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Eines Nachts stellt Paulinchen fest, dass die Mondkugel verschwunden ist. Überzeugt, dass die gestohlen wurde, weckt sie ihre große Schwester Emmilie. Mit ihr zusammen will sie die Mondkugel suchen. Widerwillig folgt Emmilie der kleinen Schwester auf einer abenteuerlichen Reise.
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Seitenzahl: 57
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Mitten in der Nacht wurde Paulinchen plötzlich wach. Stockfinster war es im Zimmer. Nicht ein Fünkchen Licht war zu sehen. Nicht dr winzigste Schimmer von einem Funken. Schwarz, alles ringsherum schwarz, so dick, dass man es beinahe anfassen konnte.
„He, Emmilie, schläfst du?“, flüsterte Paulinchen zum Bett der Schwester hinüber.
Nichts rührte sich. Kein Laut und eine Antwort schon gar nicht.
„Emmilie, wach auf!“ Paulinchen flüsterte nicht mehr.
Jetzt regte sich was. Als ob sich jemand im Bett wälzte. Und ein Grummeln war zu hören, so ein Brummelquietschen, wie es Schlafmützen von sich geben.
„Emmilie, bist du wach?“ zischelte Paulinchen.
„Hmm.“
„Na gut, das ließ Paulinchen als Antwort gelten.
„Emmilie, es ist so dunkel im Zimmer. So dunkel wie noch nie.“ Und tap, tap, tap, eilte Paulinchen zum Fenster, zog den Vorhang zurück und schaute hinauf zum Himmel. Die Sterne waren da, ja, aber wo war der Mond geblieben, die schöne, runde Mondkugel, die manchmal weiß wie das Brot am Sonntag und manchmal orange wie eine Apfelsine leuchtete? Manchmal sah der Mond auch aus wie ein Apfelschnitz. Aber er war da. Doch heute – kein Mond weit und breit.
„Emmilie“, wisperte Paulinchen, „der Mond ist weg, einfach verschwunden.“
„Hmm.“ Emmilie würde lieber schlafen.
„Emmilie, steh auf!“ Energisch zog Paulinchen der Schwester die Decke weg. „Komm, steh auf! Wir müssen den Mond suchen.“
„Ach Quatsch, Paulinchen!“ Die Schwester holte sich die Decke wieder und kuschelte sich darin ein. „Wir haben Neumond. Der Mond kommt wieder. Wart's ab, in ein paar Tagen siehst du ihn groß und hell am Himmel. Und jetzt leg dich ins Bett und schlaf!“
„Nein, nein!“ Paulinchen schlug mit ihren kleinen Fäusten wütend auf die Decke ein, unter der die Schwester lag. „Jemand hat die Mondkugel geklaut. Wir müssen sie suchen. Vielleicht braucht sie Hilfe. Vielleicht müssen wir sie befreien.“
„Ja, ja“, murmelte die Schwester nur.
„Komm mit, Emmilie! Bitte! Lass uns den Mond suchen!“
„Dann such ihn doch!“ Emmilie wollte endlich weiterschlafen.
„Allein hab ich aber Angst, Emmilie.“
Mit einem Satz sprang Emmilie aus dem Bett. „Du kannst vielleicht nerven, Paulinchen!“, sagte sie und man merkte ihrer Stimme den Ärger an. „Also los, gehen wir!“
Draußen im Garten war es genauso finster wie im Zimmer. Na ja, nicht ganz so finster, denn es gab ja noch die Sterne. Aber viel Licht spendeten die auch nicht.
Paulinchen und Emmilie wanderten Hand in Hand über die große Wiese. Alles hier war vertraut. Sie brauchten kein Licht. Schließlich waren sie fast jeden Tag in ihrem Garten, kannten jeden Strauch, jeden Busch, jeden Grashalm – hmm, jeden Grashalm wohl doch nicht.
Aber – was war das? Die hohe Pappel, ihr Sommerbaum, hatte ein großes Loch.
Mitten im Stamm. Das war doch gestern noch nicht da gewesen.
„Siehst du das Loch, Emmilie?“, flüsterte Paulinchen.
„Klar seh ich das Loch. Hat wahrscheinlich der Blitz eingeschlagen.“
„Nein“, widersprach die Schwester heftig, „das ist der Eingang zu was.“
„Zu was denn, bitte?“, fragte Emmilie spöttisch.
„Weiß ich auch nicht. Wollen wir mal reingehen?“
„Meinetwegen.“
Neugierig näherte sich Paulinchen dem großen Loch, die Schwester immer an der Hand. Man konnte ja nie wissen. Dann setzte sie den Fuß in die Öffnung - - und im selben Moment zog es sie hinein, mit aller Kraft. Die Schwester an der Hand wurde mitgerissen. Ein Rauschen wie leise Musik umgab sie, die Luft war warm und weich, schien sie zu streicheln. Erstaunt stellten die Mädchen fest, dass sie flogen.
Plötzlich wehte ein kalter Hauch herüber, und gleich darauf landeten die Schwestern unsanft auf dem Boden. Emmilie stellte fest, dass es sich um so etwas wie eine Wiese handelte. Aber Paulinchen war wieder mal anderer Meinung: „Nein, das ist ein Teppich! Ein ganz weicher Teppich mit langen Haaren.“
Sie kamen nicht mehr dazu, darüber zu streiten, wer Recht hatte. Vor ihnen standen zwei riesige Katzen, die eine schwarz-weiß, die andere weiß-schwarz. Die trugen einen Stock in der Pfote, der oben zugespitzt war wie ein Pfeil. Mit diesem Stock klopften sie energisch auf den Boden, der eine Wiese oder ein Teppich war.
„Wer seid ihr?“, fragte die eine Katze. „Woher kommt ihr?“, fragte die andere.
Emmilie war so verblüfft, dass ihr nichts einfiel. Aber Paulinchen gab ohne jede Scheu Auskunft: „Das ist meine Schwester Emmilie, und ich bin Paulinchen. Wir kommen von Zuhause. Aus dem Bett.“
„Miau“, machte die Schwarzweiße. Die Weißschwarze wollte noch mehr wissen: „Was habt ihr hier zu suchen?“
„Wir suchen die Mondkugel. Die ist nämlich verschwunden“, erklärte Paulinchen.
„Wisst ihr, wo ihr hier seid?“, fragte die Weißschwarze streng.
„Nein, wissen wir nicht.“ Nun hatte auch Emmilie die Sprache wiedergefunden.
Hochmütig reckte die Weißschwarze die Nase nach oben, um gleich darauf den Blick prüfend auf die Kinder zu richten: „Ihr seid hier - -“, die Katze machte eine kunstvolle Pause, „ihr seid hier im Reich der Großen Edlen Katzenkönigin!“
„Aha“, sagte Emmilie nur.
Paulinchen konnte es nicht fassen. „In echt?“, fragte sie und schaute die Weißschwarze mit großen Augen an. „Und wo ist die – die große Eltern-Katzenkönigin?“
„Doch nicht Eltern!“, brauste die Weißschwarze auf. „Edle Katzenkönigin, du dummes Ding.“ Sie fuhr die Krallen aus und wollte schon mit der Pfote ausholen, da mischte sich die Schwarzweiße ein: „Nicht doch, Minz! Sie weiß es nicht besser. Woher soll sie es auch wissen. Die beiden sind heute zum ersten Mal hier.“
„Musst du dich in alles reinhängen, Munz!“, ereiferte sich die Weißschwarze. „Immer verdirbst du alles. Aber gut!
Wenn sie zu ihrer Majestät, der Katzenkönigin, wollen, haben sie noch einen langen Weg vor sich. Da erleben sie noch genug. Das wird ihnen die Dummheit austreiben. - Wollt ihr zu Ihrer Majestät, der Katzenkönigin?“, wandte sie sich barsch an die Kinder.
„Warum nicht?“, sagte Emmilie und gähnte.
„O ja, das wäre toll! Ich habe noch nie eine Katzenkönigin gesehen. Wo ist sie denn?“ Paulinchen war Feuer und Flamme.
„Wartet ab!“, sagte die Weißschwarze, und es klang wie eine Drohung. „Wir werden euch sagen, wie ihr gehen müsst“, sagte die Schwarzweiße und es klang ganz freundlich.
Hand in Hand gingen die Schwestern über die Wiese – oder den Teppich. Ganz am Ende, dort, von wo ein schwaches Licht herüberleuchtete, würden sie in Empfang genommen und weiter begleitet. Jedenfalls hatten das die beiden Katzen versichert.
„Warum könnt ihr uns nicht führen?“, hatte Paulinchen gefragt.
„Wir sind die Wächterkatzen“, hatte die Weißschwarze stolz erklärt. „Wir müssen den Eingang zum Königinnenreich schützen. Die Große Edle Katzenkönigin hat viele Feinde. Immer wieder fallen Horden aus dem Reich des Hundekönigs ein.“
„Ja“, hatte die Schwarzweiße ergänzt, „auch der Adlerkönig schickt immer wieder Boten vorbei, die sollen prüfen, ob ein Einmarsch möglich ist.“
„Adler können doch fliegen“, hatte Emmilie gemeint. „Was wollt ihr denn gegen die ausrichten?“