Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 544 - Karin Weber - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 544 E-Book

Karin Weber

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Beschreibung

Ronald von Sassen kann seiner entzückenden kleinen Tochter keine aufrichtige Liebe entgegenbringen, denn seine über alles geliebte Frau starb bei der Geburt des Kindes. Es gelingt ihm einfach nicht, diesen bitteren Verlust zu überwinden. Daher ist er froh, dass er Gaby bei dem neuen Kindermädchen in den besten Händen weiß. All ihre Vorgängerinnen waren nicht in der Lage, mit dem lebhaften Mädchen, dessen Plappermäulchen niemals stillsteht, fertig zu werden. Birgit von Schobert aber liebt die Kleine heiß und innig, und die beiden sind ein Herz und eine Seele. Doch als Birgit das große Gut ihrer Vorfahren erbt, muss sie Abschied nehmen, und auf Gut Sassen bahnt sich eine Katastrophe an ...


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Inhalt

Cover

Liebe über das Grab hinaus

Vorschau

Impressum

Liebe über das Grab hinaus

Erschütternder Roman um eine große Leidenschaft

Ronald von Sassen kann seiner entzückenden kleinen Tochter keine aufrichtige Liebe entgegenbringen, denn seine über alles geliebte Frau starb bei der Geburt des Kindes. Es gelingt ihm einfach nicht, diesen bitteren Verlust zu überwinden. Daher ist er froh, dass er Gaby bei dem neuen Kindermädchen in den besten Händen weiß. All ihre Vorgängerinnen waren nicht in der Lage, mit dem lebhaften Mädchen, dessen Plappermäulchen niemals stillsteht, fertig zu werden. Birgit von Schobert aber liebt die Kleine heiß und innig, und die beiden sind ein Herz und eine Seele. Doch als Birgit das große Gut ihrer Vorfahren erbt, muss sie Abschied nehmen, und auf Gut Sassen bahnt sich eine Katastrophe an ...

Der Zug hielt an einer kleinen Station. Rechts erhoben sich ziemlich steile Berge, während das Gelände sich links zu einer schön geschwungenen Bucht hin öffnete. Vom Abteilfenster aus konnte Birgit von Schobert sogar etwas von dem tiefblauen Wasser des Mittelmeeres sehen.

Die Luft hier war warm und würzig, Palmen bewegten sich leicht im Hauch des Windes.

Birgit war in Frankreich. Noch eine halbe Stunde, dann würde sie ihr Ziel erreicht haben und endlich ein neues Leben beginnen können. In ihre Freude auf die neue Tätigkeit als Gesellschafterin mischte sich allerdings auch ein wenig Angst.

Der Vater, in zweiter Ehe mit einer kaltherzigen, skrupellosen Frau verheiratet, hatte sie vor wenigen Tagen auf die Straße gesetzt. Er traute ihr, seiner einzigen Tochter, alles Schlechte zu, ohne zu ahnen, dass Lisa hinter den Kulissen die Fäden zog.

Und dennoch war keine Bitterkeit mehr in Birgits Herzen. Der Vater tat ihr leid. Die vielen Jahre harmonischen Zusammenlebens mit ihm hatten sich stärker in ihre Erinnerung gebrannt als die letzten Monate, in denen er gegen sie, ganz unter dem Einfluss seiner fast zwanzig Jahre jüngeren Frau stehend, barsch und grob gewesen war.

Einmal würde er seinen Fehler erkennen und sie zurückholen, das glaubte Birgit ganz gewiss.

Lisa, geborene Erdmann, war ungeheuer geldgierig. Sie hatte es geschickt verstanden, sich aus kleinsten Verhältnissen heraus durchzuboxen und endlich die Partie zu machen, von der sie immer geträumt hatte. Und diese gute Partie war Manfred von Schobert. Birgits Vater.

Der Zug fuhr weiter. Vor zwei Tagen erst hatte Birgit sich, auf eine Zeitungsanzeige hin, um die Stellung einer Gesellschafterin in Frankreich beworben, und heute schon war sie am Mittelmeer. In ihrer Handtasche befanden sich außer dem Pass noch die Fahrkarte und ein paar Geldscheine, das Handgeld, das Monsieur Combaut ihr gegeben hatte.

Er vertraute ihr. Auf den ersten Blick hatte er gesehen, dass sie imstande sein würde, den Anforderungen ihrer neuen Stellung zu genügen.

Es wurde dunkel. Der Zug war in einen Tunnel gefahren, und das Mädchen setzte sich wieder, denn hier an der schmalen Rivieraküste Südfrankreichs waren die Tunnel oft sehr lang.

Und dann endlich war es so weit. Birgit griff nach ihrem Koffer, stieg als Erste aus dem Zug und schaute sich suchend um. Fremde Laute schlugen an ihr Ohr, sie hatte Mühe, die Sprache zu verstehen, obwohl sie geglaubt hatte, perfekt französisch zu sprechen. Man benutzte hier einen seltsam klingenden Dialekt.

Der Zug fuhr weiter. Die Leute auf dem Bahnsteig verliefen sich, nur Birgit blieb, neben ihrem Koffer stehend, zurück. Sie war ein wahre Schönheit, aber ihr größter Reiz war vielleicht, dass sie sich der Wirkung ihrer Person gar nicht bewusst war. Sie schaute sich um und wartete, man würde sie hier schon abholen.

Sollten ihre Brotgeber sich verspätet haben? Mit festem Entschluss nahm Birgit den Koffer hoch und ging über das Nebengleis in das Stationsgebäude hinein. Sie würde auf irgendeiner Bank warten, bis man sie holte.

Es war früher Morgen, sie war die ganze Nacht hindurch gefahren. Birgit war erschöpft und angespannt. Als Tochter eines reichen Vaters hatte sie es sich niemals träumen lassen, eine untergeordnete Stellung annehmen zu müssen, aber in dieser Situation zeigte sie, aus welch gutem Holz sie geschnitzt war.

Niemand, der sie dort sitzen sah – und es gab keinen Mann, der an ihr vorbeischaute –, hätte erraten können, dass sie sich entsetzlich fürchtete. Sie wirkte selbstsicher und elegant, und deshalb versuchte auch keiner der Menschen, sie anzusprechen. Man sah, dass sie eine Dame war.

Immer wieder schaute Birgit auf die Bahnhofsuhr. Die Zeit verrann unendlich langsam. Züge liefen ein und fuhren wieder ab, und Birgit saß noch immer auf der Bank und wartete.

Sie kannte nur die Namen ihrer Arbeitgeber, nicht die Adresse.

»Man wird Sie abholen«, hatte Monsieur Combaut ihr in seinem deutschen Büro versichert. »Machen Sie sich keine Sorgen, Mademoiselle, es ist alles organisiert.«

Nach zwei Stunden vergeblichen Wartens begriff Birgit, dass sie hier offenbar niemand erwartete. Der Ort war nur klein wie viele in dieser Gegend, und sie hoffte, die Menschen zu finden, die ihr die Fahrkarte hierher bezahlt hatten.

Sie ging von Hotel zu Hotel, und überall zuckte der Portier die Schultern, wenn sie den Namen nannte.

Es wurde Spätnachmittag, und Birgit fragte sich, was sie tun sollte. Sie beschloss, hierzubleiben und zu hoffen, dass ihre Arbeitgeber sie hier aufstöberten. In einem kleinen, ruhigen Hotel nahm sie sich ein Zimmer und informierte den Empfangschef.

Jetzt war sie dem Vater dankbar für den Scheck, den er ihr verächtlich ins Gesicht geworfen hatte, als er sie aus dem Hause gewiesen hatte. Er würde ihr helfen, die Übergangszeit zu überstehen.

Der Blick aus dem Fenster auf das Meer hinaus war wunderbar. Birgit sah die Sonne untergehen, und ihre Gedanken wanderten nach Helenental, zum Gut ihres Onkels Hinrich, der vor wenigen Tagen so plötzlich gestorben war, ohne sein Testament zu ihren Gunsten zu ändern.

Ihr sollte einmal der herrliche Besitz gehören, aber nun hatte ihre Stiefmutter sich dort breitgemacht, und wo Lisa herrschte, war für Birgit kein Platz.

Jetzt stand sie ganz allein auf der Welt. Es gab keinen Onkel Hinrich mehr, der sie in den Arm nahm und sie Elfchen nannte. Es gab auch keinen Dettmar Fahrenholt, der sie bat, seine Frau zu werden, alles war vorbei und würde niemals wiederkommen.

Birgit warf den Kopf in den Nacken. Anderen ging es schlechter als ihr, sie hatte keinen Grund, mit dem Schicksal zu hadern. Sie war gesund, sah hübsch aus und würde sich schon durchschlagen.

♥♥♥

Schließlich wurde es Zeit, dass sie sich für das Abendessen fertig machte. Als Birgit nach dem Kamm griff, um ihr Haar zu ordnen, riss jemand die Tür auf. Unmutig wandte sie sich um, aber dann glitt fast gegen ihren Willen ein Lächeln über ihr Gesicht.

Ein Kind war hereingekommen, ein kleines, überaus reizendes Mädchen mit großen Augen, die verschmitzt zu ihr emporschauten.

»Sag nichts«, verlangte das Mädelchen und legte, ihre Bitte unterstützend, den Zeigefinger quer über die Lippen. »Ich habe dich noch gar nicht hier gesehen. Bist du erst angekommen? Du bist aber schön, Tante. Ich mag dich leiden.«

Birgit beugte sich zu der Kleinen nieder, die nicht vergessen hatte, leise und sorgsam die Tür zu schließen.

»Wer bist du?«, fragte sie.

»Ich heiße Gaby, und wie heißt du?«

Birgit nannte ebenfalls ihren Namen.

»Hörst du, da draußen, da ist mein Vati, der sucht mich jetzt«, erklärte die Kleine. »Ich bin ihm weggelaufen.« Sie schien ihr Verhalten sehr tapfer zu finden, jedenfalls schaute sie Birgit in einer Art an, als hoffe sie auf ein Lob. »Es ist so langweilig, wenn man immer artig sein muss, findest du nicht auch? Oder warst du immer artig, als du noch klein warst?«

»Nicht immer«, gestand Birgit. Es schien, als gewänne sie dadurch noch stärker die Sympathie des Mädchens. Die Kleine schaute sich in dem Zimmer um.

»Wo ist dein Mann?«, fragte sie schließlich. »Hast du kein Bild von ihm hier stehen? Mein Vati stellt immer ein Bild von meiner Mutti auf, aber sonst gibt es die nicht mehr. Die ist tot.«

Die kleine Gaby sagte es so, als verbände sie keine schmerzlichen Erinnerungen mit dem Tod ihrer Mutter.

Es gab Birgit einen Stich ins Herz. Sie strich der Kleinen über das silberhelle Haar, das ihrem eigenen verblüffend glich, und dann schlug sie vor, den Vati zu suchen.

»Er wird sich doch Sorgen um dich machen«, meinte sie.

»Das glaube ich nicht. Mein Vati ist froh, wenn er allein sein kann. Und Fräulein Sybille ist jetzt auch fort. Aber ich finde es nicht schlimm, dass die weg ist. Die wollte immer, dass ich mich nicht schmutzig machte, und du musst doch selbst sagen, das kann man doch gar nicht.«

Sie schaute an sich hinab, und Birgit musste bestätigen, dass es für ein Kind ihres Alters wirklich nicht leicht war, ein weißes Kleid tadellos sauber zu halten. Jedenfalls waren an zwei Stellen deutlich die Abdrücke ihrer Finger zu sehen.

»Das macht nichts«, tat die kleine Gaby ihren besorgten Blick leichthin ab. »Vati sieht das nicht, und Fräulein Sybille, die ist ja jetzt nicht mehr da. Hast du auch noch andere Kleider?« Sie riss die halb offen stehende Tür des Schrankes auf, schon eine kleine Dame, die sich für Garderobe interessierte. »Mensch, das ist ja schön.«

Der Brokatstoff des Abendkleides, das Birgit als einziges eingepackt hatte, schien ihr sehr zu imponieren.

»Das musst du heute anziehen. Ich glaube, Vati mag das auch leiden. Auf dem Bild von meiner Mutti hat sie nämlich auch so ein Kleid an. Ich meine, das Bild, das er auf dem Nachtschrank stehen hat.«

»Es wird Zeit, dass ich dich zurückbringe, Gaby. Ich fürchte, dein Vater wird sonst böse werden.«

»Nicht, wenn du dabei bist.« Spitzbübisch lachte die Kleine zu ihr hoch. »Was machst du morgen? Gehst du auch zum Baden? Vati hat immer keine Lust, und wenn du willst, dann gehe ich mit dir. Ich habe eine Ente, die man aufpusten kann, aber schwimmen kann ich auch schon, zwei Züge.«

Sie wartete wohl auf ein Lob, und als das ausblieb, kreuzte sie in komisch wirkender Form die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn.

»Aber einen Zug kann ich wirklich schon.« Sie schien zu Konzessionen bereit, und Birgit mochte sie von Minute zu Minute lieber.

Aber es half nichts, sie musste die Kleine zum Vater zurückbringen. Gaby protestierte auch nicht mehr, sondern fasste brav ihre Hand und ließ sich auf den Flur führen.

»Da wohnen wir.« Sie wies mit ihrer Patschhand auf die Zimmertür. »Komm, Tante Birgit, du musst mitkommen.«

Sie hatte schon die Klinke niedergedrückt und stieß die Tür recht unsanft mit dem Schuh auf.

»Das ist Tante Birgit, bei der hab ich mich eben versteckt, und sie hat genauso ein schönes Kleid wie meine Mutti, und sie will auch mit uns zusammen essen gehen, und morgen wollen wir zusammen schwimmen. Wollen wir jetzt runtergehen? Ich hab gesehen, dass es heute wieder Makkaroni gibt, und der Jean hat gesagt, für mich gibt es Tomatensoße, extra für mich gemacht, und da darf man ihn doch nicht warten lassen, nicht? Kommt schon!«

Die Kleine plapperte munter drauflos und gab den Erwachsenen keine Möglichkeit, sie zu unterbrechen.

Ihr Vater war älter, als Birgit ihn sich vorgestellt hatte, im Dämmerlicht des Zimmers schätzte sie ihn auf Mitte bis Ende vierzig, und sein Haar war fast weiß.

»Ich muss Sie um Entschuldigung bitten, gnädige Frau. Aber auf Gaby aufzupassen, das ist schwerer, als einen Sack Flöhe zu hüten. Ich danke Ihnen für die Mühe, die Sie sich mit der Kleinen gemacht haben.«

»Hab ich dir Mühe gemacht?« Seine Tochter war empört. »Das ist nicht wahr. Ich bin bloß zu Tante Birgit reingegangen, und dann haben wir uns ein bisschen unterhalten.«

»Du meinst wahrscheinlich, du hast die ganze Zeit geredet«, berichtigte der Vater sie, und Birgit wunderte sich, dass er bei dieser treffenden Feststellung nicht ein wenig lächelte.

»Nun kommt doch endlich, sonst werden die Makkaroni noch kalt, und überhaupt ...« Gaby hielt offenbar nicht viel von Förmlichkeiten. Sie packte resolut das Handgelenk ihres Vaters – Birgits Rechte hatte sie noch immer nicht losgelassen – und versuchte ihn mit sich zu ziehen.

Es blieb allerdings bei dem Versuch, denn der Mann rührte sich nicht vom Fleck.

»Ich muss Sie noch einmal um Entschuldigung bitten, gnädige Frau. Gaby, sag schönen Dank und Auf Wiedersehen.«

»Weshalb?« Seine Tochter reckte ihr Kinn hoch. »Jetzt, wo Fräulein Sybille weg ist, da ist doch ein Platz an unserem Tisch frei. Tante Birgit freut sich bestimmt, wenn sie mit uns essen kann, nicht wahr, Tante Birgit, das tust du doch?«

»Ich würde selbstverständlich gern mitkommen«, versicherte sie und schaute über die Kleine hinweg in das düstere Gesicht des Mannes. »Aber ich fürchte, dein Vati isst lieber allein.«

»Nein, er hat ja auch immer mit Fräulein Sybille gegessen. Kommt nur!«

»Ich fürchte fast, uns bleibt nichts anderes übrig, als diesem kleinen Tyrannen nachzugeben«, meinte Birgit mit einem freundlichen Lächeln.

»Ich bin Ihnen sehr verbunden, gnädige Frau«, versicherte Gabys Vater steif. »Gabys Kindermädchen hat uns leider verlassen.«

»Gar nicht leider«, murmelte sein Kind dazwischen, aber vorsichtshalber so leise, dass ihr Vater diese Bemerkung mit gutem Gewissen überhören konnte.

»Und nun ist Gaby ohne rechte Aufsicht. Ich fürchte, sie wirkt ein wenig verwildert auf Sie.«

»Ich hab Hunger«, trompetete sein Kind dazwischen. »Kommt doch endlich.«

»Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: von Sassen.« Der Mann verbeugte sich höflich, und Birgit nannte auch ihren Namen. Es schien allerdings nicht, als sei Gabys Vater sonderlich interessiert, ihn zu erfahren.

Das Kind in der Mitte, gingen sie in den kleinen, aber sehr netten Speiseraum hinunter.

♥♥♥

An und für sich war Birgit froh, an diesem ersten Abend nicht allein essen zu müssen. Gaby betritt den Hauptteil der Unterhaltung. Sie machte mit deutlich hörbarer Stimme Bemerkungen über andere Gäste, die zwar zutrafen, aber recht peinlich wirkten.

Man schaute zu ihnen hinüber, und während Herrn von Sassen die Aufmerksamkeit entging, die sein Kind erregte, fühlte Birgit sich manchmal doch ein wenig unwohl in ihrer Haut.

»Weshalb hat der Mann keine Haare mehr?«, fragte Gaby zum Beispiel mit durchdringender Flüsterstimme, die im ganzen Saal zu hören war. »Mag er das lieber leiden, wenn er so rumläuft?«

Prompt hefteten sich die Blicke der Gäste auf den Unglücklichen, der sich unwillkürlich mit der Hand über seinen spiegelnden Kahlkopf fuhr.

»Pst«, mahnte Birgit, aber es war natürlich zu spät. Der Herr aß sehr schnell zu Ende und verließ dann fluchtartig den Raum.

»Gaby brauchte jemanden, der sie erzieht«, äußerte Herr von Sassen. »Ich muss versuchen, bald ein neues Kindermädchen zu finden. Es ist nur schwer. Die meisten werden mit Gaby nicht fertig, sie ist zu unruhig.«

Birgit öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne das zu sagen, was ihr auf der Zunge lag. Sie brauchte unbedingt ein Stelle, und der Gedanke, für Gaby sorgen zu können, war nicht ohne Reiz für sie. Das lebhafte kleine Mädchen gefiel ihr sehr.

»So eilig ist das nicht«, warf das Kind dem Vater eifrig hin. »Tante Birgit will sich um mich kümmern, und ich glaube, das ist viel netter, als wenn Fräulein Sybille wieder zurückkäme.«

»Tante Birgit wird etwas Besseres zu tun haben, als sich mit dir abzugeben«, belehrte der Vater sie. »Entschuldigen Sie bitte die Worte des Kindes, gnädige Frau, Gaby hat sie nicht so gemeint.«

»Doch!«, protestierte seine Tochter empört. »Oder hast du tatsächlich etwas Besseres zu tun, Tante Birgit? Aber du hast doch keinen Mann, und ... und ...«

»Das ist kein Grund, sich deshalb mit dir abzugeben«, belehrte Herr von Sassen sie. »Man spricht nicht einfach fremde Damen an, und auf gar keinen Fall geht man in fremde Zimmer. So etwas gehört sich nicht.«

»Gaby hat mich wirklich nicht gestört. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir erlaubten, morgen mit Ihrer Tochter an den Strand zu gehen.«

»Na siehste!«, stieß die Kleine triumphierend hervor. »Was macht dein Mann eigentlich, Tante Birgit? Dass der dich so allein verreisen lässt ...«

»Ich bin nicht verheiratet.«

Herr von Sassen hob kurz den Kopf und schaute sie, wie es Birgit schien, zum ersten Mal seit Beginn ihrer Bekanntschaft an.

Unter seinem Blick errötete das Mädchen.

»Ich bin hierhergekommen, um eine Stellung anzutreten. Als Gesellschafterin ...«

»Aber jetzt hast du doch Gesellschaft«, warf Gaby eifrig dazwischen, »dann bleib doch einfach bei uns.«

»Dein Vater wird nicht die Erstbeste nehmen wollen«, erwiderte Birgit ein wenig verlegen.

»Er soll ja auch dich nehmen.« Gaby besaß die unfehlbare Logik eines intelligenten Kindes. »Dann ist doch alles in Ordnung. Nicht, Vati, Tante Birgit darf doch bei uns bleiben?«

Herr von Sassen tupfte sich mit der Serviette den Mund ab und nahm einen Schluck des leichten roten Tischweines.

»Selbstverständlich wäre ich froh, wenn Sie bereit wären, Fräulein Sybilles Stelle einzunehmen«, sagte er dann. »Ich fürchte allerdings, Sie haben keine Lust.«