Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Wer braucht die Piefkes? - diese Schlagzeile steht am Beginn von Felix Mitterers Erfolgs-Satire. Der TV-Vierteiler rund um die "typisch deutsche" Unternehmerfamilie Sattmann, die Jahr für Jahr im "typisch Tiroler" Touristendorf Lahnenberg urlaubt, getrieben von der Sehnsucht nach dem Ursprünglichen und Echten, provozierte bei der Erstausstrahlung 1990 noch heftige Publikumsproteste. Knapp 20 Jahre später gilt Mitterers Serie als Fernseh-Kult - und scheint in vielem von der Realität einge- und überholt zu sein: Der moderne alpine Massentourismus, die Verstrickungen von Politik und Wirtschaft, der Raubbau an der Umwelt und der Verkauf der eigenen Identität machen Mitterers Piefke-Saga heute aktueller denn je.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 341
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Felix Mitterer
Die Piefke-Saga
Komödie einer vergeblichen Zuneigung
Drehbuch
Für Else und Peter
1980 schrieb ich für Dieter Meichsner (Norddeutscher Rundfunk, Hamburg) sechs Folgen der neunteiligen Fernsehserie „Die 5. Jahreszeit“, in der die Geschichte des Schilaufs und des Winterfremdenverkehrs (zugleich Zeitgeschichte eines Tiroler Bergdorfes) über hundert Jahre hin erzählt wurde. Produzent der Serie war Walfried Menzel, und dieser kam einige Jahre später mit einer Ausgabe des Wiener Magazins „Wochenpresse“ zu mir, deren Titelschlagzeile lautete: „Wer braucht die Piefkes?“ Zugleich übergab er mir Stöße von Protestbriefen deutscher Urlauber, die nach einer Fuchsberger-Sendung (Frage an Wiener Show-Teilnehmer: Wie viele von Ihnen nennen die Deutschen „Piefke“?) und als Folge des „Wochenpresse“-Artikels bei den diversen Fremdenverkehrsämtern eingelangt waren.
Nachdem ich alles gelesen hatte, wußte ich: Das ist Stoff für eine Komödie. Dieter Meichsner vom NDR war derselben Meinung, und so fuhr ich hinaus aufs Land, schaute und hörte mich um, fast zwei Jahre lang, dann schrieb ich die „Piefke-Saga“: die Geschichte der deutschen Unternehmerfamilie Sattmann, mit der Sehnsucht aller Städter nach Natur, nach dem Abenteuer, nach Heimat auch. Und die Geschichte zweier Tiroler Familien, die einen Bauern, die anderen Hoteliers, deren Schicksal immer mehr mit denen der Sattmanns verknüpft wird.
Natürlich geht es auch um die Untersuchung des Begriffes, des Schimpfwortes „Piefke“, und darum, wie sich „typisch“ deutsche Urlauber im Ausland aufführen, aber selbstverständlich nicht in der Hauptsache. Ich hätte genausogut eine Wiener Familie in Caorle, eine Innsbrucker Familie am Gardasee zeigen können; die Mechanismen sind immer die gleichen. Es geht um den Massentourismus, um das, was er am Menschen und an der Natur anrichtet, um die Beziehung zwischen „Gast“ und „Gastgebern“, die sich durch die „Masse“ immer schwieriger gestaltet, was dazu führt, daß es manchem überbelasteten Gastgeber lieber wäre, der Gast würde das Geld überweisen und daheimbleiben.
Daß ich die Geschichte in Form einer Komödie schrieb, hat mich vor Larmoyanz geschützt, auch habe ich versucht, im Genre des – manchmal schon etwas faden – Fernsehspiels etwas Neues auszuprobieren, nämlich – völlig wider die dramaturgischen Regeln – die Uneinheitlichkeit. Der erste Teil ist eine Satire, der zweite Teil eine Komödie, der dritte Teil eine Tragikomödie, der vierte Teil eine Horrorvision zum Totlachen. Da die Zuschauer immer besser sind als ihr Ruf (besonders bei Fernsehredakteuren), haben viele zugeschaut, worüber ich mich freue.
Zu danken ist meinem Förderer Dieter Meichsner, Fernsehspielchef des Norddeutschen Rundfunks, der Mitte ’91 leider in Pension ging. Dank auch an Gerd Bacher und Ernst Wolfram Marboe (ORF), die den 4. Teil ermöglicht haben, und besonders danke ich dem Regisseur Wilfried Dotzel und dem Kameramann Michael Thiele, die mit dem wunderbaren Team von Laien- und Berufsschauspielern die Bücher kongenial umsetzten. Widmen möchte ich dieses Buch Else Anderka (die alte Lena) und Peter Kluibenschädl (der alte Andreas), die bald nach den Dreharbeiten verstorben sind. Als altes Liebespaar in der „Piefke-Saga“ werden sie unvergessen bleiben.
In der Druckausgabe sind der leichteren Lesbarkeit wegen die filmtechnischen Hinweise eines Drehbuchs wie einzelne Einstellungen (Totalen usw.) und Kamerapositionen gestrichen. Andererseits enthält das Buch auch jene Szenen, die im Film nicht vorkommen, da er sonst zu lang geworden wäre.
Die deutsche Unternehmerfamilie Sattmann:
Karl Friedrich Sattmann (50)
Elsa, seine Frau
Sabine, seine Tochter
Gunnar, sein Sohn
Heinrich, sein Vater (75)
Asta, dessen deutsche Schäferhündin
Die Tiroler Familie Wechselberger:
Franz Wechselberger, Hotelier (50)
Christl, seine Frau
Stefan, sein Sohn
Hans Wechselberger, sein Bruder, Lehrer (40)
Die Tiroler Bauernfamilie vom Rotterhof:
Andreas, Großvater (90)
Olga, Bäuerin (55)
Thomas, Hoferbe (30)
Maria, seine Frau
Anna, seine Schwester
Joe, sein Bruder
Peter, Josef, Leni, Erwin, Kinder von Thomas und Maria
Weitere Personen:
Max Niederwieser, Obmann des Fremdenverkehrsvereines
Erster Gendarm / Zweiter Gendarm
Pfarrer
Manfred Holleschek, Wiener Journalist
Zusätzliche Personen im ersten Teil:
Orient-Verkaufschef der Firma Sattmann
Handelsminister
Frau des Handelsministers
Sekretär des Handelsministers
Chefredakteur der „Woche“
Grafiker bei der „Woche“
Fotograf bei der „Woche“
Redaktionsbote bei der „Woche“
Jugoslawischer Hausdiener
Trafikant
Herr Körner, deutscher Tourist
Gedichtaufsagendes Mädchen
Zusätzliche Personen im zweiten Teil:
Jutta Karge, deutsche Touristin
Junger Tourist mit Wanderpässen
Junge Touristin
Herr Körner, deutscher Tourist
Arzt
Tunesischer Discjockey
Charly, deutscher Kokaindealer
Jugoslawischer Hausdiener
Bergführer
Mehrere Hüttenwirte
Türkischer Hüttengehilfe
Zwei Bergsteiger
Musikduo
Zusätzliche Personen im dritten Teil:
Landeshauptmann
Notar
Lena (85)
Erster Jäger / Zweiter Jäger
Interessent an Beschneiungsanlagen
Tunesischer Discjockey
Fürsorgerin
Beamter vom Lawinenschutz
Wirtin im Gasthaus Roter Adler
Hotelier
Hoteliersfrau
Bauer im Quellschutzgebiet
Lehrer
Zusätzliche Personen im vierten Teil:
Mädchen im Verkehrsverband
Straßenräuber
Tiroler Zöllner
Tiroler Marketenderin
Tiroler Fernsehsprecher
Hoteldiener
Chauffeur
Leibwächter
Bursche (Schuhplattler)
Tourist und Touristin
Erster Schütze (Erster Jäger im dritten Teil)
Zweiter Schütze
Erster Chirurg / Zweiter Chirurg
Operationsschwester
Kleiner Andreas
April
BERLIN. VILLA SATTMANN / WOHNZIMMER.Nacht. Es regnet. Moderner Betonbau in einem Park. Das Wohnzimmer eines reich gewordenen Kleinbürgers. An einer Wand ein großes Ölgemälde: kämpfende Hirsche auf Lichtung, dahinter Gebirge. Über dem Kamin ein Wurzelschnitzwerk, das Gesicht eines „typischen“ Tirolers darstellend. Daneben unter Glas eine riesige Fotografie einer Fabriksanlage, aus der Luft aufgenommen. Aufschrift an der Fabrik: „SATTMANN“. Im Fernsehen läuft die Fuchsberger-Sendung „Auf los geht’s los“ vom 28.August 1982. Kennmelodie und Vorspann, Fuchsberger tritt auf, Applaus. Vor dem Fernseher sitzen Heinrich Sattmann, seine Schwiegertochter Elsa und Sabine, seine Enkelin. Zu Füßen von Heinrich liegt die deutsche Schäferhündin Asta. Heinrich raucht Zigarre und trinkt Bier, Elsa trinkt ein Likörchen und legt ein Puzzle, das eine Tiroler Gebirgslandschaft mit See darstellt, Sabine trinkt Campari-Soda und liest einen Konsalik-Roman. Mutter und Tochter schauen immer wieder zum Fernseher. An der Wand über der Familie ein Farbposter des Tiroler Dorfes Lahnenberg.
LAHNENBERG IN TIROL / HOTEL ALPENFRIEDEN.Nacht. Ein Fremdenverkehrsort mit zahlreichen Hotels und Pensionen, die meisten unbeleuchtet. Auch das riesige Hotel Alpenfrieden scheint verlassen und leer. Vor dem Eingang steht ein BMW. Kein Mensch auf der Straße. Ein schwaches Licht in der Hotelhalle an, Stefan kommt heraus, trägt zwei Reisetaschen, geht zu seinem BMW, öffnet den Kofferraum, gibt die Taschen hinein. Joe rast mit seiner Motocrossmaschine vorbei, hinter ihm sitzt, an ihn geschmiegt, ein Mädchen. Laute Rockmusik vom Lautsprecher der Maschine.
Joe:(hebt die rechte Hand) Heil!
Joe rast davon, Stefan schaut ihm nach. (Er verachtet Joe ein wenig.) Stefan wirft den Kofferraumdeckel zu und geht wieder ins Hotel. Auf der Tür, die sich hinter Stefan schließt, hängt ein großes Schild, darauf steht: „GESCHLOSSEN Wiedereröffnung am 15. Juni“. Hans Wechselberger taucht auf und schreibt über das Wort „Geschlossen“ mit Filzstift: „wegen Reichtum“. Ganz oben im Hotel sind zwei Fenster erleuchtet. Flackerndes Fernsehlicht dringt zwischen den Vorhängen heraus.
HOTEL ALPENFRIEDEN / WOHNZIMMER DER PRIVATWOHNUNG. Das Wohnzimmer ist rustikal eingerichtet, alles in teurem Holz. An den Wänden Jagdtrophäen und ein Gewehrschrank. Im Fernsehen läuft die Fuchsberger-Sendung. Vor dem Fernseher sitzt Christl, die Frau des Bürgermeisters, raucht Marlboro, hat eine Batterie von zum Teil schon geleerten Underberg-Fläschchen vor sich auf einem Tisch stehen. An einem Tisch mit Eckbank, unter einer rustikalen Lampe, sitzen der Bürgermeister und Hotelier Franz Wechselberger, der Fremdenverkehrsobmann Max Niederwieser, der erste Gendarm (in Uniform) und der Pfarrer. Sie trinken Bier, der Pfarrer raucht filterlose Zigaretten, Franz raucht „Hobby“, Max raucht Pfeife. Sie schauen hin und wieder zum Fernseher.
Max: Oh mei, oh mei! Jetzt hoaßt’s aufpassen!
Max legt eine Karte in die Mitte zu den anderen, der Gendarm wirft triumphierend seine dazu, nimmt den „Stich“ an sich.
Franz: Scheißdreck!
Der Gendarm grinst, spielt aus. Bei der Tür kommt Stefan herein.
Stefan:I bin jetzt dahin!
Franz:Was? Wohin denn?
Stefan:L. A.!
Franz:Was?
Stefan:Los Angeles!
Franz:Was tuast denn dort?
Stefan:Ja, Urlaub mach i! Pfiat enk! Anfang Juni bin i wieder da!
Stefan geht hinaus, Christl schaut ihm nach, nimmt eine Underberg-Flasche, schaut unzufrieden. Franz blickt auf die Karten in die Mitte des Tisches, legt eine dazu.
Max: Geh, Franz, was tuast denn?
Max legt resigniert seine Karte dazu, der Pfarrer grinsend ebenfalls.
Pfarrer: So, hamma euch wieder! (Sammelt alle Karten ein.) Also, no a Bummerl für euch!
Der Pfarrer macht einen Strich auf einem Zettel.
Franz: Herrschaftszeiten!
Anna kommt mit vier Bierflaschen auf einem Tablett herein. Sie trägt einen weißen Kleiderschurz. In der Zwischensaison ist Anna Hausmädchen, sonst Kellnerin im Hotel des Bürgermeisters. Sie stellt die Bierflaschen auf den Tisch, schenkt den Männern nach.
Pfarrer: Dankeschön, Anna!
Max: Du spielst ja wirklich saumäßig, Franz!
Franz: Is ja kein Wunder, den ganzen Winter bin i nit zum Kartenspielen kommen! (Zum Pfarrer:) Wieviel samma euch denn schon schuldig?
Pfarrer: 7000 Schilling!
Franz: Siebentausend! No, wenn des so weiter geht, kann i mir den Urlaub nimmer leisten!
Erster Gendarm: Geh, Bürgermeister! Bei der Saison!
Anna geht wieder hinaus.
Franz: Jaja! Bei dir kaufen s’ die Wurstsemmeln, die sie in meine Zimmer dann fressen!
Erster Gendarm:(grinsend) Bei mir kaufen sie gar nix! Die Metzgerei gehört meiner Frau!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!