Die schwarze Witwe - Timo Nieminen - E-Book

Die schwarze Witwe E-Book

Timo Nieminen

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Beschreibung

In Die schwarze Witwe gerät Hauptkommissar Jussi Linnrös in einen mysteriösen und tödlichen Fall, der ihn bis an die sonnenverwöhnte Amalfi-Küste führt. Markku Peltonen, ein angesehener Apotheker, versucht, seine Frau Nina Sundström mit dem tödlichen Gift des Grünen Knollenblätterpilzes, auch bekannt als die "grüne Mamba" der Pilzwelt, zu ermorden. Doch der Plan geht spektakulär schief – am Ende ist es Markku selbst, dessen Leiche gefunden wird. Was zunächst wie ein tragischer Unfall wirkt, entpuppt sich schnell als Teil eines Netzwerks aus Täuschung, Verrat und lang gehüteten Geheimnissen. Die Ermittlungen offenbaren unerwartete Wendungen, und Linnrös muss tief in die Vergangenheit der Beteiligten eintauchen. Dabei stößt er auf die mysteriöse Nina, die nicht nur Opfer, sondern möglicherweise auch Täterin ist – die titelgebende "Schwarze Witwe". Spannungsgeladen und atmosphärisch dicht führt der Krimi von den dunklen Gassen Helsinkis bis zu den steilen Klippen Italiens. Während Linnrös und sein Team um Antworten ringen, wird klar: In diesem Fall ist nichts, wie es scheint. Ein Meisterwerk voller unerwarteter Wendungen, das den Leser bis zur letzten Seite fesselt.

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Die schwarze WitweEin Fall für Jussi Linnrös

Timo Nieminen

Copyright © 2024 Timo Nieminen

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: Auf der Rückseite

WIDMUNG

Ein herzliches Dankeschön geht an alle, die mich auf meiner Reise als Autor begleitet haben. An meine Familie und Freunde, die immer an mich geglaubt und mich inspiriert haben – euer Rückhalt und eure Geduld bedeuten mir alles. Ein besonderer Dank gilt meinem Verlag und meinem Lektorenteam, die mit scharfem Blick und klugem Rat diesen Krimi erst zum Leben erweckt haben. Auch möchte ich meinen Lesern danken: Ohne euch wäre diese Geschichte nur ein leeres Blatt Papier. Danke, dass ihr meinen Figuren Leben einhaucht und mir die Möglichkeit gebt, mit meinen Geschichten Teil eurer Welt zu werden.

Vorwort

Es war einmal ein kleines Mädchen namens Maija, das in einem märchenhaften finnischen Wald lebte. An einem frühen Herbstmorgen machte sich Maija mit einem Körbchen auf, um Pilze zu sammeln. Der Nebel schwebte noch zwischen den Bäumen, und der feuchte Boden glitzerte in der schwachen Sonne. Bald fand sie die ersten goldgelben Eierschwämme, die wie kleine Sonnen auf dem Waldboden leuchteten. Diese Pilze, die man auch Pfifferlinge nennt, wachsen gerne in feuchten, moosigen Waldabschnitten und sind gut erkennbar an ihrem leuchtenden Gelb und den kammartigen Lamellen. Maija freute sich, denn Eierschwämme sind sicher und schmecken köstlich, wenn sie gebraten werden.Auf ihrem Weg entdeckte sie auch ein paar Fliegenpilze mit ihren leuchtend roten Hüten und weißen Punkten. Maija wusste genau, dass diese Pilze giftig waren, obwohl die Samen in Lappland die Kunst beherrschen, sie durch heißes Wasser genießbar zu machen – sie trinken das Wasser, in dem der Pilz gekocht wurde. Dennoch ließ sie die Fliegenpilze links liegen, denn ihre Schönheit war trügerisch.Dann fand sie einen mächtigen Steinpilz, der fest im Boden stand. Einige Steinpilze, das wusste Maija, können so groß wie Teller werden! Doch leider sind die schönsten Exemplare oft voller Maden und ungenießbar. Vorsichtig untersuchte sie den Pilz, und siehe da, an diesem fraßen sich bereits die kleinen Maden durch das weiße Fleisch. Enttäuscht ließ sie den Pilz stehen und zog weiter.

Doch dann entdeckte sie ihn – den bösen Grünen Knollenblätterpilz. Er sah harmlos aus mit seinem blassgrünen Hut und den zarten Lamellen, aber Maija kannte sein tödliches Geheimnis. Viele verwechseln diesen Pilz mit essbaren Arten, und schon ein Bissen kann tödlich sein. Obwohl Maija ihn nicht sammeln wollte, blieb sie einen Moment stehen und betrachtete den Pilz. Sie erinnerte sich an die Geschichte einer Familie, die ihn versehentlich gegessen hatte und an qualvollen Bauchschmerzen und Erbrechen litt. Es hieß, dass der Pilz das Gift langsam in den Körper sickerte, bis die Familie nach Tagen schrecklicher Qual verstarb.Maija schüttelte sich bei diesem Gedanken, warf dem gefährlichen Pilz einen letzten Blick zu und ging schließlich ihren Weg, fest entschlossen, nur die sicheren, vertrauten Pilze zu sammeln.

1

Der Grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) ist nicht nur einer der giftigsten Pilze Europas, sondern auch ein faszinierendes und gefährliches Naturwesen. Seine Geschichte als tödlicher Giftpilz beginnt im 18. Jahrhundert, als Ärzte und Naturwissenschaftler immer wieder Fälle von tödlichen Vergiftungen durch Pilze dokumentierten. Ein bedeutender Beitrag zur wissenschaftlichen Beschreibung und Untersuchung des Grünen Knollenblätterpilzes leistete der Botaniker Paul Kummer im 19. Jahrhundert. Er machte auf die toxischen Eigenschaften dieses Pilzes aufmerksam, die auch heute noch für zahlreiche Vergiftungen und Todesfälle verantwortlich sind.Der Grüne Knollenblätterpilz wird häufig mit essbaren Arten wie dem Wiesenchampignon (Agaricus campestris) oder dem Perlpilz (Amanita rubescens) verwechselt. Seine blassgrüne Farbe und die weißen Lamellen können leicht zu einem fatalen Fehler führen. Das Gift des Pilzes, das aus hochwirksamen Amatoxinen besteht, schädigt vor allem die Leber und andere lebenswichtige Organe und kann schon in kleinen Mengen tödlich sein.In Finnland ist der Grüne Knollenblätterpilz vor allem in den südlichen Regionen anzutreffen, insbesondere in Laubwäldern, die mit Eichen und Birken gespickt sind. Diese Pilzart wächst gerne auf kalkhaltigen Böden und bevorzugt Gebiete mit mäßiger Luftfeuchtigkeit, weshalb sie sich in den wärmeren Gegenden Europas, einschließlich Finnlands, gut entwickelt. Der Pilz bildet eine Mykorrhiza-Symbiose mit bestimmten Bäumen, wobei seine Hyphen sich mit den Wurzeln der Bäume verbinden. Dies ermöglicht den Austausch von Nährstoffen: Der Pilz erhält Zucker vom Baum, während er ihm im Gegenzug Mineralstoffe und Wasser zuführt.Die tödliche Wirkung des Grünen Knollenblätterpilzes und seine Verwechslungsgefahr machen ihn zu einem der gefährlichsten Pilze Europas. Seine Präsenz in der Natur ist nicht nur eine Warnung, sondern auch ein eindrucksvolles Beispiel für die Komplexität und die Risiken, die die Welt der Pilze mit sich bringt.

2

Markku Peltonen war ein Apotheker, der sein Leben der Wissenschaft gewidmet hatte. Er hatte Pharmazie studiert und war stets fasziniert von der chemischen Komplexität der Naturstoffe. Doch in den letzten fünf Jahren hatte sein Leben einen düsteren Schatten geworfen. Die Liebe zu seiner Frau, die einst voller Lebensfreude und Ambitionen war, war im Laufe der Zeit einer tiefen Verzweiflung gewichen. Nachdem sie erfahren hatte, dass sie keine Kinder bekommen konnte, war sie bitter und unzufrieden geworden. Ihre einst angesehene Verlagsfirma war in der digitalen Welt untergegangen, und sie machte ihm das Leben zur Hölle.Markku saß in seinem Arbeitszimmer, umgeben von Büchern und Labormaterialien, als ihm eine schreckliche Idee kam. Er musste sie loswerden, und das, ohne Spuren zu hinterlassen. Die Vorstellung eines perfekten Mordes ließ ihn nicht mehr los. Er wusste, dass es ein gewaltiges Risiko war, doch seine Entschlossenheit war stärker.In den letzten fünf Jahren hatte er Ratten getestet. Er hatte ihnen das Gift des Grünen Knollenblätterpilzes in kleinen Dosen verabreicht, so gering, dass es nicht nachweisbar war. Über fünf lange Jahre hatte er den Verlauf seiner Versuche akribisch dokumentiert, jede Dosis, jede Reaktion. Es war ein mühsamer Prozess, der ihm schlaflose Nächte und schreckliche Gedanken beschert hatte. Zuerst hatte er mit Mäusen begonnen, doch sie waren schnell gestorben, was bedeutete, dass die Dosen zu stark waren. Mit Ratten hatte er mehr Erfolg.Die Ratten waren wie seine Patienten, und er war der grausame Gott, der über ihr Schicksal entschied. Mal war die Dosis zu hoch, mal zu niedrig, und er war gezwungen, die Tiere leidvoll leiden zu sehen, während er die richtige Formel suchte. Die letzte Ratte, die er getestet hatte, lag leblos auf seinem Tisch, ihr Körper ein stummer Zeuge seines grausamen Experimentes. Es hatte ein halbes Jahr gedauert, bis sie starb, und in ihrem Blut war kein Zeichen von Gift.„Niemand wird mir das anhängen können“, flüsterte er, als er sie betrachtete. Die Vorstellung, dass er den perfekten Mord begangen hatte, erfüllte ihn mit einer unheimlichen Zufriedenheit. Er war bereit, den nächsten Schritt zu wagen.Markkus Frau, Nina Sundström einst eine blühende Persönlichkeit, war nun ein Schatten ihrer selbst. Ihre Verbitterung hatte sie in die Isolation getrieben, und sie schien ihm nichts als Schmerzen und Verzweiflung zu bringen. Jeder Tag mit ihr war eine Qual, und Markku konnte kaum noch ertragen, wie sie ihm Vorwürfe machte und in ihrer Trauer schwelgte. Der Gedanke, dass er bald befreit sein könnte, ließ seine Herzen schneller schlagen.In der Dunkelheit seines Labors, umgeben von den unzähligen Fläschchen und Tiegeln, stellte er sich vor, wie sein Leben ohne sie aussehen würde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er den ersten Schritt in die Freiheit machte – den perfekten Mord, der ihm alles nehmen und gleichzeitig alles geben würde.Als er an diesem schicksalhaften Abend die Kappe des Fläschchens mit dem tödlichen Gift abnahm, spürte er einen Schauer über seinen Rücken laufen. Aber in seinem Herzen war der Wunsch nach Freiheit und Ruhe größer als jede noch so leise Stimme der Gewissensbisse. Markku Peltonen war bereit für das Unaussprechliche.Markku Peltonen, ein erfahrener Apotheker mit tiefem Wissen über toxische Substanzen, sah im Grünen Knollenblätterpilz die ideale Mordwaffe. Dieser Pilz, wissenschaftlich als Amanita phalloides bekannt, ist aufgrund seiner starken Amatoxine eine der giftigsten Pilzarten in Europa. Markkus Studium der Toxikologie ermöglichte ihm zu verstehen, wie diese Gifte langsam wirken und sich in winzigen, kaum nachweisbaren Dosen über einen längeren Zeitraum im Körper ansammeln. So konnte er seine geplanten Mikrodosen verabreichen, ohne dass akute Symptome auftraten, was ihn schließlich zu seinem „perfekten Mord“ führte.Die Amatoxine des Grünen Knollenblätterpilzes, vor allem das Alpha-Amanitin, schädigen die Leber, indem sie die Proteinsynthese in den Zellen blockieren. Da die ersten Symptome erst Stunden nach der Aufnahme auftreten, lässt sich das Gift kaum nachweisen. Markku entwickelte eine Methode, bei der er winzige Dosen verabreichte, die sich schleichend anreicherten und nur schwer diagnostizierbare Organschäden hervorriefen. Die üblichen toxikologischen Tests erkennen das Gift meist nur bei einer akuten, hohen Dosis, nicht jedoch in den Mikro-Dosen, die er für seinen Plan nutzte.Da der Pilz oft mit essbaren Arten verwechselt wird, war Markku beruhigt, dass sein Plan wenig Verdacht erregen würde. Seine gezielten Experimente mit Ratten zeigten ihm, wie unterschiedlich die Dosierung und die Zeit bis zum Tod sein konnten. Zudem half ihm die Eigenschaft des Pilzes, in Symbiose mit Laubbäumen wie Eichen und Buchen zu wachsen, da er ihn in den finnischen Wäldern sammeln und sich unauffällig mit ihm versorgen konnte. Schließlich war Markku davon überzeugt, dass die langsame, unaufspürbare Wirkung seines Toxins ihm die Möglichkeit geben würde, seinen Mordplan erfolgreich und ohne jede Spur auszuführen.

3

Nina Sundström hatte fest entschlossen, das Blatt zu wenden, nachdem sie das Notizbuch ihres Mannes Markku gefunden hatte. Er hatte es in seinem Arbeitszimmer stets eingeschlossen, doch Nina gelang es, einen Zweitschlüssel für die Schreibtischublade anfertigen zu lassen. Die Entfremdung zwischen ihnen war tief – trotz des geteilten Schlafzimmers gab es schon lange keine körperliche Nähe mehr. Das einzige, was sie als Paar noch verband, waren die gemeinsamen Abendessen, die sie fast mechanisch abhielten.Ihre Situation hatte sich drastisch verschlechtert: Das weitläufige Haus, in dem sie einst mit zwölf Angestellten gelebt hatten, war nun nur noch von einer Köchin und zwei Reinigungskräften betreut. Sogar der Gärtner kam nur einmal im Monat. Die Heizkosten waren astronomisch, und Ninas einstige Vermögensquelle, der Verlag ihrer Familie, war längst verfallen. Das Unternehmen, das einst in jeder Generation stolz Bücher und Zeitungen herausgegeben hatte, existierte nur noch als Museum – ein Relikt ihrer glorreichen Vergangenheit.Nina, die immer daran gewöhnt war, im Wohlstand zu leben und das Haus zu führen, empfand das Abrutschen in die finanzielle Unsicherheit als bittere Niederlage. Die Millionen ihres Mannes Markku und das Anwesen im Wert von 30 Millionen konnten ihre Existenz zwar absichern, doch ihre eigenen Ersparnisse schmolzen dahin. Nina Lindström hatte nie vorgehabt, zur Amateurdetektivin zu werden. Eigentlich wollte sie nur einen ruhigen Abend verbringen, vielleicht ein Glas Wein trinken und sich fragen, warum ihre Zimmerpflanzen immer nach drei Wochen den botanischen Löffel abgaben. Doch da war dieses Buch. Dieses verdammte Buch.Markku behandelte es, als sei es der verlorene Schatz der Inka. Sein Arbeitszimmer – eine Mischung aus einem viktorianischen Herrenclub und einem James-Bond-Bösewicht-Versteck – war sein Refugium. Der Schreibtisch, ein massiver Koloss aus poliertem Mahagoni, strahlte eine solche Opulenz aus, dass Nina sich jedes Mal schuldig fühlte, wenn sie ihn auch nur ansah. Der Gedanke, darauf ein Kaffeefleck zu hinterlassen, war praktisch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.Markku öffnete die Schublade mit einer bedächtigen, fast rituellen Geste, als handelte es sich um den Zugang zu einem Hochsicherheitsbunker. Der Schlüssel, ein winziges, goldenes Stück Luxus, verschwand anschließend in seiner maßgeschneiderten Anzughose. Und Nina blieb zurück – mit Fragen. Und einem zunehmend drängenden Bedürfnis nach einem Beruhigungstee oder vielleicht einem Psychiater.Aber Tee und Therapiesitzungen lösten keine Rätsel. Also tat sie, was jede vernünftige Frau in einer unvernünftigen Situation tun würde: Sie rief einen Schlosser. Der Mann, ein schweigsamer Typ, der aussah, als hätte er jahrelang für die Mafia Tresore geknackt, warf ihr einen skeptischen Blick zu. Nina schämte sich ein bisschen, aber die Neugier war stärker als die Etikette.Als sie schließlich den Schlüssel in der Hand hielt, fühlte sie sich ein wenig wie eine Antiheldin aus einem Film – eine unsichere Frau, die in einem sündhaft teuren Raum Dinge tut, die sie garantiert bereuen würde.Sie öffnete die Schublade. Nichts Ungewöhnliches. Stifte, Papierkram und ein absurd teurer Füllfederhalter, der aussah, als könnte er den Nobelpreis für Design gewinnen. Doch dann bemerkte sie den doppelten Boden. Ihr Herz raste, während sie ihn herauszog, als wäre sie dabei, die verborgenen Geheimnisse eines Milliardärs zu enthüllen. Und da war es: das Buch.Sie schlug es auf – und ihre Welt geriet ins Wanken. Es waren keine Bankgeheimnisse, keine kompromittierenden Fotos oder gestohlenen Diamanten. Nein, es war ein Tagebuch. Und nicht irgendeins. Es war Markkus Tagebuch über Nina.Voller Wut und Entschlossenheit studierte sie das Notizbuch – eine perfide Sammlung von Markkus geheimen Plänen und giftigen Experimenten.Die Wahrheit offenbarte ihr, dass Markku nichts weniger plante als ihren Tod. Die Intrige, die er über Jahre heimlich gesponnen hatte, entfachte in Nina einen Funken Rache. Sie wusste, dass sie handeln musste, und das, bevor Markkus Plan zur Ausführung kommen konnte.Nina schmiedete ihren eigenen Plan, um den perfiden Vorhaben ihres Mannes zuvorzukommen. Sie würde ihren Tod vortäuschen und ihn dann in dem Moment töten, in dem er sich völlig sicher fühlte. Das Konzept eines makellosen „Unfalls“ gefiel ihr – die Vorstellung, die Bremskabel seines geliebten Maserati Ghibli Jahrgang 1967 zu manipulieren und ihm einen tödlichen Crash zu bereiten, zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht. Eine weitere Idee war, ihn mit seinen eigenen Mitteln, einem Gift aus der Apotheke, zu töten. Oder noch direkter: ein gezielter Schuss, inszeniert wie ein Raubüberfall, der alle Beweise auf einen misslungenen Einbruch lenken würde. Der Gedanke an all diese Möglichkeiten, an die Macht, das Blatt nach so langer Zeit umzudrehen, erfüllte sie mit einer bitteren, doch befreienden Freude.Nina Sundström wuchs in einem privilegierten Umfeld auf, das ihr Zugang zu den besten Schulen und exklusivsten Kreisen bot. In Internaten und Eliteschulen, die sie besuchte, lernte sie nicht nur klassische Disziplinen, sondern auch das Reiten auf hohem Niveau. Eines ihrer Pferde war ein Finnpferd, eine der robustesten und schnellsten Rassen des Landes, die perfekt an das raue finnische Klima und die Weiten der Natur angepasst ist. Für Nina war Finnland der ideale Ort, um ihrem Pferd die Bewegung und Freiheit zu geben, die sie selbst oft suchte.Nina Lindström hatte Markku, der damals noch Marek Pinkas hieß, auf dem Internat kennengelernt. Es war eine dieser typisch jugendlichen Begegnungen – sie war die rebellische Tochter aus gutem Hause, die in ihrer Freizeit Hemingway las und überlegte, ob sie Vegetarierin werden sollte, während er der geheimnisvolle Ausländer mit dem seltsamen Akzent war, der mehr von Mathematik verstand als die Lehrer, die ihn unterrichten sollten.

Marek war anders. Gutaussehend, ja, aber auf diese seltsame, ungreifbare Weise, als wüsste er selbst nicht, dass er gut aussah – was ihn natürlich noch attraktiver machte. Und intelligent war er. Nicht nur „Ich habe die Hausaufgaben gemacht“-intelligent, sondern „Ich habe die Hausaufgaben neu erfunden und ein Buch darüber geschrieben“-intelligent. Nina war fasziniert. Vielleicht war es die jugendliche Arroganz oder einfach der Überschuss an Hormonen, aber sie verliebte sich in ihn. Hals über Kopf.

Eines Abends, während einer dieser typischen nächtlichen Gespräche, die Jugendliche führen, wenn sie glauben, dass sie die Welt ändern können – weil sie noch nicht wissen, dass die Welt resistent gegen Veränderungen ist – gestand Marek ihr, dass er zwar große Träume hatte, aber keine Chance, sie zu verwirklichen.„Ohne Geld, ohne Papiere... ich bin ein Niemand“, sagte er, während er eine Zigarette rauchte, die er sich von einem der älteren Schüler geschnorrt hatte. „Kein Stipendium. Kein Studium. Keine Zukunft.“„Aufgeben ist keine Option“, sagte Nina und fühlte sich dabei wie ein Revolutionär, der gerade beschlossen hatte, die Bastille zu stürmen.„Das ist leicht zu sagen, wenn man finnisch ist und Eltern hat, die einem die Welt auf einem Silbertablett servieren“, antwortete Marek mit einem bitteren Lächeln.Nina ließ das nicht auf sich sitzen. Sie war eine, die einfach zusah. Nein, sie handelte. Ihre Familie besaß einen Verlag – eine Firma, die, wie sich herausstellte, nicht nur Bücher, sondern auch Moral flexibel behandelte. Ihr Vater hatte im Lauf der Jahre eine Vielzahl von ausländischen Arbeitern eingestellt und, um die Bürokratie zu umgehen, für einige von ihnen gefälschte Pässe besorgt. Ein fragwürdiger Akt der Großzügigkeit, der, wie Nina fand, auch auf Marek ausgeweitet werden konnte.Es war eine Mischung aus jugendlicher Unschuld und grenzenloser Naivität, die sie dazu brachte, ihren Vater direkt zu fragen: „Kannst du mir einen Pass besorgen? Für... einen Freund?“Ihr Vater hob eine Augenbraue, als hätte sie gerade gefragt, ob sie ein Pony in ihrem Zimmer halten könnte, nickte dann aber. Und so bekam Marek einen neuen Namen – Markku Peltonen, ein finnischer Staatsbürger mit einer Vergangenheit, die so erfunden war wie ein schlechter Liebesroman.Mit dem Pass folgten das Stipendium, ein kleines, schäbiges Studentenzimmer und eine Zukunft, die plötzlich in Reichweite lag. Markku dankte ihr natürlich. Auf seine Weise. Ein kurzes „Danke“, ein schüchternes Lächeln. Aber Nina fühlte sich wie ein Held – ein jugendlicher Don Quijote, der nicht gegen Windmühlen, sondern gegen bürokratische Unmöglichkeit gekämpft hatte.Und so hatte Nina ihm buchstäblich das Leben gerettet. Obwohl sie manchmal den Verdacht hatte, dass sie eigentlich ihr eigenes Leben aufregender machen wollte.All das hätte sie aus Liebe und Großzügigkeit getan – bis sie die Enttäuschung in sich wachsen spürte. Wie oft hatte sie ihn unterstützt, ihm ein neues Leben ermöglicht und ihm sogar geholfen, seine Identität in Finnland anzunehmen? Schließlich war es ihr, die ihm das Tor zu dieser neuen Welt geöffnet hatte. Denn er war einst niemand anderes gewesen als der mittellose Migrant Marek Pinkas.

4

In dem eindrucksvollen Speisesaal des alten Herrenhauses, einem Raum voller finsterer Spannung, sitzen Nina Sundström und Markku Peltonen an den entgegengesetzten Enden eines fast drei Meter langen Esstisches, der wie ein Symbol für die Distanz zwischen ihnen wirkt. Der Raum ist prächtig und eindrucksvoll: An den Wänden hängen schwere, dunkle Gemälde von finnischen Landschaften, und die hohen Fenster sind mit schweren, grünen Samtvorhängen geschmückt, die das Gewitterdunkel draußen noch unterstreichen. Unter einem funkelnden Kronleuchter, der in den Jahren nur selten gereinigt wurde, schimmern die goldenen Ränder des antiken Geschirrs, das für die Tischgesellschaft viel zu groß erscheint.Während sie das Abendessen beginnen, beobachtet jeder den anderen mit einem kalten, misstrauischen Blick. Der Smalltalk, den sie führen, wirkt wie ein Schachspiel – höflich und doch voller versteckter Spitzen. Nina, die mit ihren zweiundviertzig Jahren immer noch den Anschein von Selbstsicherheit wahrt, spricht sarkastisch über die Finanzen, listet die verschiedenen Kosten für Strom, Gas, Wasser, Versicherungen und die Löhne der Bediensteten auf. „Ich hoffe, du übernimmst die Wasserrechnung dieses Mal, Markku,“ sagt sie mit einem Lächeln, das eine versteckte Provokation enthüllt. „Aber natürlich, meine Liebe,“ entgegnet Markku mit demselben giftigen Tonfall, „ich würde nie an etwas so Grundlegendem sparen wie an deinem Badewasser.“Irma, die siebzig-jährige Köchin, die seit der Erbauung des Hauses für die Familie arbeitet, tritt leise ein und serviert die Gänge mit einer stoischen Gelassenheit, die wohl nur die Reife ihres Alters zulässt. Früher, als sie jung und voller Träume war, hätte sie jeden Mann haben können, doch Irma interessierte sich nur für Frauen. In einem Land wie Finnland, das Pionierarbeit in Frauenrechten geleistet hatte und schon 1906 Frauen das Wahlrecht gab, hatte sie dennoch erlebt, wie schwierig es war, ihre Neigungen zu leben. Das stille Leid und die Geheimnisse, die sie trug, passen zur düsteren Atmosphäre im Raum.Der erste Gang, eine heiße Suppe mit frischen, heimischen Pilzen und geräucherter Rentierwurst, wird aufgetischt. Markku und Nina nippen daran, während sie sich erneut über Rechnungen und das Wirtschaften des Haushalts streiten. Im nächsten Augenblick serviert Irma den Hauptgang, ein traditionelles Gericht aus langsam geschmortem Rentierbraten mit Kartoffelauflauf und Preiselbeersauce, gefolgt von einem Waldbeeren-Sorbet als Zwischengang. Nina nimmt einen Bissen und murmelt, „Wenigstens eine Sache, die heute Abend gut ist.“ Markku kontert trocken: „Immerhin können wir uns noch einen Koch leisten, nicht wahr?“Der letzte Gang, ein Dessert aus finnischem Rahka-Käsekuchen mit Moltebeeren und Sahne, wird gebracht. Doch die Anspannung am Tisch ist längst unerträglich. Das Wetter draußen spiegelt die Stimmung wider, es donnert und blitzt, und jeder Blitz beleuchtet das Unbehagen in ihren Augen für einen flüchtigen Moment. Schließlich steht Nina wortlos auf und zieht sich in das Wohnzimmer zurück. Markku schaut ihr nach, bleibt kurz allein mit seinem Hass, und geht schließlich in sein Arbeitszimmer – jeder in seinen eigenen Raum voller Gedanken und Pläne.Während Irma und die junge Tanja den Tisch abräumten, nutzten sie die Gelegenheit, um leise über das angespannte Verhältnis zwischen Nina und Markku zu tratschen. „Was haben die beiden bloß?“ murmelte Tanja kopfschüttelnd. „Leben wie Könige und benehmen sich wie kleine Kinder.“ Die junge Frau, die erst neunzehn war, konnte das Verhalten des Paares nur schwer nachvollziehen, und ihre offene, unbeschwerte Art ließ sie mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg halten.Irma, die Tanja mit der Geduld und Vorsicht ihres Alters zuhörte, wurde dabei nachdenklich. „Glaub mir, mir gefällt das Ganze auch nicht. Diese Bosheiten, dieser ständige Hass... es wird schlimmer von Tag zu Tag,“ sagte Irma mit ernstem Tonfall und warf einen prüfenden Blick zurück zum Esszimmer, das von der aufgeladenen Spannung zwischen Nina und Markku nur so vibriert hatte. „Dass die beiden überhaupt noch im selben Bett schlafen, kann ich mir nicht vorstellen.“Tanja, die von Irmas ernstem Blick verunsichert war, schaute zur älteren Frau auf. „Meinst du wirklich, dass Markku ihr etwas antun könnte?“ fragte sie zögerlich und mit leicht bebender Stimme. Irma hielt kurz inne und musterte Tanja, bevor sie leise und bedenklich antwortete: „Es würde mich nicht überraschen.“ Die Worte ließen Tanja nervös schlucken, und die beiden arbeiteten schweigend weiter, jeder mit seinen eigenen Gedanken über das giftige Verhältnis des Paares und die unsichere Zukunft in diesem Haus.Als die Küche und das Esszimmer schließlich blitzblank waren, fragten Irma und Tanja höflich, ob Nina noch etwas benötige. Nina lächelte freundlich und entließ die beiden für die Nacht, wobei sie ihnen mit einem warmen „Gute Nacht“ und einem Nicken sagte, dass sie sich zurückziehen dürften. Beide Frauen hatten jeweils ein kleines, schlichtes Zimmer im Untergeschoss des weitläufigen Hauses, und in jedem dieser Zimmer hing eine kleine Glocke an der Wand – eine diskrete Einrichtung, die jedoch jederzeit über eine Fernbedienung ausgelöst werden konnte, die sowohl Nina als auch Markku bei sich trugen.„Gute Nacht, Frau Sundström,“ wünschten Irma und Tanja höflich, bevor sie leise aus dem Raum verschwanden und sich in den Flur des Untergeschosses zurückzogen. Für Nina war das Gefühl der Macht über andere Menschen ein intensives Vergnügen, beinahe wie ein Spiel mit Puppen. In ihren Augen waren Irma und Tanja weit mehr als nur Haushaltspersonal; sie waren Figuren, die in einem viel größeren Plan eine Rolle spielten, deren Ausmaß nur Nina allein kannte.Dennoch wusste sie, dass sie diese beiden auf ihrer Seite haben musste. Das Personal konnte wertvolle Verbündete sein – und im Fall der Fälle auch unverzichtbare Zeugen. Nina sah in ihnen nützliche Ressourcen, die sie nach Bedarf einsetzen konnte. Sie musste vorsichtig sein, ihre Loyalität zu gewinnen, ohne jedoch ihre eigene Überlegenheit preiszugeben.Nina machte sich bettfertig, als die Uhr spät schlug. Die Schatten der Nacht schienen das große Schlafzimmer zu umarmen, und sie wollte morgen frisch und fit sein. Es war wichtig, dass sie sich auf den nächsten Tag konzentrierte, denn sie hatte vor, das Notizbuch ihres Mannes zu studieren und danach zu ihrem Vertrauensarzt in die Stadt zu gehen. Eine Idee hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt, und sie brannte darauf, sie umzusetzen.Als Nina schließlich in den Schlaf fiel, kam Markku leise ins Schlafzimmer. Das Bett war so groß, dass es leicht Platz für vier Personen bot, und so konnten sie beide nebeneinander schlafen, ohne den anderen zu stören. Die Stille des Raumes war nahezu greifbar, während jeder von ihnen in seine eigenen Gedanken vertieft war – Nina in ihren teuflischen Plänen und Markku in seinen geheimen Vorhaben. Die Dunkelheit umhüllte sie, während das leise Atmen des jeweils anderen den Raum füllte. Es war ein ruhiger Moment, der jedoch von einer unerträglichen Spannung durchzogen war. Als Markku einschlief träumte er von seiner Kindheit…

5

Marek Pinkas wuchs in dem kleinen, ärmlichen Ort Beroun, etwas außerhalb von Prag, auf. Schon früh musste er lernen, mit Verlust und harter Realität umzugehen. Sein Vater, ein Mann, der oft dem Alkohol verfallen war und die Familie kaum versorgen konnte, starb früh und ließ Marek und seine Mutter Maria in Armut zurück. Für die Familie bedeutete das ein Leben am Rand der Gesellschaft – in einer baufälligen Behausung, die kaum Schutz vor Kälte bot und von Ratten heimgesucht wurde, die sich dort ebenso heimisch fühlten wie die Menschen.Maria, seine Mutter, war eine hart arbeitende Frau, die alles daransetzte, ihren Sohn durchzubringen. Tagsüber schuftete sie in der Küche einer nahegelegenen Kantine, um zumindest ein kleines Einkommen zu sichern. Nachts arbeitete sie in einer Textilfabrik, in der die Luft von giftigen Chemikalien geschwängert war. Diese Dämpfe, die sie täglich einatmete, schwächten sie mit jedem Tag mehr. Die lange Arbeitszeit, das stetige Einatmen der chemischen Dämpfe und die permanente Unterernährung brachten sie schließlich an ihre körperlichen Grenzen. Nur eine Woche vor ihrem Tod spürte sie bereits, dass ihre Kräfte nicht mehr ausreichen würden.Trotz all der Entbehrungen gab Maria nicht auf. Kurz bevor sie starb, setzte sie ihre letzte Hoffnung auf Mareks Zukunft. Sie hatte noch eine Schwester, Svetlana, die in Helsinki lebte, und mit ihrem letzten Ersparten beschaffte sie Marek ein Busticket nach Tallinn und eine Fähre von dort nach Helsinki. Sie drückte ihm das Ticket in die Hand und schob ihm den tschechischen Pass hinüber. Mit Tränen in den Augen und dem Wissen, dass sie ihn möglicherweise nie wiedersehen würde, sagte sie zu ihm: „Marek, du musst morgen los. Du hast eine Chance, die ich nie hatte.“