Die schönsten Wintermärchen -  - E-Book

Die schönsten Wintermärchen E-Book

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Beschreibung

Die schönsten Märchen für die kalte Jahreszeit  Was gibt es an einem dunklen Winterabend Schöneres, als sich warm eingemummelt von Märchen in fantasievolle Abenteuer entführen zu lassen? Gerade die kalte Jahreszeit mit ihren ganz eigenen Sagengestalten, dem zauberhaften Schnee und ihrem strahlenden Höhepunkt, der Weihnachtszeit, lädt seit jeher zum Geschichtenerzählen und -genießen ein. Ob alte Bekannte von den Brüdern Grimm und Hans Christian Andersen oder neuere Erzählungen von Astrid Lindgren und Oscar Wilde – die Märchen in dieser Sammlung erzählen von bitterer Kälte, warmer Liebe und Licht in der Dunkelheit. • Von Hans Christian Andersen bis Astrid Lindgren • Ein Lesebuch für die gemütlichste Zeit des Jahres • Zum Vorlesen für die ganze Familie

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Seitenzahl: 268

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Die schönsten Wintermärchen

Reclam

RECLAM TASCHENBUCH Nr. 962300

2024 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH

Coverabbildung: Carl Larsson, »Hof und Waschhaus«, (1895) – akg-images

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2024

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962300-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020756-7

www.reclam.de

Inhalt

Brüder Grimm: Frau Holle

Selma Lagerlöf: Die Legende von der Christrose

Hans Christian Andersen: Der Schneemann

Brüder Grimm: Sterntaler

Astrid Lindgren: Pelle zieht aus

Anonym: Väterchen Frost

Ludwig Bechstein: Schneeweißchen

Hans Christian Andersen: Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern

Brüder Grimm: Hänsel und Gretel

Hans Christian Andersen: Die Schneekönigin

Anonym: Das Märchen vom Schnee

Oscar Wilde: Der selbstsüchtige Riese

Selma Lagerlöf: Die Legende vom Luciatag

Hans Christian Andersen: Der Tannenbaum

Anonym: Alice und ihre Tauben

Ludwig Bechstein: Besenstielchen

Paula Dehmel: Weihnachten in der Vorratskammer

E. T. A. Hoffmann: Nussknacker und Mausekönig

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren, Texte und Druckvorlagen

Brüder Grimm

Frau Holle

Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere hässlich und faul. Sie hatte aber die hässliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere musste alle Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mädchen musste sich täglich auf die große Straße bei einem Brunnen setzen, und musste so viel spinnen, dass ihm das Blut aus den Fingern sprang. Nun trug es sich zu, dass die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen: Sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, dass sie sprach: »Hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf.« Da ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wusste nicht, was es anfangen sollte: Und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen. Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und viel tausend Blumen standen. Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: »Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: Ich bin schon längst ausgebacken.« Da trat es herzu, und holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel, und rief ihm zu: »Ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.« Da schüttelte es den Baum, dass die Äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es wieder weiter. Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: »Was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so soll dir’s gut gehn. Du musst nur Acht geben, dass du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, dass die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; ich bin die Frau Holle.« Weil die Alte ihm so gut zusprach, so fasste sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit, und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf, dass die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein böses Wort, und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig und wusste anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, endlich merkte es, dass es Heimweh war; ob es ihm hier gleich viel tausendmal besser ging als zu Haus, so hatte es doch ein Verlangen dahin. Endlich sagte es zu ihr: »Ich habe den Jammer nach Haus kriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muss wieder hinauf zu den Meinigen.« Die Frau Holle sagte: »Es gefällt mir, dass du wieder nach Haus verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.« Sie nahm es darauf bei der Hand und führte es vor ein großes Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so dass es über und über davon bedeckt war. »Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist«, sprach die Frau Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen gefallen war. Darauf ward das Tor verschlossen, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter Haus: Und als es in den Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und rief:

»Kikeriki,

unsere goldene Jungfrau ist wieder hie.«

Da ging es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit Gold bedeckt ankam, ward es von ihr und der Schwester gut aufgenommen. Das Mädchen erzählte alles, was ihm begegnet war, und als die Mutter hörte, wie es zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie der andern hässlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen. Sie musste sich an den Brunnen setzen und spinnen; und damit ihre Spule blutig ward, stach sie sich in die Finger und stieß sich die Hand in die Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese und ging auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: »Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.« Die Faule aber antwortete: »Da hätt ich Lust, mich schmutzig zu machen«, und ging fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: »Ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.« Sie antwortete aber: »Du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen«, und ging damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag tat sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fing sie schon an zu faulenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sich’s gebührte, und schüttelte es nicht, dass die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde und sagte ihr den Dienst auf. Die Faule war das wohl zufrieden und meinte, nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Tor, als sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. »Das ist zur Belohnung deiner Dienste«, sagte die Frau Holle und schloss das Tor zu. Da kam die Faule heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, rief:

»Kikeriki,

unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.«

Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen.

Selma Lagerlöf

Die Legende von der Christrose

Die Räubermutter, die in der Räuberhöhle oben im Göingewald lebte, war eines Tages auf Bettelfahrt unten in der Ebene losgezogen. Der Räubervater selbst war vogelfrei und traute sich nicht, den Wald zu verlassen, er begnügte sich damit, aus dem Hinterhalt Reisende zu überfallen, die sich in das Waldgebiet wagten. Doch zu der Zeit gab es nicht viele Reisende im nördlichen Schonen. Wenn der Mann also mehrere Wochen lang kein Glück bei seiner Jagd gehabt hatte, machte sich die Ehefrau auf den Weg. Sie hatte ihre fünf Kinder bei sich, und jedes Kind trug zerrissene Lederkleider und Rindenschuhe und auf dem Rücken einen Sack, der genauso groß war wie der Knirps selbst. Sobald sie ein Haus betrat, traute sich niemand, ihr das vorzuenthalten, was sie haben wollte, denn sie scheute sich nicht, in der nächsten Nacht zurückzukehren und Feuer zu legen, wenn sie nicht gut genug empfangen worden war. Die Räubermutter und ihre Kinder waren schlimmer als ein Wolfsrudel, und viele hätten nicht übel Lust gehabt, sie aufzuspießen, doch dazu kam es nie, weil man wusste, dass der Alte noch oben im Wald hauste, und er wüsste schon, wie man sich rächt, wenn seinen Kindern und seiner Frau etwas zugestoßen wäre.

Als nun die Räubermutter bettelnd von Hof zu Hof ging, kam sie eines schönen Tages nach Öved, wo zu der Zeit ein Kloster lag. Sie klingelte an der Klosterpforte und begehrte etwas zu essen, und die Torwache öffnete eine kleine Luke im Tor und reichte ihr sechs runde Brote, eines für sie und eines für jedes ihrer Kinder.

Während die Mutter ruhig am Tor wartete, liefen die Kinder umher. Und nach einer Weile kam einer der Jungen zu ihr und zupfte an ihrem Kleid als Zeichen, dass er etwas gefunden hatte und sie kommen und es anschauen sollte, und die Räubermutter ging sofort mit ihm.

Das ganze Kloster war von einer hohen, dicken Mauer umgeben, doch der Junge hatte trotz allem eine kleine Hinterpforte gefunden, die nur angelehnt war. Als die Räubermutter dort ankam, schob sie augenblicklich das Türchen auf und trat, ohne um Erlaubnis zu fragen, ein, so wie sie es immer tat.

Öveds Kloster wurde zu der Zeit von Abt Hans geleitet, einem kräuterkundigen Mann. Er hatte innerhalb der Klostermauern einen kleinen Kräutergarten angelegt, und in diesen drang die Räubermutter nun ein.

Beim ersten Anblick war die Räubermutter derart erstaunt, dass sie am Eingang stehenblieb. Es war Hochsommer, und Abt Hans’ Kräutergarten stand so voll in Blüte, dass es vor Blau, Rot und Gelb nur so funkelte, wenn man ihn betrachtete. Doch bald breitete sich ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht aus, und sie lief einen schmalen Gang zwischen vielen kleinen Blumenbeeten entlang.

Im Garten lief ein Laienbruder umher und zupfte Unkraut. Er war es gewesen, der die Pforte in der Mauer hatte halb offen stehen lassen, um Melde und Quecke auf den Abfallhaufen draußen zu werfen. Als er die Räubermutter mit ihren fünf Kindern im Schlepptau im Kräutergarten entdeckte, lief er sofort zu ihnen und befahl ihnen, sich zu trollen. Doch die Alte ging weiter zielstrebig geradeaus. In alle Richtungen warf sie Blicke, schaute mal auf die steifen weißen Lilien, die sich auf einem Beet ausbreiteten, mal auf das Efeu, das die Klostermauern hochkletterte, und kümmerte sich nicht im Geringsten um den Laienbruder.

Der Laienbruder nahm an, dass sie ihn nicht verstanden hatte. Er wollte sie am Arm packen, um sie Richtung Ausgang zu drehen, doch als die Räubermutter seine Absicht erkannte, warf sie ihm einen Blick zu, der ihn mehrere Schritte zurückweichen ließ. Bisher war sie gebückt gelaufen, von dem Bettlersack nach unten gedrückt, doch jetzt richtete sie sich zu voller Größe auf.

»Ich bin die Räubermutter aus dem Göingewald«, sagte sie. »Fass mich an, wenn du dich traust!« Und es war offensichtlich, dass sie, als sie das sagte, ebenso sicher war, in Ruhe ihren Weg fortsetzen zu können, als wenn sie erklärt hätte, sie sei die Königin von Dänemark.

Doch der Laienbruder wagte es dennoch, sie aufzuhalten, auch wenn er jetzt, nachdem er erfahren hatte, wer sie war, vorsichtiger mit ihr sprach.

»Du musst wissen«, sagte er, »das hier ist ein Mönchskloster, und keiner Frau im ganzen Land ist es erlaubt, ins Innere der Mauern zu treten. Wenn du nicht deines Weges gehst, dann werden die Mönche wütend auf mich werden, weil ich vergessen habe, die Tür zu verschließen, und sie werden mich möglicherweise aus dem Kräutergarten und dem Kloster werfen.«

Doch solches Flehen war vergebliche Liebesmühe bei der Räubermutter. Sie ging weiter entlang des kleinen Rosenquadrats und betrachtete den Ysop mit seinen violetten Blüten und das Geißblatt, das voll mit gelbroten Blütenquasten hing.

Da wusste der Laienbruder keinen Rat mehr, er lief ins Kloster und holte Hilfe.

Er kam zurück mit zwei kräftigen Mönchen, und die Räubermutter erkannte sofort, dass es jetzt ernst wurde. Sie stellte sich breitbeinig auf den Weg und schrie mit schriller Stimme, welch schreckliche Rache sie an dem Kloster nehmen werde, wenn man ihr nicht erlaube, so lange in dem Kräutergarten zu bleiben, wie sie wollte. Doch die Mönche schienen sie nicht zu fürchten und dachten nur daran, sie schnellstmöglich zu vertreiben. Da stieß die Räubermutter schrille Schreie aus, warf sich auf sie und kratzte und biss, und ihre Kinder taten es ihr gleich.

Die drei Männer erkannten bald, dass sie ihnen überlegen war. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ins Kloster zurückzugehen und Verstärkung zu holen.

Als sie den Gang entlangliefen, der ins Kloster führte, begegneten sie Abt Hans, der herbeigeeilt war, um zu erfahren, was das für ein Lärm war, der aus dem Kräutergarten kam. Sie mussten zugeben, dass die Räubermutter aus dem Göingewald ins Kloster eingedrungen war und dass sie nicht allein imstande gewesen waren, sie wieder zu vertreiben, sondern dafür Verstärkung brauchten.

Doch Abt Hans warf ihnen vor, Gewalt angewandt zu haben, und verbot ihnen, weitere Hilfe zu holen. Er schickte die beiden Mönche zurück an ihre Arbeit, und obwohl er ein alter, gebrechlicher Mann war, nahm er ausschließlich den Laienbruder mit sich in den Kräutergarten.

Als Abt Hans dort ankam, lief die Räubermutter wie zuvor zwischen den Blumenbeeten hin und her. Und er konnte sich nicht genug über sie wundern. Er war überzeugt davon, dass sie nie zuvor in ihrem Leben einen Kräutergarten gesehen hatte. Und dennoch ging sie von einem Beet zum nächsten, die alle mit den verschiedensten fremden und seltenen Blumen bepflanzt waren, und betrachtete sie alle, als wären sie alte Bekannte. Es sah so aus, als kannte sie Immergrün, Salbei und Rosmarin. Bei einigen schmunzelte sie, bei anderen schüttelte sie den Kopf.

Abt Hans liebte seinen Kräutergarten so sehr, wie man etwas nur lieben kann, das irdisch und vergänglich ist. Und wie wild und verkommen diese fremde Frau auch aussah, so musste er sich doch eingestehen, dass es ihm imponierte, dass sie mit drei Mönchen gekämpft hatte, um in Ruhe den Garten Eden betrachten zu können. Er trat zu ihr und fragte ruhig, ob ihr der Kräutergarten gefalle.

Die Räubermutter drehte sich abrupt zu Abt Hans um, von dem sie nur Hinterhalt und Überfall erwartete, doch als sie sein weißes Haar und seinen gebeugten Rücken sah, antwortete sie ganz friedlich:

»Beim ersten Blick auf den Garten dachte ich, ich hätte nie etwas Schöneres gesehen, aber jetzt weiß ich, dass er nichts ist im Vergleich zu einem anderen, den ich kenne.«

Abt Hans hatte sicher eine andere Antwort erwartet. Als er hörte, dass die Räubermutter einen Garten gesehen hatte, der schöner war als seiner, bildete sich eine leichte Röte auf seinen faltigen Wangen.

Der Laienbruder, der neben den beiden stand, wollte augenblicklich die Räubermutter zurechtweisen.

»Das ist der Abt Hans«, erklärte er, »der selbst mit großem Eifer und viel Mühe die Blumen für seinen Kräutergarten in Fern und Nah gesammelt hat. Wir alle wissen, dass es in ganz Schonen keinen prächtigeren Garten gibt, und es steht dir, die du das ganze Jahr im wilden Wald lebst, nicht zu, seine Arbeit zu schulmeistern.«

»Ich will mich gar nicht zum Schulmeister machen, weder über ihn noch über dich«, sagte die Räubermutter, »ich sage nur, wenn ihr den Garten sehen könntet, an den ich denke, ihr würdet alle Blumen, die hier stehen, ausreißen und sie wie Unkraut wegwerfen.«

Doch der Kräutergartenhüter war kaum weniger stolz auf die Blumen als Abt Hans selbst, und als er diese Worte hörte, fing er an höhnisch zu lachen.

»Mir ist schon klar, dass du nur so redest, um uns zu ärgern. Das muss ja ein schöner Garten sein, den du im Göingewald zwischen Kiefern und Wacholder angelegt hast. Ich möchte meine Seele verwetten, dass du noch nie zuvor in den Mauern eines Kräutergartens gewesen bist.«

Die Räubermutter wurde rot vor Wut, dass ihr so wenig geglaubt wurde, und sie rief aus:

»Es kann schon sein, dass ich noch nie zuvor in den Mauern eines Kräutergartens gewesen bin, doch ihr Mönche, die ihr doch heilige Männer seid, ihr solltet wissen, dass der große Göingewald sich in jeder Weihnachtsnacht in einen Garten Eden verwandelt, um die Stunde der Geburt unseres Herrn zu feiern. Wir, die im Wald leben, haben es jedes Jahr miterlebt, und in diesem Garten habe ich so herrliche Blumen gesehen, dass ich nicht gewagt habe, meine Hand zu heben, um sie zu pflücken.«

Der Laienbruder wollte etwas erwidern, doch Abt Hans gab ihm ein Zeichen, zu schweigen. Denn Abt Hans hatte in seinen Kindertagen davon gehört, dass sich der Wald in der Weihnachtsnacht mit einem Festkleid schmückt. Schon oft hatte er sich danach gesehnt, dieses Schauspiel zu erleben, aber bisher war es ihm nie geglückt. Deshalb bat er jetzt die Räubermutter inständig um Erlaubnis, in der Weihnachtsnacht hoch zur Räuberhöhle kommen zu dürfen. Wenn sie nur eines ihrer Kinder schickte, das ihm den Weg zeigte, würde er sich allein dorthin aufmachen, und er würde sie niemals verraten, sondern sie stattdessen so reichlich belohnen, wie es in seiner Macht stand.

Zunächst weigerte sich die Räubermutter, denn sie dachte an den Räubervater und die Gefahr, die ihm drohte, wenn sie den Abt Hans zu ihrer Höhle führte. Doch dann wurde der Wunsch, dem Mönch zu zeigen, dass der Garten, den sie kannte, schöner war als seiner, doch zu übermächtig, und sie willigte ein.

»Aber mehr als einen Wegbegleiter darfst du nicht mitnehmen«, entschied sie. »Und eine Falle oder einen Hinterhalt darfst du uns nicht bereiten, so wahr du ein heiliger Mann bist.«

Das gelobte Abt Hans, und damit ging die Räubermutter. Und Abt Hans befahl dem Laienbruder, niemandem zu verraten, was sie abgemacht hatten. Er fürchtete, dass seine Mönche einem so alten Mann, wie er es war, nicht erlauben würden, zur Räuberhöhle hoch zu ziehen, wenn sie von seinem Vorhaben erführen.

Er selbst wollte auch niemandem etwas von dem Plan verraten. Doch dann geschah es, dass der Erzbischof Absalon aus Lund nach Öved reiste und dort über Nacht blieb. Als Abt Hans ihm seinen Kräutergarten zeigte, wanderten seine Gedanken zum Besuch der Räubermutter, und der Laienbruder, der in den Beeten arbeitete, hörte, wie der Abt dem Bischof von dem Räubervater berichtete, der seit vielen Jahren als Vogelfreier im Wald lebte, und bat um einen Schutzbrief für ihn, damit er wieder ein ehrliches Leben unter anderen Menschen führen könnte.

»Wie es jetzt aussieht«, sagte Abt Hans, »wachsen seine Kinder zu noch schlimmeren Übeltätern heran, als er einer ist, und bald habt ihr es mit einer ganzen Räuberbande da oben im Wald zu tun.«

Doch Erzbischof Absalon erwiderte, dass er den bösartigen Räuber nicht unter das ehrliche Volk auf der Ebene lassen wolle. Es sei für alle das Beste, wenn er oben im Wald bliebe.

Abt Hans wurde ganz eifrig und begann dem Bischof davon zu erzählen, wie sich der Göingewald jedes Jahr zu Weihnachten schmückte.

»Wenn diese Räuber nicht zu gering dafür sind, dass Gottes Herrlichkeit sich ihnen zeigt«, sagte er, »dann können sie doch wohl auch nicht zu böse sein, um die Gnade der Menschen zu erlangen.«

Doch der Erzbischof wusste dem Abt Hans zu antworten.

»So viel kann ich dir versprechen, mein lieber Abt Hans«, sagte er schmunzelnd, »an dem Tag, an dem du mir eine Blume aus dem Weihnachtsgarten im Göingewald schickst, werde ich für alle Vogelfreien, für die du bittest, einen Schutzbrief aufsetzen.«

Dem Laienbruder war klar, dass Bischof Absalon ebenso wenig wie er selbst an die Erzählung der Räubermutter glaubte, doch Abt Hans merkte davon nichts, er bedankte sich bei Absalon für sein großzügiges Versprechen und versicherte, dass er die Blume schon schicken werde.

 

Abt Hans bekam seinen Willen; am nächsten Heiligabend saß er nicht daheim in Öved, sondern war auf dem Weg zum Göingewald. Eines der wilden Kinder der Räubermutter lief ihm voraus, und als Wegbegleiter hatte er den Laienbruder ausgewählt, der mit der Räubermutter im Kräutergarten gesprochen hatte.

Abt Hans hatte sich lange danach gesehnt, diese Reise zu unternehmen, und jetzt war er froh, dass sie endlich zustande gekommen war. Ganz anders sah es mit dem Laienbruder aus, der ihm folgen sollte. Er schätzte Abt Hans sehr, und er hätte auf keinen Fall einem anderen erlaubt, ihn an seiner statt zu begleiten und über ihn zu wachen, aber er glaubte keinen Moment, dass sie eine Art von Weihnachtsgarten sehen würden. Er dachte, dass es sich bei dem Ganzen um eine Falle handelte, von der Räubermutter mit großer Schläue aufgestellt, damit Abt Hans ihrem Mann in die Hände falle.

Während Abt Hans nordwärts auf die Wälder zuritt, sah er, wie überall die Weihnachtsfeiern vorbereitet wurden. In jedem Bauerndorf wurde das Feuer in der Sauna entzündet, damit es heiß genug war für den Saunagang am Nachmittag. Aus den Vorratsspeichern wurden Unmengen an Fleisch und Brot in die Stuben geschleppt, und aus den Scheunen kamen die Knechte mit großen Heubündeln, die auf dem Boden verstreut werden sollten.

Als er an den kleinen Landkirchen vorbeiritt, sah er, dass der Pfarrer und die Glöckner dabei waren, sich die schönsten Gewänder anzuziehen, die sie nur finden konnten, und als er zur Wegscheide kam, die zum Bosjökloster führte, kamen die Armen ihnen entgegen, die Arme voll mit großen Broten und langen Kerzen, die sie am Klostertor erhalten hatten.

Als Abt Hans all diese Weihnachtsvorbereitungen sah, versuchte er sich noch mehr zu beeilen. Er dachte daran, dass auf ihn ein viel größeres Fest wartete, als irgendeiner der anderen feiern würde.

Doch der Laienbruder stöhnte und jammerte, als er sah, wie sie auch auf dem kleinsten Hof die Weihnachtsfeier vorbereiteten. Er wurde immer ängstlicher und flehte Abt Hans an und beschwor ihn, doch umzukehren und sich nicht freiwillig in die Räuberhände zu begeben.

Abt Hans setzte seinen Weg fort, ohne sich um diese Klagen zu kümmern. Er ließ die Höfe der Ebene hinter sich und gelangte in einsame, wilde Waldregionen. Hier wurde der Weg schlechter. Meist war es nur noch ein steiniger, mit Tannennadeln bestreuter Pfad, und weder Brücken noch Stege halfen den Reisenden über Bäche und Flüsse. Je weiter sie kamen, umso kälter wurde es, und nach einer Weile erreichten sie schneebedecktes Land.

Es war eine lange, beschwerliche Reise. Sie bogen ab auf steile, glatte Seitenpfade, zogen über Moor und Sumpf, drangen durch Windbruch und Gestrüpp. Gerade als das Tageslicht abnahm, führte der Räuberjunge sie über eine Waldlichtung, die von hohen Bäumen umgeben war, nackten Laubbäumen und grünen Nadelbäumen. Hinter der Wiese erhob sich eine Bergwand, und in der Bergwand sahen sie eine Tür aus dicken Holzplanken.

Da war Abt Hans klar, dass sie angekommen waren, und er stieg vom Pferd. Das Kind öffnete ihm die schwere Tür, und er blickte in eine armselige Berggrotte mit kahlen Steinwänden. Die Räubermutter saß an einem Lagerfeuer, das mitten im Raum brannte. An den Wänden gab es Lager aus Tannenreisern und Moos, und auf einem von ihnen lag der Räubervater und schlief.

»Kommt herein, ihr da draußen!«, rief die Räubermutter, ohne aufzustehen. »Und nehmt die Pferde mit herein, damit sie nicht in der Nachtkälte erstarren!«

Abt Hans ging daraufhin, ohne zu zögern, in die Höhle hinein, und der Laienbruder folgte ihm. Hier war es armselig und kahl, es waren keinerlei Vorbereitungen getroffen worden, um Weihnachten zu feiern. Die Räubermutter hatte weder gebraut noch gebacken, sie hatte nicht gefegt noch gescheuert. Ihre Kinder lagen um einen Kessel herum und aßen, doch das war kein besonderes Essen, sondern nur ein dünner Wasserbrei.

Dennoch sprach die Räubermutter so stolz und sicher wie eine begüterte Bauersfrau.

»Komm, setz dich hier ans Feuer, Abt Hans, und wärm dich«, sagte sie, »und wenn du etwas zu essen bei dir hast, dann iss es! Denn ich kann mir denken, dass das Essen, das wir hier im Wald kochen, dir nicht schmecken wird. Wenn du müde bist von der Reise, kannst du dich auf eines der Lager legen und ein wenig schlafen. Du brauchst nicht zu fürchten, du könntest verschlafen. Ich bleibe hier am Feuer sitzen und halte Wache, und ich werde dich wecken, damit du das sehen kannst, weshalb du hierhergekommen bist.«

Abt Hans gehorchte der Räubermutter und holte seinen Proviantsack hervor. Doch er war von der Reise so müde, dass er kaum etwas zu essen vermochte, und sobald er sich auf dem Lager ausstrecken konnte, schlief er ein.

Der Laienbruder wurde ebenfalls aufgefordert, sich auf einem Lager auszuruhen, doch er wagte es nicht, einzuschlafen, er wollte lieber den Räubervater im Auge behalten, damit dieser nicht aufsprang und Abt Hans fesselte. Doch schließlich übermannte die Müdigkeit auch ihn, und er schlief ein. Als er aufwachte, sah er, dass Abt Hans sein Lager verlassen hatte und jetzt am Feuer saß und sich mit der Räubermutter unterhielt. Der vogelfreie Räuber saß auch am Feuer. Er war ein großer, hagerer Mann, der müde und trübsinnig aussah. Er drehte Abt Hans den Rücken zu, und es schien, als wollte er nicht zeigen, dass er dem Gespräch lauschte.

Abt Hans erzählte der Räubermutter von all den Weihnachtsvorbereitungen, die er auf dem Weg gesehen hatte, und er erinnerte sie an Weihnachtsgilden und lustige Weihnachtsspiele, an denen sie in ihrer Jugend doch sicher auch teilgenommen hatte, als sie noch in Frieden unter den Menschen gelebt hatte.

»Es ist ein Jammer, dass eure Kinder nie verkleidet durch die Dorfstraßen laufen oder sich im Weihnachtsstroh tummeln können«, sagte Abt Hans. Die Räubermutter hatte zunächst nur kurz und abweisend geantwortet, doch mit der Zeit wurde sie kleinlauter und hörte interessierter zu. Plötzlich drehte sich der Räubervater Hans zu und hielt dem Abt seine geballte Faust vors Gesicht.

»Du erbärmlicher Mönch, bist du hergekommen, um meine Frau und die Kinder von mir fortzulocken? Weißt du nicht, dass ich vogelfrei bin und nicht aus dem Wald hinausgehen kann?«

Abt Hans schaute ihm unerschrocken ins Gesicht.

»Mein Ziel ist es, vom Erzbischof einen Schutzbrief für dich zu bekommen«, sagte er. Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, da begannen der Vogelfreie und seine Frau lauthals zu lachen. Sie wussten wohl nur zu gut, welche Gnade ein Waldräuber von Bischof Absalon zu erwarten hatte.

»Ja, wenn ich einen Schutzbrief von Absalon kriege«, sagte der Räubervater, »dann verspreche ich dir, dass ich niemals wieder auch nur eine einzige Gans stehlen werde.«

Der Laienbruder war verärgert darüber, dass Räuber sich trauten, über Abt Hans zu lachen, doch dieser schien mit dem Verlauf des Gesprächs sehr zufrieden zu sein. Kaum konnte der Laienbruder sich erinnern, dass er den Abt jemals so friedvoll und ruhig unter den Mönchen in Öved hatte sitzen sehen, wie er jetzt bei diesen wilden Räubern saß.

Doch plötzlich stand die Räubermutter auf.

»Du sitzt hier und redest die ganze Zeit, Abt Hans«, sagte sie, »dass wir ganz vergessen, uns den Wald anzusehen. Jetzt kann ich bis hier hören, wie die Weihnachtsglocken läuten.«

Kaum war das gesagt, schon sprangen alle auf und stürzten hinaus. Doch im Wald war immer noch nichts als dunkle Nacht und kalter Winter. Als Einziges war ein entfernter Glockenklang zu vernehmen, der von einem leichten Südwind herangetragen wurde.

Doch als die Glocken einige Zeit geläutet hatten, fuhr plötzlich ein Lichtstreif durch den Wald. Kurz darauf wurde es wieder so dunkel wie zuvor. Doch dann kam das Licht zurück. Es kämpfte sich wie ein leuchtender Nebel zwischen den dunklen Bäumen hindurch. Und es hatte so viel Kraft, dass die Dunkelheit in einen sanften Tagesanbruch überging.

Da sah Abt Hans, dass der Schnee von der Erde verschwand, als hätte jemand einen Teppich weggezogen, und dass die Erde zu grünen begann. Der Farn schob seine Triebe heraus, zusammengerollt wie Bischofsstäbe. Die Heide, die auf dem steinigen Boden wuchs, und der Heidegagelstrauch, der im Moos verborgen war, kleideten sich schnell in frisches Grün. Die Mooskissen schwollen an und Frühlingsblumen schossen mit dicken Knospen hervor, die bereits Farbe zeigten.

Abt Hans’ Herz schlug heftig, als er die ersten Zeichen dafür entdeckte, dass der Wald erwachen wollte. »Soll es mir altem Mann vergönnt sein, so ein Wunder zu sehen?«, dachte er, und die Tränen wollten ihm in die Augen treten.

Dann wurde es wieder so trüb, dass er fürchtete, die Nachtfinsternis könnte von neuem mit aller Macht zurückkommen.

Doch schnell brach eine neue Welle des Lichts hervor. Sie führte ein ganzes Gemurmel von Bächen und dem Rauschen aufgebrochener Wasserfälle mit sich. Da brachen die Blätter der Laubbäume so hastig hervor, als wäre eine Unzahl grüner Schmetterlinge herbeigeflogen und hätte sich auf die Zweige gehockt. Und nicht nur die Bäume und Büsche erwachten. Kreuzschnäbel hüpften auf den Zweigen. Spechte hackten gegen die Stämme, dass die Holzspäne um sie flogen. Ein Schwarm Stare ließ sich auf einem Tannenwipfel nieder, um auszuruhen, bevor er weiterflog. Es waren prächtige Stare. Die Spitze jeder Feder leuchtete strahlend rot, und wenn die Vögel sich bewegten, glitzerten sie wie Edelsteine.

Wieder wurde es für eine Weile dunkler, doch bald kam eine neue Lichtwelle. Ein kräftiger warmer Südwind blies und säte auf der Waldwiese all die kleinen Samen aus den südlichen Ländern aus, die von Vögeln, Schiffen und Winden herbeigetragen worden waren und die wegen der Strenge des Winters nirgendwo anders wachsen konnten, und in dem Moment, in dem sie die Erde trafen, fassten sie sofort Wurzeln und keimten.

Als die nächste Lichtwelle herangebraust kam, begannen das Blaubeerkraut und die Heide zu blühen. Graugänse und Kraniche riefen hoch oben in der Luft, Buchfinken bauten ihre Nester, und Eichhörnchenjunge begannen auf den Baumästen zu spielen.

Jetzt ging plötzlich alles so schnell, dass der Abt Hans nicht darüber nachdenken konnte, welch übermächtiges Wunder es war, das hier geschah. Er hatte kaum genug Zeit, Augen und Ohren zu gebrauchen. Die nächste Lichtwelle, die herangerauscht kam, führte einen Duft von frisch gepflügten Äckern mit sich. In weiter Ferne hörte man die Hirtenmädchen die Kühe locken, und die Glöckchen der Schafe läuteten. Tannen und Kiefern schmückten sich so dicht mit kleinen roten Zapfen, dass die Bäume wie Purpurmäntel leuchteten. Der Wacholder trug Beeren, die jeden Moment ihre Farbe änderten. Und die Waldblumen bedeckten die Erde, dass sie weiß, blau und gelb wurde.

Abt Hans beugte sich zur Erde und brach die Blüte einer Walderdbeere ab. Während er sich aufrichtete, reifte die Beere. Das Fuchsweibchen kam mit einem ganzen Wurf schwarzbeiniger Welpen aus der Höhle. Es ging zur Räubermutter und kratzte an ihrem Kittel, und die Räubermutter beugte sich zu ihm hinab und bewunderte die Jungen. Der Uhu, der gerade mit seiner nächtlichen Jagd begonnen hatte, kehrte heim, erschreckt von dem Licht, flog in seine Felsspalte und schlief ein. Der Kuckuck rief, sein Weibchen schlich um die Nester der kleinen Vögel herum, sein Ei im Schnabel.

Die Kinder der Räubermutter stießen Freudenschreie aus. Sie aßen sich satt an den Waldbeeren, die an den Büschen hingen, groß wie Tannenzapfen. Eines von ihnen spielte mit einer Schar Hasenjungen, ein anderes lief um die Wette mit jungen Krähen, die aus dem Nest hüpften, bevor die Flügel ausgewachsen waren, ein drittes pflückte Farn und wickelte ihn sich um Hals und Arm. Der Räubervater stand draußen auf dem Moos und aß Moltebeeren. Als er aufblickte, lief ein großes, schwarzes Tier neben ihm. Der Räubervater brach einen Weidenzweig ab und schlug dem Bär auf die Nase.

»Bleib in deinem Revier!«, schimpfte er. »Das ist mein Busch.« Da wich der Bär zurück und trottete seines Weges.

Ständig kamen neue Wellen voll Wärme und Licht, und jetzt führten sie Entengeschnatter vom Waldteich mit sich. Gelber