DIE PROPHEZEIUNG DER AZTEKEN (Joe Hawke 6) - Rob Jones - E-Book

DIE PROPHEZEIUNG DER AZTEKEN (Joe Hawke 6) E-Book

Rob Jones

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Beschreibung

Während Joe Hawke versucht, eine alte Rechnung zu begleichen, stößt er auf ein Geheimnis, welches ihn und das ECHO-Team direkt in die Fänge ihres Erzfeindes treiben könnte. Doch zuvor findet er sich in einem Wettlauf gegen die Zeit wieder und muss seine Freunde durch eine tödliche Hetzjagd führen, um zu verhindern, dass die Hölle über die Welt hereinbricht. Von London über die Bibliothek des Vatikans bis in die tiefsten Dschungel Mexikos verfolgen Hawke und sein Team einen Gegner, der beabsichtigt, einen so alten wie mörderischen Kult wiederauferstehen zu lassen …  Atemlose Action, verknüpft mit mythologischen Themen, und ein gehöriger Schuss Humor machen Rob Jones' Schatzjägerreihe zu einem absoluten Geheimtipp für Fans von James Rollins, Andy McDermott oder Clive Cussler. 

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Die Prophezeiung der Azteken

Joe Hawke Abenteuer – Band 6

Rob Jones

This Translation is published by arrangement with Rob Jones.

Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.

 

Impressum

Deutsche Erstausgabe Originaltitel: THE AZTEC PROPHECY Copyright Gesamtausgabe © 2023 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Madeleine Seither

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2023) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-816-4

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

Inhaltsverzeichnis

Die Prophezeiung der Azteken
Impressum
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Epilog
Anmerkung des Autors
Über den Autor

 

 

Für meine Familie

Prolog

Joe Hawke hockte in der Dunkelheit und wartete darauf, dass sich eine Wolkenbank vor den Mond schob. Er war voll heute Nacht – ein blauer Mond – und beleuchtete die Landschaft wie ein Bühnenscheinwerfer. In der Ferne, irgendwo hinter sich, hörte er das Rauschen eines Baches, und weiter weg erklang das lange, tiefe Röhren eines Hirsches. Aber heute Abend jagte er kein Rotwild. Seine Beute war etwas weitaus Größeres.

Hier oben in den schottischen Highlands herrschte eine düstere Schönheit, die ihm gefiel, aber manchmal konnte sie einem auch zusetzen, und heute Abend war das so. Seit Tagen war ein schwerer Sturm vom Atlantik herübergezogen und hatte die Gegend mit Regen und heulenden Winden gepeitscht. Er hatte diese Tage in einem Graben liegend verbracht, den er in den frühen Morgenstunden der ersten Nacht ausgehoben hatte, und die Sicherheitssysteme überwacht.

Der Graben verlief von Norden nach Süden, um die Sommersonne gering zu halten, die selbst hier oben tagsüber ein Problem darstellen konnte. Er benutzte herabgefallene Äste aus dem Wald als Stützbalken und deckte ihn mit Torf und Moos ab. Der Rest war nichts weiter als ein Geduldsspiel, egal, wie das Wetter war. Er hatte nicht einmal in Erwägung gezogen, die Mission deswegen zu verschieben – der SBS tat solche Dinge nicht –, aber trotzdem war er froh gewesen, als er an diesem Morgen aufgewacht war und gesehen hatte, dass der Sturm abgeflaut war.

Er zog eine Glock 22 aus einem Holster unter seiner Tarnjacke und legte den Daumenhebel um, um das Magazin auszuwerfen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass es vollständig geladen war, schob er es wieder in den Griff und zog den Schlitten zurück. Als sich das Federlager vorwärts in Position bewegte, zog es automatisch eine Patrone von oben aus dem Magazin in die Kammer. Jetzt war die Waffe geladen und einsatzbereit. An der Glock gab es keine Sicherung, sobald sich eine scharfe Patrone im Patronenlager befand, also war jetzt Showtime.

Er nutzte eine Überwachungslücke in der Kamera, kletterte mit Leichtigkeit über die Begrenzungsmauer und ließ sich vorsichtig auf den Kies auf der anderen Seite hinunter. Jetzt stand er am äußeren Rand eines beeindruckenden Buchsbaumlabyrinths, das die östlichen Formschnittrasen von Earlskeep Castle schmückte. Dies war der Stammsitz von James Stewart Sinclair Matheson, dem ehemaligen britischen Außenminister, und genau wie das Parabellumgeschoss in der öligen Kammer, hatte auch Joe Hawke etwas zu erledigen.

Lautlos ging er im Zickzack über den Formschnittrasen und um das Labyrinth herum, bis er einen elegant gepflegten Krocketrasen erreichte. Nachdem er gewartet hatte, bis eine neue Wolke den Mond verdunkelte, joggte er über den Rasen und erreichte einen alten Taubenschlag, der aussah, als wäre er zu einem kleinen Gästehaus für Freunde oder Verwandte umgebaut worden.

Wie hübsch.

Von hier aus lief er in einen weitläufigen Apfelgarten, der ihm Schutz vor den Nebengebäuden im Innengelände des Schlosses bot.

Das Schloss war ein beeindruckendes Beispiel für die Architektur des sechzehnten Jahrhunderts, 1545 von Sir Robert Sinclair erbaut, und hatte im Laufe seines langen, wendungsvollen Lebens viele bedeutende Persönlichkeiten der britischen Geschichte beherbergt, von Mary, der Königin der Schotten, bis hin zu Edward VIII, der es ein Mal für ein Wochenende besucht hatte, um auf Hirschjagd zu gehen und Baccarat zu spielen. Nichts davon bedeutete dem früheren SBS-Soldaten etwas, als er geduckt am äußeren Rand des viktorianischen Nutzgartens entlanglief. Er hatte nur eines im Sinn, wie immer bei solchen Missionen: rein und wieder raus.

Ja, es war beeindruckend, aber wenn James Matheson glaubte, diese Schlossmauern könnten ihn vor seinem Schicksal bewahren, dann war er noch verblendeter, als Hawke ohnehin annahm. Während sich der englische ehemalige Elitesoldat lautlos durch die Schatten schob und seinem Ziel immer näher kam, bemühte er sich nach Kräften, nicht an seine Frau Liz zu denken, oder daran, dass Matheson ihren Mord befohlen hatte. Er bemühte sich nach Kräften, nicht daran zu denken, wie der alte Mann sie in den Flitterwochen auf den Straßen von Hanoi hatte abknallen lassen … wie dieser fiese alte Scheißkerl ihnen ihr Glück entrissen hatte, bevor es überhaupt begonnen hatte … doch ganz gleich, wie sehr er sich anstrengte, er konnte die Geister einfach nicht aus seinem Kopf fernhalten. Nichts war persönlicher als das, und er war hier, um die Rechnung zu begleichen.

Die letzte Hürde war ein breiter Burggraben, zwar voll Wasser, aber nur zur Zierde. Mit Scheinanemonen und Seerosen bedeckt waren seine Verteidigungstage längst vorüber, und Hawke lief problemlos über die schmale Brücke zu den Hauptmauern des Schlosses.

Er schlug ein kleines Fenster an der Außenmauer ein, kletterte hindurch und fand sich in einem Raum wieder, der wie ein ehemaliges Dienstbotenquartier aussah, jetzt aber eine der Küchen war. Er sah einen großen, mit Geschirr beladenen Tisch und die Überreste eines gebratenen Truthahns, der auf einem Metalltablett auf dem Herd stand.

Wie gemütlich.

Hawke wusste, wohin er gehen musste. Sobald er erfahren hatte, dass Matheson aus der Regierung ausgeschieden war und sich auf seinem schottischen Anwesen zur Ruhe gesetzt hatte, hatten seine Nachforschungen Fahrt aufgenommen. Es hatte nicht lange gedauert, die Grundrisse des Schlosses aus den verschiedenen Bauanträgen im Laufe der Jahre ausfindig zu machen, und dann hatte eine kurze Erkundung des Anwesens während der letzten Tage von seinem Graben aus verraten, welche Lichter nachts zuletzt gelöscht wurden.

Ein Kinderspiel.

Als er durch die Tür spähte, sah er einen langen, leeren Korridor. Dieser, das wusste er, würde schließlich zu dem kleinen, von dem von Matheson angestellten Sicherheitspersonal genutzten Raum führen. Er war weit genug von den Küchen entfernt, dass sie das Fenster nicht zerbrechen gehört hätten, aber nah genug, dass er in weniger als drei Minuten lautlosen Gangs durch die düsteren, mit Perserteppichen ausgelegten Korridore dort war.

Es waren nur zwei Männer im Sicherheitsbüro. Beide dösten, weiche Bäuche in bequemen Stühlen, der eine mit einem Teller Bohnen und Pommes auf dem Schoß, der andere trug Apple-Ohrhörer. Hawke konnte nachempfinden, wie langweilig es aus einem Security-Blickwinkel hier oben sein musste, und dachte darüber nach, wie das die Dinge sowohl für ihn als auch für sie einfacher machte. Es würde ihnen keinen Spaß machen, von einem früheren SBS-Mitglied außer Gefecht gesetzt zu werden, und bei der Verteidigung eines Mistkerls wie Matheson verletzt zu werden, würde es noch weitaus schlimmer machen.

Er wünschte ihnen süße Träume und setzte seinen Weg durch den Korridor fort, bis er das untere Ende der Dienstbotentreppe erreichte. An der Wandseite auf die Stufen auftretend, um zu vermeiden, dass sie unter seinem Gewicht knarrten, bewegte er sich langsam zum obersten Stockwerk, wo sich, wie er wusste, Mathesons Privatwohnung befand.

Als er näher kam, konnte er das warme, behagliche Licht eines flackernden Feuers unter der Wohnungstür hervorleuchten sehen, und von drinnen hörte er den Klang von avantgardistischer Jazzmusik. So also entspannte sich James Matheson an einem Samstagabend …

Er machte die Glock bereit, indem er geschickt einen Schalldämpfer auf den Lauf schraubte, und holte tief Luft. Er hatte lange darauf gewartet, und viele Menschen waren auf dem Weg dorthin gestorben. Viele anständige, unschuldige Menschen. Heute Abend würden sie alle gerächt werden, aber im Grunde ging es um seine Frau … die Frau, die er in Paddington kennengelernt hatte, während sie geduldig auf einen Zug wartete … die Frau, die er an der Küste in einer kleinen Familienzeremonie geheiratet hatte … die Frau, die er am ersten Tag ihrer Flitterwochen in Vietnam hatte sterben sehen – und all das, weil das Monster hinter dieser Tür ihren Tod befohlen hatte.

Jetzt war es Zeit für Rache.

Er trat die Tür auf und stürmte mit erhobener Waffe in den Raum. Sofort erblickte er Matheson: Er saß in einem ledernen Ohrensessel vor dem Kamin und hatte eine Decke mit Schottenmuster über den Beinen liegen.

»Was zum Teufel?«, sagte der alte Mann und verdrehte sich unbehaglich im Sessel. »Wachen!«

»Vergessen Sie die, und vergessen Sie auch diese beschissene Musik.«

Hawke richtete die Pistole auf die Stereoanlage und feuerte einen einzelnen Schuss auf sie ab. Die Kugel riss den Deckel von der Anlage, und nach einer weißen Rauchwolke und einem Funkenregen herrschte Stille im Raum.

Hawke schloss leise die Tür hinter sich und trat näher an Matheson heran. »Hände dahin, wo ich sie sehen kann, oder ich zerschieße eine Kniescheibe. Ihre Männer schlafen bei der Arbeit und werden Sie nicht hören, selbst wenn Sie um Hilfe schreien.«

»Das bezweifle ich sehr!«

»Sie können es ja versuchen. Es wird interessant, herauszufinden, ob die beiden übergewichtigen Trottel da unten fünf Stockwerke hochsteigen können, bevor ich auf diesen Abzug drücken und Ihnen den Kopf wegpusten kann.«

Matheson überlegte kurz, doch dann breitete sich ein böses Lächeln auf seinem runzligen Gesicht aus. »Wissen Sie, ich wusste, dass Sie hier sind …«

»Aber sicher.«

»Natürlich nicht speziell Sie, aber ich wusste, dass jemand hier oben herumgeschlichen ist. Sie haben einen Laseralarm zwischen dem Taubenschlag und dem Obstgarten ausgelöst. Er wird hier oben und im Wachraum angezeigt. Ich wusste sofort, dass etwas im Busch ist. Das einzige Problem ist, dass ich davon ausging, dass meine Sicherheitsvorkehrungen besser sind, als es sich herausgestellt hat.«

»Das Leben ist also voller Überraschungen«, sagte Hawke. »Selbst für einen reichen, klapprigen Drecksack wie Sie. Und jetzt reden Sie mit mir über Operation Swallowtail.«

Matheson musterte den bewaffneten Mann, der vor ihm stand, lange schweigend, dann sprach er. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«

Hawke feuerte die Waffe ab, und die Kugel traf den oberen Teil von Mathesons Ohrensessel. Ein dicker Wattebausch explodierte nur wenige Zentimeter neben dem Kopf des alten Mannes. Er fuhr fast aus der Haut, und jetzt sah Hawke zum ersten Mal Angst in seinen Augen.

»Operation Swallowtail … oder der nächste Schuss geht durch Ihr rechtes Auge.«

»Schön. Nehmen Sie einfach die Waffe runter.«

»Die Waffe bleibt, wo sie ist. Reden Sie.«

Hass und Angst kämpften in Mathesons dunklen, schmalen Augen um die Oberhand. Hawke konnte sehen, wie sehr der ehemalige Außenminister ihn verletzen wollte, oder Schlimmeres … doch im Moment war der Spieß umgedreht.

»Swallowtail war nicht mein Projekt.«

»Stellen Sie sich meine Überraschung vor.«

»Ich wurde beauftragt, es ins Leben zu rufen.«

»Vom Premierminister?«

»Ja, aber auch er hatte den Befehl dazu.«

»Ich will einen Namen.«

Mathesons Augen richteten sich wieder auf den Lauf der Glock. »Das Orakel.«

»Das Orakel? Soll das ein Scherz sein?«

»Das ist so weit von einem Scherz entfernt, wie Sie es sich nur vorstellen können. Ich würde Ihnen raten, Harry Donovan zu fragen, aber der war ja der Kater, dessen Neugier sein Tod war.«

»Was meinen Sie damit? Dass dieses Orakel in den Mord an Leas Vater verwickelt war?«

Matheson zuckte mit den Schultern.

»Ich will einen Namen und einen Ort.«

»Das Orakel zu jagen ist ein Metzgersgang, Hawke … eine Einbahnstraße.«

»Ich habe nach seinem Namen gefragt.«

»Und ich schwöre, ich kenne ihn nicht. Niemand kennt ihn.«

Hawke sah ihm in die Augen und registrierte die Angst. Er sagte die Wahrheit. »Dann sind Sie für mich nicht mehr von Nutzen.«

Heftig schwitzend streckte James Matheson eine zitternde Hand aus und flehte kleinlaut um sein Leben. »Bitte!«

Hawke wollte ihn foltern. Liz war in seinem Kopf … ihr Lächeln in der Kirche, als die Sonne durch das Buntglas schien und das Schleierkraut in ihrer Blumenkrone beleuchtete … der Klang ihres Lachens auf der Kreuzfahrt in der Halong-Bucht …

»Sie sind ein verdammter Scheißkerl, Matheson, und Sie haben Glück, dass ich es schnell mache.«

Hawke erwog einen Schuss zwischen die Augen, beendete die Sache aber mit einem Mosambik-Drill – ein Doppelschuss in Mathesons Brust und ein einzelner Schuss in die Stirn. Er war in weniger als einer Sekunde tot, aber seine Worte hingen noch in der Luft und vermischten sich mit dem Pistolenrauch. Einbahnstraße, das Orakel, niemand kennt seinen Namen … War das Orakel echt? Hatte es wirklich die Fäden der Staatsoberhäupter der Welt in der Hand? Wer war es? Wenn das stimmte, dann war das eine erschreckende Enthüllung, die alles veränderte.

Jetzt allein ging Hawke gemächlich zu der Flasche Glenmorangie hinüber und schraubte seelenruhig den Metalldeckel ab.

Für dich, Liz.

Er hob den Whisky zum Mund und nahm einen tiefen Schluck, während sein Blick zur Leiche wanderte, die zusammengesunken im Ohrensessel neben dem Feuer saß. Nachdem er die Spirituose auf den Barschrank zurückgestellt hatte, verließ den Raum auf dem gleichen Weg, auf dem er gekommen war, und war bald nichts weiter als ein Schatten in der Nacht.

Kapitel 1

Ben Ridgeley hielt sich im tropischen Unterholz verborgen und hob das Fernglas ans Auge. Morton Wade und seine Schergen während der letzten Tage durch die Selva Lacandoa in Mexiko zu verfolgen, war nicht einfach gewesen, aber inzwischen sah es besser aus. Endlich würde er dem ECHO-Hauptquartier auf Elysium etwas zu melden haben, und das bedeutete, dass Sir Richard Eden ihm fünfzig Dollar schuldete. Außerdem könnte es ihm womöglich in Sachen Wiedergutmachung helfen, nachdem er zugelassen hatte, dass Lexi Zhang ihn in jener Nacht überwältigte und ihn mit ihrer Paintball-Pistole aus dem Auswahltest warf.

Einige Schritte hinter ihm waren Alfie Mills und Sasha Harding. Sie waren zwei ehemalige Polizisten vom Met, die Eden überlegt hatte, nach Elysium zu holen, aber sie hatten bereits die Hauptregel gebrochen und gegen die Anweisung des Chefs gehandelt. Eden und Ben hatten die beiden angewiesen, in Acapulco zu bleiben, aber weniger als vierundzwanzig Stunden, nachdem er Wade in den Dschungel gefolgt war, hatten sie ihn eingeholt. Klar, sie versuchten, alle zu beeindrucken, aber der Befehl war aus gutem Grund erteilt worden. Der Dschungel war eine der am wenigsten versöhnlichen Umgebungen, ganz zu schweigen davon, wenn man mit einem Feind im Gefecht lag, der einen töten wollte. Jetzt hielten sie ihn nur auf.

»Siehst du was?«, fragte Sasha.

»Ja«, antwortete Ben. »Sieht so aus, als hätten sie endlich gefunden, wonach sie gesucht haben.« Er beobachtete, wie sich das Team aus Söldnern und Gangstern den Ruinen näherte, die sie gesucht hatten. Soweit er es an den Akzenten, Zigaretten und Tätowierungen erkennen konnte, waren es überwiegend Mexikaner, anders als ihr Anführer, der amerikanische Silicon-Valley-Magnat und Tech-Guru Morton Wade. Wie Ridgeley waren auch sie von der Wanderung müde, aber Wade schienen diese speziellen Ruinen in Schwung zu bringen, und er befahl seinen Männern die Erkundung. Dieser Ort stand auf keiner Karte, aber Wade wirkte begeistert, hier zu sein.

Ben hatte Mühe, das Team im Blick zu behalten, als es tiefer in die Ruinen vordrang. Verdammt, dachte er und ging vorsichtig näher heran. Er wies Alfie und Sasha an, sich nicht vom Fleck zu rühren, und bahnte sich einen Weg durch die Sapoten- und Pimentpflanzen, bis er hinter dem Stamm eines Guanacaste-Baums in Deckung ging. Über sich, durch ein Dach aus Magnolien- und Mahagoniblättern, sah er einen dunkler werdenden Himmel, der drohte, ihn zum dritten Mal an diesem Tag bis auf die Haut zu durchnässen.

Um ihn herum mischte sich der ohrenbetäubende Rhythmus von Zikaden und Aras mit den unheimlichen Rufen der Brüllaffen. Er dachte daran, was er an seinem karibischen Refugium vermisste – ein kühles Getränk und ein bequemes Bett –, aber im Fallschirmjägerregiment hatte er schon Schlimmeres durchgemacht, meistens unter Edens Befehl, und das hier war ein wichtiger Einsatz. Wie die beiden Ex-Polizisten zurechtkamen, konnte man nur vermuten.

Wade stieß weitere Befehle aus, und einige der Männer öffneten eine Ausrüstungskiste und holten Leuchtstäbe und Seile heraus. »Das sieht vielversprechend aus«, murmelte Ben und holte die gesteigerte Aktivität mit dem Fernglas näher heran.

Zwei der Männer rissen gerade Lianen und wilde Bromelien von den Ruinen, um Zugang zu einer Art verborgenem Eingang zu erhalten. Einige ihrer Kollegen liefen im Kreis herum und blickten mit erhobenen Colt 9mm SMGs in den dichten Regenwald hinein, für Ärger gewappnet. Es sah so aus, als würden sie eine Art Abgrenzung errichten und das verriet Ben, dass sie vorhatten, eine Weile zu bleiben.

Wade beugte sich in den frisch freigelegten Eingang und steckte den Kopf hinein. Nachdem er kurz überlegt hatte, trat er wieder ins Tageslicht hinaus. Er lächelte, wirkte aber unruhig. Nachdem er die Wachen entlang der Grenze ausgesondert und sie angewiesen hatte, die Stellung zu halten, befahl er die anderen Männer in die Ruinen.

Bens Besorgnis wuchs, als Wade und die ausgewählten Männer die Ruinen betraten und in der Dunkelheit darin verschwanden. Die Zeit verging, und als sie aus dem Eingang auftauchten, schleppten sie etwas, das wie eine halbe Steinscheibe aussah, ins Tageslicht.

Langsam bewegte er sich vorwärts, um besser sehen zu können, und versuchte dabei, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber ein toter Ast gab unter seinem Stiefel nach, und das Knacken hallte durch die Gegend wie ein Schuss.

Augenblicklich drehten sich die Männer um und begannen, in seiner Richtung zu suchen. Sekunden später schickte Wade sie in den Dschungel. Ben war klar, dass er sich und die anderen hier wegbringen musste, und begann, durchs Dickicht zu klettern. An einem losen Felsen kam er aus dem Tritt, stürzte vornüber und riss sich das Knie an einem scharfkantigen Ast auf. Er unterdrückte den Schrei, aber es blieb keine Zeit, die Wunde zu untersuchen: Sie kamen ihm mit jeder Sekunde näher.

»Verschwindet!«, schrie er Alfie und Sascha an. »Versteckt euch!«

Er drückte sich gegen einen Baumstamm und griff nach dem Handy in seiner Tasche. Wie alles andere auch, war es durch den unaufhörlichen Regen ordentlich durchnässt worden, und er betete, als er es einschaltete.

Seine Gebete wurden erhört. Obwohl der Akku nur noch ein Prozent übrig hatte, schien das Handy zu funktionieren, und er drückte umgehend die Kurzwahltaste, um eine Verbindung mit der ECHO-Zentrale herzustellen.

»Ben!«, sagte die Stimme. Er erkannte sie sofort als die von Eden. »Wo waren Sie?«

»Ich stecke in Schwierigkeiten, Rich.« Der Klang seiner Stimme, hektisch und ängstlich, überraschte sogar ihn selbst. »Sie sind mir auf den Fersen. Sie müssen Infrarot-Tracker oder so was haben, denn egal, was ich tue, sie kommen immer näher … und es gibt noch schlimmere Neuigkeiten. Alfie und Sasha sind mir in den Dschungel gefolgt.«

»Was? Ich habe ihnen doch befohlen, in Acapulco zu bleiben. Ihr müsst alle da verschwinden!«

»Leichter gesagt als getan, Rich«, antwortete Ben. Sein Herz schlug wild in seiner Brust. »Ich will ehrlich mit Ihnen sein … ich glaube nicht, dass ich das hier überstehen werde, also hören Sie gut zu.«

»Ich höre zu, Ben, aber glauben Sie nicht, dass wir nicht alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Sie da rauszuholen.«

Ein kurzes Lächeln blitzte auf Bens Gesicht auf. Das klang genau nach dem alten Mann – keiner bleibt zurück und so weiter –, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Hinter der Anhöhe, die er gerade heruntergefallen war, konnte er hören, wie die Männer schnell näher kamen. Alfie und Sasha waren nirgends zu sehen. Vielleicht waren sie entkommen.

»Ich glaube, Wade hat gefunden, was er gesucht hat, Rich. Es sieht aus wie ein steinernes Artefakt. Eine halbe Scheibe mit seltsamen Mustern. Was für Bale, denke ich.« Während er sprach, öffnete sich der Himmel, und sintflutartiger Regen brach durch das Dschungeldach.

»Ihre Sicherheit hat Vorrang, Ben.«

»Diesmal nicht … Ich bin am Arsch, Rich, und wir beide wissen das. Sie können die Koordinaten meines Handys über das GPS zurückverfolgen, also war die Mission wenigstens nicht umsonst. Ich werde Wades Männer ablenken, damit Alfie und Sasha eine bessere Chance haben.«

»Seien Sie nicht so verdammt pessimistisch, Ridgeley. Und das ist ein Befehl!«

Ben lächelte wieder und lehnte den Kopf an den Baumstamm hinter sich. Der Regen fiel vom Blätterdach und lief ihm über die Nase in den Mund. Näher jetzt, hörte er, wie jemand eine Salve aus einer Maschinenpistole abfeuerte. Sekunden später folgten irre Freudenschreie, und eine raue Stimme rief: »Er ist da drüben!«

Ben wog die Möglichkeiten ab, während er sich den warmen Regen übers Gesicht laufen ließ. Wenn er noch einmal versuchen würde, wegzulaufen, würde sein Knie ihn nach ein paar hundert Metern oder weniger zu Fall bringen. Wenn er blieb, wo er war, würden ihn die Männer binnen Augenblicken erreichen. Er konnte nur hoffen, dass sich Alfie und Sasha irgendwo in Sicherheit gebracht hatten, und er beobachtete, wie ein Papagei, von der ungeheuerlichen Annäherung seiner Verfolger aufgeschreckt, in die Baumkronen flog und im stürmischen Himmel verschwand. Wenn ich doch auch wegfliegen könnte, dachte er.

Seine Gedanken wurden vom Geräusch der Männer, die sich ihren Weg zu ihm bahnten, zerschlagen. Er spähte um den Stamm herum und sah augenblicklich das Aufblitzen ihrer Machetenklingen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem er seinen letzten Anlauf nehmen musste.

Er sprang über den Fluss, und sein Handy fiel ihm aus der Hand, als er am anderen Ufer auf einer Lichtung landete. Er unterdrückte einen Schmerzensschrei, als sich seine zertrümmerte Kniescheibe in den verletzten Gelenkknorpel bohrte, aber seine Mühe war vergeblich. Sekunden später rutschte er durch den Schlamm am anderen Ufer und hörte einen Freudenschrei, als die Männer hinter ihm ihn sahen und die Verfolgung aufnahmen.

Die Männer warteten kurz am Flussufer und Ben fragte sich, ob er doch noch eine Chance zur Flucht hatte, aber dann hörte er den Knall eines Schusses und spürte, wie sich die Kugel in sein gutes Knie bohrte. Sie hatten sein Hinken gesehen und beschlossen, auch noch sein unverletztes Bein außer Gefecht zu setzen. Jetzt mussten sie nicht einmal mehr rennen, um ihn zu fangen, und er sah gequält zu, wie sie lässig zu ihm herüberschlenderten, von Morton Wade persönlich angeführt.

Wade näherte sich zuerst und trat ihm in den Bauch. Ben krümmte sich und keuchte, aber der Schmerz in seinen Knien lenkte ihn von der Qual ab, die Wades Stiefel verursachte, als er ihn in sein Zwerchfell stieß.

»Wer hat Sie hergeschickt, Mann?«, sagte Wade in seinem gedehnten, texanischen Tonfall. »Die CIA? Der FSB? Oder vielleicht die verdammten Briten?«

»Wenn Sie glauben, dass ich Ihnen irgendwas sagen werde, können Sie das vergessen, Wade.«

»Ich erwarte nichts anderes als Ihren bevorstehenden Tod.«

Die Hände lässig in die Taschen geschoben, beschrieb Wade einen kleinen Kreis um Ben und musterte den Regenwald jenseits der Lichtung. »Kaum zu glauben, nicht, dass das, was heute nur aus Bäumen, Sträuchern und dichtem Unterholz besteht, einst eine prachtvolle Zivilisation war.«

»Was reden Sie da?« Ben wehrte sich gegen den Griff der Männer, die ihn festhielten, aber sie waren zu stark für ihn.

Wade machte eine ausladende Handbewegung, um die Ausmaße des Regenwaldes zu verdeutlichen. »Dieses Gebiet hier war nicht immer ein einfacher Dschungel. Vor tausend Jahren stand an eben dieser Stelle, an der wir uns gerade unterhalten, eine gewaltige, alte Metropole. Wahrscheinlich war das hier eine Kreuzung im Herzen der Stadt, und da drüben befand sich eine zentrale Prachtstraße, die zu den heiligsten Tempeln führte. Leider ist speziell hier nicht mehr viel übrig.«

Ben sah zu, wie Wade in eine seltsame Träumerei abzugleiten schien. Vielleicht glaubte er, er wäre gerade in seiner kostbaren, alten Zivilisation, statt hier im Regenwald. Ben konnte nur spekulieren, was einem Mann wie Morton Wade durch den Kopf ging.

»Was immer Sie vorhaben, Sie werden scheitern.«

Die Männer brachen in Gelächter aus, aber Wade war eher nachdenklich.

»Ich bewundere Ihren Optimismus, aber in diesem Punkt müssen wir uns darauf einigen, dass wir uns nicht einig sind. Mein Vorhaben, wie Sie es nennen, ist bereits in trockenen Tüchern. Wir sind bereits mitten im Endspurt der Zielgeraden. Allerdings werden Sie das Ende nicht miterleben.«

»Wovon reden Sie? Wenn Sie mich töten wollen, dann machen Sie schon!«

Weiteres Gelächter, aber als die Männer den Ausdruck auf Wades Gesicht sahen, beruhigten sie sich schnell wieder und schwiegen ernst.

Der Texaner zog einen schwarzen Gegenstand aus der Tasche. Er war verdreht und schwarz, größtenteils glatt, aber mit einigen scharfen, gezackten Kanten. »Wissen Sie, was das ist?«

»Sieht aus wie Ihre Persönlichkeit.«

Wade ignorierte die Bemerkung. »Das ist Obsidian. Vulkanglas entsteht auf natürliche Weise, wenn felsische Lava aus einem Vulkan austritt und dann sehr schnell abkühlt. Seine Bedeutung für die mesoamerikanische Kultur darf nicht unterschätzt werden, vor allem in den präkolumbianischen Zivilisationen.«

»Wenn das so ist, nehme ich zwei, und können Sie sie bitte als Geschenk einpacken? Sie sind ein guter Kerl.«

Wieder rammte Wade seinen Stiefel in Bens Bauch, und er heulte vor Schmerz auf.

»Sie haben ihn für alle möglichen Zwecke verwendet, für Schmuck, Klingen, sogar für religiöse Idole und Figuren.« Wade hielt den schwarzen Obsidian in den Himmel und betrachtete ihn einige Augenblicke lang ehrfürchtig. »Haben Sie schon einmal von Huitzilopochtli gehört?«

»Natürlich«, sagte Ben, der immer noch nach Luft rang. »Aber das esse ich nur mit Guacamole.«

»Ruhe!«, fuhr Wade in an. »Sie Frevler! Huitzilopochtli war eine herrliche Gottheit.« Er starrte wieder wie gebannt auf das schwarze Glas. »Allein Ihre völlige Unwissenheit erlaubt es Ihnen, den mächtigen Huitzilopochtli zu verspotten, den großen Gott des Krieges … den Schöpfer der Sonne. Aber bald werden Sie vor ihm erzittern.«

Ben wand sich im Griff der Männer und starrte Wade mit verwirrtem Blick an. »Sie verdammter Feigling!«

»Die Azteken waren äußerst kreativ, wenn es darum ging, den Göttern Menschen zu opfern. Wenn ich Sie Tezcatlipoca opfern wollte, würde ich Ihnen eine Waffenattrappe geben und Sie zwingen, gegen die Jaguarkrieger zu kämpfen. Wenn ich Sie Huehueteotl opfern wollte, würden Sie bei lebendigem Leib verbrannt werden. Und dann gab es noch das Huitzilopochtli-Ritual …«

»Und was beinhaltet das?«, fragte Ben, um Zeit zu schinden. »Mit einem Staubwedel zu Tode gekitzelt zu werden?«

Das selbstzufriedene Grinsen verschwand aus Wades Gesicht. »Typisch großmäuliger Brite. Immer am Witzeln. Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, Engländer, diejenigen, die Huitzilopochtli geopfert wurden, wurden auf eine Steinplatte gelegt, und ihnen wurde das Herz herausgerissen, während sie noch lebten.«

»Also definitiv keine Staubwedel?«

Wade brüllte weitere Befehle auf Spanisch, und die Männer stimmten Sprechchöre und Schlachtrufe an. Sie senkten die Waffen und zogen stattdessen merkwürdige Holzschwerter aus den Gürteln. Wade warf das Magazin einer Glock-Pistole aus und steckte es in seine Tasche. »Einige meiner Männer betrachten sich als Jaguarkrieger, im Dienst von Tezcatlipoca, andere als Adlerkrieger, im Dienst von Huitzilopochtli. Sie werden mit dem Maquahuitl, einer Art Schwert aus Obsidian, gegen Sie kämpfen. Es verursacht schreckliche Wunden … mehr als ausreichend, um Sie für das Ritual bewegungsunfähig zu machen.«

»Sie spinnen ja!«, sagte Ben. Ihm wurde schwer ums Herz, als er sah, wie Wades Männer Alfie und Sasha aus dem Dschungel zerrten. Mit vorgehaltenen Waffen warfen sie sie auf der Lichtung zu Boden. Sie hatten ihr Versteck gefunden.

Wade tat Bens Bemerkung mit einer lässigen Handbewegung ab und befahl seinen Männern, Alfie und Sasha zu töten. Ben sah entsetzt zu, wie sich ein Kugelhagel in die beiden ehemaligen Polizisten bohrte und sie in Fetzen riss. Sekunden später sanken ihre Leichen ins Dickicht, und die Geräusche der Zikaden kehrte zurück.

»Du mordendes Stück Scheiße, Wade!«

Wade nickte, als stimmte er ihm zu, doch dann wurde seine Miene mürrisch. »Wir sehen uns im nächsten Leben. Greift ihn an!«

Die Männer stürzten sich auf ihn und stachen auf seinen ganzen Körper ein, während er versuchte, sich mit dem Kolben der leeren, nutzlosen Waffe zu wehren. Er spürte, wie sich die gezackten Klingen der Maquahuitls überall in sein Fleisch bohrten, und dann stieg ihm der intensive Geschmack von Blut in den Mund.

Er wollte fliehen, brach aber am Boden zusammen, und nun stürzten sie sich wie Tiere auf ihn. Er spürte, wie sich ihre Stahlkappen in seinen Körper und Kopf bohrten, Rippen und Schädel trafen. Er spürte und hörte, wie seine Knochen unter dem unerbittlichen Druck brachen, und schrie in Todesangst, während Wades Schergen ihn brutal bis zur Bewusstlosigkeit prügelten.

In den letzten Momenten seines Lebens nahm er Morton Wade nur noch schemenhaft wahr, als dieser auf ihn zukam und irgendeine dunkle, unverständliche Beschwörungsformel murmelte. Dann sah er, wie der Texaner seine Obsidianklinge über den Kopf hob, die Spitze auf Bens Brust gerichtet, und er schrie ihn an, aufzuhören.

Aber Morton Wade hörte nicht auf. Weiter seine Beschwörung murmelnd, stieß er die Klinge hinunter.

Kapitel 2

Zehn Minuten zuvor

Alex Reeve warf noch einen Blick auf den Sonnenuntergang und schlenderte dann über den Steg zurück zum Hauptquartier. Im Wissen, dass niemand überhaupt Kenntnis von der Existenz der Insel hatte, fühlte sie sich hier sicher. Hier zu sein, bedeutete, völlig von der Bildfläche zu verschwinden.

Der Abend war warm und feucht wie immer, aber nicht drückend. Die Passatwinde, welche die ursprünglichen französischen Bewohner der Insel les alizés genannt hatten, brachten erfrischende Brisen aus Nordosten über das Meer und hielten das Klima stabil und angenehm. Gelegentlich fegte ein Hurrikan über die Insel, aber der ECHO-Komplex war dazu konzipiert, ihnen standzuhalten, und danach stellte sich wieder das normale tropische Inselparadies ein. Heute Abend war keine Ausnahme.

Abgesehen von dem Schatten, der allen überall hin folgte.

Die Athanatoi, oder Unsterblichen.

Keiner von ihnen wusste, wer sie waren oder was sie wollten. Alex wusste nur, dass ihre Medizin … ihre Magie … ihr geholfen hatte, nach Jahren im Rollstuhl wieder gehen zu können. Aber jedes Mal, wenn sie den stechenden Nervenschmerz in ihren Beinen spürte, fragte sie sich, wie lange noch. Ihr war klar, dass die schwarze Magie der Unsterblichen nachließ, und bald würde sie wieder in diesem verdammten Stuhl sitzen.

Der quälende Gedanke erschreckte sie, und doch hatte sie das ganze Ausmaß ihrer Sorgen für sich behalten, da sie die anderen in einer so entscheidenden Zeit nicht belasten wollte. Stattdessen stürzte sie sich in ihre eigenen Nachforschungen, wälzte die geheimnisvollen Akten von Dr. Henry Donovan und testete sogar mehrmals den letzten kostbaren Tropfen des heiligen Elixiers, aber bis jetzt hatte sie in den Nachforschungen von Leas Vater nichts außer den wirren Notizen eines besessenen Mannes gefunden … und nichts im Elixier selbst, abgesehen von den seltsamen elektrischen Eigenschaften, die noch keiner von ihnen entschlüsselt hatte.

Als sie zum Ufer zurückwanderte, sah sie Lexi Zhang aus dem Anwesen kommen. Die chinesische Attentäterin wedelte mit der Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

»Was ist los, Lexi?«, fragte sie, als sie den Blick in ihren Augen bemerkte.

»Es geht um den alten Mann. Etwas Großes ist im Busch.«

»Was denn?«

»Ich weiß es nicht, aber er will, dass wir uns alle schnellstens versammeln.«

Alex erkannte an Lexis Gesichtsausdruck, dass etwas nicht stimmte, und folgte ihr zum Anwesen. Als sie den Hauptraum betraten, kamen Scarlet Sloane und Vincent Reno gerade von der Küche herein.

»Was soll das alles?«, fragte Scarlet. »Vincent wollte mir gerade seine Andouillette zeigen.«

Alex sah Vincent an. »Nennt man das in Marseille so?«

Ehe Scarlet antworten konnte, weiteten sich ihre Augen. »Ooh! Ich weiß es! Geht es um Captain Kidd?«

»Den Piraten?«, sagte Alex verwirrt.

Lexi verdrehte die Augen. »Bitte lass sie nicht damit anfangen. Seit Tagen höre ich nur noch von Piraten und versunkenen Schätzen.«

Scarlet nickte und lächelte, ohne den Sarkasmus in der Stimme der chinesischen Killerin zu bemerken. »Das ist so spannend!«, fuhr sie fort. »Auf der Flucht vor englischen Soldaten hat er überall Schätze vergraben, auch auf Gardiner’s Island, als er sich in der Oyster Bay versteckte … aber der wahre Knüller ist der Schatz, der nie gefunden wurde.«

»Klar«, sagte Alex nickend. »Seine Geschichte ist so berühmt, dass sie Erzählungen wie Poes Goldkäfer und Die Schatzinsel von Robert Louis Stevenson inspiriert hat.«

»So romantisch«, sagte Vincent.

Scarlet bedachte ihn mit einem Seitenblick. »Ich dachte eher an den Schatz, Reap. Und deshalb habe ich nachgeforscht.«

»Vraiment?« Vor Respekt zog er die Augenbrauen hoch. »Du und Forschung sind wie Faust und Taube, oder?«

»Auge.«

»Sorry, wie Auge und Taube.«

Scarlet ließ das so stehen. »Wie auch immer, ich glaube, bei seiner Geschichte geht es um viel mehr als nur Gold. Es könnte etwas mit dem zu tun haben, gegen das wir gekämpft haben. Es ist eine blutige Spur, die nach Madagaskar und zu einer Menge Beute führt. Ich habe es neulich Rich gegenüber erwähnt. Vielleicht kann ich Bale darauf ansetzen, wenn wir mit der Katalogisierung des Walhalla-Schatzes fertig sind. Es ist unsere Zeit wert, das weiß ich.«

»Erzähl mir mehr!«, sagte Alex, offiziell interessiert. »Ich wollte schon immer mal nach Madagaskar.«

»Kapitän Kidd war ein Freibeuter, der …« Ehe Scarlet ausreden konnte, kam Sir Richard Eden mit einem Ausdruck gravierender Sorge die Haupttreppe herunter. Keiner von ihnen hatte ihn je so gesehen, nicht einmal die frühere SAS-Soldatin.

»Es geht um Ben Ridgeley«, sagte Eden zerstreut.

Alex spürte, wie sie bei der Erwähnung von Bens Namen eine Welle der Angst durchfuhr. Sie kannte ihn nicht gut. Seit sie dem Team beigetreten war, hatte er die meiste Zeit in Mexiko verbracht, um Morton Wade aufzuspüren, aber sie hatten einige schöne Momente miteinander verbracht. Nicht zuletzt in der Nacht, als sie es nicht geschafft hatten, Lexi daran zu hindern, alle auszuschalten und ihr Missionsziel, Sir Richard zu »ermorden«, zu erreichen.

»Was ist passiert?«, fragte sie.

»Er steckt in Schwierigkeiten«, fuhr Eden fort. »Schlimmer noch, Alfie Mills und Sasha Harding sind ihm in den Dschungel gefolgt, und jetzt sieht es so aus, als hätte Wade sie erwischt. Er muss sein Handy fallen gelassen haben, und die Kamera sendet eine Live-Übertragung.«

»Also nicht Captain Kidd …«, sagte Alex enttäuscht.

»Nein«, sagte Scarlet empört. »Die Romantik der Freibeuter-Schatzjagd wurde gerade von einem amerikanischen Software-Milliardär zerstört.«

»Tagsüber vielleicht«, sagte Eden, »aber nachts ist er ein ausgewiesener Spinner.«

»Wie kommen Sie darauf?«, fragte der Franzose.

»Wir sind uns nicht vollkommen sicher«, fuhr Eden fort. »Eine meiner Quellen deutete an, dass ich Wade möglicherweise mehr Aufmerksamkeit schenken sollte, also habe ich Ben, Alfie und Sasha hingeschickt, um herauszufinden, ob es etwas gibt, das man sich näher ansehen sollte. Gerüchten zufolge steht er kurz davor, etwas von enormer archäologischer Bedeutung aus der alten Zivilisation der Azteken zu finden.«

»Er interessiert sich also für Archäologie?«, fragte Scarlet. Ihre Stimme war der Inbegriff naiver Unschuld. »Das Gleiche kann man von vielen Nerds sagen … was ist daran falsch?«

»Falsch daran ist, dass es noch andere Gerüchte über Mr. Wade gibt … sehr unappetitliche Gerüchte darüber, wie er seine Freizeit verbringt.«

Vincent fixierte den alten Mann. »Was für Gerüchte?«

»Bevor er in Ungnade fiel, war Wades Geschäftsimperium riesig. Eine Zeit lang war er einer der reichsten Männer Amerikas und hatte Tochterfirmen in der gesamten westlichen Hemisphäre. Dazu gehörten auch mehrere Ausbeutungsbetriebe in Mexiko. Ganz zu schweigen von Gerüchten über eine ausgedehnte Kaffeeplantage irgendwo in Guerrero, aber wir sind nicht sicher, wo sie sich befindet.«

»Aber nicht gerade Vlad der Pfähler«, sagte Scarlet und zog eine Augenbraue hoch.

Offensichtlich damit ringend, wie viel er preisgeben sollte, schwieg Eden einen Moment lang. »Menschen, die mit Wade zu tun hatten, sind verschwunden. Eine Menge Menschen. Wir wissen nicht, was mit ihnen passiert ist, aber es ist klar, dass etwas Unangenehmes vor sich geht. Nicht nur das, sondern wir wissen auch, dass er eine Art verrückten Sonnenanbeterkult verbreitet.«

»Ein Aztekending?«, fragte Lexi.

Eden nickte grimmig. »Wenn man all das zusammennimmt, reicht es, um mein Interesse zu wecken.« Er starrte sie an, bevor er zu Ende sprach. »Und wenn es mein Interesse hat, dann hat es auch euer Interesse, verstanden? Wir sind hier nicht im Ferienlager, vergesst das nicht. Jetzt hol diese Übertragung auf den Plasmabildschirm, Alex!«

»Schon dabei.«

Eden ging im Raum auf und ab, während Alex sich beeilte, das Live-Video von Bens Handy auf den Plasmabildschirm zu übertragen. Nach einigen angespannten Sekunden füllte das Bild eines dichten Dschungels den riesigen Bildschirm, und sie beobachteten mit Entsetzen, wie Ben von der Kamera weg zu einer Art Lichtung rannte. Jemand schoss auf ihn, und dann wurde er von Männern umringt.

»Der da ist Wade«, sagte Eden und zeigte auf einen großen Mann mit einem abgetragenen Cowboyhut.

Es folgte ein kurzes Gespräch, und dann wurde es noch schlimmer, als Alfie Mills und Sasha Harding ins Bild gezerrt wurden.

Eden hämmerte mit der Faust auf den Schreibtisch. »Warum zum Teufel sind sie in den Dschungel gegangen?«

»Keine Ahnung«, sagte Alex. »Sie haben nicht mal Dschungeltraining gehabt.«

»Nein, das haben sie verdammt noch mal nicht! Sie haben versucht, mich zu beeindrucken.« Bei diesem Gedanken wurde Edens Stimme leiser.

»Sie sehen verängstigt aus«, sagte Lexi.

»Verdammt noch mal!«, rief Eden. »Ich hab ihm gesagt, dass er verschwinden soll! Ich hab ihm gesagt, dass seine Sicherheit Vorrang hat, nicht die Mission. Es ist schon schlimm genug, dass die Hälfte des Teams in London ist.«

Alex spürte, wie die Nervosität zunahm. Die ganze Szene wurde durch das um fünfundvierzig Grad geneigte Telefon verzerrt, und ihr wurde übel, als sie begriff, was gleich passieren würde.

»Können wir irgendetwas tun, um ihnen zu helfen?«, fragte sie.

Eden biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. »Nichts. Sie sind mitten in der Selva Lacandona.«

»Wo genau ist das?«, fragte Reaper.

Alex drehte sich um und sah ihn mit düsterer Miene an. »Im Bundesstaat Chiapas in Mexiko.«

Eden seufzte. »Selbst wenn wir einen Jet auftanken und sofort losfliegen würden, wäre es ein dreistündiger Flug zur nächsten Stadt und mehrere Stunden mit dem Jeep, ganz zu schweigen von einer mehrstündigen Wanderung durch den Regenwald. Sie sind völlig auf sich gestellt.«

Wieder entstand ein Wortwechsel zwischen Wade und Ben, dann befahl Wade einem Mann, Alfie und Sasha zu erschießen. Alex sah ungläubig zu, wie beide niedergeschossen wurden und tot aus dem Bild fielen.

»Ist das wirklich gerade passiert?«, fragte Lexi.

Eden sagte nichts, aber Alex sah die Anspannung in seinem Kiefer.

»Vielleicht nur ein Fake?«, fragte Lexi.

Eden schüttelte den Kopf.

»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Reaper leise.

Jetzt versuchte Ben, sich zu befreien, aber er hatte keine Chance gegen den Griff so vieler Männer. Dann hielt Wade etwas in den Himmel, und ein Ausdruck des Wahnsinns erschien auf seinem Gesicht. Augenblicke später schien er Ben eine Pistole zu geben, bevor er einen Schritt zurücktrat und seinen Männern befahl, den früheren Fallschirmjäger anzugreifen.

Scarlet machte schmale Augen. »Was zum Teufel geht da ab?«

»Ich kann nicht glauben, dass wir uns das live ansehen«, sagte Alex. »Das fühlt sich nicht richtig an.«

»Ben arbeitet für mich«, sagte Eden mit leiser, emotionsgeladener Stimme. »Ich kenne ihn, seit wir zusammen bei den Fallschirmjägern waren, und ich habe ihn da rein geschickt. Ihr alle könnt tun, was ihr wollt, aber er gehört zu ECHO, und wenn ihr glaubt, dass ich nicht den Mut habe, mir anzusehen, was er durchmachen muss, dann kennt ihr mich überhaupt nicht. Ich muss wissen, was passiert, weil ich wissen muss, wen ich bestrafen muss, und wie schwer.«

Danach sagte niemand mehr etwas.

Die Aufnahme wurde live in die ECHO-Zentrale übertragen, und Eden und der Rest des Teams sahen in entsetztem, fassungslosem Schweigen zu, wie die Männer auf ihren Freund losgingen, auf ihn einschlugen und eintraten. Dann kam Wade herüber und hob den seltsamen Dolch hoch über seinen Kopf. Die Männer versammelten sich und verbargen, was als Nächstes geschah. Kurz darauf entdeckte ein blutverschmierter Morton Wade das Handy und ging zu ihm. Das letzte Bild, das sie empfingen, war, wie der Texaner mit dem Stiefel auf die Linse trat.

»Alex, gib mir sofort den Standort des Telefons.«

»Kein Problem. Sein GPS-Tracker ermöglicht es mir, es im Handumdrehen zu orten.«

Alex verbrachte einige Sekunden an ihrem Laptop, bevor sie Eden wieder ansah. »Erledigt. Ich habe die exakten Koordinaten.«

Eden ging zur Fensterwand und starrte sprachlos in die Karibik hinaus.

Alex sank in ihren Stuhl und dachte darüber nach, was sie gerade bezeugt hatte: den brutalen Mord an drei ihrer Teamkameraden. Ihr war schlecht, und jetzt suchte sie bei den anderen nach einer Art wechselseitigem Trost. Sie war eines der neuesten Mitglieder des ECHO-Teams und hatte so etwas noch nie gesehen. Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern und wandte sich an Scarlet. »Was passiert jetzt?«

»Das …«, sagte Scarlet und deutete mit dem Kinn auf Eden.

Auf der anderen Seite des Raumes drehte sich Sir Richard Eden um und sah sie an. Vor der Helligkeit des tropischen Tages hinter dem Fenster als Silhouette abgezeichnet, nahm sein Körper eine unheilvolle, unwirkliche Form an.

»Ich habe noch niemanden darüber informiert, aber vor nicht allzu langer Zeit wurde ich von einem Mann namens Barton kontaktiert. Er ist in London und behauptet, zu Wades Sonnenanbeterkult zu gehören. Allerdings sagt er, dass sich etwas verändert hat und er nicht mehr dazugehören kann. Er hat Informationen für uns und trifft sich heute mit Lea, Joe und den anderen in London.«

»Meine Güte«, sagte Scarlet. »Ich frage mich, wie schlimm es sein muss, damit ein Sonnenkultist nervös wird …«