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Er gehört zu den bedeutendsten Gestalten nicht nur der Tiroler Geschichte und der Bauernkriege, und er schuf eine der großen Staatsutopien: Michael Gaismair, 1525 Anführer der rebellierenden Tiroler, nach der Niederschlagung der Erhebung. Freund und Bündnispartner von Ulrich Zwingli, dann venezianischer Condottiere, 1532 in Padua ermordert. Lange Zeit verschwiegen, entsprechend herrschender Ideologien umgedeutet, politisch mißbraucht, ist Gaismair in letzter Zeit wieder auf den Platz in der Geschichte gestellt worden, der ihm gebührt. Felix Mitterer hat Gaismairs an Dramatik reiches Leben nun auf die Bühne gebracht, die Uraufführung findet im Sommer 2001 bei den Tiroler Volksschauspielen in Telfs statt. Die Inszenierung besorgt der vieldiskutierte Oberammergauer Spielerneuerer Christian Stückl. Und der Haymon-Verlag bringt das Buch dazu: Mitterers Text, der sich übrigens bei aller Freiheit des Dichters ziemlich genau an die historischen Fakten hält, und dazu einen Hintergrundbeitrag des Historikers und Gaismair-Biographen Michael Forcher.
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Seitenzahl: 138
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Felix Mitterer: Gaismair
Haymon
Felix Mitterer
© 2007HAYMON verlagInnsbruck-Wienwww.haymonverlag.at
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Aufführungsrechte für alle Stücke beim Österreichischen Bühnenverlag Kaiser & Co., Am Gestade 5/II, A-1010 Wien
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
ISBN 978-3-7099-7662-3
Lektorat: Haymon Verlag/Georg HasibederUmschlag- und Buchgestaltung:Kurt Höretzeder, Büro für Grafische Gestaltung, Scheffau/Tirol
Dieses Stück erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.
Gaismair
Biographische Daten und Werkverzeichnis
für Hermann Weber
Schon immer haben mich die zwei bedeutendsten (und sehr gegensätzlichen) Persönlichkeiten der Tiroler Geschichte besonders interessiert – Michael Gaismair und Andreas Hofer. Der eine (offiziell bis 1918, inoffiziell bis in die 70er-Jahre) „Vaterlandsverräter und Kirchenfeind“, der andere (für viele seit seiner Hinrichtung im Februar 1810, allgemein seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) schlicht und einfach „der Tiroler Nationalheld“. Beide waren Bauernführer, beiden muss man großen Idealismus zugestehen, aber Gaismair kämpfte 1525 gegen den Klerus und gegen die Habsburger für eine „Volks“-Republik, war also ein „fortschrittlicher“ Revolutionär, Hofer kämpfte 1809 gegen die Bayern und Napoleon für Gott, Kaiser und Vaterland, somit für die Wiederherstellung des alten Zustandes, war daher ein „konservativer“ Freiheitskämpfer.
Über beide habe ich schließlich geschrieben, wobei Hofer wesentlich einfacher war, denn es handelte sich um einen Film („Andreas Hofer – Die Freiheit des Adlers“, ORF/BR/RAI 2001), und der Film eignet sich hervorragend für komplexe historische Erzählungen. Außerdem ist beinahe jeder Tag dieses denkwürdigen Jahres 1809 bis ins Detail dokumentiert.
Gaismair war wesentlich schwieriger, denn es sollte ein Theaterstück werden, und Historie am Theater neigt leicht zum Oberlehrerhaften, ist immer von Langeweile bedroht. Außerdem ist Gaismairs Charakter viel schwerer fassbar, wir wissen sehr wenig von seiner Persönlichkeit. 400 Jahre lang wurde dieser Mann verketzert, verleumdet, verdrängt, erst die Liberalen (und Antiklerikalen) des späten 19. Jahrhunderts entdeckten ihn neu und begannen zu forschen, dann aber fiel er „als edler Kämpfer für Scholle, Volk und Reich“ den Nazis in die Hände, die ihn als Vorläufer Hitlers feierten, womit er erneut auf Jahrzehnte desavouiert war. Und noch etwas kam hinzu: es gab kaum Akten über den „Fall Gaismair“. Hatte man sie verbrannt, um den Staatsfeind auf ewig auszulöschen? Nein, die Habsburger verbrannten keine Akten, dazu waren sie zu sehr vorbildliche Beamte.
Der tschechische Historiker Josef Macek, der in den 50er-Jahren über Jakob Hutter forschte, den Begründer der protestantischen „Täufer“-Bewegung (auch über ihn schrieb ich ein Stück), fand die Akten endlich, und zwar im böhmischen Schloss Decin, wo die Tiroler Grafen Thun Ländereien besaßen. Sigmund von Thun war Berater von Erzherzog Ferdinand, von seinem Bruder Cyprian gibt es einen Brief (zehn Tage vor Gaismairs Tod), in dem er schreibt, dass er seit Langem nur damit beschäftigt sei, geeignete Auftragsmörder für Gaismair zu finden.
Irgendwann sind also fast alle Gaismair-Akten nach Böhmen verbracht worden, und es ist das große Verdienst von Josef Macek (im Jahre 2000 verstorben), dass er sofort die Bedeutung der Unterlagen erkannte und mit ständig wachsender Begeisterung sein großes, immer noch gültiges Werk über Gaismair schrieb, wobei er natürlich auch die Archive von Innsbruck, Wien, Brixen und Venedig benützte. Mehr sozialistischer Humanist als Parteikommunist vermied es Macek auch, Gaismair für den Kommunismus zu vereinnahmen, obwohl Gaismair in gewissem Sinn ja wohl so etwas wie ein „Kommunist“ war, wenn auch ein christlicher. 1961 erschien Maceks Buch in der Tschechoslowakei, 1965 auf Deutsch in der DDR. Nicht gerade günstig für die Akzeptanz und ein Umdenken in Tirol. Das große Verdienst des Südtirolers Hans Benedikter ist es, dass er auf Grundlage von Maceks Forschungen sein Buch „Rebell im Land Tirol – Michael Gaismair“ schrieb, das 1970 erschien, womit endlich auch wieder in der Heimat Gaismairs eine Diskussion über diesen wichtigen Mann in Gang kam. Dabei ist Gaismair keineswegs eine Figur der Lokalgeschichte, seine „Landesordnung“, die uns erhalten geblieben ist, gehört als zukunftsweisendes Gesellschaftsmodell in die Reihe der großen Staatsutopien der Weltgeschichte.
Mehr Breitenwirkung als Benedikters Buch hatten publizistische Initiativen von Winfried Hofinger (in der Bauernzeitung) und Michael Forcher (im Kurier).
Es kam zu einer Initiative im Tiroler Landtag betreffend einer „Rehabilitierung“ Gaismairs durch das offizielle Tirol und daraufhin zu einem international besetzten wissenschaftlichen Kongress über Gaismair im Volksbildungshaus Grillhof. Michael Forcher, der schon in seinem Buch „Tirol – Historische Streiflichter“ erstmals mehrere Seiten den Bauernkriegen und Michael Gaismair gewidmet hatte, brachte zum 450. Todestag Gaismairs im Jahr 1982 eine kurzgefasste Biographie nach neuestem Wissensstand heraus und setzte diesen Schwerpunkt auch wieder in seiner weitverbreiteten „Tiroler Geschichte“ von 1982. Michael Gaismair war aus Tirols Geschichte nicht mehr wegzudenken.
1976 wurde die „Michael-Gaismair-Gesellschaft“ gegründet (bestehend hauptsächlich aus Tiroler Intellektuellen und Künstlern), die es sich zum Ziel setzte, Gaismairs immer noch gültige und in manchem bis heute unerfüllte Forderungen den Tirolern bewusst zu machen und überhaupt anhand dieser Persönlichkeit für ein Aufbrechen der damaligen verkrusteten politischen Strukturen Tirols einzutreten. Ab 1980 wurde zu diesem Zweck auch ein „Gaismair-Kalender“ herausgegeben, der sich – mit aufklärenden Zielen – an den traditionellen Volkskalendern orientierte. 1988 erschien über Initiative dieser Gesellschaft endlich auch eine überarbeitete Fassung des Werkes von Macek im österreichischen Bundesverlag. Die Gaismair-Gesellschaft beschränkte sich allerdings durch die Zusammensetzung ihrer Mitglieder auf einen eher elitären Universitätsbereich.
Deshalb muss hier ein Mann erwähnt werden, der an anderer Front für Gaismair kämpfte und wesentlichen Anteil daran hatte, dass Gaismair in Tirol wieder bekannter wurde, Anteil schließlich auch daran, dass ich dieses Stück endlich schrieb (weshalb es ihm auch gewidmet ist): Ing. Hermann Weber, 40 Jahre lang Leiter des Erwachsenenbildungsheimes Grillhof in Vill bei Innsbruck. Seit den frühen 70er-Jahren hat Hermann Weber immer wieder Veranstaltungen zu Gaismair am Grillhof abgehalten, schon 1977 versuchte er mich dazu zu bringen, über Gaismair ein Stück zu schreiben, und beharrlich versorgte er mich in den folgenden Jahren mit Unterlagen und jeder neu erschienenen Literatur.
1981 fanden die ersten Tiroler Volksschauspiele in Hall statt, und hier war es Dietmar Schönherr, der mich bat, so bald wie möglich für die Volkschauspiele ein Stück über Gaismair zu schreiben. Ich sagte ja, aber drückte mich dennoch und schrieb „Stigma“.
1991, zum zehnjährigen Jubiläum, wurde ich wieder angemahnt; vergeblich. Vor ein paar Jahren schließlich verloren die Kollegen die Geduld: Entweder endlich zum 20-Jahre-Jubiläum oder gar nicht mehr. So überwand ich schließlich meine Furcht und ging ans Werk.
Um ja der Gefahr des faden Historienstückes zu entgehen, wünschte ich mir einen bestimmten Regisseur: Christian Stückl, der in Oberammergau die Massen beim Passionsspiel bewegte und an den Münchner Kammerspielen (unter anderem) den steirischen Brachial-Dramatiker Werner Schwab uraufführte. Das erschien mir die richtige Mischung. Anfang Juni 2001 – kurz vor Probenbeginn – fuhren wir alle (Regisseur, Schauspieler, Bühne) auf den Spuren Gaismairs nach Sterzing, Brixen, Padua und Montegrotto. Hermann Weber war unser „Reiseleiter“, was er immer wieder bestritt, da er der Meinung ist, die Augen des Reisenden seien seine besten „Reiseleiter“. Da hat er bestimmt recht, diesmal muss man aber auch die Ohren dazu zählen, denn wir alle lernten viel durch die Erzählungen Webers.
Auch von Professor Aldo Stella wollten wir uns etwas erzählen lassen, denn ihm ist die grundlegende Forschung über Gaismairs Exil in Padua zu verdanken, aber leider war er durch einen Krankenhausaufenthalt verhindert. Dafür trafen wir seine Mitarbeiterin Frau Dr. Fiammetta Bada und die wunderschöne Kulturreferentin von Montegrotto, die unbedingt den Passler-Darsteller kennenlernen wollte, der war aber im Lunapark.
Es war ein merkwürdiges Gefühl und sehr schön, in der milden Abenddämmerung vor Gaismairs Landhaus auf einem der Euganeischen Hügel bei Montegrotto zu stehen und hinunter auf die Felder zu schauen, die Gaismair vor fast 500 Jahren trockengelegt hatte. Die Grillen zirpten, italienische Popmusik schallte aus Kofferradios, Jugendliche kamen mit ihren Vespas gefahren und feierten auf einem Feld über dem Gutshof ein Fest, und auf eine Mauer der Terrasse war auf Italienisch gesprüht: „Das Leben ist schön, aber kurz, darum genieße es“. Guntram Brattia (unser Gaismair-Darsteller) verschwand durch eine der Fensterhöhlen in der Dunkelheit des Renaissance-Hauses, das unbewohnt, aber noch erstaunlich gut erhalten ist, und traf sich dort wohl mit dem Geist Gaismairs zu einem Zwiegespräch. Gregor Bloéb (unser wilder Peter Passler) fuhr lieber im Lunapark mit einem „Puffauto“ (er wusste nichts von der schönen Kulturreferentin), während Peter Mitterrutzner (als Pfefferer der treueste Anhänger Gaismairs im Stück) auf dem Prato della Valle in Padua, den 86 Statuen von historischen Persönlichkeiten umringen, vergeblich nach der von Gaismair Ausschau hielt. So etwas nennt man die perfekte Besetzung von Rollen.
Ich selbst suchte dann auf den Stufen des Palazzetto Strozzi in Padua nach Blutspuren des ermordeten Revolutionärs und fand auch welche (bildete ich mir zumindest ein). Bei 42 Messerstichen strömt so viel Blut, dass selbst der Regen von 500 Jahren nicht alle Spuren beseitigen kann.
Die Uraufführung fand dann in der riesigen Betonhalle der neuen Landesfeuerwehrschule in Telfs statt, als Bühnenbild gab es nur einen langen Tisch und viele Lastwagen Erde, die zu einer Hügellandschaft aufgeschüttet wurden. Guntram Brattia war ein ergreifender, hochintellektueller Revolutionär, der an seiner Mission verzweifelt und zu Grunde geht. Der wahre Held für die Zuschauer wurde aber erstaunlicherweise Gregor Bloéb als Räuberhauptmann Peter Passler, der sich nicht unterkriegen lässt. Gregor trat damit in die Fußstapfen von Hans Brenner, der so früh von uns ging und den wir schmerzlich missen.
PERSONEN:
Michael Gaismair (35)
Magdalena, seine Frau (26)
Bauern:
Passler (jung, wild)
Pfefferer (über 50, besonnen)
Pichler (40, radikal)
Schnagerer (jung, etwas verschlagen)
Herren:
Sebastian Sprenz (50), Fürstbischof von Brixen
Erzherzog Ferdinand von Habsburg (22), Landesfürst von Tirol
Gabriel Salamanca (35), Spanier, Kanzler des Erzherzogs
Jakob Fugger (66), Augsburger Magnat
Andrea Gritti (70), Doge von Venedig
Kiening (50), Bürgermeister von Brixen
Bauern und Bürger (auch Frauen), Adelige und Prälaten, Wachen und Söldner, Kinder, der schwarze Ritter, ein Scharfrichter, drei Mörder.
ZEIT:
1525–1532
ORTE DER HANDLUNG:
Hofburg Innsbruck, Hofburg Brixen, Wohnung Gaismair in Brixen, Domplatz Brixen, Schenke in Innsbruck, Wald im Wipptal, Kerker in Innsbruck, Bauernstube in Klosters, Wald im Pustertal, Dogenpalast in Venedig, Lazarett in Umbrien, Hügel bei Montegrotto, Palazzetto in Padua
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