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Sechs Wochen mit 100 Dollar in den USA überstehen". Das ist die Aufgabe der vier Quinn-Brüder, die ihr irischer Großvater ihnen stellt. Den attraktiven Dermot verschlägt es auf eine Farm in Wisconsin, wo er der aufregenden Rancherin Rachel nicht nur seine Qualitäten im Stall beweist … "
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Seitenzahl: 202
IMPRESSUM
Die Quinns: Dermot erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2012 by Peggy A. Hoffmann Originaltitel: „The Mighty Quinns: Dermot“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXYBand 86 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Johannes Heitmann
Umschlagsmotive: shutterstock_CURAphotography, GettyImages_NycyaNestling
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733758530
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Dermot Quinn drückte das Gesicht ins Kopfkissen. Er wollte nicht weinen. Ein Neunjähriger weinte nicht. Wenn er das tat, gab er damit zu, dass er es glaubte. Nein, seine Eltern waren nicht tot. Er presste die Augenlider zusammen. „Nicht weinen“, sagte er leise zu sich selbst. „Nicht weinen.“
Das Geräusch der Tür ließ ihn hochschrecken, und er wischte sich eine Träne von der Wange.
Sein Zwillingsbruder Kieran kam ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Er setzte sich auf die Bettkante.
„Es stimmt nicht, was er sagt“, beharrte Dermot stur.
„Wie willst du das wissen?“
Dermot zuckte mit den Schultern. „Einfach so. Sie können nicht tot sein. Ganz bestimmt kommen sie zurück. Wir machen uns für die Schule fertig, und dann kommen sie zur Tür rein. Ich weiß es einfach.“
Seine Eltern Jamie und Suzanne waren vier Monate zuvor mit einer Jacht von Seattle aus losgesegelt. Diese Jacht hatten sie in der kleinen Familienwerft für einen reichen Kunden aus Australien gebaut. Sechs Wochen später wäre ein Treffen mit dem Eigner in Vanuatu fällig gewesen.
Es hätte ein Familienausflug werden sollen, aber sie hatten früher auslaufen müssen, weil der Eigner den Termin für die Übergabe vorverlegt hatte. Dermot und Kiernan waren mit ihrem elfjährigen Bruder Cameron und dem siebenjährigen Ronan bei ihrem Großvater geblieben, da die Schulferien erst einen Monat später begannen.
Mit dem Handrücken wischte Dermot sich die Nase und verschränkte die Beine. „Was, glaubst du, ist passiert?“
Kieran dachte nach. „Ich glaube, sie warten auf irgendeiner Insel, dass jemand sie findet. Vielleicht gab es einen Sturm, oder es ist ein Wal gekommen. Und da sind sie schnell ins Rettungsboot gestiegen, bevor das Boot untergegangen ist.“
Kieran hatte immer die Wahrheit gesagt, und wenn er daran glaubte, dann hatte auch Dermot Hoffnung.
„Und das Rettungsboot ist mitten in der Nacht an eine Insel getrieben.“ Dermot nickte bekräftigend. „Als die Sonne aufgegangen ist, hat Dad sich umgesehen. Mitten auf der Insel ist ein dichter Dschungel, und die Strände sind aus weißem Sand. Ihr Angelzeug haben sie mit ins Rettungsboot genommen, und jetzt angelt Dad, und Mom sammelt Obst. Bananen und Kokosnüsse. Sie sammeln Holz am Strand, und das zünden sie an, wenn ein anderes Schiff an der Insel vorbeikommt.“
Kieran nickte. „Genauso ist es. Sie warten einfach.“ Er atmete schwer durch. „Glaubst du, sie vermissen uns?“
„Ja.“ Dermot seufzte. „Klar tun sie das. Aber sie kommen zurück.“
„Ganz bestimmt?“
„Ganz bestimmt.“
Wieder öffnete sich die Tür, und beide Jungen drehten sich um. Cameron, ihr älterer Bruder stand im Licht, das aus dem Flur drang, und hinter seinem Rücken spähte Ronan hervor. „Grandpa will, dass wir zu ihm ins Haus kommen. Er will, dass wir ein paar von unseren Sachen mitbringen.“
Dermot stieg aus dem Bett. „Wir sollen nicht mehr in unserem Haus wohnen?“
Cameron schüttelte den Kopf. „Wir werden bei ihm leben. Er sagt, er lässt unsere Möbel und noch anderen Kram rüberbringen.“
„Und was wird aus den Sachen von Mum und Dad?“, wollte Ronan wissen.
„Weiß ich nicht.“ Cameron drehte sich kurz zu ihm um. „Ich hab mich nicht getraut zu fragen. Ich glaube, er will nicht darüber reden. Ihr wisst ja, wie er ist. ‚Kopf hoch, Junge, ich will mich nicht um ein Baby kümmern müssen.‘“ Den irischen Akzent seines Großvaters konnte Cameron perfekt imitieren. „Es kommt bestimmt alles wieder in Ordnung.“
Langsam durchquerte Dermot das Zimmer und trat zu Cameron. Ein paar Sekunden später stand Kieran neben ihm.
„Jetzt sind wir auf uns selbst gestellt, Jungs.“ Cameron schlang Ronan einen Arm um die Schultern. „Wir müssen ganz stark und mutig sein. Am besten beten wir jeden Abend, dass das alles nur ein Albtraum ist und dass wir schnell wieder aufwachen.“
Dermot Quinn hatte gerade einen sehr lebhaften Traum, als jemand ungeduldig an die Tür pochte. Stöhnend öffnete er die Augen. Das Sonnenlicht drang durch die Fenster der Schlafkabine seines Hausboots. Hier in Seattle herrschte strahlendes Wetter. Obwohl Dermot sonst keinen einzigen schönen Tag vergeudete, drehte er sich jetzt auf den Bauch und zog sich das Kissen über den Kopf.
Als er den schwachen Duft eines Frauenparfüms einatmete, richtete er sich auf und runzelte die Stirn. Gestern Abend war Kelly hier gewesen. Sie trafen sich ab und zu, tranken ein paar Drinks und gingen dann zu ihm aufs Boot, hatten unverbindlichen Sex und viel Spaß.
Dermot sah zur Uhr. Wie üblich war Kelly früh aufgestanden, um ihr tägliches Fitnessprogramm zu absolvieren. Damit vermied sie auch jede peinliche Unterhaltung am Morgen danach.
Hatte sie es sich anders überlegt und war zurückgekommen, um noch ein paar Stunden Spaß zu haben?
Lächelnd schlug Dermot die Decke zurück, zog sich die Jeans an, die über dem Fußende vom Bett hing, und ging zur Tür. Kelly und er folgten ein paar strikten Regeln, aber Dermot hatte nichts dagegen, diese Regeln ab und an zu brechen.
„Du hättest nicht abschließen sollen“, rief er, während er die Tür öffnete.
Doch da stand nicht Kelly, sondern Dermots Zwillingsbruder.
Gereizt und ungeduldig sah Kieran ihn an. „Verdammt, Mann, wieso gehst du nie ans Handy? Seit einer Stunde versuche ich, dich anzurufen.“
„Hab’s ausgeschaltet. Was tust du hier? Es ist Samstag. Schläfst du eigentlich nie aus?“
„Zieh dir was an.“ Kieran musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Grandpa hat angerufen. Er will uns alle in einer Viertelstunde in seinem Büro sehen.“
„An einem Samstag?“
Kieran nickte. „Ja, ich weiß. Irgendwas ist los, und das macht mir Sorgen.“
„Was, glaubst du, will er?“
„Keine Ahnung, verdammt. Die ganze Woche schon kommt er kaum aus dem Büro raus. Vielleicht hat er ein Angebot bekommen und will die Firma verkaufen.“
Schon seit ihrer Kindheit arbeiteten Dermot und seine drei Brüder für das Familienunternehmen „Quinn Yachtworks“. Anfangs hatten sie Böden gewischt und Material zwischen dem Lagerhaus und der Werkshalle hin und her transportiert. Ihr Großvater war aus Irland eingewandert und hatte das Unternehmen Anfang der Siebziger gegründet. Als Witwer mit einem zweijährigen Sohn war er eine Woche nach Kennedys Amtsantritt in den USA angekommen, fest entschlossen, für sich und seinen Sohn eine Existenz aufzubauen.
Nach dem Verschwinden ihrer Eltern waren alle davon ausgegangen, dass Cam, Kieran, Dermot und Ronan das Unternehmen irgendwann von ihrem Großvater übertragen bekommen würden. Doch der alte Martin zögerte die Entscheidung hinaus, einen der Brüder zum Geschäftsführer zu machen. Das führte unter den Brüdern zu großem Rätselraten.
„Du glaubst doch nicht, dass er krank ist?“ Dermot sah seinen Bruder an.
Kieran zog die Brauen zusammen. „Wie kommst du darauf?“
„Weiß nicht. Er ist jetzt siebenundsiebzig. Viele Leute werden im Alter krank.“
„Sag so was nicht.“ Kieran schüttelte den Kopf. „Denk nicht mal dran. Ihm geht’s bestens, sonst wüssten wir das. Wir würden es ihm ansehen.“ Er marschierte zu Dermots Schlafkabine, hob ein T-Shirt vom Boden auf und warf es seinem Bruder zu. „Jetzt zieh dich an. Wir holen noch Cameron ab, dann besprechen wir uns im Auto.“
„Und Ronan?“
„Der ist schon da.“
„Was wollen wir denn besprechen? Wir wissen doch gar nicht, was er uns sagen will.“
„Wir können Vermutungen anstellen. Wenn er verkaufen will, müssen wir uns ein Gegenangebot überlegen.“
„Wollen wir das?“
„Natürlich!“ Kieran fuhr zu ihm herum. „Du willst doch deinen Job behalten, oder nicht?“
Im Grunde hatte Dermot darüber nie nachgedacht. Ihm gefiel die Arbeit für das Unternehmen. Der Job wurde gut bezahlt, und er hatte keine festen Arbeitszeiten. Als Vertriebsleiter reiste er viel und traf interessante Menschen, die obendrein noch eine Menge Geld hatten. Es war nicht der Job, von dem er als Kind geträumt hatte, aber mit Kinderträumen ließen sich keine Rechnungen bezahlen. Was gab es an dem Job nicht zu mögen?
Kieran kümmerte sich um die Finanzen. Er war schon immer gut organisiert gewesen und verlor niemals aus dem Auge, was unterm Strich für das Unternehmen übrig blieb. Ihr ältester Bruder Cameron leitete die Design-Abteilung und kümmerte sich um das Aussehen der Jachten der Quinn-Werft. Und Ronan leitete die Produktion.
Letztlich waren sie zu viert in der Lage, jede Tätigkeit im Unternehmen auszuführen, und unter ihrer Leitung hatten die Geschäfte sich bestens entwickelt.
„Vielleicht will er entscheiden, wem er die Gesamtleitung überträgt.“ Dermot zog sich das T-Shirt an. „Auf Dauer muss einer von uns das letzte Wort haben.“
„Kann sein.“ Kieran atmete tief durch. „Und wer sollte das deiner Meinung nach sein?“
„Ich.“ Dermot wusste genau, dass er damit seinen Bruder wütend machte. Natürlich hatte Kieran das beste Gespür dafür, wie das Unternehmen als Ganzes zu führen war. Andererseits war Cameron das kreative Genie, das hinter dem Look der Jachten steckte. Ohne ihn wäre die Werft weitaus weniger erfolgreich.
„Man muss die Boote verkaufen, sonst kann die Firma nicht überleben“, stellte Dermot klar. „Wenn keiner die Boote verkauft, was bleibt uns dann?“
„Du hast doch keine Ahnung, wie die Arbeiten auf der Werft laufen“, widersprach Kieran. „Mit dir an der Spitze würde es kein Jahr dauern, und wir wären pleite.“
„Cameron findet, er solle die Führung übernehmen. Vielleicht hat er recht. Ohne sein Talent fürs Design hätten wir echte Probleme. Und Ronan ist alles egal, glaube ich.“
„Willst du damit sagen, ich sei ersetzbar?“
„Nicht so leicht wie ich“, stellte Dermot klar.
„Dann sind wir uns also einig, dass es Cameron sein soll. Wenn heute die Entscheidung ansteht, stimmen wir für Cameron.“
Dermot zog sich seine Leinenschuhe an und nickte. „Lass es uns rausfinden.“
Die Fahrt von Dermots Hausboot am Lake Union zum Haus ihres Bruders im Queen-Anne-Viertel dauerte zehn Minuten.
Cameron wartete bereits auf den Stufen seines Bungalows. Sobald er in Kierans BMW eingestiegen war, wandte er sich fragend an seine Brüder. „Was glaubt ihr, worum geht’s?“
„Vielleicht überhaupt nichts“, antwortete Dermot. „Warum machen wir uns Gedanken darum? Vielleicht braucht er nur ein paar Unterschriften. Oder er hat beschlossen, endlich mal Urlaub zu machen.“
„Das könnte sein.“ Doch dann schüttelte Kieran den Kopf. „Nein, er hat sein ganzes Leben in der Firma verbracht. Er liebt die Arbeit. Wieso sollte er auf einmal mit dem Reisen anfangen?“
„Mir hat er immer erzählt, dass er mal eine Weltreise machen möchte“, wandte Cameron ein.
Den Rest der Fahrt schwiegen sie, alle in ihren eigenen Gedanken versunken. Als sie sich der Werft näherten, wusste Dermot immer noch nicht, was er von diesem Treffen halten sollte.
Ihr Großvater rief sie nur sehr selten alle gleichzeitig zu sich ins Büro. Beim letzten Treffen dieser Art hatte er verkündet, dass die Firma eine neue Lackierhalle bekäme.
Doch bei der schlechten Wirtschaftslage momentan bezweifelte Dermot, dass es bei dem Treffen um Neuinvestitionen ging.
Das Maschendrahttor stand offen, Kieran fuhr direkt bis zum Hauptgebäude und parkte seinen BMW neben Ronans SUV.
Quinn Yachtworks lag am Salmon Bay, perfekt geeignet für die Fertigung der Luxussegeljachten, für die die Werft bekannt war. Sie gehörte an der Westküste zu den erfolgreichsten Werften für speziell auf den Kunden zugeschnittene Einzelfertigungen. Business-Mogule, Sportstars und Hollywoodgrößen gehörten zu den Kunden.
Am Empfang saß Miriam, die langjährige, loyale Assistentin ihres Großvaters. Wie üblich begrüßte sie die Männer höflich, aber ohne jeden Hinweis darauf, was sie hinter der auf Hochglanz polierten Holztür erwartete.
„Setzt euch“, begrüßte Martin sie, sobald sie eingetreten waren, und schob die Papiere auf seinem Schreibtisch zusammen.
Ronan saß auf dem Ledersofa und blickte seine Brüder besorgt an.
„Sicher fragt ihr euch, wieso ich euch zu diesem Treffen geholt habe, also komme ich gleich zum Punkt.“ Er lehnte sich in seinem abgenutzten Ledersessel zurück. „Unser Firmenanwalt findet, es sei Zeit, dass ich über einen Nachfolger nachdenke.“
Dermot bemerkte den seltsamen Ausdruck auf dem faltigen Gesicht seines Großvaters. Martin Quinn gehörte nicht zu den Menschen, die sich gern an ihre eigene Sterblichkeit erinnern ließen. „Du willst dich doch nicht zur Ruhe setzen, oder?“
„Nicht gleich morgen, aber der Mann hat recht. Es ist an der Zeit, dass ich meine Angelegenheiten regle.“
„Ist denn alles in Ordnung?“, wandte Cameron ein. „Ich meine geht’s dir gut?“
„Bestens. Aber diese Entscheidung hat auch ein paar praktische Gründe. Als eure Eltern gestorben sind, habe ich euch Jungs zu mir genommen. Jeden Nachmittag und jedes Wochenende habt ihr hier verbracht, anstatt zu tun, wozu ihr Lust hattet. Ich dachte, es sei für euch die beste Art, mit eurem Kummer umzugehen. Aber allmählich wird mir klar, dass es lediglich für mich die beste Art war, mit meinem Kummer klarzukommen.“
„Uns hat die Arbeit gefallen, Grandpa“, wandte Kieran ein.
„Aber ihr hattet alle eure eigenen Träume. Dermot, du wolltest doch immer Tierarzt werden. Und Cam, du wolltest Archäologe sein.“
„Paläontologe“, stellte Cameron klar.
Martin nickte. „Richtig. Und Kieran, du … du wolltest … ich kann mich gar nicht mehr erinnern …“
„Cowboy. Oder Polizist.“
Ihr Großvater nickte. „Ronan, du wolltest immer nur deine Eltern zurückhaben. Im Grunde geht es darum, dass ich keinem von euch die Chance gegeben habe, seine Träume zu verwirklichen. Und jetzt soll ich mich entscheiden, wem ich die Geschäftsführung übertrage. Oder ich verkaufe, und wir werden alle auf einen Schlag unglaublich reich. Mir ist klar, dass ihr so schnell keine Entscheidung über eure Zukunft treffen könnt. Aber ich will keinen von euch an ein Unternehmen binden, das nicht Teil eurer Träume ist.“
Entschieden schüttelte Kieran den Kopf. „Grandpa, wir würden niemals …“
„Lass mich ausreden.“ Martin faltete die Hände auf dem Tisch und sah seine Enkel einen nach dem anderen an. „Als ich in dieses Land kam, hatte ich 100 Dollar in meiner Tasche und die feste Absicht, etwas mit meinem Leben anzufangen, damit ich meinen Sohn versorgen kann. Ich musste mir etwas Eigenes aufbauen, ihr Jungs hattet diese Chance nicht.“
„Wir mögen es, für dich zu arbeiten“, wandte Cameron ein. „Es ist ein Familienunternehmen, und die Familie hält immer zusammen.“
„Schön, dass du das so siehst“, erwiderte Martin, „aber das macht mir die Entscheidung nicht leichter. Deshalb habe ich mir etwas überlegt. Ich gebe jedem von euch 100 Dollar in bar, eine Firmenkreditkarte und eine Busfahrkarte. Ich will, dass ihr losfahrt und etwas Zeit in der Welt dort draußen verbringt. Sucht euch einen Job, trefft neue Leute und erfahrt, wie es ist, allein durchs Leben zu gehen. Glaubt mir, ohne den Komfort, den ihr hier habt, bekommt ihr viel mehr Gelegenheit, darüber nachzudenken, was ihr euch vom Leben erhofft.“
Dermot wollte widersprechen, aber sein Großvater hob die Hand. „Sechs Wochen habt ihr. Wenn ihr danach immer noch daran interessiert seid, die Werft zu leiten, dann bin ich damit sehr zufrieden.“
Fassungslos sah Cameron ihn an. „Das ist doch ein Scherz, oder? Du erwartest, dass wir einfach so sechs Wochen Urlaub machen? Ich habe laufende Projekte.“
„Wir alle glauben nur zu gern, dass wir unersetzlich sind, aber selbst wenn einer von uns von heute auf morgen von dieser Welt verschwinden würde, würde die Firma weiterlaufen.“ Er stand auf und reichte jedem von ihnen einen Umschlag.
„Heute Abend werdet ihr eure Rechnungen zahlen und alles vorbereiten“, stellte Martin klar. „Morgen früh reist ihr ab. Fahrt los und findet raus, wie das Leben für euch aussehen könnte, Jungs. Und wenn ihr zurückkommt, dann bringt eine Entscheidung mit.“
„Vulture Creek in New Mexico?“ Cameron konnte es nicht glauben.
Dermot zog das Busticket aus dem Umschlag. „Mapleton, Wisconsin. Wo in aller Welt liegt Mapleton, Wisconsin?“
„Bitney, Kentucky“, murmelte Kieran. „Na, toll.“
„Sibleyville, Maine. Verdammt.“ Ronan sah in die Runde. „Da bin ich mit dem Bus ja eine Woche unterwegs.“
Kopfschüttelnd sahen die Brüder sich an.
Martin lächelte nur. „Viel Glück. Wir sehen uns in sechs Wochen.“
Rachel Howe umschlang den zwanzig Kilo schweren Futtersack mit beiden Armen und schleppte ihn zur Ladefläche von ihrem Pick-up.
„Brauchst du Hilfe, kleine Lady?“
Sie sah zu den beiden alten Männern auf der Veranda vom Futtermittelladen. „Nein.“ Das Lächeln fiel ihr schwer, weil ihr der Sack aus den Armen rutschte. „Geht schon.“
Sie atmete tief durch und wuchtete den Sack zur Ladefläche hoch, doch im letzten Moment glitt er ihr aus den Armen und landete ihr auf dem Fuß.
Fluchend trat sie gegen den Sack. Sie konnte ja nicht mal das Futter auf ihren Pick-up laden. Wie wollte sie da die Farm ohne jede Hilfe außer ihrem achtzigjährigen Onkel führen?
Sie besaß nichts außer dem festen Entschluss, die Farm nicht aufzugeben. Ihr Vater hatte es bis zu seinem Tod auch ohne Hilfe geschafft. Wenn ihm die Arbeit mit 75 nicht zu viel geworden war, dann würde seine 25-jährige Tochter auch damit klarkommen.
Im Lebensmittelgeschäft und auch im Futtermittelladen hatte sie Zettel aufgehängt, dass sie einen Helfer suchte. Leider hatte sich bisher noch niemand gemeldet.
Eddie, der alleinstehende Bruder ihres Vaters, unterstützte Rachel beim Melken, aber zu schweren körperlichen Arbeiten war er nicht mehr in der Lage. Ohne weitere Hilfe würde Rachel die Ziegenfarm nicht lange halten können.
Fest entschlossen packte sie den Futtersack. Auf keinen Fall wollte sie vor Harley Verhulst und Sam Robson Schwäche zeigen.
„Bist du sicher, dass wir dir nicht helfen sollen?“, fragte Harley.
„Ja, danke“, erwiderte Rachel kühl. „Ich brauche nur ein bisschen, um meine Kräfte zu sammeln.“
„Eine zierliche Frau wie du sollte nicht ganz allein eine Farm führen“, stellte Sam fest. „Du solltest dir einen Ehemann suchen.“
„Am besten einen mit starken Muskeln“, fügte Harley hinzu.
Einen Ehemann? Fürs Erste würde ihr ein halbwegs gut aussehender und vollkommen nackter Mann reichen, der ihr einmal pro Woche ihre sexuellen Wünsche erfüllte.
Sie biss die Zähne zusammen und packte den Sack erneut. Diesmal setzte sie ihren ganzen sexuellen Frust ein, um zusätzliche Kräfte zu mobilisieren. Als der Sack auf der Ladefläche landete, musste sie lächeln. Leider verging ihr das Lächeln sofort wieder, als sie zu der Palette mit den übrigen Säcken hinübersah.
Von jetzt an würde sie sich das Futter anliefern lassen. Das bedeutete zwar zusätzliche Kosten, aber sie würde einen Weg finden. Rachel war nicht bereit, sich kleinkriegen zu lassen. Noch nicht.
Den beiden Männern warf sie einen abschätzigen Blick zu. „Wollt ihr zwei mich weiter nerven oder habt ihr noch irgendwas zu erledigen? Eure Frauen werden sich sicher freuen, wenn sie hören, dass ihr solche Anteilnahme an meinem Dilemma zeigt. Wenn ich ihnen nächstes Mal beim Einkaufen begegne, werde ich ihnen von euren Kommentaren erzählen.“
Verlegen kehrten die beiden Farmer in das Geschäft zurück und ließen Rachel mit ihrer Arbeit allein.
Sie wandte sich den übrigen Futtersäcken zu. „Denk einfach an Sex“, sagte sie sich, „und daran, wie wenig Sex du im letzten Jahr hattest.“
„Kann ich Ihnen helfen?“
Rachel fuhr herum und wollte das Angebot schon kühl ablehnen, aber beim Anblick des Mannes, der lächelnd hinter ihr stand, stockte ihr der Atem. Erst als ihr schwindlig wurde, holte sie wieder Luft.
Er trug ein lässiges Hemd und eine Jeans. Die Kleidung lag an seinem schlanken, aber muskulösen Körper an. In der rechten Hand hielt er eine teure lederne Reisetasche.
Rachel sah zu seinen Schuhen, die ebenfalls sehr teuer schienen. Solche Kleidung bekam man normalerweise hier vor dem Futtermittelladen nicht zu Gesicht.
„Alles in Ordnung?“
Verdammt, was sah der Kerl gut aus! Sie sah ihm in die hellblauen Augen. Das dunkle Haar war gerade so lang, dass der Mann ein bisschen verwegen aussah. Die Nase war schmal und gerade, und sein Lächeln brachte Rachels Puls auf Hochtouren.
Sex, dachte sie. Es war fast so, als hätte ihr Gedanke daran diesen Mann hergeführt. Schon vor langer Zeit war sie zu dem Schluss gekommen, dass es im gesamten Walworth County keine interessanten Männer gab. Aber anscheinend war es einem gelungen, sich über die Grenze von Illinois her einzuschleichen. Und jetzt stand er direkt vor ihr.
„Oh, mein …“ Rachel schluckte und griff nach dem nächsten Futtersack. Wenn der Mann nur aufhören würde, sie anzusehen! „Offenbar haben Sie sich verfahren.“ Sie schüttelte den Kopf. „Oder Sie sind einfach ein Hirngespinst.“
„Wie bitte?“
Rachel sah sich über die Schulter um. „Männer, die so aussehen wie Sie, leben nicht an Orten wie diesem hier.“ Sie richtete sich auf. „Fahren Sie einfach zurück auf die 39. Dann auf die Interstate, und in ein paar Stunden sind Sie wieder in Chicago.“
„Wie kommen Sie darauf, ich sei aus Chicago?“
„Die Großstadt sieht man Ihnen an. In erster Linie liegt es an den Schuhen, aber auch an der Tasche.“ Sie wollte sich nach dem Futtersack bücken, aber der Mann hielt sie auf.
„Gestatten Sie?“ Er ließ die Tasche in den Staub fallen, hob den Sack hoch und warf ihn auf die Ladefläche. „Noch einen?“
„Ja.“ Ihre Stimme klang atemlos. „Vielen Dank.“ Sie deutete zu der Palette. „Die müssen alle dort rauf. Hier, lassen Sie mich Ihnen helfen.“
„Kein Problem.“ Er lächelte. „Da haben Sie aber eine Menge hungriger Kühe.“
„Es sind Ziegen. Ich züchte Ziegen.“
„Sehr interessant. Ich bin noch nie einem Ziegenfarmer begegnet. Andererseits kenne ich auch keinen einzigen Rinderfarmer.“
Rachel prustete lachend los. „Entschuldigung, ich lache, weil eine Ziegenfarm alles andere als interessant ist.“ Sie trat einen Schritt zurück und sah zu, wie er einen weiteren Sack auf den Pick-up lud. „Ich führe eine kleine Farm für Ziegenmilch. Meine Großeltern haben die Farm gegründet, mein Vater hat sie weitergeführt, und jetzt gehört sie mir.“
„Dann sind Sie Rachel?“
Verwundert sah sie ihn an. Kannte sie den Mann? War er ein lang vergessener Klassenkamerad aus der Highschool oder der ältere Bruder einer ihrer Freundinnen? „Die bin ich.“
„Ich habe Ihren Aushang im Lebensmittelgeschäft gesehen. Einer der Angestellten hat Sie vorbeifahren sehen und meinte, ich könnte Sie vielleicht hier finden. Sie suchen doch nach jemandem, der Ihnen auf der Farm hilft. Ich brauche einen Job und eine Unterkunft.“
„Sie wollen für mich arbeiten?“ Rachel konnte ihr Glück kaum fassen. Wieso wollte ein so gut aussehender Mann wie er einen schlecht bezahlten Job ohne jede Aufstiegsmöglichkeit annehmen? Was konnte sie ihm bieten, außer so viel Ziegenmilch, wie er trinken wollte? „Sie sehen nicht aus, als hätten sie schon viel Zeit auf einer Farm verbracht.“
„Und Sie sehen nicht wie ein Ziegenfarmer aus.“ Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Ich bleibe sechs Wochen in Mapleton, und für diese Zeit suche ich einen Job. Außerdem brauche ich eine günstige Unterkunft. Ich arbeite hart, wenn Sie mir ein Zimmer, Verpflegung und einen bescheidenen Lohn geben.“
„Wie bescheiden?“
„Keine Ahnung. Was hatten Sie denn vor zu zahlen?“
„Für Vollzeit sollte ich Ihnen zweihundert die Woche plus Verpflegung und Unterkunft anbieten. Ich kann mir aber nur einhundert leisten. Bar auf die Hand, plus Zimmer und Mahlzeiten.“
„Hundert klingt gut. Vorausgesetzt, die Mahlzeiten sind genießbar.“ Er schnappte sich den nächsten Sack und lud ihn auf den Pick-up. „Alle Säcke?“
Sie nickte, während sie ihn skeptisch musterte. Männer wie er tauchten nicht einfach so in ihrem Leben auf. Irgendwo musste es einen Haken geben. War er vielleicht ein Krimineller? „Wie heißen Sie?“
„Dermot. Dermot Quinn.“
„Und wo kommen Sie her?“
„Aus Seattle.“ Er richtete sich auf und wischte sich die Hände an der Jeans ab. „Ist das jetzt ein Bewerbungsgespräch? Wie Sie sehen können, bin ich kräftig. Außerdem bin ich klug und ein guter Handwerker.“
„Können Sie Reparaturen am Haus durchführen?“
Er nickte. „Mit entsprechendem Werkzeug und Baumaterial baue ich Ihnen alles. Ich könnte Ihnen sogar ein Boot bauen.“