Die wichtigen Rechtschreibregeln (E-Book, Neuauflage 2024) - Thomas Lindauer - E-Book

Die wichtigen Rechtschreibregeln (E-Book, Neuauflage 2024) E-Book

Thomas Lindauer

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  • Herausgeber: hep verlag
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Das Handbuch erläutert die Prinzipien eines regelorientierten und lernförderlichen Rechtschreibunterrichts, wie er vom Lehrplan 21 gefordert wird. Der praxisorientierte Leitfaden ist auf Lehrpersonen und Studierende zugeschnitten. Er vermittelt das nötige Hintergrundwissen, um die Rechtschreibkompetenzen der Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern und linguistisch und didaktisch fundiert zu beurteilen. Es wird aufgezeigt, welche Herausforderungen bei der Vermittlung der Rechtschreibung bestehen und wie diese erfolgreich angegangen werden können. Das Handbuch bietet nicht zuletzt eine Sammlung der unterrichtsrelevanten Rechtschreibregeln sowie anschauliche Beispiele. Das Autorenteam war an der Erarbeitung der EDK-Empfehlungen zur Umsetzung der Rechtschreibreform in Schweizer Schulen sowie an der Erarbeitung des Deutschschweizer Lehrplans 21 beteiligt. Somit ist gewährleistet, dass das in diesem Handbuch präsentierte Regelwerk mit den Lehrplan- und EDK-Vorgaben übereinstimmt.

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Thomas Lindauer, Claudia Schmellentin

Die wichtigen Rechtschreibregeln

Handbuch für den Unterricht

ISBN Print inkl. digitaler Ausgabe: 978-3-0355-2556-4

ISBN digitale Ausgabe: 978-3-0355-2557-1

ISBN E-Book: 978-3-0355-2558-8

8. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© 2024 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.ch

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil A

System- und erwerbsorientierter Rechtschreibunterricht

1 Aspekte des Rechtschreiberwerbs

2 Rechtschreibdidaktische Aspekte

2.1 Drei Typen von Rechtschreibwörtern

2.2 Kompetenzbereiche der Rechtschreibung

2.2.1 Orthografische Verschriftungskompetenz

2.2.2 Korrekturkompetenzen

2.3 Explizites vs. implizites Regelwissen – zum Umgang mit Rechtschreibregeln

2.3.1 Bedingungen für die explizite Vermittlung von Regelwissen

2.4 Rechtschreibregeln vermitteln

2.4.1 Rechtschreibregularitäten verstehen

2.4.2 Regelwissen mithilfe von isolierten Rechtschreibübungen aufbauen und sichern

2.4.3 Umgang mit Rechtschreibfehlern

2.4.4 Regelerwerb curricular strukturieren

3 Zur Verteilung des Rechtschreibstoffs

Teil B

Sprachsystematische Grundlagen: Prinzipien der deutschen Orthografie

1 Das Stammprinzip

1.1 Stammprinzip und ‹e›/‹ä›-Schreibung

1.2 Das Stammprinzip und die Doppelkonsonantenregel

1.3 Wortfamilien mit zwei und mehr Stämmen

1.4 Das Stammprinzip und die Schreibung des Superlativs

1.5 Das Stammprinzip und die ‹ieh›-Schreibung

1.6 Das Stammprinzip und die Trennung am Zeilenende

1.7 Methodische Hinweise zum Stammprinzip

2 Das Lautprinzip

2.1 Laut-Buchstaben-Beziehungen

2.2 Spezielle Laut-Buchstaben-Regeln

2.2.1 ‹f›- und ‹v›-Schreibung

2.2.2 ‹e›- und ‹ä›-Schreibung

2.2.3 ‹ei›- und ‹ai›-Schreibung

2.3 Die Markierung der Kurz- und Langvokale

2.3.1 Das Dehnungs-h

2.3.2 Das «silbentrennende h»

2.3.3 Die ‹ie›-Schreibung

2.3.4 Die Markierung der kurzen Vokale (Doppelkonsonantenregel)

2.3.5 Ein methodischer Zugang zur Doppelkonsonantenregel

2.3.6 Die sprachsystematische Erläuterung der Doppelkonsonantenregel

2.3.7 s-Schreibung in der Schweiz

2.3.8 Zusammenfassung

2.4 Die Silbe

2.4.1 Der Aufbau mehrsilbiger Wörter (betonte und unbetonte Silben)

2.4.2 Die Silbentrennung am Zeilenende

3 Das grammatische Prinzip

3.1 Die Nomengrossschreibung

3.1.1 Das grammatische Phänomen der Nominalisierung

3.1.2 Die Nomenproben

3.2 Kommasetzung

3.2.1 Feinheiten der Kommasetzung

3.3 Getrennt- und Zusammenschreibung

3.3.1 Verb + Verb

3.3.2 Nomen + Verb

3.3.3 Partikel + Verb

3.3.4 Adjektiv + Verb

Teil C

Die wichtigen Rechtschreibregeln

A Buchstabenregeln

1 Die Wortstammregel

2 Regeln für die Schreibung der Konsonanten

2.1 Die Doppelkonsonantenregel

2.2 ‹sp›- und ‹st›-Schreibung

2.3 ‹x›- und ‹chs›-Schreibung

2.4 ‹f›- und ‹v›-Schreibung

3 Regeln für die Schreibung der Vokale

3.1 Die ‹ie›-Schreibung

3.2 Die ‹ieh›-Schreibung

3.3 Das Dehnungs-h

3.4 Die Doppelvokal-Schreibung

3.5 Die ‹e›- und ‹ä›-Schreibung

3.6 Die ‹ei›- und ‹ai›-Schreibung

B Regeln zur Gross- und Kleinschreibung

1 Grossschreibung am Satzanfang, bei Überschriften und in Briefen

1.1 Satzanfänge

1.2 Überschriften

1.3 Die Grossschreibung nach Doppelpunkt

1.4 Grossschreibung in Briefanreden

1.5 Die höfliche Anrede Sie

2 Die Grossschreibung der Nomen

2.1 Eigentliche Nomen

2.2 Nominalisierungen

2.3 Gross- und Kleinschreibung der Adjektive

2.3.1 Ausnahmen: viel, wenig, ein, ander

2.3.2 Ausnahmen: reine Präposition + unflektiertes Adjektiv

2.3.3 Schreibung des Superlativs

2.3.4 Adjektive in festen Begriffen

2.3.5 Adjektive in Eigennamen

2.3.6 Adjektive von geografischen Eigennamen

2.4 Aus Nomen abgeleitete Wörter

2.4.1 Aus Nomen entstandene Wörter auf ‹-s› und ‹-ens›

2.4.2 «angst», «bange» … sein

C Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung

1 Verbindungen mit Verben

1.1 Verb + Verb

1.2 Nomen + Verb

1.3 Partikel + Verb

1.4 Adjektiv/Partizip + Verb

2 Verbindungen mit Adjektiven und Partizipien

3 Zusammensetzungen mit Nomen

3.1 Komposita bei «echten» Nomen

3.2 Komposita bei Nominalisierungen

3.3 Geografische Eigennamen auf ‹-er› + Nomen

D Regeln zur Schreibung mit Bindestrich

1 Bindestrich bei Ziffern, Einzelbuchstaben und Abkürzungen

2 Unübersichtliche Zusammensetzungen

E Regeln zur Zeichensetzung

1 Die Satzschlusszeichen

2 Das Komma

2.1 Das Komma in Reihungen (Aufzählungen)

2.1.1 Grundregel

2.1.2 Reihungen mit «und», «sowie», «weder … noch», «oder» …

2.2 Das Komma bei Teilsätzen

2.2.1 Grundregel

2.2.2 Teilsätze mit «und», «sowie», «weder … noch», «oder» …

2.2.3 Fügungen mit Infinitiven und Partizipien

2.3 Das Komma bei Einschüben und Zusätzen

3 Die Anführungszeichen

3.1 Direkte Rede

4 Der Apostroph

F Regeln zur Silbentrennung

1 Grundregel zur Silbentrennung

2 Die Trennung von ‹ck›, ‹ch›

3 Zusammensetzungen und Wörter mit Präfixen

Literatur

Vorwort

Dangke schreibt eine Zweitklässlerin, danke schreibt ein Erwachsener, und beide tun dies zu Recht.

In unseren Veranstaltungen zur Deutschdidaktik haben wir immer wieder festgestellt, dass Studierende, aber auch erfahrene Lehrpersonen nur über ein eingeschränktes Rechtschreibwissen verfügen, das zwar fürs eigene Schreiben reicht, aber nicht umfassend und vertieft genug ist, um daraus auch Konzepte und Strategien zur Vermittlung von Rechtschreibkompetenzen zu entwickeln. Um eine entsprechende Hilfe zu geben, haben wir anfangs Arbeitsblätter geschrieben; daraus hat sich ein umfangreiches Skript zum Rechtschreibunterricht entwickelt, das 2008 als Buch erschienen ist. Das Buch ist auf grosses und anhaltendes Interesse gestossen und wird an vielen PHs der Schweiz in der Grundausbildung genutzt. Die Rechtschreibregeln haben sich in den letzten Jahren – ausser bei der Kommasetzung beim Infinitiv (vgl. S. 181) – nicht geändert.

Zum ersten Skript wie auch zum vorliegenden Buch trugen die Anregungen von Studierenden und Kursteilnehmenden sowie die Diskussionen mit Kolleg:innen (nach geltenden Rechtschreibregeln sind Genderzeichen wie ‹:› oder ‹*› nicht gefordert, aber auch nicht verboten; Schreibungen wie Student:innen oder Schüler*innen sind zu tolerieren) vieles zur heutigen Fassung bei. Dafür allen: dangke und danke. Es hat sich zudem gezeigt, dass auch Schreibende, die keinen Bezug zur Schule haben, dieses Werk für ihr Schreiben gewinnbringend nutzen können, da die darin aufgeführten Regeln verständlich formuliert, wo nötig mit weiterführenden Erklärungen sowie mit den relevanten Ausnahmen versehen sind.

Dieses Buch will also nicht nur Studierenden an pädagogischen Hochschulen bzw. Lehrpersonen ein Basiswissen vermitteln, sondern allen Schreibenden eine Hilfe geben, mit der sie relativ einfach zu einer gepflegten Orthografie gelangen.

Im Teil A werden die Prinzipien eines regelorientierten und lernförderlichen Rechtschreibunterrichts dargestellt. Zudem nehmen wir entsprechend den EDK-Empfehlungen vom Herbst 2006 und dem Lehrplan 21 folgend eine Gliederung des Rechtschreibstoffs nach Schulstufen vor. Daran schliesst sich eine ausführliche und leicht verständliche Darstellung der besonders komplexen und doch wichtigen Rechtschreibregeln im Teil B an. Schliesslich findet sich im Teil C eine systematische Zusammenstellung der relevanten Rechtschreibregeln, die entsprechend ihrer Relevanz fürs Schreiben gewichtet und mit Ausnahmelisten versehen sind.

Die in diesem Buch zum Ausdruck kommende Vorstellung von Rechtschreibung und gutem Rechtschreibunterricht hat sich auch in Gesprächen mit unterschiedlichen Menschen entwickelt. Hier alle zu nennen, ist uns nicht möglich, aber dreien möchten wir unseren besonderen Dank aussprechen. Zum einen ist dies Horst Sitta, an dessen Lehrstuhl wir studiert und als Assistierende auch unterrichtet haben. Zusammen mit Peter Gallmann, der uns mit seinem umfassenden Wissen zu den sprachsystematischen Hintergründen viele für das Lernen von Rechtschreibung relevante Erkenntnisse ermöglichte, hat er unser Interesse an orthografischen Problemen geweckt und den Blick auf das Rechtschreiblernen geöffnet. Besonders angeregt und intensiv konnten wir in den letzten Jahren mit unserer Arbeitskollegin und Freundin Afra Sturm über alle orthografischen und anderen Probleme diskutieren. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich für ihre linguistische Neugier, ihr Interesse an Fragen rund ums Lernen und vor allem für die jahrelange Freundschaft gedankt.

Thomas Lindauer/Claudia Schmellentin

Teil A

System- und erwerbsorientierter Rechtschreibunterricht

Lehrpersonen brauchen nicht nur die Kenntnis der wichtigsten Rechtschreibregeln, sondern sollten zusätzlich den Aufbau des deutschen Rechtschreibsystems verstehen und wissen, welche sprachsystematischen Regularitäten den jeweiligen Rechtschreibregeln zugrunde liegen. Diese vertieften Orthografiekenntnisse braucht die Lehrperson unter anderem aus folgenden Gründen:

Rechtschreibstoff sinnvoll und stufengerecht auswählen: Rechtschreibregeln sind für die Schüler und Schülerinnen nur dann nützlich, wenn man sich auf eine stufengerechte und zum Teil auch individuelle Auswahl beschränkt: Nicht alle Rechtschreibregeln haben für alle Schüler und Schülerinnen die gleiche Relevanz. Eine Lehrperson muss das Rechtschreibsystem also soweit kennen, dass sie über die Relevanz und den Geltungsbereich der fraglichen Regeln Bescheid weiss (vgl. Teil B). Die Lehrperson muss zudem erkennen können, wann der ideale Zeitpunkt für die explizite Behandlung der Rechtschreibregel ist und welche besonderen Lernschwierigkeiten eine Regel bereiten kann: Eine Rechtschreibregel kann nur dann lernförderlich werden, wenn die den Regeln zugrunde liegenden (linguistischen) Konzepte den Schülern und Schülerinnen kognitiv zugänglich sind. Um den Erwerb dieser Konzepte zu fördern, braucht die Lehrperson vertiefte Kenntnisse über die sprachsystematischen Besonderheiten, die einer Regel zugrunde liegen.

Schreibungen der Schüler und Schülerinnen analysieren: Die Analyse der in frei geschriebenen Texten produzierten Schreibungen ist wichtig, um den richtigen Zeitpunkt für die Behandlung einer Regel zu erkennen bzw. um die richtigen Fördermassnahmen einzuleiten. Dafür müssen Lehrpersonen verstehen, welche Prinzipien die Schreibungen der Schüler und Schülerinnen steuern. Verschiedene Untersuchungen zum Schrifterwerb zeigen etwa, dass die meisten Falschschreibungen von Schreibnovizen und -novizinnen aufgrund linguistischer Konzepte erklärt werden können (vgl. Übersicht Thomé 2003, Küttel 2003 und auch Dehn/Hüttis-Graf 2006). Mit anderen Worten: Viele sogenannte Falschschreibungen haben einen ‹vernünftigen›, das heisst sprachsystematischen Grund, den Lehrpersonen erkennen sollten. Denn gerade Falschschreibungen sind häufig ein Hinweis darauf, dass ein Schüler oder eine Schülerin ein für die Orthografie wichtiges Prinzip erworben bzw. eine sprachsystematische Regularität entdeckt hat und für ihr Schreiben nutzt.

In diesem Teil werden daher einige grundlegende Prinzipien eines förderlichen Rechtschreibunterrichts dargestellt. Dabei werden wir aber keine umfassende Rechtschreibdidaktik und Lernpsychologie mit Blick auf Rechtschreibung entwickeln, da der Fokus dieses Handbuchs auf der Darstellung von Rechtschreibregeln und den ihnen zugrunde liegenden sprachsystematischen Regularitäten liegt.

Rechtschreibregeln für die Schule sind immer hinsichtlich zweier Dimensionen zu gewichten: (1) Beim Rechtschreiberwerb spielen zum einen die kognitive und sprachliche Entwicklung sowie die Erstsprache der Schüler und Schülerinnen eine zentrale Rolle. (2) Zum anderen müssen Rechtschreibregeln mit Blick auf das System der deutschen Orthografie bzw. die Struktur der zu erwerbenden Kompetenzen gewichtet werden. Diese beiden Aspekte müssen schliesslich fachdidaktisch so aufeinander abgestimmt sein, dass der Erwerbsprozess lernpsychologisch möglichst optimal gestaltet werden kann. In den «Sprachstarken 2–9» haben wir den Erwerbsprozess spiralcurricular strukturiert und unterrichtspraktisch konkretisiert.

In Kapitel 1 werden wir Aspekte zum Schrifterwerb näher beleuchten, in Kapitel 2 liegt der Fokus auf rechtschreibdidaktischen Aspekten und dem Umgang mit Rechtschreibregeln im Unterricht. Kapitel 3 enthält eine Übersicht zur Verteilung des Rechtschreibstoffes auf die einzelnen Schulklassen. Diese entspricht den Vorgaben des Lehrplans 21, ist allerdings etwas detaillierter, da sie auf einzelne Klassen und nicht auf Zyklen bezogen ist.

1Aspekte des Rechtschreiberwerbs

Wie bei fast allen schulischen Sprachlernprozessen spielen auch beim Rechtschreiberwerb natürliche Erwerbsmechanismen eine Rolle. Darauf weisen falsche Schreibungen von Lernenden hin: Lernende produzieren Schreibungen, die sie so noch nie gesehen haben und die sie folglich nach eigenen, impliziten Regeln konstruiert haben müssen. Eine genaue linguistische Analyse solcher Schreibungen zeigt, dass die Lernenden für die Verschriftung nicht nur auf ihre Schrifterfahrungen, sondern vor allem auch auf die grammatische Struktur ihrer Erstsprache (bzw. ihrer Schriftsprache) zurückgreifen, um gesprochene Sprache in Schrift darzustellen.

Dazu ein Beispiel: Ein Berliner Kind schreibt «Muda». Das Kind rekurriert dabei auf sein inneres Sprachsystem und schreibt das Wort so, wie es dieses in seiner regional gefärbten Standardsprache ausspricht, eben Muda und nicht Mutter. Im Lauf des Rechtschreiberwerbs muss das Kind nun lernen, dass es in diesen Fällen für den Laut [a] ‹er› schreiben muss: Das hat ihm seine Lehrerin dann auch als erste «Rechtschreibregel» vermittelt. Diese «Regel» hat das Kind später auch auf das Wort Sofa angewendet, was dann zu einer neuen Falschschreibung führte, nämlich Sofer.

Übergeneralisierungen wie Sofer weisen darauf hin, dass die Lernenden beim Orthografieerwerb ähnlich vorgehen wie im Erstspracherwerb: Sie bilden Hypothesen bzw. Eigenregeln und gleichen ihre Regeln allmählich der Norm an. Für die Hypothesenbildung in der Rechtschreibung greifen Lernende zunächst vor allem auf ihr lautliches Wissen zurück. Die Lernenden entdecken aber auch früh, dass der Orthografie weitere sprachsystematische Regularitäten zugrunde liegen, wie auch das Beispiel eines 4.-Klässlers zeigt, der sich am morphologischen Prinzip orientiert, als er seine Schreibung Schirmstehender damit begründete, dass Ständer von stehen kommt.

Man könnte nun meinen, dass man Kindern nur genügend Zeit lassen müsste, um sie beispielsweise durch Lesen die Rechtschreibung entdecken und erwerben zu lassen. Dem ist aber nicht so: Dafür sind die zu erwerbenden Regeln zu komplex und die Lernvoraussetzungen der Kinder zu unterschiedlich. Daher muss der Orthografieerwerb schulisch durch einen curricularen Aufbau strukturiert bzw. durch sprachdidaktisch durchdachte Lernarrangements lehr- und lernbar gemacht werden. Zudem muss der Orthografieerwerb durch ein lernförderliches Korrekturverhalten der Lehrperson unterstützt werden. Dafür ist es unter anderem nötig, dass Lehrpersonen das System der deutschen Orthografie auch aus systemlinguistischer Perspektive verstehen. Dieses Wissen wird benötigt, um Falschschreibungen von Lernenden zu analysieren und sie richtig einordnen zu können.

Lehrpersonen müssen sich also bei Fehlern immer wieder kritisch fragen, ob einer Falschschreibung möglicherweise eine (sprachsystematisch) begründete Eigenregel zugrunde liegt, die Falschschreibung also nicht einfach willkürlich ist, sondern Teil des Erwerbsprozesses. Zeigt ein Kind gehäuft Falschschreibungen, die sich nicht nachvollziehen lassen, sind weitere Beobachtungen und Abklärungen angezeigt.

Der Rechtschreiberwerb beruht also einerseits auf der impliziten Anwendung von verschiedenen Prinzipien (Primus, 2010) unter Einbezug des inneren Sprachsystems (Eichler & Thomé, 1995). Andererseits müssen gewisse Regeln und die mit der Regel verbundenen Problemlösestrategien (z. B. Anwendung von Proben wie «Kurz und Langvokal unterscheiden») erworben und in Zweifelsfällen bewusst angewendet werden. Bei aller Regelorientierung kommen aber Schriftspracherwerbende schliesslich nicht darum herum, die Schreibung von häufigen Wörtern und von Ausnahmen zu memorieren.

Diese wenigen Ausführungen zum eigenaktiven Schrifterwerb, zum Erwerb von expliziten Rechtschreibregeln, die zum Teil dem «Sprachgefühl» zuwiderlaufen, und zum Memorieren von Ausnahmen bzw. der korrekten Schreibung von häufig auftretenden Falschschreibungen spiegeln sich in der folgenden, in der Rechtschreibdidaktik verbreiteten Einteilung von Typen von Rechtschreibwörtern wider:

 

Nachsprechwörter: Wörter, die man so schreibt, wie man spricht.

Regelwörter: Wörter, deren Schreibung man mithilfe einer erworbenen Regel bzw. gelernten Probe ableiten kann.

Lernwörter: Wörter, deren Schreibung man auswendig lernen muss.

2Rechtschreibdidaktische Aspekte

2.1Drei Typen von Rechtschreibwörtern

Nachsprechwörter

Eines der wichtigsten Grundkonzepte der deutschen Orthografie ist die mehr oder weniger systematische Beziehung zwischen Lauten und Schriftzeichen: Dem Laut [r] im Wort [rot] wird beispielsweise der Buchstabe ‹r› zugeordnet, dem Laut [o] der Buchstabe ‹o› und dem Laut [t] der Buchstabe ‹t›. Für die Rechtschreibdidaktik folgt daraus, dass die Schreibung von Wörtern bis zu einem gewissen Grad ‹gehört› werden kann. Wir sprechen in diesen Fällen von Nachsprechwörtern.

Selbstverständlich kann ein Wort nur dann als Nachsprechwort behandelt werden, wenn der Schreiber oder die Schreiberin das Wort auch wirklich so spricht, wie es geschrieben wird. Welche Wörter Nachsprechwörter sind, variiert je nach Dialektregion und Muttersprache bzw. je nach Ausspracheeigenheiten des Schreibers oder der Schreiberin. Ein Kind schweizerdeutscher Erstsprache kann beispielsweise das Wort Lager meist als Nachsprechwort behandeln, da dieses im schweizerischen Standarddeutschen als ausgesprochen wird. Würde hingegen ein Kind aus Hamburg dasselbe Wort als Nachsprechwort behandeln, würde es dieses vermutlich als Laga lautgetreu verschriften.

Regelwörter

Im Deutschen besteht keine Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Laut und Buchstabe. Manchmal haben wir mehrere Buchstaben für den gleichen Laut (Foto, Photosynthese, Vogel), manchmal werden mehrere Laute mit dem gleichen Buchstaben verschriftet (circa, Cello, Curriculum). Zudem gibt es für alle Laute sowohl einen Gross- als auch einen Kleinbuchstaben: Erst die Regeln zur Grossschreibung geben an, wann welcher Buchstabe zu schreiben ist. Und schliesslich gibt es jeweils nur einen Vokal-Buchstaben, um beispielsweise den langen Vokal im Wort (Tal) oder den kurz gesprochenen Vokal [a] im Wort [bal](Ball) zu verschriften. Auch für diesen Fall verfügt die deutsche Orthografie über eine spezifische Rechtschreibregel (vgl. Regel A2 in Teil C). Bei Kenntnis dieser Regel muss man die Schreibung von Doppelkonsonanten nicht mehr Wort für Wort auswendig lernen, sondern kann sie direkt ableiten.

Wörter, deren Schreibung von einer Regel ableitbar ist, nennen wir folglich Regelwörter. Regelwörter sind unter didaktischer Perspektive aber nicht darum Regelwörter, weil es für deren Schreibung eine entsprechende Rechtschreibregel gibt, sondern sie werden für Schreibende erst dann zu Regelwörtern, wenn die Schreibenden selbst über die kognitiven Voraussetzung für das Verständnis der entsprechenden Regel und die dazu gehörenden Proben verfügen.

Lernwörter

Da jedoch nicht alle Bereiche der Rechtschreibung lückenlos von Regeln abgedeckt werden können, wird die Schreibung in manchen Bereichen von Fall zu Fall bestimmt, man spricht dann von Einzelfestlegungen. Solche Einzelfestlegungen müssen Wort für Wort auswendig gelernt werden. Unter didaktischer Perspektive spricht man in diesen Fällen von Lernwörtern.

Um ein solches Lernwort handelt es sich beispielsweise beim Wort Vieh. Die Schreibung des Buchstabens ‹V› für den Laut [f] kann man weder hören noch aus einer Regel ableiten, und auch die Schreibung des Buchstabens ‹h› am Ende des Wortes muss auswendig gelernt werden. Allein die Schreibung ‹ie› für den langen i-Laut ist regulär. Mit andern Worten: Auch in Lernwörtern hat es Stellen, deren Schreibung aus der Lautung oder über eine Regel abgeleitet werden kann. Bei Lernwörtern sollen die Schüler und Schülerinnen also nur die für sie relevante Merkstelle fokussieren: viel mit ‹v›, befiehlt mit ‹ieh›.

Fazit

Bei der Unterscheidung von Nachsprech-, Regel- und Lernwörtern darf nicht vergessen werden, dass es ganz unterschiedliche Lernertypen gibt: Der einen fällt es leichter, sich die Orthografie vor allem über Regeln anzueignen. Ein anderer hingegen kann sich die Schreibung bzw. Wortgestalt sehr gut merken und lernt daher auch die Schreibung von Regelwörtern teilweise als Lern- bzw. «Kann-ich-noch-nicht»-Wörter. Für die Rechtschreibdidaktik bedeutet dies, dass den Schülern und Schülerinnen möglichst vielfältige Zugänge zur Orthografie geboten werden müssen. Dazu gehört sowohl die Schulung eines rechtschreibdienlichen phonologischen Hörens und das Verstehen von Rechtschreibregeln verbunden mit der Reflexion von rechtschreibrelevanten Proben als auch das Memorieren von bestimmten Schreibungen.

Das methodische Ziel dieser Einteilung in Nachsprech-, Regel- und Lernwörter ist es, dass die Schüler und Schülerinnen im Rechtschreibunterricht vor allem die Erfahrung machen, dass Rechtschreibung regulär und damit auch lernbar ist: Rechtschreibung ist nicht das mit den vielen Ausnahmen, sondern Rechtschreibung ist ein System mit Regeln, welches man schrittweise erwirbt – sowohl die einzelne Regel wie auch die Orthografie als Ganzes. Damit dies gelingt, ist es nötig, dass man sich in der obligatorischen Schulzeit auf wichtige Rechtschreibregeln konzentriert, das Reguläre hervorhebt (und nicht die Ausnahmen betont) sowie den Auf- und Ausbau der Rechtschreibkompetenzen systematisch und Schritt für Schritt begleitet.

Zum Rechtschreibunterricht gehören also nicht nur die Vermittlung von Rechtschreibregeln und das Memorieren von Lernwörtern, denn die Fähigkeit, Texte weitgehend ohne Rechtschreibfehler schreiben zu können, umfasst mehr. Die dafür nötigen Kompetenzen werden im folgenden Kapitel beschrieben.

2.2Kompetenzbereiche der Rechtschreibung

Rechtschreibkompetenzen sind Teil einer allgemeinen Schreibkompetenz: Schreiben ist ein komplexer Prozess, bei dem vielfältige Teilkompetenzen aktiviert werden. Der Schreibprozess lässt sich schematisiert in vier Schritte gliedern: Planen, Verschriften/Formulieren, inhaltliche Überarbeitung, formale Überarbeitung (vgl. dazu auch den Lehrplan 21, Kompetenzbereich «Schreiben D2, C–F»). Diese Schritte dürfen jedoch nicht als chronologisch aufeinanderfolgende Phasen im Schreibprozess missverstanden werden: Während dem Verschriften plant man auch den weiteren Textverlauf, man überarbeitet das bereits Geschriebene sowohl inhaltlich als auch formal etc. Die Gliederung in vier Handlungsschritte hilft jedoch, diesen komplexen Prozess für die Lernenden zu strukturieren und der Reflexion zugänglich zu machen.

Rechtschreibkompetenzen spielen dabei sowohl beim Formulieren bzw. beim Verschriften als auch beim formalen Überarbeiten eine Rolle, wobei jeweils unterschiedliche Teilkompetenzen aktiviert werden müssen.

Zu den Rechtschreibkompetenzen im engeren Sinn1 gehören folgende Fähigkeiten:

1.bei der Textproduktion möglichst automatisch korrekt schreiben (orthografische Verschriftungskompetenz),

2.eigene und fremde Texte orthografisch überarbeiten (Korrekturkompetenz),

3.Wissen um Rechtschreibregeln und den dazugehörenden Proben oder Problemlösestrategien fürs Erkennen von eigenen Rechtschreibfehlern nutzen bzw. in isolierten Übungen anwenden (explizites Regelwissen).

Orthografische Verschriftungskompetenz zielt vor allem auf die Schreibflüssigkeit und umfasst neben implizitem (unbewusstem) Rechtschreibwissen auch einen Schatz an Schreibmustern von Wörtern und Syntagmen.

Korrekturkompetenz erfordert Fehlersensibilität gegenüber eigenen und fremden Texten sowie Kenntnisse von Korrekturstrategien (z. B. Wörterbuchbenutzung).

Explizites Regelwissen umfasst neben dem Verstehen der (fürs Lernalter relevanten) Rechtschreibregeln ein Verständnis für die sprachsystematischen Konzepte, die den Regeln zugrunde liegen, insbesondere die Beherrschung der für die Rechtschreibregeln notwendigen Grammatikproben (Morpheme, Kurzvokale, Nomen/Nominalisierungen, Satzgrenzen usw. erkennen bzw. mit einer Probe bestimmen können). Explizites Regelwissen meint also nicht rein deklaratives Wissen bzw. eine Regel auswendig aufzusagen, sondern vor allem prozedurales Wissen beim Anwenden der Regel bzw. die Anwendung einer adäquaten Probe in Zweifelsfällen, die beim Korrigieren oder Verschriften des Textes auftreten. Um die für die Regeln nötigen Proben zu erwerben und die Reichweite einer Regel bzw. ihre Ausnahmen zu kennen, sind für eine gewisse Erwerbszeit auch isolierte, auf eine Rechtschreibregel fokussierte Übungen nützlich. Aber auch beim isolierten Üben darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass der Erwerb von Rechtschreibregeln nicht Selbstzweck ist, sondern dem Schreiben von Texten dienen soll.

2.2.1Orthografische Verschriftungskompetenz

Orthografische Verschriftungskompetenz meint die Fähigkeit, über ein automatisiertes Rechtschreibkönnen (implizite oder automatisierte Regelanwendung sowie einen umfangreicheren Schreibwortschatz) zu verfügen, welches es den Schreibenden ermöglicht, Texte möglichst flüssig und weitgehend korrekt auf Papier bzw. in den Computer zu bringen. Fördern lässt sich die orthografische Verschriftungskompetenz auf zwei Arten:

a)Stärkung des impliziten Wissens und der inneren Grammatik durch die Auseinandersetzung mit Sprachstrukturen

b)Automatisierung der Anwendung von Regelwissen und Ausbau des (mentalen) Schreibwortschatzes

a)Stärkung des impliziten Wissens durch die Auseinandersetzung mit Sprachstrukturen

Beim Verschriften rekurrieren die (meisten) Schreibenden auf ihr inneres Regelsystem bzw. Sprachgefühl. Dieses führt zum Teil zu korrekten, zum Teil jedoch auch zu von der Norm abweichenden Schreibungen. Lernende müssen die Möglichkeit erhalten, ihr (unbewusstes) Regelsystem an die Normorthografie angleichen zu können. Aufgrund der Abhängigkeit der Normorthografie von sprachsystematischen bzw. von phonologischen, morphologischen und syntaktischen Regularitäten gilt es daher, ihnen eine bewusste Einsicht in diese Prinzipien und in die für die Orthographie relevanten Strukturen (Laut-, Silben-, Wort- und Satzstruktur) zu ermöglichen (vgl. dazu auch die Einleitung in den Teil B).

b)Automatisierung der Anwendung von Regelwissen und Ausbau des (mentalen) Schreibwortschatzes

In Bereichen, in denen das (innere) Sprachsystem der Erstsprache von der Normorthografie abweicht, kann darauf für eine korrekte Schreibweise nicht zurückgegriffen werden, sondern es muss ein ‹neues› Regelwissen aufgebaut werden. Dieses Wissen kann man nur über eine explizite Instruktion von deklarativem und prozeduralem Regelwissen vermitteln. Durch ein systematisches, gut rhythmisiertes und auf eine einzelne Regel fokussiertes Trainieren sollen die zugrunde liegenden Handlungen soweit automatisiert werden, dass sie mit der Zeit auch in der Anwendungssituation intuitiv ablaufen.

Mit anderen Worten: Mit dem bewussten Trainieren einer Rechtschreibregel sollen wie beim Musizieren oder im Sport isolierbare Teil-Handlungen automatisiert werden, sodass diese mit der Zeit in komplexen Handlungssituationen (implizit) angewendet werden können. Über die Wirksamkeit eines solchen Trainings gibt es in Bezug auf Rechtschreibung zwar noch wenig empirisch fundiertes Wissen, fundiertes Wissen aus anderen Lernbereichen legt es jedoch nahe, dass sich ein am Sport und an der Musik orientiertes Training positiv auf den Erwerb der Rechtschreibkompetenzen auswirkt. Dabei ist wie dort darauf zu achten, dass man nicht übertrainiert bzw. dass in kurzen und fokussierten Intervallen von ca. 10 – 15 Minuten an 2 – 3 Tagen pro Woche an einer Rechtschreibregel gearbeitet wird, und zwar über 2 – 3 Wochen immer wieder an der gleichen. Die Regel selbst soll neben dem Lösen von Aufgaben auch immer wieder explizit gemacht werden. Nach einer Pause von 3 – 4 Wochen soll nochmals an 2 – 3 Tagen ca. 10 Minuten repetiert werden. Schliesslich soll im Sinne eines Spiralcurriculums nach einem halben Jahr und im folgenden Schuljahr das Training wieder aufgegriffen und, falls die Regel soweit gefestigt ist, auf komplexere Fälle ausgeweitet werden. Eine Lektion pro Woche für Rechtschreibung (und wo möglich ebenso viel Zeit für Grammatik) lohnt sich nicht und nimmt zudem zu viel Lernzeit für den Erwerb anderer Sprachkompetenzen und Gegenstände des Deutschunterrichts weg.

Rechtschreibtraining wirksam gestalten

1.Komplexitätsreduktion. Komplexe Handlungen müssen in sinnvolle Teilschritte zerlegt werden bzw. komplexe Regeln, wie bspw. die Doppelkonsonantenregel, werden schrittweise systematisch auf- und ausgebaut. Dabei wird vom Einfachen, Reduzierten (z. B. Bestimmen von Lang- und Kurzvokalen in einsilbigen Wörtern) ausgegangen. Im Sinne eines curricularen Aufbaus wird der Fokus auf weitere Bedingungen schrittweise erweitert und die vollständige Regel über die Schuljahre vom Kern zur Peripherie hin ausgebaut.

Üben ohne Einsicht ist zwecklos, daher muss vor dem Üben sichergestellt sein, dass Einsicht möglich ist, dass also die der Regel zugrunde liegenden Konzepte und Operationen kognitiv zugänglich sind, und vor allem auch, dass das Üben konzentriert erfolgt.

2.Sinnvoller Umgang mit Ausnahmen. Ausnahmen stören den Regelerwerb: Orthografie ist ein Regelsystem, nicht «das mit den Ausnahmen». Damit eine bestimmte Regel verinnerlicht werden kann, müssen Ausnahmen am Anfang – ausser in ganz auffälligen Fällen wie dir, mir ohne ie – weggelassen werden. Erst wenn die Regel soweit automatisiert ist, dass beim Schreiben nur noch wenige Fehler in diesem Bereich auftreten, lohnt es sich – gerade auch mit Blick auf die Repetition der Regel –, die Ausnahmen zu thematisieren.

3.Konzentriertes, sinnvolles Üben. Üben muss konzentriert erfolgen: Dafür müssen die Schüler und Schülerinnen den Sinn der Übungen nachvollziehen können, zudem muss die Trainingssequenz der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspanne der Lernenden angemessen sein. Isoliertes Üben ohne Konzentration ist sinn- und effektlos. Damit die Lernenden den Sinn einer Übung bzw. eines Trainings einsehen und sich konzentriert darauf einlassen, muss das Üben auf diejenigen Bereiche gelegt werden, die tatsächlich Probleme beim Verschriften bereiten. Mit anderen Worten: Isoliertes Üben ist nur dann sinnvoll, wenn es (auch) auf individuelle Verschriftungsprobleme bezogen ist und die Schüler und Schülerinnen auch einen Lernfortschritt erkennen können. Grundlage für die Auswahl der Übungen ist unter anderem eine fehlerdifferenzierende Korrektur (vgl. Kapitel 2.4.3).

4.Rhythmisiertes Üben. Üben bzw. ein Rechtschreibtraining muss rhythmisiert werden, denn Trainingseinheiten bzw. Rechtschreibübungen entfalten ihre Wirkung nur dann, wenn sie regelmässig, in gleicher Form und vor allem kurz (ca. zehn Minuten) durchgeführt werden. Dabei ist es sinnvoll, wenn die exakt gleichen Übungen von den Schülern und Schülerinnen in Abständen von ca. zwei bis drei Wochen gelöst werden: Zum einen können sie so ihren (hoffentlich erfolgten) Lernfortschritt sehen, zum anderen ist dieses Vorgehen auch für die Lehrperson zeitökonomisch sinnvoll, da sie so eine Übung mehrfach nutzen kann und nicht immer wieder neue Übungen suchen oder erstellen muss. In Zukunft sollten digitale Rechtschreibprogramme hier noch weitere Optionen zu einer systematischen Rhythmisierung bieten können.

2.2.2Korrekturkompetenzen

Eine der anspruchsvollsten Rechtschreibtätigkeiten ist die Korrektur der eigenen Texte. Man muss dafür nicht nur die Rechtschreibung gut beherrschen, sondern braucht auch eine besondere Fehlersensibilität und eine hohe Konzentration beim Durchlesen eines Textes: Der Fokus muss vom Inhaltlichen weg auf das Formale gerichtet werden, und das während dem gesamten Korrekturlesen. Diese Komplexität muss im Unterricht reduziert werden. Die Schüler und Schülerinnen müssen beim Korrigieren der Texte systematisch angeleitet sein: Sie sollen sich am Anfang auf eine Regel konzentrieren können, bspw. indem Korrekturkonferenzen eingerichtet werden, in denen sich jeder Schüler und jede Schülerin jeweils auf die Überprüfung ‹seiner› bzw. ‹ihrer› Regel konzentriert (vgl. Karteikarte S 4.1 in den «Sprachstarken»).

Um die Rechtschreibregeln anwenden zu können, muss man deren zugrunde liegenden Proben kennen und beherrschen (z. B. Proben zur Erkennung von Nomen bzw. Substantiven und Nominalisierungen). Auch dazu ist es hilfreich, wenn sich die Korrigierenden auf eine Regel konzentrieren können.

Neben explizitem Regelwissen und bewusstem Anwenden der relevanten Rechtschreibproben braucht es für die Korrektur auch Wissen um Korrekturstrategien wie Nachschlagen, Anwendung von elektronischen Rechtschreibhilfen, eigene und fremde Texte mithilfe von Checklisten, Tandems usw. korrigieren (vgl. hierzu die Anregungen in den Sprachstarken 4–9).

2.3Explizites vs. implizites Regelwissen – zum Umgang mit Rechtschreibregeln

Wie bereits gesagt, brauchen die Schüler und Schülerinnen auch ein explizites Wissen über Rechtschreibregeln: Einerseits sind die Schüler und Schülerinnen bei der Korrektur ihrer Texte auf explizites Regelwissen angewiesen, andererseits führt der Auf- bzw. Ausbau von automatisierter, impliziter Verschriftungskompetenz über die Vermittlung von explizitem Regelwissen bzw. über ein regelorientiertes Rechtschreibtraining. Explizite Vermittlung, sofern sie systematisch und dem Lernalter der Schüler und Schülerinnen angemessen ist, fördert die Herausbildung eines inneren Regelsystems: Hier allein auf eine eigenaktive Entwicklung zu vertrauen, ist keine Option für das schulische bzw. organisiertes Lernen, zumal nur ganz wenige Lernende die deutsche Orthografie in hinreichendem Masse eigenaktiv erwerben. Damit die Vermittlung von explizitem Regelwissen erfolgreich wird, sind allerdings die folgenden Bedingungen zu beachten.

2.3.1Bedingungen für die explizite Vermittlung von Regelwissen

Damit Rechtschreibregeln für die Lernenden und Lehrenden zu einer Lern-Erleichterung werden und nicht durch sinnentleertes Auswendiglernen von Regelformulierungen zu einer Belastung verkommen, ist Folgendes zu beachten:

–Rechtschreibregeln müssen für den schulischen Gebrauch ausgewählt und altersadäquat fokussiert sein. (1)

–Ausnahmen werden erst nach dem sicheren Erwerb der Regel thematisiert und sind ebenfalls auf relevante Fälle zu reduzieren. (2)

–Regelformulierungen und die ihnen zugrunde liegenden grammatischen Konzepte müssen altersangemessen sein. (3)

–Die Bedeutung eines isolierten Rechtschreibwissens als Teilkompetenz der Schreibkompetenzen darf nicht überbewertet werden, das heisst, dass ein Rechtschreibtraining auch zeitlich begrenzt wird. (4)

Im Folgenden werden wir diese vier Punkte kurz erläutern:

1.Angesichts der Komplexität der deutschen Orthografie liegt es auf der Hand, dass es nicht Aufgabe der Schule sein kann, alle Regeln vermitteln zu wollen.