Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 512 - Karin Weber - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 512 E-Book

Karin Weber

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Beschreibung

Der berühmte Romanschlager aus der goldenen Zeit der Unterhaltung - komplett als Trilogie in der BASTEI-Reihe "Die Welt der Hedwig Courths-Mahler"! Lesen Sie jetzt den dritten Teil des spannenden, großen Familienromans unter dem Titel:

Verletzte Frauenehre

Beim Notar trafen sie sich wieder. Ragnhild saß schon im Vorzimmer, als ihr Mann, Professor Hilmer Imhoff, eintrat. Sie stand auf, ging ihm ein paar Schritte entgegen und neigte grüßend den Kopf. Ihm die Hand zu bieten, vergaß sie.

"Dr. Wilhelmi erwartet uns", sagte sie nur.

"Bitte." Der Professor öffnete seiner Frau die Tür. Er glaubte zu wissen, weshalb sie ihn herbestellt hatte: Ragnhild würde die Scheidung einreichen. Es sprach nicht für sie, dass sie ihm keine Gelegenheit zu einer Aussprache gegeben hatte, aber Professor Imhoff konnte es ihr eigentlich nicht übel nehmen.

Auch Sie werden den Ausgang dieser Ehetragödie, den Schluss der großen Romantrilogie voller Ergriffenheit lesen.

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Seitenzahl: 137

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Inhalt

Cover

Impressum

Verletzte Frauenehre

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Coy_Creek / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0100-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Verletzte Frauenehre

Alles Geld brachte Ragnhild kein GlückDritter abgeschlossener Teil

An diesem Tage heiratet Ragnhild den Mann ihrer Träume, Professor Hilmer Imhoff, und sie ist die glücklichste Braut der Welt. Einfach entzückend sieht sie aus in ihrem Brautkleid, doch noch auf der Feier stürzt sie vom Gipfel der Glückseligkeit in ein tiefes Tal bitterer Tränen. Ihrer Widersacherin Ella Kampe gelingt es, Misstrauen zwischen den Eheleuten zu säen und das gegenseitige Vertrauen und die Liebe durch einen geschickten Schachzug zu zerstören. Wo soeben noch Zärtlichkeit und Liebe regierten, gibt es nur noch Kälte und Zurückweisungen.

Ein tiefer Abgrund tut sich zwischen den Frischvermählten auf, und es sieht nicht so aus, als könnten sie diese Kluft jemals wieder überwinden …

Die Kampesche Villa lag weit von der Straße ab und war im Sommer durch Bäume und Büsche neugierigen Blicken verborgen. Jetzt, im Herbst, konnte man sie sehen, besonders dann, wenn die Räume so hell erleuchtet waren wie an diesem Abend.

Es wurde eine Hochzeit gefeiert, und in den großen Räumen der Villa wurde getanzt. Die älteren Herrschaften saßen in den kleineren Nebenräumen bei ihren Zigarren und genossen reichlich die erlesenen Getränke, die in unbegrenzter Menge angeboten wurden.

Der Hausherr, Lüder Kampe, war stolz auf diesen wirklich gelungenen Abend, und man sparte nicht an Worten der Anerkennung, die er, wie er wohl wusste, redlich verdient hatte.

„Großartig“, lobte auch seine Frau Therese ihn, als er neben ihr stehen blieb. „Ich wünschte nur, unsere Ella wäre heute die glückliche Braut.“

Ihr Blick suchte die Tochter, die neben ihrem Verlobten Frank Hübner in der Nähe einer Säule stand und sehr heftig und offensichtlich wütend auf den gut aussehenden Mann einsprach, dessen Miene nicht in diese festlichen Räume hineinpasste. Er sah aus wie ein Mensch, der gerade einen großen Verlust erlitten hatte und ihn nicht verwinden konnte.

„Ja, du denkst immer an Ella“, sagte der alte Herr, während sein Blick die Hauptperson dieses Festes umfing, die kleine Ragnhild Nielsen, die heute ihren Namen gewechselt hatte. Sie war die Frau des berühmten Arztes Professor Hilmer Imhoff geworden, und es gab nur wenige weibliche Gäste, die sie nicht um den attraktiven Arzt beneideten.

Der Frack stand ihm vorzüglich, er konnte tanzen wie ein junger Gott, aber das war, wie die Herren neidisch feststellten, mit solch einer entzückenden Frau auch kein Wunder.

Ragnhild war ein Mädchen, von dem jeder Mann träumte. Es lag nicht allein an ihrer Schönheit, die in dem aparten Brautkleid besonders hinreißend wirkte, sondern vielmehr an dem Charme, den sie ausstrahlte.

„Die beiden sind glücklich“, sagte Lüder Kampe und nickte zufrieden. Ragnhild hatte als arme Verwandte in seinem Hause gelebt und kein beneidenswertes Dasein geführt, weil seine rothaarige Tochter Ella sie mit ihrem Hass und Neid verfolgt und ihr das Leben zur Hölle gemacht hatte.

Aber jetzt war sie glücklich, sie hatte den besten Mann der Welt. Lüder Kampe traute sich schon zu, den Wert eines Mannes beurteilen zu können.

Ragnhild strahlte, wie man es von ihr erwartete. Sie gab ihren Tänzern witzige Antworten und wanderte von einem Arm in den anderen.

Und niemand, nicht einer von all den vielen, die mit ihr für die Dauer eines Walzers oder Tangos über das Parkett glitten, ahnte, dass ihr Herz weinte, während ihr Mund lachte.

Sie war so glücklich gewesen, die kleine Ragnhild, noch am Morgen dieses Tages hätte sie mit niemandem auf der Welt getauscht. Sie hatte sich für ein armes Mädchen gehalten und geglaubt, dass Hilmer Imhoff sie nur aus Liebe heiratete, und vor ein paar Stunden hatte Ella ihr lässig mitgeteilt, dass sie in Wirklichkeit eine reiche Erbin war.

Sieben Millionen Dollar warteten auf sie, und Hilmer hatte es gewusst, während sie ahnungslos an das Glück an seiner Seite geglaubt hatte. Er hatte es gewusst und sie gefragt, ob sie seine Frau werden wolle.

Sie kannten sich schon länger, und er war immer freundlich und zuvorkommend gewesen, aber ihres Geldes wegen hatte er sie nun zu seiner Frau gemacht. Er wollte seine Klinik ausbauen und brauchte riesige Summen, die ihm die Banken verweigerten. Ella hatte angedeutet, dass Imhoff nicht zögern würde, eine reiche Erbin zu heiraten.

Und wie glücklich war Ragnhild gewesen, als seine Wahl auf sie gefallen war, das vermeintlich arme Mädchen, und wie tief ihre Enttäuschung und Erbitterung, als sie die Wahrheit erfahren hatte.

Aber sie lächelte. Niemand brauchte schließlich zu wissen, wie es in ihr aussah, sie war viel zu stolz, um der Welt ein Schauspiel zu geben.

Ragnhild Imhoff lächelte, aber nicht mit ihren Augen. Die waren groß und dunkel, und manchmal suchten sie den Professor, dessen Pflicht es war, mit anderen Damen zu tanzen, und manchmal trafen sich ihre Blicke.

Der Mann senkte die Lider jedoch nicht und hielt ihrem Blick stand, als brauchte er sich nicht zu schämen, sie so gemein getäuscht zu haben. Es wurde gemunkelt, dass er früher häufig mit einem Fräulein Brandenburg zusammen gewesen sei, und sie besaß Millionen.

Aber natürlich nicht so viel, wie Ragnhild selbst zu erwarten hatte. Und deshalb hatte der kluge Rechner Hilmer Imhoff sie gewählt und keine andere.

Und er war sogar so klug gewesen, von Liebe zu ihr zu sprechen, und sie war so dumm gewesen, ihm alles zu glauben. Ihr Gesicht wurde blass, als sie sich erinnerte, ihm ins Ohr geflüstert zu haben, was er ihr bedeutete. Wie mochte er innerlich gelacht haben, als er gehört hatte, dass seine kleine Braut ihn liebte. Wie mochte er sich die Hände gerieben haben, wenn er allein war, weil alles so prächtig klappte.

„Der Walzer gehört uns beiden“, sagte ihr Mann, verneigte sich vor ihr und zog ihren Arm unter seinen.

„Wie gut du das alles weißt“, sagte seine Frau bitter. „Du bist wirklich außerordentlich klug.“

Hilmer hatte ebenfalls große Mühe, die Maske der Freundlichkeit zu wahren, aber genau wie seiner jungen Frau gelang es ihm, das Spiel mitzumachen.

Auch er hatte heute Morgen erst aus Ellas Munde erfahren, dass seine junge Frau eine reiche Erbin war, aber Ragnhild schien ihm nicht zu glauben, dass die Tochter des Hauses ihre Eröffnung so sehr hinausgezögert hatte.

Sie waren vom Standesamt gekommen, zwei glückliche, verliebte junge Menschen, und während Ragnhild sich für die kirchliche Trauung umgekleidet hatte, war Ella zu ihm in den Salon gekommen.

„Meinen Glückwunsch, Professor, Sie haben es geschafft, die reichste Erbin zu ergattern“, hatte sie gesagt.

Für Imhoff war es zu spät gewesen, die Konsequenzen zu ziehen, denn ein stolzer Mann wie er eignete sich nicht zum Prinzgemahl. Er wollte selbst für seine Frau sorgen.

„Du tanzt gut“, stellte Ragnhild gelassen fest. „Aber was machst du nicht gut“, setzte sie sofort bitter hinzu.

„Wir müssen uns aussprechen. Du befindest dich in einem schrecklichen Irrtum“, stieß der Arzt hervor. „Vergiss doch nicht, dass wir beide uns …“

„Spar dir deine Worte, du brauchst dich wirklich nicht zu bemühen, die anstrengende Komödie aufrechtzuerhalten.“

Die anderen Gäste waren an den Rand der Tanzfläche zurückgetreten und schauten bewundernd auf das elegante Paar, das den Wiener Walzer vollendet tanzte. Niemand hörte, was die beiden sprachen.

„Du glaubst mir nicht?“, fragte Hilmar drohend, während sein Mund lächelte. „Du hältst mich für einen Mitgiftjäger?“

„Ja“, bestätigte Ragnhild, und auch sie lächelte. „Aber das braucht dich nicht zu betrüben, mir genügt es, deinen Namen zu tragen.“ Der Professor blieb mitten im Takt stehen, verneigte sich, bot ihr den Arm und führte sie an das Büfett.

„Wir müssen anstoßen, Schatz“, schlug er vor. „Worauf?“

„Auf unser Glück“, gab Ragnhild zurück. Ihre Worte waren bittere Ironie, aber niemand von den Umstehenden, die sie hörten, ahnte es. Die Gäste fanden es selbstverständlich, dass eine junge, strahlende Braut mit ihrem jungen, strahlenden Mann auf ihr Glück anstoßen wollte.

Die beiden stießen miteinander an, und ließen die Gläser klingen.

Dann ließ sich Ragnhild von einem anderen Herrn zur Tanzfläche geleiten. Sie hatte Pflichten, und sie erfüllte sie selbstverständlich.

Es ging niemanden etwas an, dass Hilmer sie nur ihres Geldes wegen geheiratet hatte, es genügte vollkommen, wenn sie es wusste.

„Das Herz wird einem richtig weit, wenn man die beiden sieht“, stellte Vater Lüder fest, und sogar seine Frau wischte sich verstohlen eine Träne aus den Augenwinkeln.

„Ellas Hochzeit wollen wir auch so groß feiern“, sagte sie leise.

Ihr Mann ließ sie stehen, ohne zu antworten. Er machte sich keine Illusionen mehr über den Charakter seiner ältesten Tochter, die vollkommen missraten war.

Ella hatte ein hübsches Gesicht und eine schlanke, biegsame Figur – und dabei das Herz eines Satans.

♥♥♥

„Das hätten wir hinter uns, Gott sei Dank“, stellte die junge Frau aufatmend fest, als ihr Mann die Wagentür hinter sich zuschlug. „Ich hätte es auch nicht mehr lange durchgehalten.“

Professor Imhoff fuhr nicht sofort an, sondern blieb, die Hände ruhig auf dem Steuerrad haltend, eine volle Minute unbewegt sitzen.

„Das, was heute geschehen ist, kam auch für mich überraschend.“

„Das glaube ich“, erwiderte Ragnhild. „Aber ich möchte nicht mehr darüber sprechen. Fahr, ich bin müde.“

„Du glaubst also, den Stab über mich brechen zu können?“, fragte er verhalten.

„Ich möchte dich bitten, endlich zu fahren, Hilmer. Ich bin müde“, wiederholte seine junge Frau.

„Gut, wie du willst.“ Professor Imhoff drehte den Zündschlüssel und ließ den Motor im Leerlauf aufheulen. Er sagte während der Fahrt zur Klinik, in der er auch wohnte, kein einziges Wort, und auch Ragnhild verzichtete auf den Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen.

Es war kurz nach Mitternacht. Als junges Paar durften sie als Erste aufbrechen, man hatte es sogar erwartet und verständnissinnig geschmunzelt, als die beiden sich fortgeschlichen hatte.

„Ich muss mit dir sprechen.“ Hilmer folgte ihr in den Salon und lehnte sich gegen die Kaminwand. „Es geht nicht, dass wir beide mit solch einem Missverständnis unsere Ehe beginnen.“

Ragnhild, noch immer in ihrem entzückenden Brautkleid, setzte sich in einen Sessel und schlug die Beine lässig übereinander.

„Du hältst mich für einen Schuft“, stieß ihr Mann heiser hervor. „Du glaubst tatsächlich, ich wolle nur dein verdammtes Geld.“

Ragnhild schaute auf ihre Fingerspitzen, ohne etwas zu erwidern.

Hilmer knirschte hörbar mit den Zähnen.

„Ich habe dich geliebt“, sagte er schwer, „und ich liebe dich auch jetzt noch, Kleines.“ Er stieß sich von der Wand ab und kam auf sie zu. „Lass doch diese Erbschaft nicht zwischen uns stehen. Was ändert das Vermögen denn schon an unserer Liebe?“

Ragnhild hob kurz den Kopf zu ihm empor.

„Viel“, meinte sie gelassen. „Alles sogar. War es das, was du mit mir besprechen wolltest? Ich bin sehr müde und möchte schlafen gehen.“

„Ich verstehe, dass du gekränkt bist, aber glaube mir bitte, ich habe dich nicht des Geldes wegen geheiratet. Ich wusste doch gar nicht, dass du eine reiche Erbin bist.“

Ragnhild gähnte und hielt die Rechte vor den Mund.

„Gute Nacht“, wünschte sie.

Imhoff packte ihre Arme, und sein Gesicht war weiß vor Zorn.

„Glaube nicht, dass du mit mir spielen kannst“, knirschte er. „Ich denke nicht daran, mir deine Launen gefallen zu lassen, nur weil du plötzlich vermögend bist. Du bist meine Frau, verstehst du, und …“

„Du irrst dich.“ Ragnhild löste seine Finger von ihren Armen und trat gelassen einen Schritt zurück. „Ich trage deinen Namen. Wir sind verheiratet, aber ich bin nicht deine Frau. Und ich werde auch nicht deine Frau.“

Hilmer fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Etwas in seinem Blick ließ Ragnhild erschauern.

„Sei unbesorgt, ich hatte nicht die Absicht, dich zu belästigen“, sagte er. „Ich werde in meinem Arbeitszimmer schlafen. Morgen kann das Mädchen die Möbel umstellen.“

„Sehr rücksichtsvoll von dir.“ Ragnhild neigte dankend den Kopf. „Hoffentlich ist der Diwan in deinem Arbeitszimmer nicht zu hart. Ich würde dir empfehlen, in einem Gastzimmer zu schlafen. Minna kann dir schnell ein Bett beziehen. Gute Nacht.“ Ragnhild schritt in ihrem langen weißen Brautkleid hinaus.

Der Mund des Mannes wurde trocken, als er ihr nachschaute. Der Kronleuchter ließ ihr goldblondes Haar glänzen, es sah aus wie gesponnenes Gold, und er liebte sie.

Und dann klappte die Tür hinter ihr zu. Das war ihre Hochzeitsnacht. Ragnhild verbrachte sie in dem wunderschönen Schlafzimmer, und das Bett neben ihr blieb leer.

Die junge Frau lag auf dem Rücken und fand keinen Schlaf. Sie weinte, aber lautlos, damit niemand sie hörte.

So glücklich war sie gewesen, so unendlich glücklich, und nun war alles vorbei, was ihr das Leben lebenswert machte. Jedem vernünftigen Mädchen wäre es von Anfang an klar gewesen, dass ein Mann wie Hilmer kein Mädchen wie sie zur Frau wählte, wenn es keine guten Gründe dafür gab. Aber sie war eben dumm, weil sie ihn so liebte, und Liebe machte schwach.

In diesen Nachtstunden schwor Ragnhild sich, immer hart zu bleiben, hart gegen sich und ihr dummes, törichtes Herz, das sich noch immer nach dem Mann sehnte, den sie nur verachten konnte.

Hilmer ging in seinem Arbeitszimmer auf und ab, zog die Bilanz seines Lebens und fand, dass es ein Misserfolg war. Und dabei hatte er es weit gebracht.

Professor Doktor Doktor Hilmer Imhoff war noch jung und doch schon Besitzer einer großen, berühmten Privatklinik, um die unzählige Kollegen ihn beneideten. Von nah und fern kamen Patienten, um sich von ihm operieren zu lassen.

Aber es war ihm nicht gelungen, im Herzen der Frau, die ihm alles bedeutete, Liebe zu wecken. Hilmer dachte an Frank Hübner, der sich damals mit Ragnhild hatte verloben wollen, und er dachte daran, dass seine Frau ihm einmal gesagt hatte, sie liebe Frank.

Frank war das genaue Gegenteil von ihm, ein fröhlicher, unbekümmerter Mann, der gern und oft lachte, der Frauen zu nehmen verstand, der ihnen Komplimente machte, die sie erröten ließen.

Hilmer war ernst und schwerblütig und nahm alles viel zu wichtig. Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, mit der Liebe zu spielen.

Wie glücklich war Ragnhild damals gewesen, dass Frank sie heiraten wollte. Hilmer erinnerte sich noch gut an ihre bittere Verzweiflung, als Hübner sie am Abend ihrer Verlobung im Stich gelassen und Ella vorgezogen hatte.

Sie hatte das Kampesche Haus, in dem sie nach dem Tod ihrer Eltern ein neues Zuhause gefunden hatte, fluchtartig verlassen, so sehr hatte Hübners niederträchtiges Verhalten sie getroffen.

Und er, Hilmer Imhoff, hatte Ragnhild seine Liebe förmlich aufgedrängt, sie ihr in einem Moment gestanden, in dem das Mädchen nach einer Pilzvergiftung schwach und krank in seiner Klinik gelegen hatte.

Er hatte sie überrumpelt, machte Hilmer sich klar, und während er immer hastiger auf und ab ging, fragte er sich, wie sein Leben weitergehen sollte. Er liebte die Frau, die er geheiratet hatte, und sie war doch weiter von ihm entfernt als jemals zuvor. Sie würden unter einem Dach leben, er würde sie beim Frühstück sehen, beim Mittagessen und abends, wenn sie im Salon vor dem Kamin saßen.

Und immer würde er sie lieben, denn seine Gefühle gingen tief.

Was sollte er tun? Was konnte er überhaupt tun? Ragnhild freigeben, fortschicken, ihr sagen, sie möge sich einen anderen suchen, vielleicht wieder Frank, der bestimmt bereit sein würde, sie mit ihren sieben Millionen Dollar zu heiraten?

Es wäre vielleicht der vernünftigste Entschluss gewesen, aber für Hilmer undurchführbar. Er liebte seine Frau, die sich in ihrem Schlafzimmer eingeschlossen hatte, die Frau, die ihn verachtete.

Ich werde so tun, als sei in unserer Ehe alles in bester Ordnung, entschloss er sich. Vielleicht wird Ragnhild ihr Urteil über mich ändern.

Hilmer sah keine andere Möglichkeit, denn er wollte Ragnhild auf keinen Fall verlieren. Er liebte sie.

♥♥♥

„Hast du gut geschlafen?“, fragte Ragnhild am nächsten Morgen, als Hilmer das Speisezimmer betrat. Sie saß schon wartend am Tisch, und selbst die Schatten des frühen Tages konnten nicht verbergen, dass sie schlecht geschlafen hatte.

Ihr gespielt munterer Ton täuschte Hilmer nicht. Auch ihm sah man an, dass schwere Sorgen ihn bedrückten.

„Nein“, sagte er. „Hattest du es erwartet?“

„Wie viel Zucker nimmst du in den Kaffee?“, fragte seine junge Frau. Sie hatte ihm den Kaffee eingegossen und griff jetzt nach der Dose.

„Gar keinen Zucker und auch keine Milch. Ich trinke ihn schwarz.“

„Ich auch“, gestand Ragnhild.