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Ein packendes Fantasy-Abenteuer – mit einer spannenden Geschichte über Liebe, Verlust, Verrat und Freundschaft, die sich immer weiter zuspitzt, dabei aber nie die humorvolle Art der Wichtel außer Acht lässt – für alle Wichtel-Liebhaber und die, die es noch werden wollen! Tauche ein in eine mystische Welt – Eldergrove, die größte und prächtigste Stadt der Wichtel, tief im Herzen des mystischen Waldes von Alruun, einem längst vergessenen Reich, war einst ein Ort des Friedens und der Freude. Doch als Santa Claus, der bisherige Beschützer und Freund, eine seltsame Veränderung durchmacht, beginnt sich ein dunkler Schatten über die Stadt zu legen. Immer mehr Wichtel verschwinden spurlos, und das Vertrauen in den Weihnachtsmann beginnt zu bröckeln. Elwin Lichtwald, ein neugieriger und mutiger Wichtel, ahnt, dass etwas Böses im Verborgenen lauert. Gemeinsam mit seinen Gefährten begibt er sich auf eine gefährliche Mission, um das Geheimnis zu lüften und die Welt der Wichtel von der drohenden Gefahr zu befreien. Doch die Dunkelheit, die Eldergrove bedroht, ist tiefer und älter, als das flüstern des Waldes selbst. Eine uralte Macht, lange vergessen, hat sich erhoben, um die Welt aller Lebewesen zu unterwerfen. Können Elwin und seine Gefährten die finstere Verschwörung aufdecken und Ihr Volk retten, bevor es für immer zu spät ist? Ein fesselndes Abenteuer voller Magie, Mut, Spannung, Humor und mysteriöser Geheimnisse – tauchen Sie ein in die Legende der Welt der Wichtel, die weit mehr sind als bloße Helfer des Weihnachtsmannes und erleben Sie zusätzlich eine aufregende Neuinterpretation des bekannten Weihnachtsmythos.
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Inhaltsverzeichnis
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EPILOG
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Impressum
IMPRESSUM
Copyright © 2024 OneWichtelADay
Instagram: @onewichteladay
Autor: Jan Nowatschek
Baumgartenweg 36, 91560 Heilsbronn
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 978-3-75925-207-4
Es begann mit einem Scherz und endete
mit einer wundervollen Erfahrung.
Für alle Wichtel-Liebhaber und die,
die es noch werden wollen.
Einzig Legenden besagen, wenn man diesen Glauben schenken mag, dass tief entlegen in einer uralten Welt, umgeben von den Nebeln der Zeit und den Geschichten, die nur das Flüstern des Windes zu erzählen weiß, ein wundervoller mystischer Wald verborgen liegt, in dem die Natur und das Übernatürliche in einer seltenen und vollkommenen Harmonie immer noch existieren. Dieser Wald trägt den Namen – Alruun.
Ein gewaltiges Reich der Natur, das sich weit über das hinaus erstreckt, was das Auge zu fassen vermag. Ein Ort, der atmet, lebt und seine Geheimnisse nur denjenigen offenbart, die den Mut haben, seine Pfade zu durchschreiten. Die Äste der uralten Bäume ranken sich hoch in den Himmel, während das dichte Unterholz wie ein grüner Teppich den Boden bedeckt.
Im Norden erhebt sich die mächtige Frostgrimm-Gebirgskette, deren schneebedeckte Gipfel wie uralte Wächter über den Wald hinausragen. Diese Region ist von kalten Winden und rauem Klima geprägt, und nur die widerstandsfähigsten Kreaturen und Pflanzen gedeihen hier. Der Boden ist oft gefroren, und die Bäume, die in diesem Teil des Waldes wachsen, sind knorrig und alt, mit Ästen, die sich wie knochige Finger in den Himmel strecken. In den Schluchten und Höhlen der Frostgrimm-Gebirgskette sollen alte Geister hausen, und es wird gemunkelt, dass tief in den Bergen ein heiliger Ort liegt, der als Eisheiligtum von Alruun bekannt ist, wo das pure Herz des Waldes schlägt.
Der Osten des Waldes wird von dichten, undurchdringlichen Wäldern dominiert, die als Dämmerwald bekannt sind. Hier liegt ein ewiges Zwielicht über allem, denn die verwobenen Baumkronen lassen nur flüchtige, schattenhafte Strahlen des Lichts hindurch. Die Luft ist feucht und kühl, mit einem immerwährenden Nebel, der den Wald in ein geheimnisvolles Dunstkleid hüllt. Hier wachsen die uralten Mondkräuter, die im Mondlicht blühen und leuchten, sowie die mystischen Schattenblumen, die nur bei Neumond zu finden sind. In der Mitte des Dämmerwaldes liegt der Silbersee, ein stiller, klarer See, dessen Wasser angeblich heilende Kräfte besitzt. Der Osten ist durchdrungen von uralter Magie, und die Kreaturen, die hier leben, sind nicht nur scheu und klug – sie tragen Kräfte in sich, die weit über das hinausgehen, was der Verstand je begreifen könnte.
Der Westen des Waldes ist offener und freundlicher, besser bekannt als der Grüne Gürtel. Hier erstrecken sich weite Wiesen und üppige Felder, durchzogen von sanften Hügeln und klaren Bächen. Dies ist die dichteste bewohnte Region des Waldes, wo sich viele kleine Dörfer und Siedlungen der Wichtel befinden, die im Einklang mit der Natur leben. Das Land ist fruchtbar und reich an Ressourcen, mit ausgedehnten Obstgärten und Feldern, auf denen die Wichtel ihre Nahrung anbauen. Der Goldene Pfad, ein uralter Handelsweg, schlängelt sich durch den Grünen Gürtel und verbindet die verschiedenen Dörfer bis zur Hauptstadt miteinander. Hier liegt auch die berühmte Eiche von Eilind, ein uralter Baum, der als heiliger Ort gilt und unter dessen Zweigen viele wichtige Entscheidungen getroffen werden.
Der Süden ist wild und ungezähmt, eine Region, die als Flammenwald bekannt ist. Dieser Teil des Waldes liegt nahe am Meer, und das Klima ist heiß und trocken. Hier wachsen hitzeresistente Pflanzen und Bäume, die dem rauen Wetter trotzen. Die Bäume im Flammenwald sind hoch und dicht, ihre Rinde ist oft schwarz wie Kohle, und sie sind bekannt dafür, dass sie selbst die heftigsten Brände überstehen. Die Gegend ist rau und gefährlich, und es wird gesagt, dass tief im Flammenwald ein alter Vulkan schlummert, der als Feuerherz bekannt ist. Der Vulkan ist seit Jahrhunderten inaktiv, doch seine Anwesenheit ist im Flammenwald allgegenwärtig.
Neben diesen Regionen gibt es im Wald von Alruun viele weitere mystische und geheimnisvolle Orte. Der Nebelfluss windet sich durch den gesamten Wald und verändert seine Gestalt je nach Region, vom rauschenden Gebirgsbach im Norden bis zum trägen, nebligen Strom im Osten. Die Verlorenen Lichtungen sind Orte, an denen die Zeit anders verläuft und wo Reisende sich leicht verirren können. Der Hain der Ewigen Flamme im Flammenwald ist ein geheimnisvoller Ort, indem ein unsterbliches Feuer brennt, und der Steinkreis von Alruun im Westen ist ein alter Kultplatz, um den sich viele Legenden ranken.
In diesem magischen Reich leben geheimnisvolle kleine Wesen, die wir das Volk der Wichtel nennen, seit Jahrtausenden. Wichtel sind weit mehr als nur die allseits bekannten Weihnachtswichtel, mit denen sie heutzutage fast ausschließlich assoziiert werden – eine Tatsache, die sie insgeheim ein wenig kränkt, auch wenn sie das natürlich niemals offen zugeben würden. In Wahrheit sind Sie ein mystisches, uraltes Volk mit einer reichen Kultur voller einzigartiger Bräuche und Rituale.
Ihre tiefe Verbundenheit zur Natur und ihre Liebe zur Erde prägen ihr ganzes Leben auf eine wundervolle Weise. Abseits des Weihnachtsklischees, sind sie Hüter der Wälder, Wissensbewahrer und Meister der Handwerkskunst. Jeder, der das Glück hat, ihre wahre Natur zu erleben, wäre überrascht und fasziniert von der Vielseitigkeit und Tiefe, die in ihrem Dasein verborgen liegt. Sie sind die Hüter des alten Wissens und Meister der Naturmagie.
Mit einer zierlichen Gestalt, meist nicht größer als ein menschliches Kind, funkeln ihre Augen in einer Vielzahl von Farben, die die Tiefe ihrer uralten Weisheit widerspiegeln. Ihre Haut schimmert leicht im Mondlicht, als seien sie selbst Teil des Waldes, in dem sie leben. Ihre Kleidung ist eng mit ihrer naturverbundenen Lebensweise verwoben.
Sie tragen überwiegend einfache Gewänder aus weichem Moos, Blättern und Baumwollstoffen, die das vielfältige Farbenspiel der Natur wiedergeben. Diese Kleidung ist überaus praktisch und ermöglicht es Ihnen, sich harmonisch in die Umgebung der Wälder einzufügen. Zu besonderen Anlässen schmücken Sie sich mit Blumen- und Efeugirlanden sowie feinen Seidengewändern, die aus Spinnenseide gefertigt werden und im Licht schimmern.
Die Zipfelmütze ist das unverkennbare Markenzeichen eines jeden Wichtels und kommt in unzähligen Variationen – von leuchtenden Farben bis hin zu aufwendigen Verzierungen mit Glöckchen oder Perlen daher. Sie sind nicht nur ein modisches Beiwerk, sondern auch ein Symbol ihrer Identität – eine Verbindung, die tiefer geht als der älteste Baum im Wald.
Es heißt, ein Wichtel würde eher seinen Bart abrasieren, als seine Zipfelmütze abzulegen, und das gilt besonders beim Schlafen. Selbst in den tiefsten Träumen bleibt die Zipfelmütze fest auf dem Kopf. Denn was wäre, wenn sie im Schlaf einen kühnen Gedanken hätten und spontan aus dem Bett hüpfen müssten? Ohne ihre Mütze wären sie doch völlig hilflos! So fest verwachsen scheint die Mütze mit ihren Köpfen, dass man sich manchmal fragt, ob sie vielleicht einfach mit einer Zipfelmütze geboren werden – so wie sie schlafen, würde es jedenfalls niemanden wundern.
Darüber hinaus sind Wichtel natürlich auch Meister der Tarnung. Sie können sich so gut verbergen, dass selbst die aufmerksamsten Augen sie nicht entdecken können und flüstern durch die Blätter, während sie ihre magischen Fähigkeiten nutzen, um die Natur im Gleichgewicht zu halten und die Geheimnisse der alten Welt zu bewahren. Obwohl die Menschen selten einen Wichtel zu Gesicht bekommen, spüren sie oft deren Präsenz – sei es durch das plötzliche Verschwinden eines Gegenstands oder den sanften Duft von Blüten, der in der Luft schwebt, ohne jedoch irgendetwas davon zu bemerken.
So klein und unscheinbar sie auch sind, sind sie die unsichtbaren Wächter der Welt, und ihre Existenz ist seit jeher ein Mysterium, das nur die wenigsten Auserwählten wirklich begreifen können. Sie leben zwischen den Welten, in den Schatten und im Licht, und ihr Einfluss ist in jedem Flüstern des Windes und jedem Rauschen der Blätter spürbar.
Und hier beginnt unser Abenteuer. Im sanften Licht der Morgendämmerung, als die Welt gerade zu ihrem täglichen Leben erwachte, durchbrach ein unerwartetes Geräusch die Stille des Waldes. Ein Reh und sein Kitz, die am Rand einer kleinen Lichtung grasten, hoben schlagartig die Köpfe. Ihre Ohren zuckten und richteten sich auf die Quelle des Lärms aus, während ihre Augen groß und wachsam durch die Bäume blickten.
Vom dichten Unterholz her kam das Geräusch hastiger kleiner Schritte und lautes Kichern. Lirins kurze Beine tänzelten leichtfüßig über das Gras:
»Los, Faelan, schneller! Ich dachte, du wolltest heute gewinnen!« Seine Stimme war voller Hohn und Spott, während er geschickt einen tief hängenden Ast übersprang. Faelan fühlte sich von seinen Worten direkt angestachelt:
»Ha! Du wirst noch sehen! Ich lasse dich nur vor, um dir ein gutes Gefühl zu geben!«, sie lachte, als sie einen schnellen Seitenblick zu Lirin warf und dann ihre Schritte beschleunigte, in der Hoffnung, ihn überholen zu können, während ihr dunkelbraunes Haar unter ihrer kleinen, bläulich gefärbten Zipfelmütze wie wild im Wind wehte. Lirin und Faelan waren zwei junge Wichtel, die sich gerade einen freundschaftlichen Wettstreit lieferten.
»Pass auf, dass du nicht über deine eigenen Füße stolperst!«, rief Lirin zurück, während er einen knorrigen Baum umrundete. Seine braunen Augen funkelten vor Freude.
»Oh, du wirst gleich sehen, wer hier stolpert!«, keuchte Faelan trotzig und gab sich extra Mühe, ihre Geschwindigkeit nochmals zu steigern. Ihr Herz schlug vor Aufregung und Anstrengung. Als sie eine kleine Lichtung erreichten, das Reh und sein Kitz direkt vor sich, hielten Lirin und Faelan abrupt inne. Die Tiere, aufgeschreckt und verwirrt durch das plötzliche unerwartete Auftauchen der beiden, schnaubten leise und sprangen davon, ihre schlanken Körper geschmeidig zwischen den Bäumen verschwindend. Lirin, der ziemlich aus der Puste war:
»Oh, das ... das war unerwartet!«, schoss es aus ihm heraus, als er sich vorbeugte und seine Hände auf die Knie stützte und zwischen den Atemzügen auflachte.
»Ja, wer hätte gedacht, dass wir so früh morgens nicht die einzigen sind, die hier Spaß haben wollen?« Grinste Faelan ihn an, während er neben ihr stand. Beide beobachteten, wie das Reh und sein Kitz in sicherer Entfernung anhielten und zurückblickten.
Für einen Moment kehrte Stille ein, nur das ferne Rascheln der fliehenden Tiere war zu hören. Der Wald schien innezuhalten, als wolle er eine Lektion von Achtsamkeit lehren. Fast schon bedächtig antwortete Lirin: »Ich glaube, wir sollten etwas vorsichtiger sein. Wir wollen ja niemanden erschrecken.« Seine Stimme war nun weicher, nachdenklicher, als er sich mit seiner kleinen Hand seine zerzausten schwarzen Haare unter seiner Mütze zurechtstrich. Faelan stupste ihn leicht an:
»Du hast recht. Lass uns den Rückweg etwas ruhiger angehen.« Lirin nickte zustimmend, und zusammen gingen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren – diesmal langsamer, ihre Augen offen für die Schönheit und die Bewohner des Waldes.
Während sie den schmalen Waldpfad entlangschlenderten, der sanft durch das dichte Unterholz des alten Waldes von Alruun führte, ließ Lirin seinen Blick über das üppige Grün schweifen, das in der sanft strahlenden Morgensonne leuchtete. Die Luft war erfüllt von dem süßen Duft blühender Wildblumen und dem frischen, erdigen Geruch des Waldbodens nach einem kräftigen Regenschauer. Beim Anblick des Waldes wurde Lirin fast schon etwas wehmütig:
»Weißt du, Faelan, ich glaube, es gibt keinen Ort, der mich so sehr erfüllt wie dieser Wald.« Sagte er mit einem Lächeln. »Jedes Mal, wenn ich durch diese Wälder streife, fühle ich, wie mein Herz sich öffnet und all meine Sorgen verschwinden.« Er strich sanft über die Rinde eines alten Ahornbaumes, dessen Blätter im Licht tanzten. Faelan lächelte zurück: »Ja, es ist wirklich magisch hier. Ich kann verstehen, warum du so fühlst. Aber sag, da fällt mir ein: Denkst du, Elwin hat sich heute wieder Ärger eingebrockt? Du weißt ja, wie er manchmal sein kann – immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer.«
Da lachte Lirin laut auf: »Oh, das würde mich nicht überraschen. So neugierig wie er immer ist. Hoffentlich hat er den Obersten Hüter Eichenbart nicht zu sehr auf die Probe gestellt, lass uns später mal bei seinem Haus vorbeischauen.«
Sie setzten ihren Weg fort, das Rauschen des Nebelflusses begleitete ihr Gespräch. Nach einer Weile führte der Pfad sie zu einer Stelle, wo das Dickicht sich lichtete und der Wald sich zu einer weiten, Lichtung öffnete. Und dort sahen Sie es, Lirin und Faelan hielten im Staunen inne. Dort im mystischen Wald von Alruun lag die größte und prächtigste Stadt der Wichtel – Eldergrove.
Versteckt unter dem dichten Blätterdach der uralten Bäume, die so hoch waren, dass ihre Kronen die Sterne zu berühren schienen, thronte die Hauptstadt von Alruun wie ein funkelnder Schatz, den nur wenige Auserwählte jemals zu Gesicht bekommen hatten. Eldergrove war eine Stadt wie keine andere, ein Ort, an dem die Natur sich auf wundersame Weise mit der Architektur vereinte.
Inmitten der vier Regionen, im Herzen des Waldes von Alruun gelegen, wirkte Eldergrove wie ein lebendiges Wesen, das aus dem Boden herausgewachsen war. Die Gebäude waren in den uralten Bäumen und zwischen gigantischen Wurzeln eingebettet, deren knorrige Formen sich in harmonischen Bögen und Kurven wanden.
Doch das auffallendste Merkmal waren die übernatürlich großen, glühenden Pilze, die aus den Gebäuden selbst hervorsprossen. Sie leuchteten in warmen, sanften Farben – ein schimmerndes Gelb, ein tiefes Violett und ein glühendes Grün – und tauchten die Stadt in ein unwirkliches, ätherisches Licht. Ihre gewaltigen Kappen breiteten sich wie schützende Dächer über den Straßen aus, und ihre strahlenden Sporen schwebten wie winzige Glühwürmchen durch die Luft.
Eldergrove war in zwei Hauptbereiche unterteilt: das Obere Viertel und das Untere Viertel, die jeweils ihre eigenen Besonderheiten und Charakterzüge hatten. Das Obere Viertel, das auf einem sanften Hügel thront, beherbergt die wichtigsten Institutionen der Stadt. Hier befand sich das eindrucksvolle Rathaus des Hohen Rates und die prachtvollen Anwesen der wohlhabenderen Bewohner. Das Viertel war bekannt für seine breiten, mit Kopfstein gepflasterten Straßen und die kunstvoll geschnitzten Häuser, deren Fassaden von Blumen und Efeu überwuchert wurden. Im Zentrum des Oberen Viertels lag der Elderplatz, ein großer, runder Platz aus weißen Steinen, mit einem prachtvollen Brunnen in der Mitte, auf dem die wichtigsten Versammlungen und Feierlichkeiten der Stadt stattfanden.
Das Untere Viertel hingegen war das geschäftige Herz von Eldergrove. Hier tummelten sich die Händler, Handwerker und einfachen Bewohner der Stadt. Die Straßen waren hier enger, die Häuser bescheidener, aber voller Leben. In den kleinen Werkstätten und Läden wurde gearbeitet, gehandelt und getratscht. Der Nebelfluss, ein sanft plätschernder Fluss, zog sich durch das Untere Viertel und teilte die Stadt in zwei Hälften und spendete den Bewohnern sauberes Wasser.
An den Ufern des Flusses wuchsen bunte Blumen, und auf den Brücken, die das Untere Viertel verbanden, waren immer Wichtel unterwegs, die eifrig miteinander plauderten oder Waren über den Fluss transportierten. Der Nebelfluss, der seinen Ursprung im mystischen Dämmerwald hatte, war nicht nur eine Quelle des Lebens, sondern auch der Magie, die sich in der Stadt sammelte.
Am Rande des Unteren Viertels lag der Elderpark, eine weitläufige grüne Oase mit alten Bäumen und verschlungenen Pfaden, die zu stillen Lichtungen führten. Hierher kamen die Wichtel, um Ruhe zu finden, zu entspannen oder sich an wichtigen Denkmälern zu versammeln. Eldergrove war seit jeher eine Stadt, die in Harmonie mit dem Wald lebte. Der Duft von frischen Kräutern und Blumen erfüllte die Luft, das Zwitschern der Vögel und das leise Plätschern des Nebelflusses begleitete das geschäftige Treiben auf den Straßen. Und doch spürte man in jeder Ecke, dass Eldergrove mehr war als nur ein Ort des Handels und der Politik – es war ein lebendiger Teil des Waldes von Alruun, durchdrungen von der Magie, die die Stadt und ihre Bewohner seit Jahrtausenden beschützte. Doch Eldergrove war nicht der einzige Ort, an dem die Wichtel lebten.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sie gelernt, sich den Veränderungen der Welt anzupassen, und heute leben sie unentdeckt auf der ganzen Welt. Sie haben sich geschickt in die moderne Gesellschaft integriert und sind immer darauf bedacht, ihre wahre Identität zu verbergen. In Städten und Dörfern, in verlassenen Wäldern und tiefen Schluchten – überall dort, wo es noch ein Stück unberührte Natur gibt, findet man ihre Spuren. Sie leben in winzigen Wohnungen, die in vergessenen Ecken und Winkeln versteckt sind, unter alten Eichenbäumen, in verlassenen Vogelnestern oder sogar in den Wurzeln der mächtigsten Bäume.
Die Bewohner von Eldergrove, gingen gerade ihren täglichen Verrichtungen nach: Einige arbeiteten in den Gärten, andere saßen zusammen und schnitzten Holz oder webten Körbe. Und da war natürlich auch der "alte Snorre", wie sie ihn gemeinhin nannten. Snorre war in Eldergrove als der "Griesbärtige" bekannt, da er mit einer dauerhaft gerunzelten Stirn und einem von tiefen Falten durchzogenen Gesicht durch die Gassen streifte und stets etwas zu bemängeln fand. Sei es das Wetter, das ihm nie recht war, die Jugend, die laut seiner Meinung immer zu ungestüm war, oder die Suppe, die nie die richtige Temperatur hatte.
Eines Tages bereitete sich die ganze Stadt auf das jährliche Marmeladenfest vor, ein Fest, bei dem alle ihre selbstgemachten Marmeladen austauschten und bewerteten. Es war ein fröhlicher Anlass, doch selbst hier fand der griesbärtige Snorre einen Grund zur Beschwerde. »Diese Marmelade ist viel zu süß! Und schau Dir nur diese Konsistenz an! In meiner Jugend wussten die Leute noch, wie man ordentliche Marmelade kocht«, murrte er, während er einen Löffel der Himbeermarmelade probierte, die Fräulein Lupin stolz präsentierte und die aufgrund Snorres Kommentars fast rücklings über das Tischbein gestolpert wäre vor Bestürzung.
Lirin und Faelan standen etwas abseits und beobachteten den griesbärtigen Snorre, der mit seinem buschigen und dichten Bart, der fast die Hälfte seines Gesichtes bedeckte, von einem Stand zum nächsten zog und seine unaufgeforderten Urteile verteilte.
Faelan konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie eine Bemerkung über Snorres ewige Unzufriedenheit machte. »Weißt du, Lirin«, begann Faelan leise, um sicherzugehen, dass nur er sie hörte. »Ich glaube, selbst an einem Tag, an dem das Regenwasser süß schmeckt und die Bäume Münzen statt Blätter tragen, wäre Snorre, nicht zufrieden.«
Lirin kicherte, als er Snorre beobachtete, wie er gerade mürrisch eine weitere Marmelade probierte und das Gesicht verzog.
»Haha, Faelan, stell dir nur vor, Snorre als Wetterfrosch. Er würde vorhersagen, jeder sonnige Tag wäre nur eine Vorwarnung auf einen richtig schlechten.«
Faelan lachte und nickte. »Genau, und er würde wahrscheinlich klagen, dass die Sonne zu hell scheint oder der Regen nicht rhythmisch genug fällt.«
Die beiden jungen Wichtel amüsierten sich köstlich, während sie weiter zusahen, wie Snorre von Stand zu Stand zog. Schließlich erreichte er eine Standbude, die von einer besonders einfallsreichen Wichteldame geführt wurde. Es war der Marktstand von Fräulein Ida. Diese hatte eine neue Marmeladensorte aus Waldbeeren und einem Hauch Minze kreiert. »Und was ist das? Minze in der Marmelade? Wer hat denn von so etwas jemals gehört? Absolut lächerlich!«, rief Snorre aus, noch bevor er sie probiert hatte. Faelan flüsterte Lirin zu, während beide ihre Lacher mühsam unterdrückten: »Ich wette, er beschwert sich gleich, dass ihm die Minze zu minzig schmeckt.«
Lirin stimmte in das Flüstern ein: »Oder, dass die Beeren zu beerig sind!« Zu ihrer Überraschung nahm Snorre jedoch einen vorsichtigen Bissen von der Marmelade und seine graublauen Augen weiteten sich.
Ein Moment der Stille trat ein, und alle erwarteten eine weitere Beschwerde. Doch dann, zum ersten Mal seit Langem, brach ein zufriedenes Lächeln auf Snorres Gesicht aus.
»Nun, das ist ... Das ist eigentlich, mhh gar nicht mal so schlecht«, grummelte er fast schon versöhnlich und alle Anwesenden waren ganz verblüfft, bevor sie gemeinsam in gellendes Gelächter ausbrachen.
Lirin liebte es, in alten Erinnerungen zu schwelgen: »Oh ja, das war vielleicht eine lustige Geschichte mit dem alten griesbärtigen Snorre, was Faelan!«
Wieder überkam ihn etwas Wehmut: »Aber schau, jedes Mal, wenn ich hierherkomme, fühlt es sich an, als würde ich zum ersten Mal ein Märchen betreten. Es ist einfach wunderschön.«
Faelan nickte ihm zu, ein stilles Einverständnis für die Worte ihres besten Freundes, und dann erwiderte sie: »Ja, das ist es wirklich. Es ist unser kleines Paradies, versteckt vor der restlichen Welt. Komm, lass uns schauen, wie es Elwin geht.«
Mit einem letzten bewundernden Blick auf das lebendige Panorama der Stadt, die sich vor ihnen entfaltete, traten sie in das Herz von Eldergrove ein, bereit, sich den Herausforderungen und Abenteuern zu stellen, die der Tag noch für sie bereithalten mochte.
Ein kleines Dorf lag friedlich eingebettet in eine winterliche Landschaft, die wie aus einem Märchen wirkte. Die Dächer der schlicht erbauten Häuser waren von einer dicken Schneeschicht bedeckt, die im sanften Licht des frühen Morgens glitzerte. Die schmalen Wege, die sich zwischen den Gebäuden hindurchschlängelten, waren nur durch die Spuren von Fußstapfen und gelegentlich durchziehenden Schlitten markiert.
Aus den Schornsteinen stieg langsam Rauch auf, der sich mit der klaren, kalten Luft vermischte und den Duft von brennendem Holz und winterlichen Gewürzen in den Himmel trug. Die kahlen Äste der Bäume, die das Dorf umgaben, waren mit Frost überzogen und neigten sich unter dem Gewicht des Schnees, als wollten sie die Stille und Ruhe dieses winterlichen Schauplatzes bewahren.
Die Luft war kühl und frisch, als sich die Tür eines kleinen Schlafzimmers öffnete. Heraus trat ein Mann mittleren Alters, dessen Gesicht von feinen Linien des Lächelns und der Sorge gezeichnet war. Seine blaugrauen Augen, klar und ruhig, spiegelten eine Tiefe wider, die von vielen Wintern und der Wärme vieler Sommer erzählte. Er streckte sich ausgiebig, ließ die Muskeln jeder seiner Bewegungen sanft spielen, und ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen, die von einem schwarzen Vollbart umrahmt waren.
Leise schlich er sich aus dem Zimmer, um seine noch schlafende Frau nicht zu wecken. Die Holzdielen knarrten unter seinen behutsamen Schritten, während er sich auf den Weg zur Küche machte. Dort bereitete er sich einen starken, duftenden Kaffee zu – eine einfache, aber wesentliche Morgenroutine, die ihm half, den Tag zu begrüßen. Der Duft des Kaffees erfüllte bald die kleine Küche und mischte sich mit dem Aroma von frischem Holz, das von den Wänden und Möbeln ausging. Während der Kaffee brodelte, schnitt er einige Scheiben Brot und bestrich sie mit etwas Butter. Nicht lange danach trat seine Frau in die Küche, ihre Schritte leise und ihre Augen noch halb im Reich der Träume. »Guten Morgen«, nuschelte sie liebevoll, ihr blondes langes Haar wild abstehend in alle Richtungen, und gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
»Guten Morgen, Mein Liebling«, erwiderte er mit einem warmen Lächeln. »Hast du gut geschlafen?« »Sehr gut, erwiderte sie ihm, aber es riecht so, als hätte der beste Kaffeekocher weit und breit schon wieder Wunder gewirkt.« Sie lachte leise und ihre blauen Augen strahlten vor Freude als sie sich ihm gegenübersetzte.
Während sie aßen, sprachen sie über die anstehenden Aufgaben des Tages, über die Dinge, die im Dorf zu tun waren, und über das bevorstehende Fest, das bald viele Besucher aus den umliegenden Dörfern anziehen würde. Es war ein einfaches, aber herzliches Gespräch, das die tiefe Verbindung und das gegenseitige Verständnis zeigte, dass sie über die Jahre aufgebaut hatten. Nach dem Frühstück verabschiedete er sich von ihr und trat hinaus in die kühle, frische Morgenluft.
Er überquerte den kleinen Hof zu einer noch kleineren Werkstatt, die mit allerlei Werkzeugen und unfertigen Spielzeugen gefüllt war. Hier verbrachte er viele Stunden des Tages, vertieft in seine Arbeit, die mehr Kunst als Handwerk war.
Mit geschickten Händen wählte er ein Stück Holz aus, prüfte seine Beschaffenheit und begann dann, es zu formen. Heute arbeitete er an einer kleinen Holzeisenbahn, deren einzelne Teile er liebevoll und präzise zusammensetzte. Jedes Stück Spielzeug, das seine Werkstatt verließ, war gefüllt mit Wärme und Liebe – Geschenke, die Freude in die Augen jedes Kindes zaubern sollten.
Die Tür zur Werkstatt öffnete sich mit einem leisen Knarren und hereintrat ein großer, kräftiger Mann, der die Tür sorgfältig hinter sich schloss, um die warme Luft in der Werkstatt zu halten.
Sein Gesicht war von der Kälte draußen leicht gerötet, und ein freundliches Lächeln umspielte seine Lippen, als er den Raum betrat. »Guten Morgen, Claus! Ich wollte nur nachsehen, wie es mit dem Spielzeug für meine Kleinen aussieht. Du weißt ja, wie sehr Sie sich darauf freuen.« Nickte er und deutete auf ein fast fertiges Spielzeug auf der Werkbank.
»Guten Morgen, Harald, ja natürlich, es ist fast fertig. Ich muss nur noch ein paar Kleinigkeiten erledigen. Deine Kleinen werden es pünktlich zum Fest in den Händen halten.« Erwiderte Claus.
Harald lächelte dankbar. »Das ist wunderbar. Du weißt, deine Spielzeuge sind jedes Jahr etwas ganz Besonderes für die Kinder.«
Claus nickte ihm freundlich zu, dann schaute er kurz aus dem Fenster, wo der erste Schnee zu fallen begann, und ihm wieder dieser eine Tag in Erinnerung kam.
»Es begann alles mit einer einfachen Holzfigur, weißt du?«, leitete er ein, um mit Harald eine ganz besondere Erinnerung zu teilen.
»Vor einigen Jahren, kurz nachdem ich mit dem Schnitzen begonnen hatte, gab es einen besonders harten Winter. Kalt und gnadenlos, wie er nur selten vorkommt. Die Schneedecke lag schwer auf den Dächern der Häuser hier im Dorf, und viele Familien kämpften ums Überleben. Damals, sah ich Sie zum ersten Mal.« Bei dem Gedanken daran zogen sich seine Fäuste zusammen.
»Ein kleines Mädchen, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Sie lebte mit ihrer Familie am Rande des Dorfes, in einer kleinen, baufälligen Hütte. Ihre Eltern arbeiteten hart, aber Sie konnten kaum genug zum Leben auftreiben. Sie hatten fast nichts, und das Mädchen litt sehr unter der Kälte und dem ständigen Mangel.«
Seine Stimme wurde leiser, und seine Hände ruhten schwer auf der Werkbank. »Ich erinnere mich, wie ich sie eines Tages bemerkte. Ich war zufällig in der Dorfschule zu Besuch, um Handwerksarbeiten zu erledigen.
Das kleine Mädchen saß allein in einer Ecke des Klassenzimmers, während die anderen Kinder laut lachten und freudig ihre Geschenke auspackten. Ihr Herz war schwer, und Tränen standen ihr in den Augen. Ihre Eltern konnten nichts entbehren, um ihr etwas zu schenken, und so hatte sie nichts zum Auspacken, nichts, worüber sie sich freuen konnte. Als die anderen Kinder es bemerkten, begannen sie damit, sie zu hänseln, spotteten über ihre Armut und ihr trauriges Gesicht. Sie fühlte sich ausgeschlossen, gedemütigt und einsam, als wäre sie weniger wert als alle anderen.«
Harald nickte langsam, tief bewegt von der Erinnerung, die er teilte. »Ich wollte etwas tun. Also ging ich zurück in meine Werkstatt und schnitzte die ganze Nacht durch. Es war eine kleine Figur, ein Pferd, nichts Besonderes, aber ich machte es mit so viel Liebe und Sorgfalt, wie ich nur konnte.« Claus erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen, und fuhr fort:
»Am nächsten Morgen, bevor das Dorf erwachte, legte ich das Spielzeug vor ihre Haustür und klopfte. Dann versteckte ich mich in der Nähe und wartete, damit ich den Ausdruck ihres Gesichtes sehen konnte, wenn sie ihr Geschenk in den Händen hielt. Als sie die Tür öffnete und das kleine Pferd fand, erhellte sich ihr Gesicht in einer Weise, die ich nie vergessen werde. Die Freude, das reine Glück in ihren Augen ... Es war überwältigend.« Er musste kurz innehalten, als ihn die Emotionen überkamen.
»Das war der Moment, Harald, in dem ich erkannte, welche Macht ein einfaches Geschenk haben kann. Es war mehr als nur ein Stück Holz; Es war ein Lichtstrahl in ihrem sonst so von Entbehrung gezeichneten Leben. Von Da an wusste ich, was meine Berufung war. Ich wollte, dass kein Kind im Dorf jemals wieder so fühlen musste wie sie in diesen kalten Wintertagen.«
Harald legte eine Hand auf seine Schulter, seine Bewunderung und der Respekt für seinen Freund tiefer denn je. »Claus, du hast seitdem vielen Kindern hier im Dorf Freude gebracht. All die Jahre, für alles, was du tust, sind wir dir unbeschreiblich dankbar.«
Claus lächelte, die Last der Erinnerung leichter, da sie geteilt wurde. »Danke, Harald. Solange ich schnitzen kann, wird jedes Kind in unserem Dorf immer ein Geschenk von mir erhalten. Das ist mein Versprechen.« Die beiden Männer sprachen noch eine Weile, tauschten Geschichten und Gedanken aus, bevor Harald sich erhob, um wieder nach Hause zu gehen. Claus begleitete ihn zur Tür, gab ihm eine herzliche Verabschiedung und versprach, das Spielzeug rechtzeitig fertigzustellen. Als die Tür hinter Harald ins Schloss fiel, kehrte er mit einem Lächeln auf den Lippen zu seiner Werkbank zurück.
Er wusste, dass seine Arbeit mehr als nur Holz und Farbe war; Sie war ein Funke von Freude in der Dunkelheit des Winters, ein Licht in den Augen der Kinder, die in diesen Zeiten oft zu kurz kamen. Und das war für ihn die größte Belohnung.
Niemand zu diesem Zeitpunkt ahnte, dass das Schicksal bald eine andere Wendung nehmen und sein ruhiges Leben auf eine Weise herausfordern würde, die er sich nie hätte vorstellen können. Doch in diesem Moment, umgeben von Holzspänen und dem Geruch von Kaffee, der noch immer aus dem Haus wehte, war er einfach nur ein Mann, der tat, was er liebte, in der Stille seiner Werkstatt, im Herzen eines verschneiten Dorfes.
Mit hastigen kleinen Schritten bewegte er sich zielgerichtet geradewegs in Richtung des Rathauses, im Oberen Viertel von Eldergrove. Er war etwas spät dran, was ihn angesichts der Umstände leicht in Panik versetzte.
»Komm schon, reiß dich zusammen! Gleich hast du es geschafft«, ermahnte er sich selbst zur Eile. Sein Name war Elwin Lichtwald, ein wissbegieriger Wichtel und mit 170 Jahren gerade im besten Alter, was in Menschenjahren etwa einem jungen Erwachsenen entsprach.
Seine Erkennungsmerkmale waren seine türkisfarbene Zipfelmütze, die gerade angesichts seiner Geschwindigkeit wie wild über seinem schwarz gelockten Haupt hin und her wippte, und sein vornehmer langer Bart, den er meist sehr penibel pflegte, denn was war schon ein Wichtel ohne Bart? Sicher kein sehr schöner Anblick! Er war bekannt für seine Neugier und seinen scharfen Verstand. Eigenschaften, die ihn oft in Schwierigkeiten brachten, aber auch zu wichtigen Entdeckungen führten. So wie just in diesem Moment, um seine Verabredung mit dem Obersten Hüter Aelberic Eichenbart wahrzunehmen, als er vor sich eine energische, kindliche Stimme hörte:
»Elwin, ich habe hier die neuste Ausgabe der Eldergrove Times für dich!«, rief ihm der kleine Pipp entgegen, ein kleiner Wichteljunge mit zotteligen schwarzen Haaren und einer schief sitzenden Zipfelmütze, der am Elderplatz versuchte, diese an den Wichtel zu bringen. »Danke Pipp, mein Junge, aber ich hab’s gerade wirklich eilig, ich komme später nochmal darauf zurück, versprochen!«, erwiderte ihm Elwin sichtlich gestresst, der nahezu im Vollsprint an ihm vorbeilief, während er nochmals die Schlagzahl seiner kleinen, tapsigen Schritte erhöhte.
Einen kurzen Augenblick später und indessen völlig aus der Puste hatte er es schließlich geschafft. Elwin stand im Wartebereich des Rathauses und die Sekretärin des Obersten Hüters lugte mit einem maßregelnden Blick zu ihm hinüber. »Elwin Lichtwald, nehme ich an? Sie sind spät dran! Der Hüter des Hains Aelberic Eichenbart erwartet Sie bereits.« Mit einer kurzen Handbewegung wies sie ihm den Weg. Ohne zu zögern, nahm er all seinen Mut zusammen und trat ein.
Das Arbeitszimmer des Obersten Hüters von Eldergrove, Aelberic Eichenbart, war ein Raum voller Geschichte und Tradition. Die Wände waren bedeckt mit Regalen, die bis zur Decke reichten, und vollgestopft mit alten, ledergebundenen Büchern, Schriftrollen und verschiedenen Artefakten, die das kulturelle Erbe der Wichtel repräsentierten. Eine schwere Holztür führte in das Zimmer, und die Fenster waren klein und rund, ließen aber genug Licht herein, um den Raum in einen warmen, einladenden Bernsteinschimmer zu tauchen. In der Mitte des Arbeitszimmers stand ein großer, rustika-ler Schreibtisch aus Eichenholz, übersät mit Papieren und alten Kar-ten des Waldes. Hinter dem Schreibtisch saß der Oberste Hüter in seinem gemütlichen Sessel. Elwin wischte sich leichte Schweißperlen von der Stirn und nahm einen tiefen Atemzug und begann seine Rede vorzutragen:
»Oberster Hüter Aelberic Eichenbart, bitte verzeiht meine Verspätung, habt Dank, dass ihr euch Zeit für mein Anliegen nehmt. Ich habe Bedenken, das etwas Merkwürdiges in der Stadt vor sich geht.« Sagte er, während seine Nervosität immer weiter stieg. »Es gibt Gerüchte und Beobachtungen, die mich beunruhigen. Wichtel sind verschwunden und nicht zurückgekehrt, und ich glaube, wir sollten dem nachgehen.« Sein Blick musterte den Hüter des Hains angespannt, während er auf eine Antwort von ihm wartete.
Aelberic Eichenbart war eine beeindruckende Persönlichkeit und als Hüter des Hains die höchste Instanz in Eldergrove. Er hob seinen Kopf und gab einen Blick auf seine tiefen, dunkelbraunen Augen frei, die scharf und aufmerksam waren, doch hinter ihrer Strenge lagen eine tiefe Güte und eine unermessliche Weisheit verborgen. »Elwin, du weißt genau, dass der Besuch von Santa Claus in Eldergrove kurz bevorsteht. Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir jetzt alle zusammenstehen. Wir können keine Unruhen oder Gerüchte gebrauchen. Punkt!« Seine Stimme war fest und ließ keinen Raum für irgendeinen Widerspruch.
»Aber Oberster Hüter Eichenbart, ich bin mir sicher, es sind nicht nur Gerüchte. Familien vermissen ihre Angehörigen. Sollten wir nicht zumindest versuchen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen?«, erwiderte Elwin etwas ungläubig, während sich Eichenbarts Augen weiter verengten.
Er stütze seine Hände bedächtig auf den rustikalen Schreibtisch und erhob sich anmutig und schritt in Richtung eines naheliegenden Fensters. Sein Haar, einst tiefbraun, war nun schneeweiß, und sein langer, gepflegter Bart, der ihm fast bis zum Boden reichte, erzitterte leicht, als er Elwin autoritär und unmissverständlich entgegnete:
»Elwin, ich befehle dir, diese Nachforschungen einzustellen. Ich möchte nichts mehr davon hören. Es ist nicht im besten Interesse unserer Stadt, Unruhe und Misstrauen zu säen. Und ich werde nicht zulassen, dass du oder irgendjemand anderes die Sicherheit unserer Stadt gefährdet — oder dass du dich selbst in Gefahr bringst, mit eigenmächtigen Nachforschungen.«
Elwin konnte es nicht so recht fassen: »Aber das Wohl unserer Leute—« Eichenbart unterbrach ihn direkt.
»Ist genau das, was ich schütze.« Er drehte sich zu Elwin um, während er seine Hände auf seinem knorrigen alten Eichenstab ruhen ließ. »Wir müssen uns alle auf das bevorstehende Fest konzentrieren. Das hat allerhöchste Priorität. Daher erwarte ich, dass du dich ab sofort wieder deinen normalen Pflichten widmest und jede weitere Erwähnung dieser Angelegenheit unterlässt. Verstanden, Elwin Lichtwald?«
Unmissverständlich spürte er die Wucht von Eichenbarts Autorität und die Ernsthaftigkeit seiner Warnung. Trotz seines Wunsches, das Verschwinden seiner Freunde aufzuklären, wusste er, dass er vorerst nachgeben musste. »Ja, Oberster Hüter Eichenbart. Ich verstehe.« Sein Blick war voller Enttäuschung, als er schließlich eine leichte Verbeugung andeutete. Mit einem zusätzlichen Nicken ließ er Aelberic Eichenbart alleine in seinem Arbeitszimmer zurück.
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und er stand einen Moment lang im Flur, nachdenklich und besorgt. Wieder spürte er den Blick der Sekretärin auf ihm ruhen, doch diesmal war es keiner, der in maßregelte, sondern vielmehr ein mitfühlender. Denn sie wusste nur allzu gut, wie aufbrausend Aelberic Eichenbart manchmal werden konnte.
»Jetzt ist nicht die Zeit, hier zu verweilen«, dachte er sich. Mit einem kurzen, höflichen Nicken verabschiedete er sich von der Sekretärin des Obersten Hüters und trat aus den schweren, hölzernen Türen des Rathauses hinaus auf den Elderplatz.
Dort wurde er sofort von dem täglichen geschäftigen Treiben empfangen. Die Sonne stand hoch am Himmel und tauchte den Platz in ein warmes, goldenes Licht. Überall wuselten Wichtel umher, beschäftigt mit ihren täglichen Besorgungen. Händler riefen lautstark ihre Waren aus, Kinder lachten und jagten sich spielerisch zwischen den Marktständen, während die Älteren in kleinen Gruppen beisammenstanden und Neuigkeiten austauschten.
Geschickt schob er sich durch die Menge, wobei er hin und wieder einem besonders eiligen Wichtel auswich oder einem kleinen Karren, der mit frischem Obst oder Gemüse beladen war und von Moorponys gezogen wurde. Während er sich seinen Weg bahnte, dachte er intensiv über seine nächsten Schritte nach. Die Angelegenheit im Rathaus hatte ihm viel zu grübeln gegeben, und er wusste, dass er etwas unternehmen musste – notfalls auf eigene Faust. »Vielleicht wären die Ratsmitglieder eine weitere Möglichkeit?«, dachte er sich, während ihn seine Schritte unvermittelt weitertrugen.
Eldergrove wurde von einem Hüter des Hains, der die höchste Instanz darstellte, weswegen man ihn gemeinhin als Obersten Hüter bezeichnete und einem Hohen Rat aus vier weiteren Ratsmitglieder geführt – Borin Dunkelschmied, Seraphina Flügelglanz, Lysandra Blattgold und Thorin Weisblatt. Vielleicht könnte jemand von Ihnen ihn unterstützen und Aelberic Eichenbart überzeugen? Doch während seine Gedanken kreisten, spürte er das vertraute Bedürfnis nach einem Moment der Ruhe – und was könnte besser dafür geeignet sein als ein guter Zug aus seiner geliebten Tabakpfeife?
Er hielt kurz inne und kramte in seiner Tasche, bis seine Finger auf das glatte, geschnitzte Holz der Pfeife stießen. Er zog sie heraus, doch als er sie ansah, stellte er fest, dass sein Pfeifentabak fast aufgebraucht war.
Ein leises Seufzen entfuhr ihm, doch er ließ sich nicht entmuti-gen. Kurzerhand beschloss er, einen kurzen Abstecher zum "Kupfernen Kessel" zu machen, einem kleinen, urigen Laden am Ende der Vier-Klee-Promenade im Oberen Viertel, der von einem schrulligen Ladenbesitzer namens Halibut Blätterzweig geführt wurde.
Der kupferne Kessel war ein wahrer Schatz für Tabakliebhaber und ein Ort, den er oft besuchte, wenn ihm der Vorrat ausging. Der Laden war in einem charmanten, leicht schiefen Gebäude untergebracht, dessen kupferfarbene Fassade im Sonnenlicht glänzte. Über der Tür hing ein altes Holzschild, auf dem in geschwungener Schrift "Kupferner Kessel" stand, umrahmt von kunstvoll geschnitzten Blättern und Ranken.
Als er den Laden betrat, begrüßte ihn der warme, würzige Duft von Tabak und Kräutern, der in der Luft hing. Der Innenraum war klein, aber gemütlich, mit hohen Regalen, die vollgestopft waren mit Gläsern und Beuteln in allen erdenklichen Formen und Größen. Überall standen alte Tabakdosen und antike Pfeifen zur Schau, und das Licht fiel durch die kleinen, runden, verglasten Fenster und ließ die kupfernen Dekorationen leise strahlen.
»Ah, Elwin! Alter Freund, schön, dich zu sehen!«, rief Halibut Blätterzweig mit seiner leicht heiseren Stimme, als er ihn erblickte. Der ältere Wichtel trat hinter einem hohen Tresen hervor, an dem er gerade damit beschäftigt war, eine neue Lieferung Tabak zu sortieren. Sein buschiger Bart und die großen, runden Brillengläser, hinter denen seine wachen grünlichen Augen funkelten, gaben ihm ein leicht verschmitztes Aussehen.
»Halibut, mein Bester«, antwortete Elwin mit einem Lächeln, »ich bin wieder mal ohne Tabak. Es scheint, als könnte ich einfach nicht ohne deinen Laden auskommen.« Halibut lachte, ein trockenes, freundliches Lachen, das den Raum erfüllte.
»Tja, du hast Glück, dass ich gerade eine neue Mischung aus dem Grünen Gürtel reinbekommen habe. Ein herrlich aromatischer Tabak, genau das Richtige für einen feinen Samtzipfel wie dich.«
Die Bezeichnung "Samtzipfel" war ein liebevoller Begriff für einen besonders freundlichen, gutherzigen Wichtel, der bekannt war für seine Sanftmütigkeit, Großzügigkeit und die Fähigkeit, stets ein warmes Lächeln auf seinen Lippen zu tragen.
Während Halibut hinter dem Tresen nach dem entsprechenden Tabak suchte, ließ Elwin seinen Blick durch den schrulligen Laden schweifen. Er liebte es, die eigenwillige Sammlung von Gegenständen zu betrachten, die Halibut in all den Jahren zusammengetragen hatte – von exotischen Pfeifen aus fernen Ländern bis hin zu alten Karten, die längst vergessene Pfade durch die Wälder zeigten. Es war ein Ort, an dem die Zeit scheinbar stillstand, ein Zufluchtsort inmit-ten des immer moderner werdenden Trubels von Eldergrove.
Halibut reichte ihm schließlich einen kleinen Beutel, aus dem der Duft von frisch gemischtem Tabak stieg. »Hier, das wird dir gefallen. Und lass mich wissen, wie er dir schmeckt!« Dankbar nickend, bezahlte Elwin und verstaute den Beutel in seiner Tasche. »Das werde ich, mein lieber Halibut. Danke, bis zum nächsten Mal!« Mit diesen Worten verabschiedete er sich und trat wieder vor die Tür hinaus in das warme Sonnenlicht. Er stand noch einen Moment vor dem "Kupfernen Kessel" und genoss die ruhigere Atmosphäre, im Gegensatz zu dem geschäftigen Treiben auf dem Elderplatz des Oberen Viertels. Mit einem zufriedenen Seufzen öffnete er den Beutel, den er gerade von Halibut Blätterzweig erhalten hatte, und nahm eine Prise des frischen Tabaks zwischen seine Finger.
Der Duft war würzig und reichhaltig, mit einer leichten Note von Pinienharz und einer süßen Untermalung, die an getrocknete Beeren erinnerte. Mit geübter Hand füllte er seine Pfeife und stopfte den Tabak sanft hinein. Dann holte er ein kleines Feuerzeug aus seiner Tasche, eine kunstvoll verzierte, kupferne Apparatur, die er einst von einem reisenden Händler erstanden hatte. Mit einem schnellen Schnippen entzündete er die Flamme und hielt sie an den Rand der Pfeife. Der Tabak begann leise zu knistern, als das Feuer ihn erfasste, und ein dünner Rauchfaden stieg auf, der sich bald zu einer dichten, aromatischen Wolke ausdehnte.
Elwin nahm einen tiefen Zug, schloss die Augen und ließ den Rauch langsam durch seine Nase entweichen. Die Wärme des Rauchs füllte seinen Gaumen, und der Geschmack des Tabaks entfaltete sich auf seiner Zunge – würzig, sanft, mit einer angenehmen Tiefe, die ihn sofort beruhigte.
Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er die Pfeife wieder an die Lippen führte und erneut zog. Es war genau das, was er gebraucht hatte.
Nachdem er einen Moment innegehalten und den Genuss ausgekostet hatte, machte er sich gemächlich auf den Weg, ließ das Obere Viertel hinter sich und schlenderte die breiten, gepflasterten Straßen hinunter, die sich langsam Richtung Unteres Viertel von Eldergrove neigten, nach Hause.
Während er ging, umhüllte ihn die wohlige Wärme der Pfeife, und der Rauch, der sich in sanften Schwaden um seinen Kopf wandte, schien seine Gedanken fürs Erste ein wenig zu beruhigen.
"Riiiinnnng" Der schrille Klang eines Weckers durchdrang den Raum und zerriss die friedliche Stille in dem kleinen gemütlichen Zimmer. Maelin Sturmwind, eine junge, verschlafene Wichteldame, lag noch tief in ihre warme Bettdecke gekuschelt und rührte sich erst, als das unaufhörliche Klingeln in ihre Träume drang.
Sie schreckte auf, ihre blaugrünen Augen noch halb geschlossen, ihr roter, langhaariger Schopf zerzaust und in alle Richtungen abstehend. »Was soll das?«, brummte sie verschlafen und blinzelte träge zum Wecker hinüber. »Es ist doch gerade mal ...« Dann traf es sie wie ein Blitz. Ihre Augen weiteten sich, als die Erkenntnis einschlug. »Oh nein, meine Schicht fängt bald an!«
Ohne Zeit zu verlieren, sprang sie aus dem Bett, stolperte dabei fast über ihre eigenen Füße und hastete durch ihr kleines Zimmer, um ihre Sachen zusammenzusuchen. Maelin war bekannt für ihre charmante, kecke Art, immer ein Lächeln auf den Lippen und einen frechen Spruch parat.
Sie strahlte oft vor schelmischer Freude, fast immer in der Lage, sich selbst aus den kniffligsten Situationen mit einem Augenzwinkern herauszuwinden. Ein schneller Griff in den Schrank und sie zog ihre übliche Arbeitskleidung hervor – ein schlichter Rock und eine bestickte Schürze, die typisch für ihre Arbeit im Wirtshaus "Zum bärtigen Zipfelhut" war. Maelin war nicht besonders groß und hatte eine zierliche Figur, die von einem Hauch von Muskeln geprägt war.
Mit flinken Händen band sie sich die Schürze um, schnappte sich ihre Schuhe und lief zur Tür, während sie versuchte, gleichzeitig ihre Haare zu bändigen.
Kaum aus dem Haus sprintete Maelin durch die belebten Gassen von Eldergrove. Auf ihrem Weg grüßte sie keck ihre Nachbarn, warf hier und da ein freundliches »Guten Tag!« über die Schulter und entschuldigte sich rasch, als sie einem älteren Wichtel fast über die Füße lief. Ein richtiger Wirbelwind war sie, immer in Bewegung, immer in Eile, und doch gelang es ihr, in jeder Situation einen Hauch von Leichtigkeit zu bewahren.
Unterwegs entdeckte sie einen Marktstand, an dem ein Korb mit glänzenden, roten Äpfeln ausgestellt war. Während sie mit kleinen, flinken Schritten daran vorbeilief, stibitzte sie sich einen der Äpfel, ließ ein verschmitztes Lächeln zurück und rief: »Entschuldigung, ich bring’ ihn später wieder zurück, versprochen!« Der Verkäufer schüttelte nur lächelnd den Kopf – »Typisch Maelin, immer in Eile!« Niemand konnte ihr wirklich böse sein.
Mit dem Apfel in der Hand eilte sie weiter und biss hastig hinein, während die letzten Meter „Zum bärtigen Zipfelhut” von ihr zurückgelegt wurden. Ihre Schritte hallten über das Kopfsteinpflaster, und der Duft des Wirtshauses, der nach frisch gebrautem Birkenbier und knusprig geröstetem Fleisch roch, kam ihr entgegen. Maelin wusste, sie hatte es fast geschafft.
Das Wirtshaus "Zum bärtigen Zipfelhut" war der Blickfang im Herzen des Unteren Viertels von Eldergrove. Schon von außen versprach es Wärme und Gemütlichkeit: Eine prächtige Eichenfassade, mit reichlich Blumen und Pilzen unterschiedlichster Art verziert. Die Holzbalken, kunstvoll geschnitzt, hatten bereits einige unterschiedliche Epochen durchlebt. Die runden Fenster waren in verschnörkelte Rahmen eingefasst und gaben einen ersten Ausblick auf das warme, flackernde Licht im Inneren frei. Durch die Fenster konnte man oft fröhliche Wichtel erkennen, die sich um die Tische versammelten und ausgelassen feierten; ihre Birkenbierkrüge in die Höhe streckend bei klangvoller Musik und grölendem Gelächter, das bis auf den Platz nach draußen drang.
Das Wirtshaus selbst lag direkt am Marktplatz des Unteren Viertels, einem Knotenpunkt des täglichen Lebens in Eldergrove. Dort, wo die Händler ihre Waren anboten und die Wichtel sich zu Gesprächen und allerlei Geschäften trafen. Das prachtvolle Schild über der Tür zeigte einen stolz gezwirbelten Zipfelhut, unter dem ein freundlicher, wenn auch etwas verschmitzter Wichtelbart hervorlugte – Das Markenzeichen dieses beliebten Wirtshauses.
Drinnen setzte sich die heimelige Stimmung nahtlos fort. Der erste Eindruck war der einer warmen Umarmung, sobald man die Schwelle überschritt. Die Wände waren mit dunklem Holz vertäfelt, und an ihnen hingen alte, reich verzierte Gemälde und Gegenstände, die alle eine eigene Geschichte zu erzählen hatten. Über den Tischen schwebten kleine, bunte, funkelnde Laternen, deren Licht das Wirtshaus in ein weiches, farbenfrohes Leuchten tauchte.
Die Tische selbst waren aus robustem Holz gefertigt, einige klein und intim für vertrauliche Gespräche, andere groß genug, um eine ganze Gruppe fröhlicher Wichtel zu beherbergen. Der Duft von frisch gebrautem Birkenbier, dem besten der Stadt, lag ständig in der Luft und mischte sich mit dem Aroma von gebratenem Fleisch, frischem Brot und süßen Leckereien, die in der Küche zubereitet wurden. Das Birkenbier wurde in großen, verzierten Krügen serviert, die mit ihrem feinen Schaumrand das Versprechen eines erfrischenden Genusses gaben. Es war das Getränk, das Wichtelherzen höherschlagen ließ und Gespräche belebte – kräftig, aromatisch und mit einem Hauch von Waldbeeren.
Die Gäste waren eine bunte Mischung aus allen Ecken des Wichtelreichs: Reisende, die sich von ihren Abenteuern erholten, Händler, die den Erfolg ihrer Geschäfte feierten, Einheimische, die einfach die Geselligkeit suchten oder die Stadtgarde der Eichhornreiter, die nach getaner Wache hier oft ausgelassen feierten.
Jeder Winkel hatte seinen eigenen Charme, und selbst die knarzenden Dielen trugen zur Atmosphäre bei, indem sie leise unter den Schritten der Gäste sangen. "Zum bärtigen Zipfelhut" war nicht nur ein Ort des Essens und Trinkens, sondern ein lebendiger Teil der Wichtelkultur – ein Ort, an dem Geschichten lebendig wurden, Freundschaften geschlossen und die Sorgen des Alltags für eine Weile vergessen werden konnten. Hier fand das Leben statt, in all seiner farbenfrohen, festlichen Pracht. An diesem Tag war das Wirtshaus besonders belebt, da eine Lieferung seltener Gewürze aus Grünwald, einem nahegelegenen Dorf im Herzen des Grünen Gürtels eingetroffen war und der Koch beschlossen hatte, ein Festmahl zu veranstalten.
Endlich war Maelin Sturmwind bereit für ihre Schicht; mit einem freundlichen Lächeln und ihrer raschen Art, mit der sie zwischen den rustikalen Holztischen hin und her wirbelte, trug sie auf Tellern die dampfenden Mahlzeiten und das frisch gezapfte Birkenbier. Ihre Haare waren nun zu einem praktischen Zopf geflochten. Trotz der oft hektischen Arbeit genoss sie die lebhafte Stimmung, die es ihr ermöglichte, mit fast jedem in Eldergrove in Kontakt zu bleiben und immer über den neuesten Klatsch und Tratsch Bescheid zu wissen.
Während sie geschickt zwischen den Gästen navigierte, ihre Bestellungen aufnahm und freundlich plauderte, konnte sie nicht umhin, Gesprächsfetzen aufzuschnappen, die durch den Raum schwirrten. An einem der kleineren Tische nahe dem Kamin saßen zwei ältere Wichtel, Thimble und Rindle, deren Gesichter von den Flammen in ein warmes Licht getaucht waren. Sie sprachen leise, ihre Stimmen waren besorgt und ernst. Als sie gerade daran vorbeiging, um ein frisch gezapftes Fass an den Tresen zu bringen, hörte sie einen von ihnen sagen:
»... und dann ist er einfach verschwunden. Kein Wort, keine Nachricht. Er war letzte Woche noch hier, sprach davon, zu Santa Claus zu gehen, um bei den Vorbereitungen zu helfen, und nun ... nichts.« Es war Thimble, der sich weit zu seinem Gesprächspartner Rindle vorbeugte. Dieser lauschte ihm gespannt und erwiderte: »Das ist beunruhigend, wirklich. Du meinst Larel Flinkfuß, den Cousin fünften Grades deiner Frau?« Thimble hob seine Hand und machte eine abfällige Bewegung: »Ja, genau der. Ich meine, eigentlich kann ich ihn ja überhaupt nicht ausstehen.
Erinnerst du dich an das Erntedankfest letztes Jahr?« Rindle wusste natürlich sofort, wovon Thimble sprach: »Oh ja, das tue ich. War das nicht das Fest, bei dem Larel beschlossen hat, uns allen zu zeigen, wie man 'richtig' tanzt?« Thimble lachte direkt laut los, als er sich erinnerte: »Genau das. Er hat sich in der Mitte der Tanzfläche aufgestellt, als wäre er der König des Wichtelwalzers. Und dann, ach, und dann hat er angefangen, seine eigenen Tanzschritte zu erfinden. Er nannte es den 'flinken Farn'.«
Da brach es aus Rindle heraus: »Ha! Der 'flinke Farn'! Das sah mehr aus wie ein tollpatschiger Dachs im Blaubeerstrauch. Ich kann mir das Bild immer noch nicht aus dem Kopf schlagen, wie er da herumgehüpft ist. Alle anderen Tänzer um ihn herum haben versucht, nicht umgerannt zu werden.« Mit ulkigen Bewegungen versuchte Rindle das Gesagte bildlich zu untermalen, während Thimble sich fast in Rage redete: »Oh, und vergiss nicht, wie er dabei die ganze Zeit über versucht hat, jedem seine 'überlegenen' Tanztechniken zu erklären. Er hatte immer dieses selbstgefällige Grinsen im Gesicht, als hätte er das Tanzen persönlich erfunden.« Thimble hob erneut eine Hand zu einer nicht ganz jugendfreien Geste. Rindle konnte sich ein Kichern nicht verkneifen:
»Ich glaube, das Schlimmste war, als er versuchte, meiner Milda zu zeigen, wie man sich 'elegant' dreht und dabei versehentlich in den Festkuchen fiel, den deine Frau so liebevoll gebacken hatte.«
Thimble riss die Augen auf, als er sich an diesen verhängnisvollen Tag erinnerte: »Oh, das Kuchen-Desaster! Meine Frau spricht bis heute nicht über diesen Tag, ohne dass ihr die Zornesröte ins Gesicht steigt. Sie hat Wochen gebraucht, um das Rezept von einer wandernden Back-Fee zu bekommen, und Larel hat den ganzen Kuchen in weniger als einer Minute ruiniert.« Dann brachen beide in einhelligem Gelächter aus.
Maelin blieb einen Moment lang unbemerkt stehen, ihre Neugier geweckt. Das Gespräch traf einen Nerv; es war nicht das erste Mal, dass sie von verschwundenen Wichteln hörte. Mit einem besorgten Blick setzte sie ihre Arbeit fort, während sie über die Worte der beiden Wichtel nachdachte.
Aelberic Eichenbart lief in seinem Arbeitszimmer auf und ab, seine Hände hinter dem Rücken verschränkt, während seine Gedanken unaufhörlich um die Begegnung mit Elwin Lichtwald kreisten.
War er zu streng gewesen? Hatte er Elwins Wissbegierde und Tatendrang zu sehr unterdrückt? Mit jedem Schritt knarrten die alten Dielen unter seinen Füßen, doch er nahm es kaum wahr. Sein Geist war zu beschäftigt mit Selbstzweifeln und Überlegungen, die ihn nicht losließen.
Plötzlich klopfte es leise an der Tür. Er blieb stehen, atmete tief durch und drehte sich um. »Herein!«, sagte er, seine Stimme noch immer ernst, aber mit einem Anflug von Erschöpfung.
Die Tür öffnete sich sanft, und seine Sekretärin, eine freundliche und bedächtige Wichteldame mit sanften grauen Augen und einem warmen Lächeln, trat ein. In ihren Händen hielt sie ein Tablett, auf dem eine dampfende Teekanne und eine feine Porzellantasse standen.
»Ich dachte mir, Sie könnten etwas Entspannung gebrauchen, Herr Eichenbart«, sagte sie mit leiser, beruhigender Stimme. »Ich habe Ihnen Ihren Lieblingstee zubereitet – die Mischung aus Pfefferminze, Lavendel und einem Hauch von Honigblüte.«
Er nickte dankbar, seine harten Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. »Danke, Fräulein Matilde«, antwortete er, seine Stimme jetzt etwas weicher. »Das ist genau das, was ich jetzt brauche.«
Fräulein Matilde stellte das Tablett vorsichtig auf seinem massiven Schreibtisch ab und sah ihn einen Moment lang mit einem warmen, aufmunternden Blick an.
»Sie sind ein guter Anführer, Herr Eichenbart. Vergessen Sie das nie.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ leise das Zimmer, um ihm die Ruhe zu gönnen, die er so dringend brauchte. Aelberic Eichenbart stand einen Moment still, blickte auf die dampfende Teekanne und fühlte, wie die Anspannung langsam von ihm abfiel. Er griff nach der Kanne und goss sich mit ruhigen, bedächtigen Bewegungen eine Tasse des duftenden Tees ein. Der aufsteigende Dampf trug den beruhigenden Duft von Pfefferminze und Lavendel zu ihm, während der süße Hauch der Honigblüte seine Sinne umschmeichelte.
Dann hob er die Tasse an seine Lippen und nahm einen ersten, vorsichtigen Schluck. Das warme Getränk strömte durch seinen Körper und löste die Knoten der Anspannung, die sich in seinen Schultern festgesetzt hatten. Jeder weitere Schluck beruhigte ihn mehr, bis er das Gefühl hatte, dass seine Nerven, die vorher noch wie gespannte Saiten vibriert hatten, sich allmählich lockerten.
Während Aelberic Eichenbart die Tasse in seinen Händen hielt, setzte er sich langsam in seinen alten, knarrenden Ledersessel, der ihm seit Jahren treue Dienste leistete. Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen, über die Bücherregale, die kleinen, runden Fenster und den massiven Schreibtisch, auf dem die Papiere und Karten verstreut lagen. Trotz all der dringenden Angelegenheiten, die es zu regeln gab, wanderten seine Gedanken immer wieder zu dem Gespräch mit Elwin zurück.
Er erinnerte sich an die hitzige Diskussion, wie er dessen Anliegen nahezu abwürgte, nicht aus Bosheit, sondern aus Sorge und dem Drang, kurz vor dem Eintreffen von Santa Claus in Eldergrove keine unnötigen Sicherheitsrisiken zu schaffen. Doch jetzt, im Nachhinein, fragte er sich, ob es die falsche Entscheidung war.
Elwin war klug, wissbegierig und mutig – Eigenschaften, die er an ihm schätzte, auch wenn sie oft zu Reibereien führten. Den Tee, den er langsam in kleinen Schlückchen trank, erinnerte ihn daran, dass auch er Pausen brauchte – Momente, um innezuhalten und seine Gedanken zu ordnen.
Nachdem Aelberic Eichenbart die Tasse geleert hatte, stellte er sie vorsichtig auf den Tisch und atmete tief durch. Natürlich hatte er bereits von den verschwundenen Wichteln gehört; Die Gerüchte verbreiten sich in der Stadt wie ungebetene Schatten, sobald die Sonne am Firmament unterging.