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Ich werde zu dir stehen
Schicksalsroman um das Liebesglück einer jungen Ärztin
Von Karin Weber
Die junge Ärztin René Petra Mathissen hat einen schweren Stand, als sie als neue Kollegin an die Chirurgische Klinik kommt. Sie hat glänzende Zeugnisse, doch man traut ihr nichts zu, sie ist eben eine Frau. So teilt man ihr die unbeliebten Arbeiten zu, lässt sie nicht selbstständig Operationen vornehmen, sondern nur assistieren, und zu allem Überfluss muss sie wie eine Anfängerin bei Klinikchef Professor Roderich Kolbe die Visite begleiten.
Doch René beißt sich durch, denn sie lebt für ihren Beruf, und sie will es dem begnadeten Chirurgen Kolbe beweisen, dass sie als Ärztin ihren Mann stehen kann ...
Renés Chance kommt schneller als gedacht, denn während einer schwierigen Operation bricht Professor Kolbe bewusstlos zusammen. Nun muss René allein weiteroperieren, und es geht um Leben und Tod ...
Dieser besondere Roman unserer beliebten Autorin Karin Weber ist wirklich ein Glanzstück. Lassen Sie sich ein auf diese ergreifende Geschichte um eine tapfere Ärztin, und schenken Sie sich ein unvergleichliches Leseerlebnis.
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Seitenzahl: 140
Cover
Impressum
Ich werde zu dir stehen
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BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: AbimelecOlan / iStockphoto
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-7887-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Ich werdezu dir stehen
Schicksalsroman um das Liebesglück einer jungen Ärztin
Von Karin Weber
Die junge Ärztin René Petra Mathissen hat einen schweren Stand, als sie als neue Kollegin an die Chirurgische Klinik kommt. Sie hat glänzende Zeugnisse, doch man traut ihr nichts zu, sie ist eben eine Frau. So teilt man ihr die unbeliebten Arbeiten zu, lässt sie nicht selbstständig Operationen vornehmen, sondern nur assistieren, und zu allem Überfluss muss sie wie eine Anfängerin bei Klinikchef Professor Roderich Kolbe die Visite begleiten.
Doch René beißt sich durch, denn sie lebt für ihren Beruf, und sie will es dem begnadeten Chirurgen Kolbe beweisen, dass sie als Ärztin ihren Mann stehen kann …
„Herein!“, rief Professor Kolbe, als schüchtern an der Tür seines Dienstzimmers geklopft wurde. Fragend schaute er auf die Schwester, die unter seinem Blick errötete und verlegen lächelte.
„Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie Kaffee haben möchten, Herr Professor“, brachte sie stockend hervor. Unter dem Blick des Arztes wurde ihre Stimme immer schwächer, zum Schluss flüsterte sie fast nur.
Roderich Kolbe lächelte sarkastisch.
„Hätte ich Kaffee gewünscht, dann hätte ich es Sie wissen lassen, Schwester Irmhild. War sonst noch etwas?“ Er hasste unnötige Störungen bei seiner Arbeit.
„Nein, eigentlich nicht.“
„Was heißt eigentlich?“, fragte er unmutig.
„Nichts. Es ist nichts mehr, Herr Professor. Bitte entschuldigen Sie die Störung, ich dachte nur …“
Sie hatte völlig den Faden verloren, während sie über und über errötete.
„Es ist gut, Sie können gehen. Ach, noch eins! Wenn der neue Kollege kommt, führen Sie ihn sofort zu mir. Ich erwarte Doktor Mathissen um elf Uhr fünfzehn.“
„Jawohl, Herr Professor.“
Schwester Irmhild stolperte hinaus, holte draußen ein paarmal tief Luft.
Ihre Kollegin Viktoria lächelte mit verständnisvoller Nachsicht.
„Hat er dich wieder abblitzen lassen?“, fragte sie. „Wann wirst du endlich merken, dass er sich wirklich nichts aus Frauen macht!“
„Du kannst leicht reden.“ In Irmhilds Augen funkelten Tränen. „Du liebst ihn ja auch nicht.“
„Stimmt“, räumte Viktoria ein. „In ein Denkmal verliebt man sich nicht. Unser guter Professor ist doch so etwas Ähnliches wie ein Denkmal.“
„Und das schon in so jungen Jahren. Ich habe ein paarmal bei seinen Operationen zugeschaut … Es ist fantastisch, wie er operiert.“
„Ja, für seine Arbeit interessiert er sich. Und für seine Patienten. Darüber hinaus für nichts, Irmhild. Es wäre gut, wenn du das endlich einsehen würdest.“
„Das ist so leicht gesagt. Ich träume immer von ihm. Ich kann nachts nicht schlafen, weil ich an ihn denken muss. Er ist so furchtbar einsam, Viktoria.“
„Quatsch!“, erklärte die Schwester energisch. „Er ist nicht einsam, er hat seine Arbeit, und die genügt einem Mann vollkommen.“
„Das glaube ich nicht. Er braucht doch bestimmt mehr. Ein bisschen menschliche Wärme, jemanden, der ihn liebt.“
„Wenn er das wollte, würde er sich einen Hund zulegen, möchte ich wetten“, meinte Schwester Viktoria burschikos. „Du bist nicht die Erste, die für ihn schwärmt. Und wenn du es ihm zu deutlich zeigst, dann wird er dich versetzen lassen.“
„Nein, das darf nicht sein! Wenn er mich aus seiner Nähe verbannte … Du glaubst ja nicht, wie mein Herz klopft, wenn er auf unserer Station Visite macht.“
„Kindskopf!“, äußerte Schwester Viktoria nachsichtig. „Such dir einen anderen netten Mann.“
„Mit Roderich lässt sich kein anderer vergleichen.“
„Lass ihn bloß nicht hören, dass du ihn Roderich nennst!“, warnte Schwester Viktoria. „Vertraulichkeiten liebt er ganz und gar nicht.“
„Was soll ich machen? Ich würde alles für ihn tun, Viktoria!“
„Wie gut, dass er nicht haben will, was du ihm geben möchtest. Es wäre schade um dich, Irmhild. Warte, bis der Richtige kommt. Es hat keinen Zweck, zu versuchen, nach den Sternen zu greifen. Professor Kolbe ist ein hervorragender Arzt, aber er würde einen ungewöhnlich schlechten Ehemann abgeben. Ich würde ihn jedenfalls nicht einmal geschenkt haben wollen.“
Das war eine arge Übertreibung. Schwester Viktoria war nur zu vernünftig, um von einem Mann zu träumen, der ihr absolut unerreichbar war. Sie hielt sich lieber an andere, die ein bisschen menschlicher waren als der hohe Chef.
Dabei spielte Professor Kolbe sich niemals auf, wie es so manche Chefärzte taten. Er besaß eine natürliche Autorität, der sich jeder wortlos beugte. Man spürte, dass er eine Persönlichkeit war.
„Manchmal vergisst er sogar, zu Mittag zu essen“, murmelte Schwester Irmhild.
„Das ist seine Sache. Ich geh jetzt auf die Station.“
„Wir sehen uns beim Mittagessen.“
Irmhild nickte ihrer Kollegin zu. Dann schaute sie noch einmal auf die Tür, hinter der Professor Kolbe an seinem Schreibtisch saß.
***
Gegen elf Uhr fanden sich nach und nach die Ärzte in der Teeküche ein. Sie waren neugierig auf den neuen Kollegen. Zugegeben hätte es allerdings keiner von ihnen.
„Hoffentlich spielt der Neue einen anständigen Skat“, seufzte Dr. Wolter.
Seine Kollegen lachten. Wolter ließ sein Leben fürs Skatspielen, und sein Traum waren Partner, die ihm gewachsen waren.
„Eigentlich müsste er bald kommen“, stellte Schwester Irmhild fest.
„Er soll nur nicht wagen, unpünktlich zu sein!“ Wolter grinste schief. „Dann ist er beim Chef gleich unterdurch.“
Aber Dr. Mathissen, auf den sie hier so ungeduldig warteten, kam nicht.
Nur eine junge Frau stieß die Schwingtür auf, die den Korridor zur Vorhalle hin abgrenzte.
Eine Besucherin offenbar. Dr. Wolter betrachtete sie wohlgefällig. Eine Frau mit solch einer fantastischen Figur bekam man nicht alle Tage zu sehen. Und die Art, wie sie ging …
Am liebsten hätte Wolter nach Gassenjungenart gepfiffen. Diese Frau hätte solch eine Ovation verdient.
„Guten Tag“, wünschte sie, als sie bei ihnen angekommen war. „Ich suche das Dienstzimmer von Herrn Professor Kolbe.“
„Zwei Türen weiter, zur rechten Hand. Sind Sie angemeldet?“, fragte Dr. Wolter neugierig.
Sie hatte die schönsten blauen Augen, die ihm jemals begegnet waren. Krank sah sie nicht aus. Aber dass Kolbe sie jetzt zur Untersuchung bestellt hatte … Jeden Augenblick musste Mathissen doch kommen, um sich vorzustellen.
Da hat seine Sekretärin mal wieder Termine verwechselt, dachte er. Sie kann sich auf einiges gefasst machen.
„Vielen Dank.“ Die junge Dame lächelte ihnen in einer Art und Weise zu, die Wolter das Blut in den Kopf schießen ließ. Er knallte die Hacken zusammen und verneigte sich eckig.
„Uff!“, stöhnte er, als sie weitergegangen war. „So etwas sollte man verbieten. Der Anblick ist nichts für einen schwachen Kreislauf. Man reiche mir ein herzstärkendes Mittel.“
„Tut es auch eine Tasse Kaffee?“, fragte Schwester Viktoria.
Diese Männer, dachte sie. Als Ärzte müssten sie eigentlich klüger sein. Aber Ärzte waren eben auch nur Männer. Schwester Viktoria hatte im Laufe ihrer Berufsjahre alle Illusionen verloren.
„Wer mag sie sein?“, sprach Wolter aus, was alle dachten. Er rieb sich mit der flachen Hand das Kinn. „Wie kann man das herausbekommen?“
„Erkundige dich bei der Sekretärin“, riet ihm sein Kollege Dr. Schmiedinger. „Schenk ihr einen Blumenstrauß, schau ihr tief in die Augen und frag sie nach der Frau.“
„Vielleicht geht es auch ohne Blumen … Hat einer von euch gesehen, ob sie einen Ring trägt?“
Die Herren schüttelten den Kopf.
„Sie trägt keinen Ring.“ Schwester Viktoria hatte als Frau darauf geachtet. „Vielleicht ist sie noch zu haben, meine Herren.“
Dr. Wolter zog seinen Schlips gerade.
„Hmhm!“, machte er und schlenderte hinaus.
Er hielt sich in der Nähe des Chefzimmers auf. Vielleicht brauchte sie jemanden, der ihr den Ausgang zeigte, wenn sie mit der Untersuchung fertig war.
Er hatte die Absicht, sie zu begleiten. Der Bau war verwinkelt, man konnte sich leicht verlaufen.
„Viertel nach“, stellte Dr. Schmiedinger fest. „Und von dem Neuen ist weit und breit nichts zu sehen. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken.“
***
Professor Kolbe stand widerwillig auf, als die junge Dame in sein Zimmer kam. Sein Gesicht wirkte alles andere als verbindlich.
Wer hatte sie hier heraufgeschickt?
Sehr zurückhaltend erwiderte er den freundlichen Gruß der Dame.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er kühl.
„Mein Name ist Doktor Mathissen. Sie hatten mich für elf Uhr fünfzehn bestellt, Herr Professor Kolbe.“
Die Lider des Mannes begannen zu flattern.
„Wie bitte?“ Er war nicht leicht zu verblüffen, aber was er eben hörte, konnte er nicht so schnell verkraften.
„Mein Name ist Mathissen. Sie haben mich als Arzt eingestellt, Herr Professor Kolbe.“
„Nein!“ Nachdrücklich schüttelte der Mann den Kopf. „Ich beschäftige keine Damen auf meiner Station.“
„Bitte sehr, hier ist Ihr Schreiben, Herr Professor.“
Die junge Ärztin öffnete die schmale Aktentasche und zog es heraus.
Professor Kobe warf einen flüchtigen Blick auf das Papier.
„René Mathissen.“ Ein Verdacht kam ihm. „Wir haben selbstverständlich geglaubt, der Vorname René gehöre zu einem Mann. Sonst hätten wir Ihre Bewerbung überhaupt nicht in Erwägung gezogen.“
„Es tut mir leid, dass Sie enttäuscht sind, Herr Professor“, erklärte die junge Dame recht unbeteiligt. „Aber bei einem Arzt sollte es nicht auf das Geschlecht ankommen, sondern darauf, was er kann, meine ich.“
„Wollen Sie mich belehren?“, knirschte Roderich Kolbe. „Ich lehne es ab, mit Damen zusammenzuarbeiten!“
„Sie haben einen Einjahresvertrag unterschrieben, Herr Professor!“
„Weil ich nicht wusste, dass sich hinter dem Namen René eine Frau verbirgt!“, knurrte der Professor. „Warum haben Sie mir nicht geschrieben, dass Sie eine Frau sind?“
„Weil ich nicht wusste, dass es für Sie wichtig ist. Ich glaubte, ein Mann von Ihrem Ruf sei über derartige Vorurteile erhaben.“
„Es ist kein Vorurteil, liebe Kollegin. Ich habe meine Erfahrungen mit Ärztinnen gesammelt. Und ich denke nicht gern daran zurück, das können Sie mir glauben.“ Er warf ihr beim Sprechen einen grimmigen Blick zu.
„Darf ich mich setzen?“, fragte René Petra Mathissen freundlich. „Vielen Dank“, fuhr sie fort, als der Mann sie nur stumm und grimmig anstarrte.
„An Selbstbewusstsein fehlt es Ihnen nicht.“
Professor Kolbe schob seine Hände in die Taschen seines Arztkittels. Die tiefen Falten auf seiner Stirn verrieten Nachdenken.
Fräulein Dr. Mathissen beobachtete ihn lächelnd. Man hätte meinen können, sein Ärger mache ihr Spaß. Auf jeden Fall ärgerte sich Roderich Kolbe über ihre ungespielte Ruhe.
„Was mache ich mit Ihnen?“, überlegte er laut.
„Teilen Sie mir eine Station zu“, erwiderte die junge Ärztin, obwohl ihr natürlich klar war, dass die Frage nicht ihr gegolten hatte.
„Warum haben Sie sich bei mir beworben?“
„Weil ich hoffe, von Ihnen noch etwas lernen zu können, Herr Professor.“
„Tatsächlich, sie will was lernen“, wiederholte der Mann höhnisch. „Sie sind hübsch. Warum haben Sie nicht geheiratet?“
Seine taktlose Frage erschütterte René Mathissen leicht. Sie ließ ihn nicht aus den Augen.
Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, dachte sie dann.
„Vielleicht, weil mir die Männer zu arrogant sind, Herr Professor, und weil ich nicht die Absicht habe, mir von einem Mann etwas sagen zu lassen. Es sei denn, er verstünde in seinem Beruf mehr als ich. Außerdem geht es Sie nichts an, warum ich nicht verheiratet bin.“
„Vielen Dank für den freundlichen Hinweis.“
Professor Kolbe war es nicht gewohnt, dass man ihm in dieser Form entgegentrat.
„Bitte sehr“, erwiderte die junge Dame kühl. Am liebsten hätte sie ihm den Anstellungsvertrag in Gesicht geworfen.
Warum sie es nicht tat, fragte sie sich erst später, und da ärgerte sie sich, nicht früher auf diesen Gedanken gekommen zu sein.
„Sie sind reichlich keck, meine liebe junge Dame“, stellte Professor Kolbe eisig fest, „Ich bin es nicht gewohnt, dass man so mit mir spricht.“
„Tatsächlich“, wunderte sich Fräulein Mathissen. „Stellen Sie sich vor, ich auch nicht.“
Professor Kolbe holte tief Luft. Dass dieses Frauenzimmer immer das letzte Wort behalten wollte!
Sogar die Lippen hatte sie sich nachgezogen. Das liebte er gerade!
Wie wollte so eine den schweren Dienst körperlich durchhalten? Die Frauen hatten doch alle Augenblicke etwas, waren unzuverlässig und unberechenbar.
In seiner Abteilung herrschte Disziplin, auf seine Ärzte konnte er sich verlassen.
Fräulein Mathissens Vorgänger war gegangen, um an einer anderen Universitätsklinik Oberarzt zu werden.
Wenn sie wenigstens hässlich gewesen wäre! Hässliche Frauen hielt Roderich Kolbe für zuverlässiger. Die hatten nicht nur Männer und Verabredungen im Kopf.
„Wären Sie eventuell bereit, von dem Vertrag zurückzutreten?“, fragte er eisig. „Ich würde Ihnen selbstverständlich finanziell entgegenkommen. Ich biete Ihnen ein Vierteljahresgehalt als Abfindung.“
„Ich habe mich hier beworben, weil ich noch etwas lernen will, Herr Professor. Als Chirurg sollen Sie überragend sein. Und ich möchte noch etwas lernen, verstehen Sie das?“
„Aber ich will nicht mit Ihnen zusammenarbeiten!“
Die Hände in den Kitteltaschen vergraben, ging Roderich Kolbe in seinem Zimmer auf und ab.
„Wir arbeiten hier kameradschaftlich und vertrauensvoll miteinander. Eine Frau wäre ein Fremdkörper. Eine Frau bringt nur Unruhe in jede Männergemeinschaft.“
„Warum sehen Sie in mir nur die Frau und nicht die Kollegin, Herr Professor Kolbe?“
„Weil Sie hübsch sind. Ich weiß doch, wie Männer auf ein hübsches Lärvchen reagieren. Man wird Ihnen den Hof machen. Sie werden Vorrechte genießen. Das passt mir nicht, meine liebe Dame. Ich lege Wert darauf, dass in meiner Abteilung alles seinen gewohnten Gang weitergeht.“
„Ich werde ihn nicht stören, Herr Professor. Es tut mir leid, ich bestehe darauf, dass Sie den Anstellungsvertrag erfüllen. Ihre Vorurteile sind Ihre Sache, nicht meine.“
Was für eine unverschämte Art hat dieses Frauenzimmer, schoss es Kolbe durch den Kopf.
Roderich Kolbe sah eine ganze Menge Schwierigkeiten auf sich zukommen. Er wusste nicht, wie er diese Ärztin einordnen sollte. Sie passte in kein ihm bekanntes Schema hinein.
„Ihnen wird bei mir nichts geschenkt werden, machen Sie sich das klar! Sie werden genauso Dienst tun wie alle anderen Kollegen auch. Und wenn Sie müde sind, dann werden Sie sich gefälligst zusammennehmen und nicht klagen! Und wenn Sie glauben, nicht mehr weiterzukönnen, weil die Arbeit einfach zu viel ist, dann werden Sie sich zusammenreißen! Versagen Sie ein einziges Mal, dann fliegen Sie hinaus! Haben wir uns verstanden?“
„Ihre Worte lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, Herr Professor Kolbe, und der deutschen Sprache bin ich mächtig.“
„Wie schön! Dann hätten wir uns vorerst nichts mehr zu sagen. Lassen Sie sich von Schwester Viktoria Ihr Zimmer zeigen. Es stört Sie doch nicht, dass Sie auf einem Korridor mit lauter Männern leben?“
„Vielleicht gibt es hier Türen, die man abschließen kann?“, fragte René Petra Mathissen.
„Die gibt es. Und es wäre gut, wenn Sie nicht allzu oft vergessen würden, Ihre Tür abzuschließen. Und zwar dann, wenn Sie allein in Ihrem Zimmer sind.“
„Ich werde versuchen, daran zu denken“, versprach die Ärztin. „Noch etwas, Herr Professor?“
Professor Kolbe holte tief Luft. Es war besser, wenn sie jetzt ging, bevor er womöglich die Selbstbeherrschung verlor.
Sie hatte ihm noch keinen Grund gegeben, sie auf der Stelle wieder zu entlassen. Aber bei der ersten Gelegenheit war sie fällig! Sie passte einfach nicht in sein Team.
Eine Frau! Er konnte nur den Kopf schütteln.
***
„Darf ich Ihnen behilflich sein?“, fragte Dr. Wolter mit seinem charmantesten Lächeln.
Sein weißer Arztkittel machte es ihm darüber hinaus noch leichter, Herzen zu erobern.
„Ich suche Schwester Viktoria. Professor Kolbe möchte, dass sie mir mein Zimmer zeigt.“
„Ihr Zimmer?“ Es war kein Wunder, dass Siegmar Wolter sie nicht verstand. „Sollen Sie denn gleich hierbleiben? Darf ich wissen, was Ihnen fehlt?“
„Nichts. Ich hoffe es jedenfalls. Mein Name ist Doktor Matthissen, Herr Kollege.“
Ein Ruck ging durch Wolters Körper.
„Sie sind ja eine Frau!“, stieß er nicht sehr intelligent hervor.
„Ich kann es nicht leugnen.“ René Petra Mathissen lachte. „Gilt das in dieser Abteilung als unverzeihliche Sünde?“
„Fast. Wie hat der Chef es aufgenommen, dass sein neuer Mitarbeiter keine Hosen trägt?“
„Es fiel ihm schwer, die Fassung zu bewahren. Am liebsten hätte er mich gleich hinausgeworfen.“
„Sie sind also der Mann mit den glänzenden Zeugnissen! Ich könnte mich totlachen.“
Dr. Wolter war es offensichtlich nur angenehm, dass er etwas zum Flirten ganz in der Nähe haben würde.
„Ich heiße übrigens Wolter.“
Sie schüttelten sich die Hände.
„Wir sind Nachbarn. Ich brauche nur gegen die Wand zu klopfen, wenn ich etwas von Ihnen will. Zum Beispiel, dass Sie mich zu einer Tasse Kaffee einladen“, setzte er verschmitzt hinzu.
René Petra Mathissen schaute ihn von der Seite an.
„Ich bitte Sie, zu vergessen, dass ich eine Frau bin.“
„Das ist leider völlig unmöglich. Warum wollen Sie es auch, Kollegin?“
„Weil ich hierhergekommen bin, um zu arbeiten und etwas zu lernen.“
„Das hätte fast Professor Kolbe sagen können. Sie werden doch auch ein bisschen Spaß verstehen, hoffe ich. Nun wird also doch nichts aus dem dritten Mann zum Skat.“
„Ich spiele Skat.“
Wolter blieb verdutzt stehen.
„Sagen Sie das noch mal! Sie kennen die Regeln des Skatspiels?“
„Ich kann sie auch anwenden.“
„Hm!“, machte Wolter nicht sehr überzeugt.
Er hatte noch keine Frau getroffen, die wirklich gut Skat spielte. Und Fräulein Mathissen war viel zu hübsch, dass er es ihr zugetraut hätte.
„Hier ist Ihre Kemenate.“
Sie waren die Treppe hinaufgegangen, und vor einer der Türen, die von dem Korridor abgingen, blieb Siegmar Wolter stehen.