Lore-Roman 166 - Karin Weber - E-Book

Lore-Roman 166 E-Book

Karin Weber

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Beschreibung

Heide Rohdemann arbeitet als Sekretärin, bis der Betrieb Konkurs geht und sie entlassen wird. Die junge Frau verschickt zig Bewerbungsschreiben, doch scheinbar ist ihre Arbeitskraft nicht erwünscht. Doch Heide lässt sich nicht unterkriegen. Sie schaltet in der Zeitung eine Anzeige: »Erledige für Sie (fast) alles. Sie können Ihre Zeit genießen - ich arbeite für Sie.«
Schon am Folgetag klingelt das Telefon. Gardinenwaschen, Gassi gehen, Einkäufe erledigen, einen Wagen beim TÜV vorführen - Heide scheint auf eine Marktlücke gestoßen zu sein. Einige Tage später erhält sie einen interessanten Anruf: Sie soll zwei Kinder nach Amerika begleiten.
Als Heide auf ihren Auftraggeber trifft, ist sie erstaunt. Er wohnt in einer eleganten Villa und ist jünger, als sie erwartet hat. Dr. Alexander Behling mustert sie kritisch, stellt indiskrete Fragen und bringt ihr Misstrauen entgegen. Aber als Heide später nach Hause fährt, liegt ein triumphierendes Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie wird den Auftrag bekommen, da ist sie sich sicher. Und mit den Kindern wird sie sich bestimmt auch verstehen - wären da nur nicht die undurchsichtigen Blicke ihres Auftraggebers, die drohen, Heide aus der Fassung zu bringen ...


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Inhalt

Cover

Heide wollte kein Mitleid

Vorschau

Impressum

Heide wollte kein Mitleid

Roman um das Schicksal einer tapferen Frau

Von Karin Weber

Heide Rohdemann arbeitet als Sekretärin, bis der Betrieb Konkurs geht und sie entlassen wird. Die junge Frau verschickt zig Bewerbungsschreiben, doch scheinbar ist ihre Arbeitskraft nicht erwünscht. Doch Heide lässt sich nicht unterkriegen. Sie schaltet in der Zeitung eine Anzeige: »Erledige für Sie (fast) alles. Sie können Ihre Zeit genießen – ich arbeite für Sie.«

Schon am Folgetag klingelt das Telefon. Gardinenwaschen, Gassi gehen, Einkäufe erledigen, einen Wagen beim TÜV vorführen – Heide scheint auf eine Marktlücke gestoßen zu sein. Einige Tage später erhält sie einen interessanten Anruf: Sie soll zwei Kinder nach Amerika begleiten.

Als Heide auf ihren Auftraggeber trifft, ist sie erstaunt. Er wohnt in einer eleganten Villa und ist jünger, als sie erwartet hat. Dr. Alexander Behling mustert sie kritisch, stellt indiskrete Fragen und bringt ihr Misstrauen entgegen. Aber als Heide später nach Hause fährt, liegt ein triumphierendes Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie wird den Auftrag bekommen, da ist sie sich sicher. Und mit den Kindern wird sie sich bestimmt auch verstehen – wären da nur nicht die undurchsichtigen Blicke ihres Auftraggebers, die drohen, Heide aus der Fassung zu bringen ...

»Unser letzter Tag in diesem Laden.« Heide Rohdemann schaute sich fast bedauernd um.

Dabei war das Büro alles andere als schön, eher schäbig. Genau wie die ganze Firma, deren Inhaber jetzt seinen Betrieb aufgab. Die Schulden standen ihm bis zum Hals, er konnte nicht weitermachen.

»Mir kommen bestimmt keine Tränen«, versicherte Heides Kollegin Gabriele König.

»Hast du schon etwas Neues in Aussicht?«, fragte Heide interessiert.

Erst einmal seufzte die hübsche Gabriele.

»Eine Stellung habe ich nicht gefunden. Von meinen mehr als fünfzig Bewerbungsschreiben hat keines Gnade vor den Augen der allmächtigen Personalchefs gefunden.«

»Mir geht es genauso. Scheint, dass niemand uns gebrauchen kann.«

»Unsere Arbeitskraft«, verbesserte Gabriele sich stirnrunzelnd. »Auf die glaubt man verzichten zu können. Aber ansonsten ... Ich werde wahrscheinlich heiraten.«

»Heiraten?«, wiederholte Heide überrascht.

»Du hast richtig gehört. Was soll ich sonst machen? Von meinem Arbeitslosengeld leben? Ich komme jetzt gerade so zurecht, wenn ich die letzten Tage vor dem Ersten kräftig hungere. Aber dann ...? Und Georg ist Beamter.« Sie lachte, obwohl ihr eigentlich nicht zum Lachen zumute war. »Brauchst mich gar nicht so anzuschauen, ich meine es ernst. Ich weiß, ich bin ganz hübsch, aber es gibt so wenig Männer, die mich heiraten wollen. Die netten sind alle schon vergeben, für ein Verhältnis bin ich mir zu schade, und die anderen ... die suchen eine Frau auf Zeit.«

»Dieser Georg, weiß der ...?«

»Noch nicht. Aber ich werde dafür sorgen, dass er mich nimmt.«

»Aber?«, wollte Heide wissen.

»Er ist leider recht langweilig. Er nimmt alles tierisch ernst. Interessiert sich für Politik und Umweltschutz. Tanzen kann er so gut wir gar nicht. Ich glaube auch nicht, dass ich es ihm noch beibringen kann.«

»Wenn jemand dich hören könnte ...«

»Dann würde er mich für ein schreckliches Frauenzimmer und nicht mehr für ein nettes Mädchen halten. Aber sonst verstelle ich mich ja immer. Du hast das nicht nötig. Eigentlich komisch, dass ich dich mag. Du bist tüchtig, fleißig, zuverlässig, du besitzt all die Eigenschaften, die ich nicht habe, obwohl meine liebe Mutter sich so viel Mühe gegeben hat. Und trotz deiner schrecklichen Tugenden bist du ein patenter Kerl. Wer dich mal kriegt, kann froh sein. Aber auch für wirklich nette Mädchen sind heiratswillige Männer rar.«

»Ich bin nicht wild aufs Heiraten. Wenn ich nur Geld verdienen würde. Aber sogar als Putzfrau verlangen sie heutzutage Referenzen.«

»Und man wird auch zu schlecht bezahlt. Dann lieber stempeln gehen und nebenbei jobben. Warum bietest du deine Dienste nicht einmal in der Zeitung an? Mädchen für alles bei guter Bezahlung und Behandlung ... Es gibt doch immer Leute, die jemanden brauchen und auch jemanden bezahlen können. Wetten, dass du dir auf diese Art und Weise ein ganz schönes Taschengeld dazuverdienen kannst?«

»Merkwürdig, dass du davon anfängst, ich hab nämlich auch schon an etwas Ähnliches gedacht. Da war gestern eine Anzeige in der Zeitung. ›Erledige alles rund um die Uhr. Brauchen Sie Hilfe? Anruf genügt‹.«

»Du, das ist aber auch doppelsinnig«, spottete Gabriele. »Da wird dein Telefon heißlaufen.«

Heide lachte über Gabrieles Worte.

»Ja, ich werde so eine Anzeige aufgeben. Das Geld muss ich investieren. Mal sehen, was sich da tut. Vielleicht braucht jemand eine Reisebegleiterin ...«

»Ich drücke dir den Daumen. Irgendwann wirst du so weit sein wie ich und heiraten wollen.«

»Was das angeht, bin ich nicht bereit, Kompromisse zu schließen.«

»Lieber würdest du hungern. Das kann man jetzt leicht sagen, uns geht es ja noch nicht schlecht. Aber deine Wohnung kostet auch viel Miete, und dann hast du dein Auto, auf das du nicht verzichten willst, das Telefon, der elektrische Strom ... und leben muss man auch.«

»Ich werde durchkommen.«

»Wir werden ja sehen. Kommst du zu meiner Hochzeit?«

»Wenn ich eingeladen werde ...«

»Selbstverständlich. Das kann mir der gute Georg nicht abschlagen. Er ist ein bisschen knauserig. Dreht jede Mark um, bevor er sie ausgibt. Aber trotzdem ... Ich habe einfach keine Lust mehr, noch einmal wieder arm zu sein. Wenn ich an die vielen möblierten Zimmer zurückdenke, in denen ich gehaust habe, bevor ich mir meine eigene Wohnung leisten konnte ...«

Sie schüttelte sich buchstäblich, stimmte dann aber in Heides Lachen ein.

»Wenn man es hinter sich hat, ist es komisch«, meinte sie friedfertig. »Aber wenn man es erlebt, kann man darüber gar nicht lachen. Ja, Gabriele, pack jetzt deinen Krempel zusammen und vergiss nicht wieder die Hälfte. War eigentlich doch gar nicht so schlecht hier. Zwar nicht das, wovon ich während meiner Ausbildung träumte, aber immerhin.«

»Die Stellung hier hat dich vor der Ehe bewahrt«, warf Heide schmunzelnd ein.

»Du kennst mich ja, so schlimm ist Georg gar nicht, nur eben nicht gerade meine große Liebe. Aber wo gibt es die schon? Wenn man jung ist, glaubt man an solche Märchen, aber kommt man dann in die Jahre und hat sich ein wenig umgeschaut ...« Resigniert zuckte sie die Schultern.

»Du sprichst wie eine alte Frau. Mach keinen Fehler, Gabriele. Du bist jetzt deprimiert, aber irgendwann wirst du wieder Arbeit finden, und dann ...«

»Habe ich mir alles selbst überlegt, und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es besser ist, wenn ein anderer für mich arbeitet, und ich sein Geld nur ausgebe. Du weißt, wie gern ich morgens im Bett liege. Ich mache ihm sein Frühstück, und wenn er zur Arbeit gegangen ist, lege ich mich noch einmal hin.«

Du wirst es bereuen, dachte Heide. Gabriele König war lebenslustig, ging oft aus, hatte unzählige Freunde. Und sie mit einem langweiligen Mann verheiratet? Das konnte einfach nicht gutgehen. Aber es ist nicht meine Sache, ihr gute Ratschläge zu geben, sagte sich Heide.

Ihr Blick glitt über Gabriele hinweg, als diese jetzt an den Aktenschrank trat, um dort noch ein paar persönliche Habseligkeiten herauszunehmen. Sie hatte eine tadellose Figur, ein hübsches Gesicht und ein nettes Wesen. Und trotzdem war es ihr nicht gelungen, einen Ehemann zu bekommen. Andere, die sehr viel weniger nett waren als sie, hatten es längst geschafft.

»So, bis auf das, was ich vergessen habe, bin ich jetzt fertig«, stellte Gabriele fest. »Ich gehe schon los. Was soll ich bis zum Feierabend herumsitzen? Alles Gute, Mädchen. Viel Glück bei deinem neuen Job. Vielleicht findest du ja dadurch den Mann fürs Leben. Spannst ihn einfach seiner verwöhnten Frau aus.«

»Ich werde daran denken, wenn es so weit ist.« Auch Heide war aufgestanden. »Du wirst mir fehlen«, meinte sie nachdenklich. »Wir haben uns eigentlich sehr gut verstanden.«

»Wer könnte mit dir nicht gut auskommen«, erwiderte Gabriele. »Also dann, altes Mädchen. Keine Tränen zum Abschied, seien wir hart. Und außerdem besitzen wir ja ein Telefon und wissen es zu bedienen. Wenn uns danach ist, können wir auch in Zukunft miteinander sprechen und uns ausweinen. Ich werde immer ein paar Taschentücher für dich in Reserve haben. Grüß den Dicken von mir.« Sie meinte damit den Chef, der zwar tatsächlich ein bisschen füllig, aber keineswegs dick war. »Auf den letzten Händedruck kann ich verzichten. Er wohl auch. Hat ja immer wieder versucht, mich rumzukriegen.«

»Obwohl er verheiratet ist.«

»Ehemänner sind immer die schlimmsten.« Gabriele lachte. »Also dann, Mädchen ... Und toi, toi, toi.« Sie kniff die Daumen in die Hände und ging dann schwungvoll hinaus.

Heide begann gleichfalls, ihre Sachen zusammenzunehmen. Sie war eine tüchtige Sekretärin, aber anscheinend brauchte niemand eine tüchtige Kraft.

Irgendwie wird es schon weitergehen, versuchte sie, sich Mut zu machen. Dabei war sie aber zu intelligent und lebenserfahren, um darin Trost zu finden. Sie musste Geld verdienen!

***

Zu Hause angekommen, riss Heide mit nervösen Fingern die Umschläge der Briefe auf: Antworten auf ihre Bewerbungen.

Alles Absagen!

Heide merkte nicht, dass sie nervös auf ihrer Unterlippe herumkaute, während sie vor sich hin starrte. Es hatte überhaupt keinen Zweck, sich auf Stellenangebote zu bewerben, dachte sie. Es war eine Zeit- und Portoverschwendung.

Nachdem sie ihren Regenmantel auf einen Bügel gehängt hatte, schaute sie flüchtig in den ovalen Spiegel. Obwohl das, was sie sah, einen durchaus erfreulichen Anblick bot, schnitt sie ihrem Bild eine Grimasse. Sie hatte dichtes braunes Haar. Die dunklen Augen lagen in einem schmalen, feingeschnittenen Gesicht mit hohen Wangenknochen.

Heide Rohdemann war eine aparte Erscheinung, eine Frau von Format. Und vor ihr hatten deshalb manche Männer einfach Angst, auch die Personalchefs. Sie sah aus wie jemand, die weiß, was sie will, die nicht alles schluckt, sondern sich auch wehrt. Und solche Mitarbeiter gelten häufig als unbequem.

Dabei war Heide alles andere als etwa eine Frau, die Männer nicht mochte. Sie wollte nur eine Arbeit haben und die gut machen. Im Übrigen wünschte sie sich, in Ruhe gelassen zu werden.

Sie ging ins Schlafzimmer, um ihr Kleid zu wechseln. Zu Hause konnte sie alte Sachen auftragen.

Und in Zukunft werde ich sowieso noch sorgsamer mit meinen Sachen umgehen müssen als bisher, dachte sie, als sie die Knöpfe ihrer Bluse öffnete und anschließend aus dem Rock schlüpfte.

Ich kann mir jetzt Zeit mit allem lassen, ging es ihr durch den Kopf, als sie in die Küche ging. Heute Abend wollte sie sich ein paar Bratkartoffeln machen. Kartoffeln waren billig, und ihr schmeckten sie.

Wie lange reichen meine Ersparnisse?, fragte sie sich wieder einmal, als sie den Elektroherd einschaltete. Ein Vierteljahr? Wenn ich gut wirtschafte, müsste ich es schaffen. Und in einem Vierteljahr habe ich bestimmt eine Arbeit gefunden.

Nach dem Essen und dem Abwasch ging sie ins Wohnzimmer und beschloss, den Text für die Anzeige zu entwerfen.

Sie musste auffällig sein, die Interessenten ansprechen und sich von anderen abheben.

»Erledige für Sie (fast) alles. Sie können Ihre Zeit genießen – ich arbeite für Sie.« Sie gab noch ihre Telefonnummer an.

Ob das reicht?, fragte sie sich. Eigentlich ging ja klar daraus hervor, dass sie bereit war, jede zumutbare Arbeit zu erledigen: für Urlauber Blumen zu gießen, Hunde auszuführen, Babysitter zu spielen, Gardinen zu waschen und wieder aufzuhängen ... Es gab tausend Möglichkeiten, fand sie, und es müsste doch alles gegen sie verschworen sein, wenn es nicht Leute gab, die Geld genug besaßen, um sie für lästige Arbeiten zu bezahlen.

***

Am nächsten Morgen gab Heide die Anzeige telefonisch durch. Sie würde schon am Folgetag in der Zeitung stehen.

Jetzt habe ich den ganzen Tag keine Pflichten, überlegte sie, als sie den Hörer aufgelegt hatte. Sie war zur üblichen Zeit aufgewacht und aufgestanden, obwohl sie den Wecker nicht gestellt hatte. Ob Gabriele wohl noch im Bett liegt? Wahrscheinlich doch.

Bei dem Gedanken an ihre fröhliche Kollegin umspielte ein Lächeln Heides volllippigen Mund. Sie wird ihren Georg nicht heiraten, dachte sie. Dafür ist sie viel zu vernünftig.

Ich habe eine schöne Wohnung, fiel ihr ein, als sie anfing sauberzumachen. Seit drei Jahren war sie hier, und es war eine Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatte die beiden Zimmer selbst tapeziert, dafür schlichte Raufasertapeten gewählt und sie hell gestrichen. Die wenigen guten Drucke kamen dadurch besonders schön zur Geltung.

Ihre Möbel waren schlicht und hell. Es muss mir gelingen, das alles zu halten, dachte Heide. Einfach nicht daran denken, dass vielleicht der Tag kommen konnte, an dem ihr die Miete zu hoch war, und sie hier ausziehen musste.

Am späten Vormittag erledigte sie die notwendigen Behördenwege und beschloss, nachmittags in den Park zu gehen.

Sie tat es, und sie hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen, als sie die Wege entlangschlenderte. Anständige Menschen arbeiteten jetzt.

Unwillkürlich ging sie schneller, weil ihre Unruhe das Schlendern nicht länger zuließ. Ich bin einfach nicht zum Faulenzen geboren, machte sie sich klar, als sie wieder in ihrer Wohnung angelangt war.

Im Programmheft schaute sie dann nach, ob es etwas Interessantes im Fernsehen gab. Aber nur ein uralter deutscher Spielfilm lief. Deshalb beschloss sie, lieber zu lesen.

In der folgenden Nacht schlief sie nicht so gut wie sonst. Heute erschien ja ihre Anzeige, der ungedeckte Wechsel auf ihre Zukunft.

Wenn ihre Idee nun ein Fehler war, wenn sich niemand für ihr Angebot interessierte? Jeder hatte doch Nachbarn und Freunde, die ihm bei kleinen, alltäglichen Schwierigkeiten helfen würden.

Ich war zu optimistisch, machte sie sich klar, als sie unter der Dusche stand und das Wasser zum Schluss eiskalt stellte. Als sie die schnell heraufgeholte Zeitung durchblätterte, entdeckte sie ihre Anzeige.

Sie war ganz weit oben platziert. Wer überhaupt diese Anzeigen las, musste sie sehen.

Das Telefon. Sie schreckte unwillkürlich zusammen, als sie es klingeln hörte. Ihr erster Kunde?

Ihre Stimme klang etwas belegt, als sie sich meldete.

»Ich habe Ihre Anzeige gelesen und bin eventuell an Ihrem Angebot interessiert«, meinte der Mann. »Natürlich möchte ich die Katze nicht im Sack kaufen. Wie alt sind Sie? Wie sehen Sie aus?«

Heide erstarrte vor Entsetzen.

»Ich bin nämlich ziemlich anspruchsvoll«, fuhr der Mann fort. »Wie steht es mit Ihrem Preis? Für besondere Dienste bin ich gern bereit ...«

Heide knallte den Hörer auf die Gabel. Was bildete sich dieser Kerl nur ein! Der Stimme nach zu urteilen, war er nicht mehr jung. Ein Glück, dachte Heide, dass er nicht persönlich vor mir steht. Ich hätte ihm eine Ohrfeige gegeben. Was nehmen sich manche Kerle nur heraus! Als wären Frauen eine Ware.

Der zweite Anruf kam, als sie gerade den Kaffee aufgegossen hatte. Eine Frau diesmal. Was wird sie mir für ein Angebot machen?, fragte sich Heide misstrauisch.

»Frau Gehrken. Ich habe da Ihre Anzeige gelesen. Ich bin alleinstehend und nicht mehr gut auf den Beinen. Meine Gardinen, die müssten dringend mal gewaschen und wieder aufgehängt werden. Was würde das wohl kosten?«

»Es kommt auf die Gardinen an. Soll ich bei Ihnen vorbeischauen und Ihnen einen Preis vorschlagen?«, fragte Heide eifrig.

»Wenn Sie so freundlich wären. Aber es hat wohl gar keinen Zweck, glaube ich. Meine Rente ist nicht hoch, und ... Bloß als ich die Anzeige las, da dachte ich ...«

»Geben Sie mir Ihre Adresse, dann können wir uns bei Ihnen weiter unterhalten«, schlug Heide vor. Der Bleistift lag griffbereit neben ihrem Notizblock. Meine erste Kundin. Gardinen waschen und aufhängen. Wie viele Stunden werde ich dafür brauchen? Nun, das konnte sie erst abschätzen, wenn sie die Gardinen sah.

Jetzt fehlt mir ein Anrufbeantworter, fiel mir ein. Ich kann doch nicht einfach wegfahren und das Telefon allein lassen. Dumm, dass ich daran nicht früher gedacht habe. Ob ich Gabriele bitten soll, das Telefon zu bewachen?

Ich lade sie einfach zum Frühstück ein, beschloss Heide, als sie schon Gabrieles Nummer wählte.

Erst beim sechsten Klingeln meldete sich die verschlafene Stimme der jungen Frau.

»Du hast mich aus dem Bett geholt, Heide. Wo brennt es denn? Da dachte ich, heute könnte ich mal ausschlafen ...«

Sie lachte, als Heide ihr von dem ersten Anrufer erzählte. »Hättest ruhig nach dem Preis fragen sollen.«

»Gabriele!«

»Ich weiß, ich weiß, aber gib es auf, schon meine Mutter hat vergeblich versucht, mich zu einem ordentlichen Menschen zu erziehen. Was hast du nun wirklich auf dem Herzen?«

Heide sagte es ihr. »Ich besorge dann noch ein paar frische Brötchen für dich. Du würdest mir bestimmt einen großen Gefallen tun, wenn du kommst. Vielleicht fallen ja auch ein paar Aufträge für dich ab.«

»Ich werde die alten Knaben nicht einfach abwimmeln. Angucken kostet nichts.« Wieder lachte Gabriele.

Heide fragte sich besorgt, ob sie es womöglich ernst meinte. Aber nein, so war sie doch nicht. Immer ein loses Mundwerk, aber im Grunde ein ganz anständiger Kerl.

Der Bäcker wohnte ganz in der Nähe, und Heide beeilte sich, die Brötchen zu kaufen.

Als sie zurückkehrte, hörte sie gerade noch das Telefon klingeln. Als sie den Hörer aufnahm, meldete sich niemand. Zu spät gekommen. Heide zuckte die Schultern und ging in die Küche, um noch einmal Wasser für Gabrieles Kaffee aufzusetzen. Ihrer war inzwischen lauwarm geworden, aber sie trank ihn trotzdem.