Die sieben Sicherheiten, die Kinder brauchen - Ludwig Koneberg - E-Book

Die sieben Sicherheiten, die Kinder brauchen E-Book

Ludwig Koneberg

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  • Herausgeber: Kösel
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Ein neuer Weg bei Lernproblemen

Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten sind kindliche Botschaften, aus der die herkömmliche Pädagogik meist falsche Schlussfolgerungen zieht und denen sie deshalb hilflos gegenübersteht.

Dürfen sich Kinder den naturgegebenen Evolutionsstufen gemäß entwickeln, entfalten sie wie von selbst die sieben Grundsicherheiten: Urvertrauen, Sicherheit auf der Erlebnis-, Körper- und Gefühlsebene, in Gruppen, in der Sprache und in der Kooperation mit anderen. Zeigen sie in einem dieser Bereiche Auffälligkeiten, hilft die Evolutionspädagogik, die dahinter liegende Botschaft zu entschlüsseln. Symptome wie Hyperaktivität, Legasthenie oder Aggressivität werden zu ganz konkreten Hinweisen: So lassen sich Entwicklungsblockaden erkennen und lösen.

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Seitenzahl: 118

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Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG - Pädagogik – eine Erfahrungswissenschaft
Was ist Evolutionspädagogik?Die sieben Stufen der evolutionären EntwicklungVom Urvertrauen zum Selbstvertrauen: die Beschreibung der StufenNeurobiologie: Was im Gehirn geschieht, wenn wir lernenDie sieben Sicherheiten auf einen Blick
KAPITEL 1 - DIE URSICHERHEIT
Urvertrauen und GeburtDie Bandbreite der UrsicherheitDas Training: Übungen zur Stabilisierung der UrsicherheitAuswirkungen einer Kaiserschnittgeburt: »Ihr habt mich geholt – also macht mal!«
KAPITEL 2 - DIE ERLEBNISSICHERHEIT
Die Entfaltung der Sinne: Entstehung der ErlebnissicherheitDie Bandbreite der Erlebnissicherheit
Wie kann die Erlebnissicherheit eines Kindes stabilisiert werden?
Das Training: Übungen zur Stabilisierung der Erlebnissicherheit
KAPITEL 3 - DIE KÖRPERSICHERHEIT
Die Bandbreite der KörpersicherheitDas Training: Übungen zur Stabilisierung der KörpersicherheitHyperaktivität: Das Reptiliengehirn spielt verrücktDie zwei Gesichter der Aggression
KAPITEL 4 - DIE GEFÜHLSSICHERHEIT
Die Bandbreite der GefühlssicherheitDas Training: Übungen zur Stabilisierung der GefühlssicherheitGehirnstruktur und Händigkeit
Schreibhand und Sprachgehirn
Legasthenie – Der »Bildschirm« im Gehirn ist abgeschaltetDyskalkulie: »Ich weiß nicht, wo links und rechts ist«
KAPITEL 5 - DIE GRUPPENSICHERHEIT
Die Bandbreite der GruppensicherheitDas Training: Übungen zur Stabilisierung der GruppensicherheitSchulreife aus der Sicht der Praktischen Pädagogik
Voraussetzungen für optimales Lernen
Pubertät: Der Affe ist los!
KAPITEL 6 - DIE SPRACHSICHERHEIT
Die Bandbreite der SprachsicherheitVom Punker zum Diskutant – oder zum Künstler? - Von der Erlebnissicherheit zur SprachsicherheitDas Training: Übungen zur Stabilisierung der SprachsicherheitWir alle brauchen Initiation
Was bedeutet Initiation?
Die zwei Denkstile – männliche und weibliche Kommunikation
Weiblicher und männlicher Spielstil
KAPITEL 7 - DIE KOOPERATIONS- UND KOMMUNIKATIONSSICHERHEIT
Empathie und SystematisierungBandbreite der Kooperations- und KommunikationssicherheitDas TrainingAutismus – eine Extremform von SystematisierungDie sieben Wahrnehmungsebenen
Das Kaleidoskop der Evolutionspädagogik: Kindliches Verhalten neu betrachtenDie Vorgehensweise, um Blockaden zu erkennen
SCHLUSSWORT - DAS ERFAHRUNGSLERNEN
Verborgene Talente zur Entfaltung bringenDie Sprache der Kinder verstehen
Hinter dem Horizont geht es weiter ...
Die Verhaltensbandbreiten der Stufen auf einen BlickDas Training der Sicherheiten auf einen Blick
AnmerkungenLiteraturverzeichnisCopyright

EINLEITUNG

Pädagogik – eine Erfahrungswissenschaft

Das Ergebnis der Pisa-Studie hat in Deutschland blankes Entsetzen hervorgerufen. Kann es sein, dass deutsche Schüler so schlecht abschneiden? Ja, es kann sein, doch es darf nicht sein. Politiker, Pädagogen, Therapeuten wurden sofort beauftragt, diesen Missstand zu beheben – in dieses pädagogische Reformprojekt wurde viel Energie investiert, aber dann zeigte sich: »Auf keinem anderen Wissensgebiet ist in den vergangenen Jahrzehnten weniger geforscht worden« als auf dem der Pädagogik, so Andreas Schleicher, der Pisa-Beauftragte. Höchste Zeit, dass etwas in Gang gebracht wird!

Man sah sich wieder vor die Frage gestellt: Was ist die Aufgabe der Pädagogik? Was vermag sie zu bewirken? Was zu verändern? – Fragen, die sich nicht ausschließlich an Pädagogikprofessoren richten, denn wie der Neurologe Gerhard Roth zu Recht meint: »Vieles, was Pädagogikprofessoren behaupten, hat weder mit Wissenschaft noch mit Schulpraxis zu tun.« Es sind Fragen, die uns alle betreffen und auf die wir alle herausgefordert sind, eine Antwort zu finden.

Dass die äußeren Reformen der Pisa-Sonderbeauftragten wie z.B. mehr Gelder, mehr Lehrer, bessere und teurere Bücher nichts zum Besseren wendeten, zeigten die Studien der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit) – die Qualität der Bildung änderte sich nicht. Und noch immer ist der Status quo der, dass unser Bildungssystem Jahr für Jahr 250.000 »Sitzenbleiber« produziert, und Kindern und Jugendlichen wird vermittelt: »Du bist nicht ok!« oder: »Für dich und deine Talente ist in der Gesellschaft keine Verwendung da!« Man braucht sich also nicht zu wundern, dass 10 bis 15 Prozent der Schüler innerlich schon »kündigen«. In manchen Anfangsschulklassen können bis zu 40 Prozent der Kinder dem Unterrichtsangebot nicht folgen. Die Schule wird auf diese Weise für sie zu einer Zwangsveranstaltung. – Wie können die Schüler, die sich in einer solch negativen Stimmungslage befinden, überhaupt noch motiviert werden?

»Nicht das, was gesagt wird, ist wichtig, sondern das, was ankommt« – diesen alten Grundsatz der Pädagogik müssten wir uns wieder vor Augen halten und uns die ureigene elementare Aufgabe der Pädagogik vergegenwärtigen. Die Pädagogik ist dazu da, Menschen zu bilden und zu fördern. Was wir also brauchen sind nicht nur äußere Maßnahmen wie z.B. mehr Gelder oder mehr Lehrer, sondern eine Änderung unserer Sichtweise. Wir brauchen eine innere Reform: Statt dauernd von außen zu bewerten und zu beurteilen, müssen wir wieder lernen zu beobachten – auf diese Weise können wir die Qualität von Erziehung und Lernen nachhaltig verändern. Doch in einem Bildungssystem, das auf einem eher demotivierenden Prinzip beruht, wo demnach mehr auf Benotung und Bewertung als auf Lob und Erfolg gesetzt wird, stellt sich dieser Wandel der Einstellung als Kraftakt dar. Er ist keine bequeme Lösung, weil nicht nur der einen Seite, den Schülern, der schwarze Peter zugeschoben werden kann, sondern auch die Pädagogen zur Verantwortung gezogen werden müssen: auf dass sie Schüler nicht mehr zur Mittelmäßigkeit erziehen, sondern sie fördern und gut auf den Weg ins Leben bringen.

Selbstverständlich ist es bequemer, den über 10 Millionen Kindern weltweit, bei denen das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) – so der Fachbegriff für den legendären »Zappelphilipp« – diagnostiziert wurde, Medikamente zu verabreichen: äußere Mittel, um Kinder ruhig und konzentriert zu »machen«. Dabei wird jedoch den Langzeitschäden, die dadurch verursacht werden können, nicht Rechnung getragen. Die Erwachsenen können sich zwar ruhigen Gewissens zurücklehnen – sie haben in dieser »Sache« etwas unternommen, man kann ihnen nichts mehr vorwerfen –, doch bleibt die tatsächliche Ursache unaufgedeckt und unbearbeitet.

Gegen kindliche Verhaltensauffälligkeiten, Lernschwierigkeiten und Schulprobleme helfen keine Pillen. Sie sind Botschaften an uns. Kinder teilen uns etwas mit und es liegt an uns, ihre Sprache verstehen zu lernen. Statt kindliches Verhalten zu bewerten und abzuwerten, gilt es, zu beobachten und anzuleiten. Und das ist mit Hilfe des neuen Weges, den wir in diesem Buch vorstellen, möglich. Wir nennen ihn Evolutionspädagogik.

Pädagogik ist für uns eine Erfahrungswissenschaft und beruht nicht auf irgendwelchen ungeprüften und vagen psychologischen Erklärungsmodellen, sondern auf den neuesten Erkenntnissen der Neurologie, der Gehirnforschung und Evolutionstheorie, aus denen sie ihre Schlüsse zieht.

Die sieben Sicherheiten, die Kinder brauchen bietet Eltern und Pädagogen die Möglichkeit, das Verhalten und die »Sprache« von Kindern grundsätzlicher und tiefer zu begreifen.

Dadurch wird es möglich zu entdecken:

wie Kinder wahrnehmen,wie Kinder Informationen verarbeiten,warum sie spezielle Schlüsse ziehen,wie wir sie ansprechen und erreichen können, welche Informationen sie uns durch ihr Verhalten übermitteln wollen,wie Kinder lernen,was hinter »Verhaltensauffälligkeiten« tatsächlich steckt und wie man helfen kann, sie zu beheben,wie wir Neugierde, Interesse, Lernfreude und Lernkompetenz bei Kindern wecken können,wie Talente erkannt und gefördert werden.

Was ist Evolutionspädagogik?

Seit einigen Jahren wird die Evolutionspädagogik1 in der Praktischen Pädagogik erprobt und erfolgreich angewandt. In der Praktischen Pädagogik fragen und schauen wir, wie Kinder die Welt wahrnehmen. Lernen wird vor allem als Erfahrungslernen verstanden: Die Welt erschließt sich durch Bewegung und konkretes körperliches Tun. Die langjährige Erfahrung aus der Einzelberatungspraxis mit Kindern und Jugendlichen, die häufig von herkömmlichen Maßnahmen, Therapien und Institutionen bereits aufgegeben wurden, waren der Motor für die Entwicklung der Evolutionspädagogik. Ihre Erfolge verdankt sie vor allem der Gehirnforschung, die in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat und über die Funktionsweise unseres Gehirns präzise Auskünfte geben kann. Diese neuesten Erkenntnisse verbindet die Evolutionspädagogik mit der allbekannten, von Charles Darwin (1809–1882) wissenschaftlich fundierten Evolutionstheorie. In unserem Evolutionsmodell wenden wir das an, was in der Natur schon seit ewigen Zeiten existiert. Doch wird unter Evolution nicht lediglich die stammesgeschichtliche Entwicklung der Lebewesen verstanden. In der Evolutionspädagogik wird diese biologische Perspektive um eine kulturelle erweitert, indem auf folgende Frage geantwortet wird: Was bedeutet Evolution für die Entwicklung des einzelnen Menschen und seines Gehirns?

Es wird davon ausgegangen, dass jeder einzelne Mensch vom Augenblick seiner Zeugung über die Zeit von Schwangerschaft und Geburt bis hin zum dritten, vierten Lebensjahr organisch und motorisch die einzelnen Entwicklungsstufen der Evolution durchläuft. Gemeint sind die Bewegungs- und Reaktionsmuster, die Art der Wahrnehmung und der Verhaltensweisen von der Entwicklungsstufe des Fisches, der Amphibie, des Reptils, des Säugetiers bis hin zum Affen, Urmenschen und dem heutigen Menschen. Diese sieben Entwicklungsstufen werden in der Evolutionspädagogik modellhaft übernommen, um so ihre Bedeutung herausstellen zu können. Diese sieben Stufen greifen ineinander über und stehen miteinander in Wechselwirkung. Jede Entwicklungsstufe entspricht einer bestimmten Erlebniswelt und erfordert bestimmte Fähigkeiten.

Dieses Evolutionsstufenmodell, das uns die Geschichte der Menschheit nahe legt, stellt uns eine geniale Methode zur Verfügung, um auf Probleme direkt einzuwirken, Verhaltensmuster und Defizite aufzudecken sowie Talente und Fähigkeiten zu erkennen und zu fördern.

Im Mittelpunkt steht die Frage: Aus welcher Gehirnentwicklungsstufe heraus (mit welchen Wahrnehmungen und Fähigkeiten) agiert und reagiert der Mensch gerade? Was kann diese Entwicklungsstufe leisten, was kann sie nicht?

Es ist unsinnig von einem »Fisch« eine sprachliche Antwort zu erwarten. Die Entwicklungsstufe des Fisches hat ihre Fähigkeiten auf anderen Gebieten – der Fisch hat z.B. Vertrauen in die Welt und er muss nichts tun, um zu beweisen, dass er existiert. Doch oft steht in den Schulheften oder Zeugnissen eines Schülers: »Max beteiligt sich nicht am Unterricht« – er ist also stumm wie ein Fisch, und es wird nicht berücksichtigt, was Max auf der Entwicklungsstufe des Fisches tatsächlich kann: nämlich einfach da zu sein.

Jede Stufe hat ihre eigene »Sprache«, ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Eine intellektuelle Herangehensweise ist das typische Merkmal der siebten, letzten Stufe. Daher unser Appell: Betrachten Sie andere Menschen, egal ob Kinder oder Erwachsene, nicht ausschließlich aus einer analytischen, erwachsenen Ebene. Wenn Sie die speziellen Sicht- und Verhaltensweisen der einzelnen Stufen beachten (und wir werden im Folgenden ausführlich auf die Stufen und ihre Merkmale eingehen), werden Sie Ihr Gegenüber auf eine ganz neue Weise verstehen lernen.

Durch diese neue Sichtweise, indem Ausdruck, Verhalten und Defizite von Kindern und Erwachsenen beobachtet werden, erschließt man sich die Möglichkeit, sie wirklich zu verstehen. Gezielte Förderung ist nur über dieses Verstehen möglich.

In der Evolutionspädagogik fragen wir:

Auf welcher Evolutionsstufe befindet sich das Kind im Augenblick, bei speziellen Aktivitäten, in bestimmten Situationen?Was sind die Folgen dieser Stufe?Wie müssen wir uns verständigen?Was können wir erwarten?Was müssen wir fördern und trainieren?Welche Bewegungsabläufe oder Aktionen fördern diese Fähigkeiten?

Die sieben Stufen der evolutionären Entwicklung

Die Neurologie hat nachgewiesen, dass Intelligenz und Lernen immer mit der Bewegungsfähigkeit des Menschen zusammenhängen. Durch Bewegung bildet sich das gesamte Netzwerk im Gehirn. Intelligenz ist somit ein Zusammenspiel von Bewegung und Erfahrung. Deshalb ist es ganz logisch, dass die unterschiedlichen Bewegungsabläufe, die das Kind entwickelt, Folgen der Evolutionsstruktur unseres Gehirns sind.

Kindliche Bewegungsmuster entsprechen den Stufen der Gehirnentwicklung.

In der Entwicklung vom Zeitpunkt der Zeugung bis zum dritten, vierten Lebensjahr werden die Evolutionsstufen über die Bewegung und die fortschreitende Entwicklung des Gehirns vollzogen. Das heißt: Die Entwicklung vom Embryo zum Baby bis hin zum Kleinkind entspricht in ihren typischen Bewegungs- und Verhaltensmustern (Rollen, Robben, Krabbeln, Vierfüßlergang bis hin zum vollständigen Aufrichten und der Sprachentwicklung) den aufeinander aufbauenden sieben Entwicklungsstufen in der Evolution.

Lernen ist also ein langsames Sichaufrichten – es wird durch Bewegung und Erfahrung angetrieben. Modellhaft verwenden wir in der Evolutionspädagogik sieben Bewegungsmuster, die jeder Mensch in seiner Entwicklung durchläuft.

Sie entsprechen der evolutionären Entwicklung von Fisch über Amphibie, Reptil, Säugetier, Affe, Urmensch bis hin zum heutigen Menschen. Zu jeder dieser Gehirnentwicklungsstufen gehört das entsprechende Bewegungs-, Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster.

Wenn der sich entwickelnde Mensch nicht jeden dieser evolutionären Bewegungsvorgänge durchlebt und aus welchen Gründen auch immer nicht die Möglichkeit hat, diese Bewegungsmuster ausreichend auszuprobieren und zu integrieren, hat das weitreichende Konsequenzen für seine intellektuelle, emotionale und soziale Entwicklung. Defizite in der Koordination, im Verhalten und im Denken sind die Folge.

Wird eine Stufe nicht genügend erfahren und durchlebt, wirkt sich das auf die anderen Stufen des Gehirns aus. Denn ist eine untere Stufe nicht ganz integriert, können sich auch die folgenden Stufen nur schwer ausbilden oder bleiben lückenhaft. Es ist wie mit den Stockwerken eines Hauses: Ein instabiler Keller trägt nur eine leichte Konstruktion in den oberen Stockwerken. Ein Kind kann z.B. durchaus das Krabbeln erlernen (Stufe des Säugetiers), obwohl die darunter liegende Stufe des Reptils nicht ausreichend integriert ist. Krabbeln bedeutet, dass Gefühle Auslöser für Bewegung sind: Das Kind hat den Wunsch, auf ein Ziel hinzukrabbeln. Die nicht zur Verfügung stehende Reptilienfähigkeit bedeutet aber, dass das Reaktionsverhalten beeinträchtigt ist. Auf der Stufe des Reptils besteht die Aufgabe für das Kind darin zu lernen: »Wann muss ich abwarten, wann muss ich loslegen?«

Wichtig jedoch, und das ist die gute Nachricht: Die Bewegungsmuster und emotionalen Kompetenzen, die zu den Gehirnentwicklungsstufen gehören, können mit einfachen Übungen zu einem späteren Zeitpunkt trainiert und integriert werden. Dadurch festigen sich die Stufen. Lernschwierigkeiten und Defizite können sich auflösen, Talente können sich zeigen, es entsteht ein Gleichgewicht.

Verhaltensblockaden und Defizite können aufgelöst und die fehlenden Lernerfahrungen nachgeholt werden.

Die Ausreifung jeder einzelnen Evolutionsstufe ist die Voraussetzung für eine optimale Entwicklung des Gehirns und der Motorik. Als Mensch zu reifen heißt Fähigkeiten zu entwickeln, um geistigen, emotionalen, motorischen Anforderungen gewachsen zu sein und ihnen positiv zu begegnen. In der Evolutionspädagogik werden durch die verschiedenen Übungen, Erkenntnisse und Herangehensweisen Bedingungen geschaffen, die es ermöglichen, diese unterschiedlichen Fähigkeiten gleichzeitig und gleichmäßig nutzbar zu machen.

Vom Urvertrauen zum Selbstvertrauen: die Beschreibung der Stufen

Mit Hilfe des Evolutionsmodells kann sichtbar gemacht werden, wie menschliche Erfahrungen und Verhaltensweisen zu verstehen und worauf sie zurückführbar sind.

Beobachten wir Kinder vor dem Hintergrund der sieben Stufen, dann können wir erkennen:

ob das Verhalten, das von einem erwachsenen Standpunkt aus vielleicht auffällig oder störend erscheint, in Wirklichkeit einen ganz natürlichen, angemessenen und wünschenswerten Schritt auf der Entwicklungsleiter bedeutet,oder ob das Kind auf einer Stufe blockiert ist und ihm deshalb kein anderes Verhaltensmuster zur Verfügung steht.

Die Evolutionsübungen, auch Evo-Übungen genannt, können dann helfen, diese Blockade zu lösen. Dazu später mehr. Wir wollen nun erst einmal die sieben Stufen einzeln vorstellen.

Die Stufe des Fisches: die Ursicherheit

Von Wellen getragen werden

Erfahrungen im Mutterleib schaffen Prädispositionen (Vorbestimmungen), aber sie legen das Leben nicht fest. Auch die ersten Lebensmonate und das ganze erste Jahr eines Kindes sind von grundlegender Bedeutung. Keine Erfahrung wird vergessen – was aus vorgeburtlichen Zeiten und den frühkindlichen Entwicklungsphasen nicht bewusst erinnert werden kann, daran erinnert sich der Körper. Die Erfahrung dieser Stufe ist, von den Wellen getragen zu werden.

Bei der Geburt ist das Gehirnstadium des Fisches dominant und erklärt die frühen Rollbewegungen des Säuglings. Diese Bewegungen aktivieren das Wachstum jenes Gehirnzentrums, aus dem dann der amphibische und reptilienhafte Teil der Entwicklung hervorgeht.

Die Stufe der Amphibie: die Erlebnissicherheit

Neugier und Entdeckungsfreude