und adaptiert, durch Erfahrung. Gehirn und Körper sind zweifellos untrennbar miteinander verbunden und man kann über Erfahrungen und Verhaltensweisen – über ‚neuronal-inspirierte Verhaltensinterventionen‘ – aktiv Einfluss nehmen. Fraglos gibt es einen Zusammenhang zwischen Verhalten, dem Gehirn und der Gesundheit: Gesundheit und Stressresilienz sind exekutive Funktionen und maßgeblich geprägt bzw. erzeugt vom Gehirn. […] Glückliche Menschen sind gesünder.“1

Vielleicht ist es einen Versuch wert.

Prof. Dr. med. Tobias Esch Coburg, im April 2013

Vorwort zur 1. Auflage (Auszug)

Nicht noch ein Glücksbuch! Haben Sie das auch gedacht, als Sie dieses Buch zum ersten Mal sahen? Und doch halten Sie es jetzt in den Händen und lesen dieses Vorwort. Irgendetwas hat Ihr Interesse geweckt? Was auch immer: Glück (oder das Versprechen davon) fasziniert uns, zieht uns „magisch“ an – viele von uns jedenfalls.

Wir Menschen wollen glücklich sein. Mitunter auf unterschiedlichen Wegen und auf verschiedene Arten und Weisen, aber biologisch sind wir alle dafür gemacht, angenehme Gefühlszustände herbeizuführen und unangenehme zu vermeiden. Schlicht und einfach. Unser Gehirn beispielsweise besitzt eigens dafür ein ausgeklügeltes System endogener Motivations- und Belohnungs- bzw. Vermeidungsmechanismen. Seine biologische Aufgabe ist sicher nicht, dass wir selbstgefällig unseren eigenen „hedonistischen Trieben“ nachgehen, isoliert und ohne den „Blick auf das Ganze“ – wir alle haben schließlich eine übergeordnete biologische Funktion.

Haben Sie sich schon einmal genauer mit dem Thema auseinandergesetzt? Sind Sie in der Lage, neben einer persönlichen Meinung auch ein fachliches Urteil abzugeben?

Dieses Buch bemüht sich darum, eine Belehrungs- oder Besserwisserattitüde zu vermeiden. Es möchte Ihnen in einem Buch all das vermitteln, was die aktuelle Wissenschaft rund um Glück und Lebenszufriedenheit herausgefunden hat, und zusätzlich Informationen bereithalten, die evtl. hilfreich sein könnten, damit Sie jenes Wissen einordnen und anwenden können. Am Ende aber mögen Sie für sich selbst Schlussfolgerungen ziehen, die mit Ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung im Einklang stehen und die für Sie ganz persönlich Sinn ergeben. Es ist nicht mein Ziel, Sie zu überzeugen oder gar „Recht“ zu behalten. Schon der Volksmund fragt: Willst Du glücklich sein oder Recht haben?

Es ist alles eine Frage des Standpunkts. Und so werden Sie beim Weiterlesen vielleicht daran erinnert, dass jeder – auf seine Weise, ein bisschen zumindest – Recht haben könnte. Schwarz-Weiß-Malerei dient zwar manchmal dem unmittelbaren Verständnis oder der Anschauung, langfristig jedoch führt sie evtl. zu künstlicher Abgrenzung, stockendem Fortschritt und gelegentlich gar zu Unglück. In der Wissenschaft kann das heißen: Es existieren unterschiedliche Wahrheitsbegriffe, Methoden und Paradigmen. Ohne ein Verständnis füreinander werden wir uns nur weiter in Grabenkämpfe verstricken und sinnvolle Energien und Ressourcen verschenken.

Aber: Wissenschaftlich sollte es schon sein! Wir dürfen nicht nur behaupten, sondern wir müssen auch belegen. Das sind wir den Mitmenschen, dem Gesundheitssystem und der Wissenschaft als solcher schuldig, genauso erwartet man es von uns – richtig! Dabei geht es nicht allein um das vermeintlich „Richtige“, sondern vor allem um die Diskussion darüber. Und jene setzt voraus, dass wir uns gegenseitig zuhören und auch eine gemeinsame Sprache finden, was schon schwer genug ist. So sollten sich vielleicht alle Disziplinen mehr um eine grundsätzliche – zumindest sprachliche – Anschlussfähigkeit bemühen. Dieses Buch versucht das auch.

Wir erleben heute, dass es vielleicht gar nicht mehr um den oft prophezeiten „Paradigmenwechsel“ in Medizin und Gesundheitswissenschaften geht, sondern vielmehr um die Erweiterung des Wissenschaftsverständnisses, ggf. auch um die Integration von „altem“ Wissen, von mitunter lange Bekanntem oder gar „Banalem“, damit eine Synthese von Naturwissenschaft und bestmöglicher Evidenz mit einer lebensnahen Praxis- oder Therapiewissenschaft realisiert wird: zum Wohle unserer Patienten und unserer selbst. Auf diese Weise entsteht vielleicht eine moderne und integrale Heilkunst, in der jeder Arzt, Psychologe und Therapeut auch als Mensch agieren kann und selbst wahrgenommen wird.

Bleibt am Ende noch ein technischer Hinweis: Sie haben vielleicht schon gemerkt, dass ich in diesem Buch der einfacheren Lesbarkeit halber die männliche Form für Arzt/Ärzte, Psychologe/Psychologen, Patient/Patienten usw. verwende – natürlich sind, wenn nicht anders angegeben, immer beide Geschlechter gemeint!

Neugierig? Lassen Sie sich überraschen.

Prof. Dr. med. Tobias Esch Potsdam, im Juni 2011

Danksagung

Ich danke meiner lieben Familie, meiner Frau und den Kindern, dass sie mir das Schreiben dieses Buches ermöglicht haben, es die ganze Zeit mit ge- und ertragen haben und fortwährende Quelle der Freude und Inspiration für mich waren und sind. Mein Dank gilt meinem Vater, der mir immer ein Vorbild war, als Mensch und als Arzt, und der mir gezeigt hat, dass Zufriedenheit nicht langweilig und lebensfremd sein muss – und welche Potenziale auch der Haltung und des Erduldens in uns allen schlummern. Leider konnte ich dieses Buch mit ihm nicht mehr besprechen. Ich danke auch meiner Mutter, weil auch sie immer an mich geglaubt hat und mich dennoch, von Zeit zu Zeit, auf den Hosenboden setzte. Das war sicher nicht immer ganz verkehrt. Lieben Dank auch für die hilfreiche Kommentierung der Erstauflage!

Ich danke auch meinen Studierenden, die manchmal (unwissentlich?) zu Beobachtungs- und Versuchsobjekten wurden. Ich hoffe, dass es sich auch für sie am Ende gelohnt hat. Das würde mich freuen.

Ich danke George Stefano an der State University von New York, Herbert Benson an der Harvard Medical School und Gustav Dobos an der Universität Duisburg-Essen – meinen Lehrern, Förderern und Kollegen, die mir gezeigt haben, dass die Idee einer echten und aufrichtigen Vernetzung oder gar einer „Integralität“, d. h. Durchlässigkeit und gegenseitigen Befruchtung, von therapeutischem, medizinischem und naturwissenschaftlichem Wissen (und Handeln), auch im Kontext der Salutogenese, theoretisch möglich und begründbar ist. Von den Patienten zu den Molekülen und zurück: Molekulare Prozesse sind eben auch Grundlage von Gesundheit, nicht nur von Krankheit. Die Mind-Body-Medizin oder auch die Integrative Medizin haben jenen Weg vorgezeichnet; ob seine Nachzeichnung und Konkretisierung mir in diesem Buch tatsächlich gelungen ist, mögen Sie als Leser beurteilen.

Ich danke Jon Kabat-Zinn. 1994 stieß ich in Malaysia in einer Ausnahmesituation erstmals auf ihn und seine Vorstellungen zur Verbindung von Achtsamkeit und Medizin. Mehrere persönliche Begegnungen folgten und haben seitdem meinen Blick auf das, was möglich ist, auch in jedem einzelnen Arzt und Therapeuten, radikal verändert.

Ich danke Gerald Hüther, dessen „Einwürfe“ seit Jahren für mich Begleiter, Inspiration und Ermutigung sind. Ich danke ihm auch für die freundschaftlichen und persönlichen Ratschläge, die ich ab und zu bekomme und die mir zuweilen als Leitplanken dienen. Und natürlich danke ich für das wunderbare Geleitwort!

Ein besonderer Dank zum Abschluss geht an Eckart von Hirschhausen. Ohne ihn würde es dieses Buch nicht geben: Die Idee, seinem populärwissenschaftlichen Werk („Glück kommt selten allein“) ein fachwissenschaftliches an die Seite zu stellen, entstand bei einem gemeinsamen Spaziergang – und all die Jahre blieb er „Sparringspartner“. Das war für beide Seiten sicher nicht immer leicht, aber am Ende, so glaube ich, hat es dem Buch gutgetan. Auch Dir, lieber Eckart, danke ich für das persönliche und sehr schöne Geleitwort zur Neuauflage – und insbesondere für Deine Freundschaft!

Inhaltsverzeichnis

1  Einleitung

2  Warum dieses Buch?

3  Um ganz ehrlich zu sein …

4  Zwischenfazit und Bedienungsanleitung

5  Der dreibeinige Stuhl oder warum es das Glück in der Medizin so schwer hat(-te)

6  Sind Medizin und Psychologie Wissenschaften? Und was hat diese Frage mit dem Glück zu tun?

7  Am Ort des Geschehens: eine kleine Hirnkunde

7.1 Grundlagen

7.2 Die Teile des Gehirns und was sie tun

7.3 Was nehmen wir mit aus Funktion, Bauplan und Plastizität des Gehirns? .

8  Die Neurobiologie des Glücks

8.1 Motivation und endogene Belohnung

8.2 Flow, Gemeinschaft und Glück

8.3 Was nehmen wir mit aus der Neurobiologie von Motivation, Belohnung und Flow?

9  Was ist Glück? Eine medizinisch-praktische Annäherung

10  Was macht Ärzte und Therapeuten glücklich?

10.1 Kohärenz und Präsenz: der achtsame Arzt

10.2 Empathie und Altruismus: der soziale Arzt

11  Positive Psychologie und Glück in der eigenen Praxis

12  Anwendungsbeispiele für ausgewählte Indikationen

13  Anhang

13.1 Praktische Meditationsanleitung

13.2 Stressmanagement

13.3 Quellennachweise

13.4 Literatur

13.5 Adressen und Links

13.6 Sach- und Personenregister

 

 

 

 

„All jene in der Welt,die unglücklich sind,sind so,weil sie nach dem eigenen Glück streben.

All jene in der Welt,die glücklich sind,sind so,weil sie auf der Suchenach dem Glück der anderen sind.“

(John Dunne)

1Einleitung

„Es ist unser unausweichliches Recht als menschliche Wesen,ein glückliches Leben und eine glückliche Zukunft zuerlangen.“(Tendzin Gyatsho, 14. Dalai Lama)

Sind Sie glücklich? Wann waren Sie es zuletzt? Wie kam es dazu? Erleben Sie Glück auch, ja, vielleicht gerade, in Ihrem Beruf?

Die Arbeit mit Menschen empfinden Sie als Bereicherung? Ihre Patienten, Klienten, Kunden, Mitmenschen profitieren davon, was Sie wiederum berührt und erfüllt? Sie haben ein Verständnis für Ihren eigenen Anteil, Ihren Einfluss auf mögliche Wege zum Glücklichsein und können sich und Ihren Mitmenschen jenes Wissen nutzbar machen?

Wenn Sie diese Fragen für sich befriedigend beantworten oder kurzerhand bejahen können, dann bräuchten Sie eigentlich nicht weiterzulesen, es sei denn, Sie möchten Ihre Kenntnisse vertiefen, mit einigen wissenschaftlichen Fakten, Tipps und praktischen Tricks anreichern – oder einfach nur Bestätigung für Ihre Arbeit finden.

Fällt Ihnen die Antwort auf die oben gestellten Fragen jedoch nicht so leicht oder fällt sie unbefriedigend für Sie aus, dann könnte dieses Buch genau das Richtige für Sie sein. Probieren Sie es aus!

2Warum dieses Buch?

Es ist schon komisch mit diesem Arzt- und Therapeutenberuf. Einerseits soll das Sichkümmern um andere Menschen der direkte Weg zur Glückseligkeit sein, andererseits sitzen Ärzte und Therapeuten – die vermeintlichen „Kümmerer“ selbst – zuhauf, so könnte man meinen, in psychiatrischen Kliniken und psychosomatischen Praxen, um (und das ist leider wirklich so) in zunehmendem Maße ihr Burn-out, ein chronisches Unglück, ihre Lebenskrise oder Sucht, das Ich-komme-einfach-nicht-mehr-klar-Syndrom oder schlicht eine „banale“ Depression behandeln zu lassen. Oder man wartet auf eine Spontanremission und macht so weiter wie bisher, nur schlechter. Oder man therapiert sich mithilfe ärztlicher Muster selbst oder nutzt andere medizinische und nicht medizinische Hilfsmittel, mit und ohne Erfolg. Ähnliches gilt, so scheint es, für die Seelsorger in anderen professionellen Gewändern.

Warum also kann man das Glück, das doch so nah und selbstverständlich scheint, beruflich nicht erzwingen, wieso kommt es nicht von allein?

►Glück – so nah und doch so fern Schon der Volksmund sagt: „Wahres Glück kommt von innen.“ Gilt das auch für Ärzte, Psychologen und/oder Therapeuten? Ist nicht der Patient der eigentliche Schlüssel zum Glück? Und falls ja, warum macht die Arbeit mit ihm mich manchmal unglücklich? Warum begegne ich ihm – oder er mir – zunehmend mit Feindseligkeit? Und erst die Gesundheitspolitik …! Ich habe mein Studium doch auch angetreten, „weil ich anderen helfen wollte“, Freude an den Menschen und ihren Geschichten hatte. Und nun das. Der materielle Verdienst hält jetzt als Ersatz und „Schmerzensgeld“ für entgangene innere Belohnung oder äußerlich verursachten Kummer her. Ist die Bezahlung dafür üppig genug? Geht das noch lange gut?

►Moderne Glücksforschung Die moderne Glücksforschung sagt uns tatsächlich, dass mehr Einkommen bis zu einer gewissen Grenze auch mehr Glück bedeuten kann. Geld und Verdienst als Glücksboten, nicht endogene Botenstoffe und intrinsische Belohnung: Weltweit wird heute angenommen, dass bis zu einem Durchschnittseinkommen von etwa 15000–20000 US-Dollar pro Jahr und Kopf ein unmittelbarer, fast linearer Zusammenhang zwischen Geld und Glücklichsein besteht. Dabei gibt es durchaus Unterschiede, die vom politischen System, dem soziokulturellen Gefüge (der Befindlichkeit), ja, sogar von klimatischen Verhältnissen abhängen. Aber die stellen diese enge Korrelation nicht grundsätzlich infrage.

In den USA, so berichteten im Herbst 2010 der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und sein Kollege, Ökonom Angus Deaton von der Princeton University, nach Auswertung von über 450000 Fragebögen, tritt spätestens ab einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 75000 US-Dollar ein Sättigungseffekt ein. Diese einfache Interpretation ist heute umstritten, aber oberhalb dieses Einkommens führt ein weiterer Zuwachs wohl nicht mehr automatisch zu einem erhöhten Glücksgefühl. Höchstens die Zufriedenheit im Sinne des subjektiven Abgesichertseins und Unabhängigseins nimmt möglicherweise noch weiter zu, was sicher nicht zu verachten ist. Aber das emotionale Wohlbefinden scheint zu stagnieren. Und die Entkopplung des Glücksgefühls von den Einkünften findet, wie gesehen, schon bei weit geringerem Jahreseinkommen statt. Irgendwo zwischen 15000 und 75000 US-Dollar wird das Glück also abgehängt und bleibt auf der Strecke. Zu dumm, dass wir in Mitteleuropa, insbesondere auch in Deutschland, Krisen hin oder her, im Durchschnitt über den genannten Einkommensgrenzen liegen. Es müssen also andere Faktoren herhalten, um unser Glück weiter zu mehren. Nicht nur in fernen buddhistischen Ländern (z. B. im Königreich Bhutan), sondern gar im Herzen Europas (z. B. in Großbritannien) werden heute daher von offizieller Seite Glücksindikatoren und Wohlfühlfaktoren gemessen und den klassischen volkswirtschaftlichen Erhebungsinstrumenten für das gesellschaftliche Wohlergehen und den Fortschritt an die Seite gestellt. Der britische Premierminister David Cameron zitierte in diesem Zusammenhang im Herbst 2010 zur Begründung aus einer 40 Jahre alten Rede von Robert Kennedy: „Das Bruttoinlandsprodukt misst nicht die Gesundheit unserer Kinder, die Qualität ihrer Erziehung, die Freude, die sie beim Spielen haben. Es misst nicht unsere Weisheit, unsere Bildung, unser Mitgefühl und unsere Vaterlandsliebe. Es misst alles, außer dem, was das Leben lebenswert macht.“

Hätten Sie gewusst, dass die glücklichsten Menschen weltweit, laut der Universität Rotterdam, in Costa Rica leben (Platz 1), gefolgt von Dänemark und Island (Plätze 2 und 3) sowie Kanada und der Schweiz (gemeinsam auf Platz 4 und 5)? Deutschland befindet sich auf Platz 22. Trotz methodischer Schwächen solcher Untersuchungen scheint eine wesentliche Bedingung für eine glückliche Bevölkerung zu sein, dass ein minimaler Wohlstand (s. oben) gegeben sein muss, gekoppelt an eine geringe soziale Ungleichheit. Das heißt, die Einkommensunterschiede zwischen „oben“ und „unten“ sind nicht so gravierend, die Einkommensschere ist nicht so weit geöffnet und ein Aufstieg bzw. eine Durchlässigkeit ist grundsätzlich möglich – es besteht eine „gefühlte“ Chancengleichheit.

Spannend also, wenn die genannte Einkommensgrenze überschritten wird – dann führt mehr Geld, d. h. mehr Wohlstand, nicht automatisch zu mehr Wohlbefinden; die Korrelation zwischen Durchschnittseinkommen und allgemeiner Zufriedenheit ist aufgehoben. Natürlich muss man unterscheiden zwischen ganzen Bevölkerungen einerseits und Individuen andererseits, und was statistisch für ein ganzes Land gilt, muss für den Einzelnen nicht zutreffen. Wir sprechen daher ja auch von „Durchschnitt“! Und dennoch finden wir hier vielleicht einen wichtigen Wegweiser auch zu unserem eigenen Glück. Das haben wir doch irgendwie auch immer schon gewusst: „Geld allein macht nicht glücklich.“ Ein wenig davon schadet allerdings nicht. Aber was macht denn nun glücklich? Was ist überhaupt Glück und wie kann man es erreichen?

►Glück ist … Glück ist offenbar, wie eine einfache Befragung auf der Straße in Deutschland ergibt, so etwas wie „Liebe“ und „Zufriedenheit, tief drinnen“, „jemandem helfen zu können“, auch „Nächstenliebe zu zeigen“ oder einfach, „wenn man mit der Freundin ist“ bzw. „wenn man alles hat, was man braucht“, d. h. „kein Streben nach Geld mehr im Vordergrund steht, sondern man den eigenen Weg gehen kann, nicht immer mehr haben wollen muss, einfach bei sich sein kann“ oder „genau richtig ist“. Und nicht zuletzt: „der 1. Schrei meines Kindes“!

Die Glücksforschung könnte also Recht haben. Geld und Reichtum per se machen nicht glücklich, wohl aber das soziale Zusammengehören, das Helfen, insbesondere Menschen, die in Not sind, in der Fachsprache auch prosoziales Verhalten genannt oder Altruismus und Mitgefühl – oder eben Liebe. Glücklich macht das Gefühl, gebraucht zu werden. Wie nennt es einer der Befragten: „Glück ist ein inneres Lächeln, eine Intuition, eine innere Stimme, die mich in die Freiheit leitet, dahin, etwas Wichtiges und Richtiges zu tun.“ Haben wir alle eine solche innere Stimme? Und wenn ja, warum sind wir schwerhörig geworden?

►Gewöhnungseffektund Konkurrenzneid Die Wissenschaft vom Glück kann einige Dinge zu Erhellung dieser Fragen beitragen. So wird beispielsweise die Gesundheit (auch die Gene) als eine Voraussetzung für das Glück gesehen. Gesundheit jedoch kann man sich nur bis zu einer gewissen Grenze kaufen; sie hängt auch von den Lebensverhältnissen, aber eben auch vom individuellen Verhalten ab: Ich selbst habe etwas mit meiner Gesundheit zu tun. So können materielle, äußerliche Dinge oftmals wichtige Determinanten und Rahmenbedingungen von Glück wie von Gesundheit gleichermaßen sein, gewissermaßen die Voraussetzungen dafür, aber sie allein können nicht, zumindest nicht dauerhaft, glücklich machen. Das liegt u.a. am Gewöhnungseffekt. Dinge, die uns gestern noch als Glücksbringer erschienen, ja, vielleicht wirklich glücklich machten, wie z. B. Belohnungen, Beförderungen, Incentives, auch mehr Lohn oder materielle Boni können dazugehören, ebenso Weltmeistertitel (der eigenen Nationalmannschaft), selbst ein Lottogewinn oder die erfolgreiche Facharztprüfung von letzter Woche, werden von uns morgen oder übermorgen schon als gegeben bzw. als Status quo (und nicht mehr als Erfolg) erlebt, d. h. ab jetzt vorausgesetzt, weswegen der anfängliche Glücksgewinn langsam aus unserem Fokus verschwindet. Es gibt zwar deutliche Unterschiede – und darauf werden wir noch ausführlicher zurückkommen – zwischen dem Glück, für das ich hart arbeiten musste, das ich mir quasi „verdient“ habe, und dem, das mir eher zufällig „in den Schoß gefallen“ ist. Aber irgendwann spüren wir dieses kribbelige Gefühl nicht mehr.

Hinzu kommt, dass wir uns vergleichen, fortwährend. Das kann durchaus Ansporn und positive Motivation sein; wird es jedoch zur Haltung oder gar zum Zwang, dann ist das der beste Weg ins Unglück: „Ich kann mich an dem Erreichten oder Geschenkten nicht mehr freuen“, denn der Blick zum nächsten oder übernächsten Kollegen verrät, dass sein Rasen grüner oder sein Auto schneller ist, seine Praxis besser läuft, er die interessanteren Patienten oder mehr Privatzahler hat usw., „und überhaupt, eine Vertretung wegen Krankheit hat der noch nie gebraucht“. Oder: „Das erste Mal in der Business Class zum Weltkongress war ja ganz okay, das hatte ich mir auch redlich verdient, aber seit einigen Jahren finden sich da auch Hinz und Kunz ein, ich würde ja lieber First Class fliegen. Eigentlich ungerecht, dass ich mir das nicht leisten kann [der Sponsor das nicht zahlt?], so wie der Kollege, obwohl der im Studium viel schlechtere Noten gehabt hat.“

Und dazu kommt, könnte man meinen, dass wir uns für unser Glück von gestern morgen schon neue Sorgen einkaufen. Kurt Tucholsky sagt sinngemäß: „Wenn wir am verdienten Urlaubsort voller Vorfreude unseren Koffer aufmachen, stellen wir fest, dass wir unsere Sorgen gleich mit eingepackt haben, ohne es zu merken.“ Mit anderen Worten: Als frischgebackener Funktionsoberarzt (oder niedergelassener Psychotherapeut in eigener Praxis?) darf ich mich jetzt endlich mit den Problemen herumärgern, die ich gestern noch nicht hatte. Probleme, von denen man vielleicht gestern noch nicht einmal geahnt hatte, dass sie überhaupt existierten, oder gehofft hatte, dass sie sich plötzlich mit der eigenen Berufung in Luft aufgelöst hätten! Doch Flucht schafft nur einen zeitlichen Vorsprung, so scheint es. Was können wir stattdessen tun?

Wir werden auf viele der genannten Aspekte im Verlauf des Buches näher eingehen und einen unmittelbaren Bezug zum Arzt- und Therapeutenberuf herstellen, stellvertretend für viele weitere Berufe, die mit ähnlichen Bedingungen (auch hinsichtlich der noch zu beschreibenden Glücksdeterminanten) zu tun haben. So gibt es in diesen Professionen besondere Chancen und Risiken, Wirkungen und Nebenwirkungen, erwünschte und unerwünschte Effekte. Werden diese rechtzeitig erkannt und positiv genutzt oder „umgedeutet“, so kann aus dem Beruf wieder ein echter Glückshort und eine Quelle der Zufriedenheit werden, so, wie er es immer war. Oder er kann es bleiben. Aber dazu müssen wir selbst etwas beitragen.

Der Autor dieses Buches will versuchen, bei den Lesern die Sensibilität für die eigenen Fähigkeiten und Beiträge zum Glücklichsein – gerade, aber nicht ausschließlich, im beruflichen Kontext des Arztes, Psychologen und Therapeuten – zu wecken und praktische (Aus-)Wege zu Glück und Zufriedenheit beispielhaft aufzuzeigen. Dabei können allgemeine Erkenntnisse zu den Bedingungen des Glücks, wie z. B. von Bruno S. Frey an der Universität Zürich entwickelt und in Übersicht 1 dargestellt, durchaus hilfreiche Annäherung und Anhaltspunkt sein: Fragen Sie sich doch einmal selbst, was davon auf Sie nach Ihrer eigenen Einschätzung im Moment zutrifft.

Übersicht 1: Glückliche Menschen

 

• haben Arbeit (unabhängig vom Einkommen sind Menschen mit einer Arbeit oder einer festen familiären bzw. sozialen Aufgabe glücklicher als jene ohne – Arbeit gibt Sinn, Status und Struktur),

• haben Freundeund/oder einaktives Familienleben (so sind z. B. Verheiratete generell glücklicher als Unverheiratete, wobei sich hier über die Zeit durchaus ein gewisser Wash-out-Effekt einstellen kann…),

• haben Kinder (wobei Kleinkinder oft Stress bedingen, sodass das Glück mitunter erst beginnt, wenn die Kinder aus dem Haus sind!),

• haben einen Glauben (an einen Gott – oder mehrere –, evtl. an eine innere oder äußere Kraft; vgl. Spiritualität oder auch Inspiration) und

• leben in einer Demokratie.

Ergänzt sei, auch aus eigener Anschauung:

• haben Zeit bzw. eine gewisse Zeitsouveränität.

►Warum sollten wir eigentlich glücklich sein? Diese vielleicht etwas banal klingende Frage hat es durchaus in sich: Kann ich nicht mein Leben so weiterleben? Warum muss ich jetzt auch noch glücklich sein? Glücklich sein müssen?

Ohne bereits an dieser Stelle auf hirnphysiologische, biologische und medizinische Aspekte rund um Motivation, Belohnung, Glück und Glücklichsein tiefer eingehen zu wollen, sei die o.g. Frage zusammenfassend beantwortet: Weil es gut so ist. „Gut“ heißt beispielsweise auch „gesund“. Nicht nur ist Glück schön und angenehm, es steuert auch unser Verhalten und lässt uns normalerweise (wir werden darauf noch weiter eingehen) Dinge tun oder anstreben, die gut für uns sind, die unser Überleben und unsere Gesundheit absichern oder befördern. So leben glückliche Menschen länger (ein „glückliches Leben“ korreliert, je nach herangezogener Studie, mit einer um 5–10 Jahre höheren Lebenserwartung), sie werden seltener krank, erkranken weniger schwer und/oder werden schneller wieder gesund. Sie haben auch weniger Stresshormone im Blut (bzw. diese sind weniger wirksam) und nicht nur dadurch ein insgesamt reduziertes Herz-Kreislauf-Risiko, auch weil das Blut glücklicher Menschen offenbar „dünner“ ist, d. h. nicht so schnell verklumpt, und das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko geringer ist – genau das Gegenteil also von dem, was eine negative Lebenseinstellung mit sich bringt.

Neuere Forschungsarbeiten u.a. aus der New Yorker Columbia University oder auch die schon länger bekannten Erkenntnisse rund um den Risikofaktor Feindseligkeit bestätigen dies eindrucksvoll: Positiver Affekt wirkt protektiv z. B. gegen die koronare Herzkrankheit und sollte allein schon aus diesem Grunde, so wird resümiert, Eingang in breite Strategien der medizinischen Prävention finden. Optimismus, belegte beispielsweise Heather Rasmussen von der Universität Kansas, ist gar ein eigenständiger Prädiktor einer guten psychischen, aber eben auch physischen Gesundheit. Derartige wissenschaftliche Untersuchungen haben wesentlich zur Begründung eines neuen Zweiges der klinischen und angewandten Psychologie geführt, zur sog. Positiven Psychologie, deren Grundlagen und vor allem deren praktische Ableitungen ich in diesem Buch beispielhaft vorstellen will.

►Warum sind Ärzte und Therapeuten nicht automatisch glücklich? „Sie haben es doch gelernt und helfen doch auch anderen dabei!“, möchte man vielleicht noch anfügen. Ärzte und Therapeuten (auch Seelsorger usw.) kümmern sich um die wirklich wichtigen Dinge, wie wir gehört haben, um das, was relevant und „sinnvoll“ ist, was zählt. Sie haben und sie nehmen Anteil. Ein schöner und erfüllender Beruf: Körper- und Seelsorge, was kann es Schöneres geben?

Veronica Carstens erzählt dazu die folgende Geschichte (Carstens 2008, mit freundlicher Genehmigung des Natur und Medizin e.V.):

„Ein Medizinstudent wurde wegen eines Forschungsprojektes zu einer alten Frau geschickt, die sehr krank in der Mansarde eines Hochhauses schon seit Monaten im Bett lag, nur selten und immer in Eile vom Pflegedienst besucht. Von ihrem Bett aus sah sie durch das Fenster die grünen Zweige eines hoch gewachsenen Baumes. Das war alles. Etwas unsicher näherte sich der junge Mann der Kranken. Denn er fragte sich, wie bewältigt die von der schweren Krankheit gezeichnete Frau wohl diese Abgeschiedenheit ohne Unterbrechung, ohne Kontakte, ohne Hoffnung? Doch es kam ganz anders. Mit Staunen erfuhr der angehende Arzt, wie zufrieden, ja, fast glücklich die Patientin aussah. Sie erzählte dem jungen Mann von dem Leben der Vögel in dem schönen Baum, von ihren Nestern, den ausschlüpfenden Jungen, dem emsigen Füttern der Kleinen durch die Mutter und den ersten Versuchen zu fliegen. Sie erzählte vom frühen Licht am Morgen und den verschiedenen Farben des Laubes im Jahreswandel, von wunderschönem Gesang am Abend und den leiser werdenden Zwiesprachen der Vögel in der Dämmerung. Und das Erstaunlichste: Die Patientin war von tiefer Dankbarkeit erfüllt, dass sie in einem solch wunderbaren Zimmer lag, wo nichts sie störte und sie nur Freude erlebte. Bewegt hörte der junge Mann ihr zu. Er konnte es einfach nicht fassen, dass hier ein Mensch lag, der eigentlich allen Grund hatte, mit seinem Schicksal zu hadern, aber nur von Freude und Dankbarkeit sprach und nichts zu vermissen schien. Nachdem er seinen medizinischen Auftrag durchgeführt hatte, wurde er sehr nachdenklich und hatte das Gefühl, etwas Einmaliges erlebt zu haben, das er nie vergessen wollte: Nämlich, dass Dankbarkeit, Zufriedenheit und Freude nicht von Besitz, Erfolg, Ansehen oder Reichtum abhängen, sondern aus dem Herzen kommen, aus der ganz anderen Sicht der Dinge. Er schwang sich auf sein Fahrrad und war so glücklich, dass er vor lauter Freude singen musste. Am Abend rief er seine Mutter an, um ihr von einem der wichtigsten Tage in seinem Leben zu berichten.“

Veronica Carstens ergänzt: „Ist es nicht wie ein Wunder, dass ein Mensch – arm, krank, ohne Hoffnung – dennoch ein königlicher Schenker sein kann, wenn er vom Geist der Freude, Liebe und Dankbarkeit erfüllt ist?“

Gerd Esch war auch so ein Beispiel. Als Internist, „Arzt von Herzen“ und Mediziner mit jeder Pore seines Körpers hatte er zeitlebens – zum anfänglichen Leidwesen seines heranwachsenden Sohnes, dem Autor dieses Buches – auf die Frage nach seinem Befinden mit dem immer gleichen Satz geantwortet: „Ich bin zufrieden.“ Erst in den langen Jahren der Krankheit und des „Siechtums“ zum Lebensende, in denen er beharrlich die Frage nach seinem Befinden glaubhaft mit ebenjener gleichlautenden Antwort versah, wurde deutlich, dass es sich bei der Schilderung von Zufriedenheit nicht um eine Plattitüde handelte, sondern um eine innerlich zutiefst empfundene wahrhafte Emotion, eine Art Lebenshaltung. Selbst als seine Mobilität kaum mehr gegeben war, äußerte er sich dankbar, gleichmütig und zufrieden über das Erlebte, über die Erinnerungen und über das, was noch war – selbst am Vorabend seines Todes, mit den Worten: „Was kann ich mehr vom Leben wollen? Es ist gut, wie es ist.“

Gerd Eschs Lebenskunst bestand möglicherweise darin, im gleichen Rhythmus, im gleichen Tempo, wie ihm etwas nicht mehr möglich war, es nicht mehr ging, weniger wurde, die eigenen Ansprüche genau daran anzupassen und eben auf das einzustellen, was noch ging. Mit diesem Gefühl der Akzeptanz, trotz des sich langsam „Ausdem-Leben-Herausdrängens“ (er sah dem Ende durchaus mit einer gewissen Verunsicherung entgegen, weil er nicht wusste, wie es wird), war er doch immer präsent, bis zum letzten Atemzug, im Hier und Jetzt. Er schloss nicht einfach ab oder legte die Hände in den Schoß, klappte das letzte Buch (es war von Helmut Schmidt) sprichwörtlich nicht endgültig zu, sondern legte es bereit für den nächsten Morgen – den es dann nicht mehr gab.

Der amerikanische Wissenschaftler und „Achtsamkeitstherapeut“ Jon Kabat-Zinn sagt zu dieser Haltung: „Solange Du noch atmen kannst, ist an Dir mehr gesund, als an Dir krank ist.“

Oder Itzhak Perlman, der weltberühmte Geiger, der wegen durchgemachter Poliomyelitis (Kinderlähmung) nur mit Krücken und Bandagen und unter größten Mühen auf die Bühnen dieser Welt kommt, wenn überhaupt, und dem einmal als Solist während eines Konzerts 1995 im New Yorker Lincoln Center eine Saite seiner Geige gerissen war. Das elektrisierte Auditorium erwartete damals logischerweise, dass Perlman die unendliche Tortur des Die-Bühne-Verlassens und -Betretens (nach Neubespannung seiner Geige) wieder würde auf sich nehmen müssen, vor Tausenden von wartenden, beobachtenden Augen. Umso überraschter und schließlich völlig „aus dem Häuschen“ war es, als Perlman, nach kurzer Besinnungszeit, dem Dirigenten ein Zeichen gab, das Konzert fortzuführen. Von da an spielte er mit solcher Hingabe, Kraft und Klarheit, wie man es im Publikum noch nie gehört hatte. Er modulierte, rekomponierte, transponierte, improvisierte und was auch immer in seinem Kopf in Windeseile – und brachte so das Unmögliche fertig, das Stück in Vollendung auf nur 3 Saiten seiner Geige zu Ende zu spielen. Im Publikum hatte man das Gefühl, Töne zu hören und Dinge zu erleben, die schlicht genial, ja, göttlich waren. Solche Schönheit, ja, „Heiligkeit“, wie einer sagte, hatte man hier noch nicht gehört. Die Menschen waren zutiefst berührt. Schöner und bemerkenswerter war das als alles, was sie bisher, auch von Perlman selbst, auf 4 Saiten gehört hatten.

Als Perlman fertig war, war absolute Stille im Saal. Dann plötzlich einsetzender Jubel, schnell anwachsend, schließlich ein aufbrausender, ja, ohrenbetäubender Applaus wie sonst nur im Football-Stadion beim Super-Bowl: Die Menschen sprangen auf und schrien vor Begeisterung, sie waren glücklich und voller Bewunderung – es war ein einmaliges Erlebnis. Perlman lächelte, wischte sich den Schweiß von Stirn und Augenbrauen, hob seinen Bogen, um dem Publikum zu bedeuten, noch einmal innezuhalten, und sprach ruhig und mit mildem, aber ehrerbietigem Ton: „Wissen Sie, manchmal ist es die Aufgabe des Künstlers herauszufinden, wie viel Kunst noch möglich ist mit dem, was geblieben ist.“

Vielleicht, so wurde im Publikum sinniert, gilt das nicht nur für Künstler, sondern für das Leben an sich. Da war ein Mann, der das ganze (berufliche) Leben damit verbracht hatte, dafür zu trainieren, die perfekte Musik auf einer Geige mit 4 Saiten zu spielen, der sich nun, mitten im Konzert und inmitten der Ausübung seiner Profession, mit einem defekten Instrument konfrontiert sah, etwas, was er selbst nicht kontrollieren konnte. So wie wir vielleicht auch manchmal unsere Mitmenschen, Patienten, Kunden? Macht und Ohnmacht, Omnipotenz und völlige Hilflosigkeit, Ekstase und Zerschlagenheit liegen in solch extremen Situationen dicht beieinander – manchmal zumindest, wie es scheint.

Welche Bedeutung können solche Schilderungen für uns Ärzte, Psychologen und Therapeuten haben, für die Gesundheitsberufe insgesamt? Was haben diese Schicksale mit dem Titel dieses Buches zu tun?

Zum einen sind wir im Heilwesen „nah dran“ an solchen Schicksalen, berufsmäßig sozusagen. Zum anderen könnte man sich vielleicht darauf einigen, dass derartige Metaphern besagen, es sei unsere Aufgabe, in der unsicheren, sich immer weiter wandelnden, verwirrenden und sich – wie es scheint – immer schneller drehenden Welt (was natürlich eine Illusion ist!), in der wir gerade leben, das, was wir tun und „gelernt“ haben, d. h. unseren Beruf oder unsere Berufung, mit vollem Herzen und unter Einsatz von all dem zu leisten, was wir haben und besitzen. Und wenn das nicht mehr geht oder wir zunehmend eingeschränkt werden, müssen wir mit dem fortfahren, was uns geblieben ist. Das gilt sicher für beide Seiten der Arzt-Patientenbzw. Anbieter-Kunden-Beziehung. In diesem Sinne ist der „Heiler“ nicht nur Lebenskünstler, sondern auch Heilkünstler, die Heilkunde auch Heilkunst, der Arzt, Therapeut oder Seelsorger nicht nur Schenkender und Gebender, sondern auch Empfangender, der etwas bekommt, beispielsweise Glück – vielleicht sogar zurückgeschenkt (lat.: restitutio) von seinen „Kunstobjekten“ oder den „Instrumenten“, den Patienten oder dem „Publikum“, von Kollegen oder sich selbst. Warum also, und da kommen wir zur o.g. Frage zurück, sind Ärzte und Therapeuten dann nicht automatisch glücklich?

►Warum dieses Buch? Die Ironie will es so: Alles hat 2 Seiten. Dort, wo Gebrauchtwerden und Erfüllung in Aussicht stehen, drohen auch Aufopferung und, etwas weniger pathetisch ausgedrückt, Erschöpfung. Beides liegt eng beieinander. Nicht nur Ärzte und Therapeuten kennen das gut. Lehrer und Pädagogen, Seelsorger usw. – sie alle können ein Lied davon singen, das Lied vom Workaholic, vom Immer-gebraucht-Werden, vom Nicht-abschalten-Können (wie auch: Es geht ja um Leben oder Tod!), vom Nervenzusammenbruch, von der Depression oder einfach – neudeutsch – vom Burn-out:

Man kann den Arztberuf mit Fug und Recht als Risikoberuf ansehen, nicht nur, was die Möglichkeit einer Infektion durch Nadelstichverletzungen oder Kontaktallergien durch Latexhandschuhe angeht (oder den nicht zu bestehenden Professor-Brinkmann-Vergleich); sondern auch die Suizidrate, nur als ein Beispiel genannt, ist unter Ärzten insgesamt überdurchschnittlich hoch, was erschreckenderweise besonders die Ärztinnen betrifft, wie Untersuchungen zu belegen scheinen.

►Die Realität der Ärzte undTherapeuten Wer also kümmert sich um die Ärzte und Therapeuten, während jene sich um die Patienten kümmern – wenn und solange sie das noch können? So schließt sich langsam der Bogen dieser Einführung: Der Arzt- und Therapeutenberuf erfüllt an sich viele der Bedingungen zum Glücklichsein. Neben den bereits genannten (s. Übersicht 1) seien hier zusätzlich noch einige der aus der Positive-Psychologie-Forschung bekannten Faktoren angeführt, die z. B. das Wahrnehmen und Bewältigen von Herausforderungen als einen Weg zu Zufriedenheit und Glück herausstellen. Über mangelnde Herausforderungen in der praktischen Arbeit kann sich der Arzt oder Psychologe sicher nicht beschweren.

Und wie sieht es mit dem Geben und Spenden, dem Altruismus, aus? „Bingo“, könnte man sagen. Mit einem Blick auf Überstunden, Budget oder Quartalsabrechnung weiß so mancher Kollege, dass er dem „System“, der Gesellschaft und den Patienten großzügig Arbeitskraft und Zeit spendet und nicht selten auch reales Geld.

Wie steht es dann mit den sozialen Kontakten? Bei 120 Patienten täglich in der Praxis oder einer Visite auf 2 Stationen – vertretungsweise auch mal 3 – mangelt es daran sicher nicht.

Selbstbewusstsein? Beliebtheitsskalen der Helferberufe (Top-Platzierungen!) und Arztserien im Fernsehen belegen doch klar, dass es keinen Grund zu narzisstischem Mangel oder eingeschränktem Selbstvertrauen gibt.

Das mit der Zeitsouveränität ist so eine Sache. Aber es gibt ja auch mal freie Wochenenden bzw. den „Dienstausgleich“; da ist dann vielleicht „nur“ die Visite zu machen oder es sind ein paar Arztbriefe zu schreiben, das ist doch schon einmal ein Anfang. Und auch für den niedergelassenen Arzt oder Therapeuten gilt: „Halbtagsarbeit“ ist die Regel (entspricht dann 12 Stunden Arbeit an einem 24-Stunden-Tag – ich hoffe, Sie sind noch nicht zu frustriert, um die Ironie noch zu bemerken …), da kann man sich nicht beschweren. Warum klagen? Außerdem, das ist auch wahr, haben sich Arbeitsbedingungen und Bezahlung im ärztlichen Bereich in den letzten Jahren verbessert. Und so sind Ärzte momentan mit ihrem Beruf – insgesamt – gar nicht so unzufrieden. Auch das soll einmal gesagt werden.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht verzagen, ran an die Arbeit: Sie haben die besten Voraussetzungen zum Glücklichsein, zumal der größte Benefit des Arzt- und Therapeutenberufs, quasi die Autobahn zum Glück, ja erst noch kommt: die Sinnfrage. Ärzte und Psychologen geben ihrem Leben und dem ihrer Patienten einen „Sinn“. Sie können helfen. „Schönheit“ und „Heiligkeit“ des Lebens, wie gehört, sind uns zugänglich. Das ist definitiv unbezahlbar und müsste doch glücklich machen. Zwar kann man auch ohne die aktive Suche oder Frage nach dem eigenen Sinn ganz gut durch das Leben kommen. Aber, das hat uns schon Viktor Frankl eindrücklich gelehrt, wenn wir durch harte Zeiten gehen, dann wird die Frage, ob wir einen Sinn im Leben haben oder sehen, darüber entscheiden, wie es mit uns weitergeht. Der „Sinn“ steht dabei auch für idealistische Ziele und einen Glauben an was auch immer; das kann auch die Medizin oder die Psychologie oder die Wissenschaft an sich sein. Junge Studierende haben davon eine ganze Menge. Geht das im Berufsleben verloren oder gibt es Faktoren, die diese Glücksbringer später schlicht überstimmen?

3Um ganz ehrlich zu sein …

Die Wissenschaft und auch ich haben auf all diese Fragen keine wirklich gescheiten Antworten. Es gibt Anhaltspunkte, wie die Tatsache, dass die Gesundheit und das Glücklichsein bei Chefärzten statistisch gesehen (wieder) deutlich ausgeprägter sind bzw. zunehmen – wenn man bis dahin also auf der Karriereleiter durchgehalten hat. Allerdings, das ist nun einmal das Wesen solcher Befragungen, wissen wir nicht, ob die heutigen Chefärzte auch schon als Assistenten glücklicher waren. Dafür gibt es zwar Anzeichen, aber neben persönlichen sind wiederum auch strukturelle und sogar kulturelle oder gesellschaftliche Gründe denkbar, was uns am Ende bei unserer Frage dann auch wieder nicht wirklich weiterbringt. Wir wissen auch nicht, ob das Erreichen der Spitzenposition per se Glück und Zufriedenheit verspricht, trotz aller ärztlichen und nicht ärztlichen Belastungen und „Qualen“ (Quälgeister) in diesem Bereich. Sei’s drum: Nicht jeder kann Chef sein oder werden.

Und auch die eigene Niederlassung oder Selbstständigkeit als ein möglicher Ausweg birgt Risiken: Zwar kann ich meine „Macht“ ausspielen, selbst (eigener) Chef sein, Ansehen und lokale Bedeutung erlangen und mir damit positive Erfahrungen und Rückmeldungen ermöglichen. Aber der Preis der hohen Verantwortung z. B. für Personal und Patienten sowie der eigene Anspruch können, zusammen mit dem enormen (gefühlten oder realen) wirtschaftlichen Risiko, schier erdrückend sein. Da müssen die Patienten dann vieles gutmachen, für vieles einstehen, damit die Bilanz stimmt. Das erhöht den Druck – auf beiden Seiten. Trotz des schönen beruflichen Inhalts können Überforderung und Burn-out die logischen Konsequenzen sein – sie müssen es aber nicht. Ganz im Gegenteil: Zum Beispiel hat die eigene Niederlassung, neben vielen anderen Aspekten, einen ganz entscheidenden Vorteil, von dem angestellte Psychologen oder Ärzte mitunter nur träumen können: In der Regel wohnt der Niedergelassene in der Nähe seines Arbeitsplatzes, d. h., er hat einen kurzen Arbeitsweg. Mathias Binswanger und andere „Glücksforscher“ haben gezeigt: Mit der Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort und den zunehmenden täglichen Pendelzeiten (Commuting) steigen Unzufriedenheit und Stress. Das Glück, eben doch eher nah als fern? Für den niedergelassenen Kollegen ohne soziale Phobien (keine Fluchttendenzen bei „wegelagernden“ Patienten oder Rezept bzw. Rat suchenden Nachbarn in der Freizeit) könnte das gelten …

Allerdings sind die Möglichkeiten der modernen Kommunikation, mit denen vermehrt Arbeitsplätze an den Wohnort verlegt werden (und nicht andersherum), wie z. B. Telearbeit und Homeoffice, nicht für alle Betroffenen ein Segen. Man muss damit umgehen können, sich selbst zu strukturieren und vornehmlich allein zu arbeiten, Beruf und Privatleben dennoch zu trennen. Das wäre aber sinnvoll und notwendig, auch zu Hause. Da ist die eigene Praxis möglicherweise ein guter Kompromiss.

►Glücksphänomen Offensichtlich haben wir es beim Glücksphänomen immer wieder mit klassischen Dilemmata zu tun: Zwei mehr oder minder gleichwertige Bedürfnisse oder Situationen stehen einander scheinbar diametral gegenüber – zeitlich, räumlich, strukturell, persönlich. Was jedoch auch deutlich wird: Wir selbst haben möglicherweise den Schlüssel zu unserem Glück in der Hand. Wo sonst sollte er sein? Glücksforscher sagen uns, dass Wachstum per se kein nachhaltiges Glück verspricht, so wie auch Einkommen ab einer gewissen Grenze nicht mehr. Aber da zu sein, achtsam, anwesend zu sein, zu fühlen, schmecken, riechen, genießen möglicherweise schon.

Viele von uns sind in Beruf und Privatleben voll gefordert. Wir sind froh, wenn wir z. B. unsere To-do-Listen einigermaßen im Griff haben, die E-Mail-Accounts noch nicht wegen Überfüllung gesperrt wurden, unsere Liquidität noch zum Bezahlen der Miet- und Kreditraten ausreicht, das Pflichtfortbildungspunktekonto gepflegt ist und wir dazu noch an den Geburtstag unserer Kinder oder der näheren Verwandtschaft und den eigenen Hochzeitstag gedacht haben (wirklich?), es also alles „irgendwie auf die Reihe bekommen“. Viele von uns gehen morgens wegen des Berufspendelns schon um 6 Uhr aus dem Haus und kehren abends erst gegen 20 Uhr zurück (an guten Tagen) und sind dabei immer und für alle erreichbar und ansprechbar – da mag es wie ein „Zurück in die paradiesischen Zeiten von vorvorgestern“ klingen, wenn man aufgefordert wird, sich Zeit für Freunde zu nehmen (es gibt glücklicherweise digitale soziale Netzwerke) oder eine Auszeit, mal „Nein“ zu sagen, zu entschleunigen und das Tempo zu drosseln. Und wer macht dann die Arbeit? Und wozu soll das überhaupt gut sein?

►Positive Psychologie