Die Quinns: Kieran - Kate Hoffmann - E-Book

Die Quinns: Kieran E-Book

Kate Hoffmann

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Beschreibung

"Kentucky!?" Da hat sich sein Großvater ja ein schönes Ziel für Kieran ausgesucht. Auf dem Weg dorthin lernt er die sexy Sängerin Maddie kennen und hilft ihr, aus ihrem alten Leben auszubrechen. Doch schon bald wird eine gemeinsame Zukunft durch Maddies Vergangenheit bedroht …

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Seitenzahl: 202

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IMPRESSUM

Die Quinns: Kieran erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2012 by Peggy A. Hoffmann Originaltitel: „The Mighty Quinns: Kieran“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXYBand 87 - 2013 by Harlequin Enterprises, GmbH Hamburg Übersetzung: Sandra Roszewski

Umschlagsmotive: shutterstock_Captblack76, GettyImages_NycyaNestling

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733758547

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

„Manchmal frage ich mich, was wirklich mit ihnen passiert ist.“

Kieran Quinn starrte auf das dunkle Holz des Schiffsdecks, das er gerade mit Schmirgelpapier bearbeitete. In den letzten zwei Jahren hatten er und seine drei Brüder diese Unterhaltung immer und immer wieder geführt. Doch egal wie sie es drehten und wendeten, sie fanden keine Antworten auf ihre Fragen.

Die Fakten lagen auf der Hand. Ihre Eltern, Jamie und Suzanne Quinn, waren zu einer Segeltour aufgebrochen und nie zurückgekehrt. Ihr Boot war irgendwo zwischen Seattle und dem Südpazifik verschwunden. Niemand wusste, was auf See mit ihnen passiert war. Und ob sie überhaupt noch lebten. Zwei Jahre waren eine lange Zeit, aber für Kieran fühlte es sich an, als wäre es erst gestern gewesen.

„Irgendwann segle ich mit diesem Boot los und werde die beiden finden“, sagte Dermot, Kierans Zwillingsbruder, in diesem Augenblick.

Er war der Träumer und Optimist von ihnen beiden, während Kieran vernünftig und praktisch veranlagt war. Dermot gab das Geld mit vollen Händen aus, während Kieran jeden Cent sparte. Dermot war impulsiv und sah in allem stets eine Chance. Kieran hingegen war schon immer vorsichtig gewesen. Er schaute hinüber auf das Stück Holz, das Dermot gerade bearbeitet hatte. Es war rau und uneben. Selbst bei der Arbeit war für Dermot Schnelligkeit wichtiger als Qualität.

Doch nicht nur Dermot und Kieran waren vollkommen unterschiedlich. Es war schwer zu glauben, dass alle vier Quinn-Brüder zur gleichen Familie gehörten. Keiner glich dem anderen.

Cameron, der Älteste, war ein ruhiger Typ, aber dabei so clever, dass er sich immer aus der Affäre zu ziehen verstand. Ronan hingegen, der Jüngste, war still und mitfühlend, jemand, der sich für andere einsetzte. Doch ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten konnten ihrer Liebe zueinander nicht im Weg stehen. Die Brüder hielten immer zusammen.

Gerade waren sie dabei, auf der Werft ihres Großvaters ein altes Segelboot wieder flott zu machen. Sie arbeiteten seit über einem Jahr daran, verbrachten die gesamte Freizeit und die Ferien mit der Arbeit an dem Boot und hatten gehofft, es rechtzeitig zu Camerons vierzehnten Geburtstag fertigstellen zu können.

„Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, was ihnen wohl zugestoßen ist“, murmelte Cameron. „Aber es macht mich einfach nur noch traurig. Wir werden es wohl niemals wissen.“

„Weißt du, was mich wahnsinnig macht?“, sagte Dermot. „Dass sie nicht auf uns gewartet haben! Wenn wir mit ihnen gesegelt wären, dann wäre vielleicht alles anders gelaufen.“

„Glaubst du das wirklich?“, fragte Ronan leise. Seit dem Verschwinden ihrer Eltern hatte er panische Angst vor dem Segeln. Er hatte sich stur geweigert, auch nur einen Fuß auf ein Boot zu setzen, was Familiensegelausflüge mit ihrem Großvater praktisch unmöglich gemacht hatte.

Kieran wusste nicht genau, was er fühlte. Er war wütend und traurig zugleich. Ihr Leben wäre vollkommen anders verlaufen, wenn ihre Eltern noch bei ihnen wären. Anstatt jeden Tag gegen die Trauer anzukämpfen, würden sie Spaß haben, das Leben genießen, ganz normale Jungen sein. Kieran hatte in den letzten beiden Jahren gesehen, wie sehr sich jeder Einzelne von ihnen durch den Verlust verändert hatte. Er selbst am meisten.

Übervorsichtig war er geworden, fast schon misstrauisch. Er konnte nicht glauben, dass das Leben auch Chancen bereithielt. Wagte es nicht, Risiken einzugehen. Er mochte es, wenn sein Leben in geregelten Bahnen verlief, dass er genau wusste, was er vom bevorstehenden Tag erwarten konnte. Seine Hausaufgaben machte er zeitig, erledigte alle seine Aufgaben, ohne zu murren, und vermied Konflikte, wo immer es ging. Es war schwer zu sagen, welche Wendungen das Leben schlagen würde, doch Kieran tat alles, um die Zukunft vorhersagbar zu machen.

Er wollte nicht noch einmal so unvorbereitet sein. Niemand von ihnen hatte sich auch nur im Traum vorstellen können, dass ihrer Familie so etwas widerfahren würde, als sie sich von ihren Eltern verabschiedet hatten.

Ihre Eltern hatten nur einige Tage auf See bleiben wollen. Als sie sich um eine Woche verspäteten, war noch niemand besonders beunruhigt gewesen. Beim Segeln konnte eine Menge schiefgehen. Vielleicht war ein Mast gebrochen oder ein Segel zerfetzt. Doch als aus einer Woche zwei Wochen und schließlich ein ganzer Monat wurde, ohne dass man etwas von den Vermissten gehört hatte, konnte niemand die Sache mehr schönreden. Irgendetwas Furchtbares war geschehen.

Nach einem Jahr wurde eine offizielle Trauerfeier abgehalten. Die Kinder füllten einen leeren Sarg mit den Erinnerungen an ihre Eltern, die sie verloren hatten. Martin Quinn, der Großvater der Jungen, wollte ihnen über die schlimme Zeit hinweghelfen und animierte sie dazu, auf der Werft mitzuarbeiten. „Arbeit lenkt euch ab“, erklärte er ihnen. „Arbeit macht euch stark.“ Er selbst hatte vor vielen Jahren seine Frau verloren. Und nur Arbeit, viel Arbeit, hatte es ihm ermöglicht, nicht den Verstand zu verlieren. Zwei Jahre später hatte er seine Heimat Irland verlassen und war mit seinem kleinen Sohn nach Amerika ausgewandert. Es war ein Neuanfang gewesen, fernab der traurigen Erinnerungen.

Dermot ließ sich neben Kieran nieder und griff nach einem Stück Schmirgelpapier. „Ich weiß, dass die beiden tot sind“, sagte er. „Aber ich möchte herausfinden, was damals passiert ist.“

„Wenn wir das Boot fertig haben, dann kannst du es herausfinden“, entgegnete Ronan.

Kieran zog scharf die Luft ein. „Dieses Boot wird niemals irgendwohin fahren, solange es keine Segel hat. Und uns fehlt das Geld, um welche zu kaufen.“

Cameron straffte sich. „Vielleicht kriegen wir gebrauchte. Aber auch die gibt’s nicht umsonst. Wir müssen alle was dazu beisteuern.“ Er blickte zu Dermot hinüber. „Wie viel Geld hast du gespart?“

Dermot zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. So zwanzig Dollar?“

„Ronan?“

„Hundertsiebzig Dollar“, sagte der Neunjährige grinsend.

„Du liebe Güte“, murmelte Cameron, „du bist ja wie ein Eichhörnchen.“

„Ich zähle das Geld jede Woche“, sagte Ronan stolz. „Aber ihr könnt alles haben.“

„Nein“, sagte Cameron. „Jeder von uns muss gleich viel investieren.“

„Das ist unfair“, sagte Kieran. „Ronan wird niemals mit diesem Boot segeln. Er sollte weniger beisteuern.“

Sein kleiner Bruder zuckte mit den Schultern. „Es macht mir nichts aus“, sagte er leise.

„Und du? Wie viel hast du gespart?“, sagte Cameron zu Kieran.

Kieran wusste es ganz genau. Und er wusste auch, dass es idiotisch war, Segel für ein Boot zu kaufen, das vielleicht niemals in See stechen würde. Er sparte sein Geld für etwas viel Wichtigeres, auch wenn er noch nicht wusste, was das sein würde. Aber eines Tages würde er Geld brauchen, ganz sicher. Und dafür lohnte es sich.

„Ich habe genug“, sagte Kieran.

„Er weiß auf den Penny genau, wie viel er auf der Bank hat“, sagte Dermot.

„Über 1000 Dollar“, gab Kieran zu. „Aber ich werde sicher nicht das ganze Geld in dieses Boot stecken.“

Cameron klopfte ihm auf die Schulter. „Wir entscheiden das gemeinsam. Und jeder von uns gibt gleich viel. Wir sind schließlich Brüder.“

Kieran nickte. „Ja, wir sind Brüder“, murmelte er.

Sie hatten gemeinsam überlebt, aber er wusste, sie würden eines Tages auseinandergehen. Cameron würde studieren, vielleicht weit weg von Seattle. Dermot träumte von einer Weltreise. Und Ronan würde ganz sicher auch seinen Weg machen. Doch keine noch so weite Entfernung würde das Band durchtrennen können, das sie miteinander verband.

„Ich sage euch, wie wir es machen“, sagte Kieran. „Wir haben dieses alte Boot umsonst bekommen. Und wenn wir es flottmachen, können wir es sicher für 15.000 Dollar verkaufen. Von dem Geld bauen wir ein Boot, wie wir es uns vorstellen. Größer und besser als das hier.“

„Das wäre cool“, sagte Dermot. „Meinst du, Grandpa erlaubt uns, ein eigenes Boot zu bauen?“

„Ganz sicher“, sagte Cameron, begeistert von dem Vorschlag. „Wir sagen ihm, dass uns das dabei helfen wird, den Bootsbau von der Pieke auf zu verstehen. Und wenn wir damit fertig sind, dann segeln wir einfach davon. Weit, weit weg.“

„Und wohin?“, fragte Ronan mit belegter Stimme.

„In den Südpazifik“, antwortete Cameron. „Und da verabschieden wir uns von Ma und Dad.“

Ronans Gesicht wurde bei dieser Vorstellung noch bleicher als sonst. Doch Kieran schaute zu Dermot hinüber und ihre Blicke trafen sich. Sein Zwillingsbruder verstand, worum es ging. Früher oder später mussten sie das tun. Sie mussten hinaus aufs Meer, sehen, was ihre Eltern gesehen hatten, fühlen, was sie gefühlt hatten.

Vielleicht würden sie dann die Vergangenheit hinter sich lassen und ein eigenes Leben aufbauen können.

1. KAPITEL

„Bitney, Kentucky? Wo zur Hölle ist das denn?“ Kopfschüttelnd starrte Kieran auf das Busticket in seiner Hand.

Die vier Brüder saßen in Camerons Büro und konnten nicht fassen, was gerade geschehen war. Als ihr Großvater sie alle zu sich gerufen hatte, dachten sie, es würde um den Nachfolger für die Werft gehen. Doch sie hatten sich geirrt.

„Ich fasse zusammen“, sagte Dermot. „Er will, dass jeder von uns für sechs Wochen durchs Land fährt und über das Leben nachdenkt? Irgendwo am Ende der Welt?“

Ronan nickte. „Der alte Mann muss verrückt geworden sein. Wie will er den Laden hier ohne uns schmeißen?“

Kieran lachte leise. „Oh, da mache ich mir keine Sorgen. Er wird prima alleine klarkommen.“

Martin Quinn hatte die Quinn Yachtworks in den sechziger Jahren aufgebaut und mit der Zeit zu einem der renommiertesten Unternehmen seiner Art an der Westküste gemacht. Jamie, Martins einziger Sohn, hatte ebenfalls mit in der Werft gearbeitet, bevor er und Suzanne auf See verschollen waren. An diesem Tag, der alles verändert hatte. Seitdem sie diesen leeren Sarg begraben hatten, schien die Freude aus dem Leben der Quinn-Brüder verschwunden zu sein. Das, was sie zu einer Familie gemacht hatte, hatte sich verändert. Die Brüder vergruben sich ebenso in der Arbeit wie ihr Großvater.

Doch es hatte auch gute Momente gegeben, erinnerte sich Kieran. Sie hatten gemeinsam ein Boot gebaut. Und als es fertig war, waren Cameron, Dermot und er selbst einen Sommer lang damit durch den Puget Sound gesegelt. Nur Ronan hatte sich geweigert mitzukommen.

Mit der Zeit hatten sie wichtige Positionen in der Werft übernommen. Cameron war für das Design zuständig, Dermot für den Vertrieb. Kieran war Chef der Buchhaltung und Ronan überwachte die Fertigung, es gefiel ihm, Seite an Seite mit den Handwerkern zu arbeiten. Sie hatten die Träume ihrer Kindheit hinter sich gelassen, um das Familienunternehmen zu unterstützen. Martin Quinn hatte sie aufgenommen, als sie ein Zuhause gebraucht hatten. Es war ihre Pflicht gewesen, ihm das zurückzuzahlen. Und es war lächerlich, ausgerechnet jetzt diese eingefahrenen Wege wieder zu verlassen und den Träumen von damals nachzujagen.

„Wo fährst du hin?“, fragte Kieran seinen Zwillingsbruder Dermot.

„Nach Mapleton in Wisconsin.“ Dermot blickte auf die Landkarte, die er auf dem Display seines Handys aufgerufen hatte. „Kein Wasser weit und breit. Nur ein winziger See.“

„Guck mal nach, was es in Bitney, Kentucky so gibt.“

„Das ist leicht“, sagte Cameron. „Kentucky ist bekannt für die Pferde dort. Er schickt dich da hin, weil du als Kind verrückt nach ihnen warst, erinnerst du dich? Du hattest kleine Plastikpferde auf dem Regal über dem Bett und hast Grandpa immer mit Fragen nach dem Pony gelöchert, das er als kleiner Junge hatte. Und als du zehn warst, wolltest du unbedingt reiten lernen.“

Kieran runzelte die Stirn und strich sich die Haare zurück. „Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern. Aber es stimmt, Ma hat mir ständig diese Pferdefiguren gekauft. Sie hat sie mir immer als Überraschung in die Lunchbox gelegt.“ Er lächelte, als die Erinnerung vor seinem inneren Auge auftauchte. Seine Mutter war so aufmerksam gewesen, so liebevoll. Er wusste, sie hatten zusammen mit den Pferden gespielt und dabei jede Menge Spaß gehabt.

„Was ist mit den Pferdefiguren passiert?“, fragte Dermot.

„Er hat sie damals mit in den Sarg gelegt“, sagte Cameron.

„Stimmt“, sagte Kieran. „Ich wollte nie wieder damit spielen. Sie haben mich zu sehr an Ma erinnert.“

Für einen Moment war es vollkommen still im Raum. Dann räusperte sich Ronan. „Wann geht dein Bus?“

„Heute Nacht um halb 12“, antwortete Kieran. „Die Fahrt dauert über 2 Tage. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie amüsant das wird.“

Dermot lachte leise. „Dann kommst du wenigstens mal wieder zum Lesen. Und wer weiß, vielleicht wird es doch ganz cool? Ich versuche für alles offenzubleiben. Und ein Zwangsurlaub ist nicht das Schlechteste, was einem passieren kann.“

Mal sehen, ob du das nach 60 Stunden im Bus immer noch so siehst“, sagte Kieran. „Oder wenn du nach 6 Wochen zurückkommst und dein Schreibtisch unter der Last der Papierstapel zusammengebrochen ist.“

„Nur 60 Stunden? Ich bin noch länger unterwegs“, sagte Ronan. „Ich muss nach Sibleyville in Maine. Dreieinhalb Tage Fahrt. Weiter weg von Seattle kann man schon fast nicht mehr sein. Und ich bin einen ganzen Tag länger unterwegs als ihr alle.“

Dermot blickte auf die Landkarte. „Wenigstens ist Wasser in der Nähe. Da stehen die Chancen gut, dass du einen vernünftigen Job bekommst.“

„Und was soll ich bitte schön in Vulture Creek, New Mexiko?“, grübelte Cameron.

„Das ist einfach. Da wurden jede Menge Dinosaurierknochen gefunden. Erinnerst du dich? Nachdem du als Kind Jurassic Park gesehen hattest, warst du vollkommen verrückt nach Dinosauriern. Du hast den ganzen Garten umgegraben und warst völlig aus dem Häuschen, als du wirklich etwas gefunden hast. Bis Dad dir sagte, dass es nur eine Schweinerippe war.“

Alle brachen bei dieser Erinnerung in Gelächter aus. Kieran und seine Brüder hatten Cam für Wochen damit aufgezogen, bis ihre Mutter es ihnen dann verboten hatte. Cam sollte tun, was auch immer er tun wolle, hatte sie ihnen erklärt. Kieran stand auf.

„Ich muss jetzt gehen und meine Sachen packen. Ihr alle müsst ja erst morgen früh los.“ Er blickte auf den Umschlag mit dem Geld in seiner Hand, den jeder von ihnen bekommen hatte. „Nehmt ihr noch zusätzliches Geld mit?“

Cameron schüttelte den Kopf. „Grandpa hat gesagt, wir müssen mit dem auskommen, was er uns gegeben hat. Wir sollten uns an seine Spielregeln halten, findet ihr nicht?“

„Ja, aber ich muss einen ganzen Tag zusätzlich im Bus verbringen“, erwiderte Ronan.

„Du weißt, wieso er das macht“, sagte Cam. „Er ist damals mit 100 Dollar in der Tasche nach Amerika gekommen. Ich glaube, er will, dass wir verstehen, wie das für ihn damals war. Er will, dass wir kreativ werden.“

Ronan fluchte leise. „Er ist wirklich verrückt geworden. Damals ist man mit 100 Dollar viel weiter gekommen als heute.“

„Es wird schon gehen“, sagte Kieran. „Wir sind alle nicht dumm und finden schon einen Weg, um mit wenig Geld auszukommen. Außerdem hat er ja gesagt, dass wir im Notfall die Kreditkarten benutzen dürfen.“

„Definiere Notfall“, sagte Ronan trocken. „Müssen wir dem Tod nahe sein? Kurz vorm Verhungern? Oder reicht auch schon der Wunsch nach einer Dusche und einem vernünftigen Bett?“ Er schüttelte den Kopf. „Dreieinhalb Tage Busfahrt, ich fasse es einfach nicht.“

Kieran stand auf. „Kann mich jemand nach Hause fahren?“

„Warum gehen wir nicht alle noch zusammen ein Bier trinken?“, fragte Cameron. „Wir werden uns einige Wochen nicht sehen. Da sollten wir den Abschied würdig begehen.“

„Gute Idee“, sagte Ronan. „Gehen wir zu O’Leary’s?“

„Auf zu O’Leary’s“, entgegnete Kieran.

Der Bus erreichte Denver morgens um Viertel vor sieben. Kieran hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Die Reise in dem ruckelnden Bus hatte einen entspannten Schlaf unmöglich gemacht. Hoffentlich schlief er jetzt nicht am Busbahnhof ein, während er auf den Anschlussbus nach Indianapolis wartete …

Nach der ersten unruhigen Nacht war er wirklich dankbar gewesen, als er in Missoula und Billings umsteigen musste. So konnte er wenigstens ein bisschen seine Beine ausschütteln. Aber so langsam zehrte die Fahrt an ihm, und seine Laune sank mit jeder Meile.

Er hatte jetzt schon beide mitgenommenen Bücher gelesen und versucht, vom Bus aus die E-Mails über sein Blackberry zu checken – nur um festzustellen, dass sein Großvater die Zugangsdaten geändert haben musste. Auch die Landschaft bot keine nennenswerte Abwechslung.

Mit nur 100 Dollar in der Tasche konnte er sich keine neuen Bücher leisten und sammelte deshalb die von anderen Reisenden im Bus liegen gelassenen Zeitschriften ein: Sportzeitungen, Magazine, selbst eine Klatschzeitung mit einem Alienbaby auf der Titelseite. Er konnte nicht wählerisch sein.

Kieran blickte sich am Busbahnhof um, auf dem sich Reisende in den frühen Morgenstunden drängten. Dann schulterte er seine Tasche und ging langsam hinüber zur Fahrplanauskunft. Er ließ den Blick über die eng bedruckten Spalten wandern. Da. Indianapolis. Sein Bus fuhr in einer halben Stunde.

Kieran unterdrückte ein Gähnen. Es war eine nette Idee, einmal alles hinter sich zu lassen und sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Aber er hatte nicht das Bedürfnis, etwas zu verändern. Sein Job gefiel ihm und er konnte sich absolut nicht vorstellen, dass irgendetwas in Bitney, Kentucky, seine Einstellung ändern würde.

Sein Magen knurrte, und er angelte sein Portemonnaie aus der Tasche. Er hatte noch etwa 70 Dollar und seine Kreditkarte. Kieran ging zum Kiosk hinüber und griff nach einem Truthahn-Sandwich und einer Cola. Nichts im Vergleich zu seinem üblichen gesunden Frühstück mit frischem Orangensaft, Haferbrei und einem Eiweiß-Omelette. Er fühlte sich etwas verloren ohne seine übliche Routine. Aber die Cola würde ihm vielleicht dabei helfen, wach zu bleiben.

Die junge Frau an der Kasse tippte die Waren ein. „10 Dollar, 30 Cent“, sagte sie dann.

Kieran runzelte die Stirn. „Wie bitte? Für ein lumpiges Sandwich und eine Cola?“

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Ich habe mir die Preise nicht ausgedacht. 10 Dollar 30.“

Er griff in die Tasche und zog seine Kreditkarte hervor. Das hier war zwar kein Notfall, aber er wollte nicht noch mehr von seinem Bargeld ausgeben.

Nur Sekunden später gab die Frau ihm die Karte zurück. „Tut mir leid, sie wurde nicht akzeptiert.“

„Das kann nicht sein. Versuchen Sie es noch mal.“

Das Mädchen seufzte genervt und zog die Karte erneut durch. „Wie gesagt, es geht nicht. Haben Sie auch Bargeld?“

Kieran starrte missmutig auf das Sandwich und die Cola. Wenn das so weiterging, würde das Geld nicht einmal bis Bitney reichen.

„Vergessen Sie es“, murmelte er.

„Ich übernehme das“, hörte er in diesem Moment eine sanfte Stimme hinter sich.

Er drehte sich um und erblickte eine Frau, deren Augen von einer dunklen Sonnenbrille verborgen wurden. Sie trug einen weiten Pullover, dessen Kapuze sie sich über den Kopf gezogen hatte. Als sie die Hand ausstreckte, sah Kieran wohlmanikürte Fingernägel.

„Das ist nicht nötig“, sagte er schnell. „Ich habe genug Geld. Ich bin nur nicht so hungrig, wie ich dachte.“

„Nein, nehmen Sie es“, entgegnete die Frau. „Ich bestehe darauf.“ Als Kieran erneut ablehnte, seufzte sie ungeduldig und griff nach seinen Einkäufen. Bevor Kieran noch etwas sagen konnte, hatte sie für sie beide gezahlt und drückte ihm das Sandwich und die Cola in die Hand.

„Danke“, sagte Kieran. „Ich kann Ihnen das Geld zurückgeben.“

„Kein Problem.“

„Nein, wirklich. Ich habe das Geld.“ Er folgte ihr aus dem Laden und setzte sich neben sie auf einen Sessel im Warteraum.

Sie biss in einen der Schokoriegel, den sie gekauft hatte, kaute gründlich und legte ihn dann zur Seite. „Die waren früher irgendwie besser.“ Dann riss sie eine Tüte Chips auf. „Seit Jahren habe ich die nicht mehr gegessen.“ Sie hielt Kieran die Tüte hin. „Möchten Sie probieren?“

„Nein, vielen Dank.“

„Dann essen Sie Ihr Sandwich“, sagte die Frau.

„Also, sind Sie so etwas wie eine Gesundheitsfanatikerin?“, zog er sie auf, während er sein Sandwich aus der Frischhaltefolie auswickelte.

„Was?“

Er deutete auf den Berg Süßigkeiten vor ihr. „Ein echtes Frühstück für Gewinner.“

„Ach, ich kann mich einfach nie entscheiden, was ich gerade essen will“, sagte die junge Frau. „Deshalb kaufe ich Verschiedenes und probiere von allem ein bisschen, bis ich etwas gefunden habe, das mir schmeckt“.

„Eine ziemliche Geldverschwendung, oder?“

Sie reichte ihm einen Riegel. „Hier, Sie können ihn haben. Ich habe keine Ahnung, weshalb ich den gekauft habe.“

„Sie wollen den Riegel nicht?“ Kieran hob die Brauen.

„Nein, jetzt nicht mehr. Obwohl, Moment.“ Sie las, was auf dem Etikett stand. „Erdnussbutter. Klingt eigentlich gar nicht so schlecht.“ Sie riss das Papier auf und biss ein Stück des Riegels ab. Dann seufzte sie schwer. „Nein, das ist es auch nicht.“ Sie wickelte das Papier wieder darum und reichte Kieran die Süßigkeit. „Hier. Keine Sorge, ich habe keine ansteckenden Krankheiten, Sie können ihn ruhig nehmen.“

Kieran war sich nicht sicher, ob er ihr das so einfach glauben wollte. Die Frau benahm sich mehr als merkwürdig. „Wohin reisen Sie?“, fragte er.

„Keine Ahnung, ich habe noch kein Ticket gekauft. Ich wollte während des Essens darüber nachdenken.“

„Mit all dem Zucker in Ihrem Blut brauchen Sie kein Ticket mehr, Sie können einfach loslaufen, wohin Sie wollen.“

Sie kicherte. „Sehr lustig. Und wohin fahren Sie?“

„Nach Bitney in Kentucky“, sagte er.

„Kentucky? Tatsächlich? Ich habe darüber nachgedacht, dorthin zu reisen. Meine Großeltern leben dort.“

Kieran musterte sie misstrauisch. Wer war diese Frau? Warum leistete sie gerade ihm Gesellschaft? Sie wurde von Minute zu Minute seltsamer. Konnte er ihr wirklich glauben?

„Wie heißen Sie?“, fragte er.

„Sie zuerst“, erwiderte sie.

„Kieran. Kieran Quinn.“

„Hm. Komischer Name.“ Sie wischte sich die rechte Hand am Sweatshirt ab und reichte sie ihm. „Ich bin Maddie.“ Dann stockte sie kurz. „Maddie Smith.“

Er griff nach ihrer Hand und spürte die Berührung wie einen elektrisierenden Stromschlag durch sich hindurchjagen. „Schön, Sie kennenzulernen“, murmelte er. „Maddie Smith.“

Er griff nach seinem Sandwich und biss erneut hinein. Sie hatte eine hinreißende Stimme, melodisch und leicht rau. Obwohl er ihre Augen nicht sehen konnte, entschädigten ihre Lippen ihn vollkommen dafür. Sie hatten den Farbton süßer Kirschen, und Kieran ertappte sich bei dem Gedanken, wie es wäre, diesen wunderschönen Mund zu küssen …

Unter der Kapuze konnte er einige Strähnen honigblondes Haar erkennen.

Er riss sich zusammen.

Die Unbekannte war ohne Frage faszinierend. Doch nach so vielen langweiligen Stunden in einem Bus war wahrscheinlich jeder Mensch mit etwas Persönlichkeit faszinierend …

„Offensichtlich haben Sie gerade wenig Geld“, sagte sie in diesem Moment. „Möchten Sie sich etwas dazuverdienen?“

„Was müsste ich dafür tun?“, fragte Kieran.

„Wenn Sie mir ein Ticket besorgen, gebe ich Ihnen einhundert Dollar.“

Kieran zog scharf die Luft ein. Er glaubte, sich verhört zu haben. „Einhundert Dollar? Nur dafür, dass ich ein Ticket für Sie kaufe? Warum machen Sie das nicht selbst?“

„Weil ich unerkannt die Stadt verlassen muss. Und ich befürchte, dass man mich am Schalter nach einem Ausweis fragt.“

„Hm. Sie geben sich alle Mühe, Ihr Äußeres zu verstecken, wollen die Stadt verlassen, ohne dass es jemand mitbekommt, und gehen großzügig mit ihrem Geld um. Sagen Sie jetzt nicht, dass ich neben einer Bankräuberin sitze.“

Sie lachte etwas zu laut, was die anderen Passanten dazu brachte, sie anzustarren. „Nein, keine Sorge. Das Geld gehört mir, ich habe es gespart. Aber ich verrate Ihnen etwas: Ich bin eine Ausreißerin. Ich laufe weg vor meinem Leben. Und ich möchte nicht, dass irgendjemand mir folgt.“

„Das ergibt natürlich viel mehr Sinn“, entgegnete Kieran leicht ironisch. „Wie alt sind Sie?“

„Diese Frage stellt ein Gentleman niemals einer Lady.“

„Nehmen Sie die Sonnenbrille ab, damit ich Ihr Gesicht sehen kann“, sagte er. „Ich helfe ganz sicher keinem Teenager bei einer dämlichen Flucht vor Stress mit den Eltern.“

Sie seufzte, nahm die Sonnenbrille ab und blickte ihn an. „Ich bin 24.“

Kieran stockte kurz der Atem. Nein, sie war kein Teenager. Sie sah aus wie Mitte 20, genau wie sie behauptet hatte. Ihre karamellfarbenen Augen waren umrahmt von langen, dunklen Wimpern. Doch er konnte nur einen kurzen Blick erhaschen, bevor Maddie die Sonnenbrille wieder aufgesetzt hatte.