0,49 €
Die Völkerwanderung von Hermann Lingg ist ein Nachdruck der Originalfassung in 3 Bänden (1866-1868). Die Völkerwanderung: Band 3, Teil 2 umfasst: Vierter Gesang. Der Seekönig. Fünfter Gesang. Untergang des Vandalenreiches.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 58
Autor: Hermann Lingg
Nachdruck der Originalfassung (1866-1868, erschienen im Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung, Stuttgart)
Aus Schwert und Spang', entsargt dem Erdenschoße, Sprüht noch des Helden Seele, der es schwang, Im Schild noch, der getrotzt dem Lanzenstoße, Im Eisenpfeil. Es führt euch mein Gesang An das Vandalengrab, das riesengroße, Am fernen Seestrand, wo vom Untergang Des ganzen Volks kein Stein mehr spricht im Grunde, Und keine Sage geht und keine Kunde.
Von grimmen Thaten, ungeheurem Fluche, Von Leiden, wie kaum je ein Herz erfuhr, Lebt das Gedächtniß nur noch in dem Buche, Im Denkmal einer fremden Sprache nur. Mit Wehmuth las ich es; ich sucht' und suche Aus längst verscholl'nen Worten Spur an Spur, Ob von dem untergangnen Volksstamm wieder Noch tönen irgendwo die alten Lieder.
Ach! blühte doch am Strom der Weltgeschichte Nur eine Sage noch aus jener Zeit, Und zeigte noch in ihrem eignen Lichte Die tiefe Seele jener Welt, so weit, So fern von uns, durch klügelnde Berichte Entkleidet ihrer alten Herrlichkeit! Ein Lied, ein mächtig Lied aus jenen Tagen, Wie ließ es höher unsre Herzen schlagen!
Wie zärtlich, Epheu! schmückt dein Laub die Linde, Den hohlen Stamm vom alten Ulmenbaum Im tiefsten Schattendunkel. Hauch der Winde Durchflüstert deine zarten Zweige kaum; Du rankst um morsch Gestein mit grüner Binde, Um alte Mauern wie ein Jugendtraum. Verbunden mit der schwesterlichen Rebe Umflogst du einst des Bacchusfestes Stäbe!
O nichts mehr heut von jener Träume Wiegen, Geliebter Hain, in deiner Zweige Dom! Ich seh' zum Ziel die grünen Kränze fliegen Fern in Konstantinopels Hippodrom, Um zu verherrlichen den Glanz von Siegen Justinians, des Herrschers beider Rom, Der selbst indeß der Göttin Unterjochter, Der Schönheit ist, von Cyperns brauner Tochter.
Akazius, sein Wärter der Hyänen, Sein Tigerbändiger und Löwenwart, Sein Ordner bei den Festen der Arenen, Lag eines Morgens ausgestreckt, erstarrt Auf seinem Bett, auf seines Löwen Mähnen; Die Sklaven haben ihm ein Grab gescharrt; Und die drei Mädchen, die er Töchter nannte, Verließen arm das Haus, und wie Verbannte.
Sein Kleinstes trug er oft wie eine Schlange Im Circus auf den Schultern früh und spät, Und sanft gelehnt an seines Vaters Wange, Erschien es hold, und doch voll Majestät. Die Panther krallten um die Eisenstange, Und wie ein Mensch, der sich nicht gern verräth, Sah'n scheu sich um wie blutbefleckte Sieger Die beiden ungezähmten Königstiger.
Der Alte warf den Schlangen ihre Köder, Ihr Fleisch den Katzen vor, und sprach kein Wort, Und als er todt war, führten Fremde, Meder, Den Elephanten und die Löwen fort. Die Tage Theodora's wurden öder; Man brachte sie nach keinem guten Ort. Den Schwestern trug sie, fern vom Grab des Vaters, Die Sessel nach am Eingang des Theaters.
Im Pfuhl der Stadt, im Schmutz der letzten Straßen, Am lauten Tag bekränzt und bettelnd stehn, Die Flöten und die Backen aufzublasen, Das war der Aermsten Loos. Wenn müd vom Gehn Die Schwestern vor dem Hofthor niedersaßen, Ward Theodora's Mimik noch gesehn, Doch mehr, weil ihre Reize mehr gefielen, Als ihr Geberdenspiel und Flötenspielen.
Wenn ihre Schwestern in den Reigentänzen Sich Ruhm erwarben, und manch' goldnen Kranz, So war's, wie vor den Tigern einst zu glänzen, Ihr Loos jetzt – vor dem Pöbel von Byzanz. Das Unglück aber sah von jenen Kränzen Hernieder zu der stillen Thränen Glanz; Und ein Erbarmer der gefallnen Seelen Verwandelte die Thränen in Juwelen.
Und eines Tags, an dem in vollem Glanze Der ganze Hof und ganz Byzanz erschien, Erblickte man in einem neuen Tanze Zum erstenmal die schöne Ionierin. Sie stellte Daphnen dar, sie ward zur Pflanze, Zum Lorbeerbaum, und schien noch so zu fliehn; Des Kaisers Blicke liebten auszuruhen Auf ihrer Füße goldgestickten Schuhen.
Als sie darauf vom Beifallsruf der Scenen Verschwunden war, und eine wilde Nacht Der Sünden und des Elendes mit Jenen, Die kein Erbarmen kannten, zugebracht, Empfand ihr Herz mit einemmal ein Sehnen Nach einem neuen Dasein, und die Macht Der Reue über ihr vergangnes Leben Ließ heiße Thränen ihrer Brust entbeben.
»Zu Schiffe!« rief ihr Käufer ohne Gnade, Der reiche Syrier Eccebolus, Und als er nach dem lyrischen Gestade Mit ihr dahinfuhr, flehend um den Kuß, Den theuer er erkauft, sieh' da, gerade Auf seines flog ein Boot im Wogenschuß, Und Alles schrie: »Wir werden's schwer bezahlen, Seeräuber sind es, Herr! es sind Vandalen!« –
»Setzt alle Segel bei, spannt eure Bogen! Wehrt euch!« – »Vergeblich, Herr, wir sind zu schwach!« Und näher kam's, und sausend hergeflogen Hoch in den Wellen sprang's, und jetzt ein Krach, Ein Donner und ein Sturz gewalt'ger Wogen, Es brach das Zelt, es sank das Purpurdach, Und aus den Fluthen, eisern, auf's Verdecke, Und schuppig wie ein Meergott, sprang ein Recke.
Als ob der Augenblick ihm Alles sage, Ergriff den Syrier seine Faust, er schwang Und warf ihn in das Meer. Mit stummer Frage, Und leuchtend ruhten seine Blicke lang Auf Theodora, daß sie bleich und zage Vor ihm zu Boden sank. Die Fluth schon drang Bordüber, – Beide fühlten doch kein Grauen, Versunken Eines in des Andern Schauen.
Gebannt von seiner Augen strengem Blitze, Las sie das Staunen, das darinnen stund; Wie solchen Schönheitsglanz die Welt besitze – Sie sah es nicht, daß schon vom Meeresgrund Der Tod herauf an ihre Wangen spritze, An ihre Wimpern, und den bleichen Mund, Dagegen dem Vandalen schien das Tosen Der Wogen nur ein Jauchzen und ein Kosen.
Erst als die Fluth sie fortzureißen drohte, Umschlang er sanft der Griechin schönen Leib, Und trug sie so hinüber nach dem Boote. Die Seinen schrieen; »Gelimer! dieß Weib Ist eine Buhl'rin, straf' sie mit dem Tode!« Er aber sprach; »Nein, diese Meerfei bleib'! Dort in Byzanz setz' ich sie ans Gestade, Dann mag sie gehn, und suchen Gottes Gnade!«
Beschwingten Laufs durchfuhr das Schiff die Welle, Erreichte das Gestad', und setzte dort Die Griechin aus an einer öden Stelle, Dann wandte sich's, und blitzschnell fuhr es fort. Sie sah um sich, da war nicht Baum noch Quelle, Nur spärlich Gras, vom Sonnenbrand verdorrt, Und Klippen nur und Felsen, eine Wüste – Die lautlos, todt und finster sie begrüßte.
Umklammernd lag sie, zitternd an die Steine Ihr pochend Herz gepreßt, voll Seelenqual. Bei Tagesfrüh, beim letzten Sternenscheine Erreichte sie die Stadt verhüllt – befahl, Und weihte bei der ärmsten Christgemeine Den Kranken sich. Die unerhörte Wahl, Der Eifer, den die Büß'rin bald bewiesen, Ward überall bekannt, und laut gepriesen.
Indeß sie so dem Glück der Welt verloren, In Noth und Armuth büßte die Vergehn, Ward betend einst vor seiner Hofburg Thoren Die Fromme von Justinian gesehn, Und von dem ersten Römer auserkoren, Rief ihr ein Wink zu nah'n. Sie trat vor den, Zu dessen Weib der Himmel sie berufen, Und bald mit ihm hinan des Thrones Stufen.
Erleuchtet schien von pechgefüllten Pfannen Byzantiums Burg, in heller Kerzen Strahl. Vom Tage der Verlobung an begannen