Die Zeit und die Räume - Peter Handke - E-Book

Die Zeit und die Räume E-Book

Peter Handke

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Beschreibung

Tausende Notizbuch-Seiten wurden von Peter Handke seit Anfang der siebziger Jahre beschrieben. Diese Hefte, Bücher, Blöcke, die in Jacken- oder Hosentasche passen, sind seine ständigen Begleiter, zuhause wie unterwegs. Aufgezeichnet werden Selbstgespräche und poetische Reflexionen, Einfälle und Ideen für literarische Projekte, vor allem aber Gesehenes, Gelesenes und Gehörtes. »Ich übte mich nun darin, auf alles, was mir zustieß, sofort mit Sprache zu reagieren, und merkte, wie im Moment des Erlebnisses gerade diesen Zeitpunkt lang auch die Sprache sich belebte und mitteilbar wurde«, so Peter Handke zur Praxis seines Notierens.

Anlässlich des 80. Geburtstags des Nobelpreisträgers wird nun eines dieser Notizbücher erstmals vollständig in einer Transkription der Handschrift veröffentlicht. Es dokumentiert vor allem eine ausgedehnte Reise, die Peter Handke im Sommer 1978 zu Fuß, mit dem Bus und per Bahn unternahm und die ihn von seiner Herkunftsgegend Kärnten nach Slowenien, in den Karst und weiter nach Norditalien führte. Neben dem fortlaufend Niedergeschriebenen erweisen sich auch die vielen, teils ganzseitigen Zeichnungen als wichtige Vorarbeiten für die später erschienenen Erzählungen, insbesondere Langsame Heimkehr und Die Wiederholung.

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Seitenzahl: 199

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Titel

Peter Handke

Die Zeit und die Räume

Notizbuch 24. April – 26. August 1978

Herausgegeben von Ulrich von Bülow, Bernhard Fetz und Katharina Pektor

unter Mitarbeit von Vanessa Hannesschläger

Suhrkamp

Impressum

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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2022

Der vorliegende Text folgt der deutschen Erstausgabe, 2022.

Erste Auflage 2022Originalausgabe© Suhrkamp Verlag AG, Berlin, 2022Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Karte: Peter Palm, Berlin

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.Für Inhalte von Webseiten Dritter, auf die in diesem Werk verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich, wir übernehmen dafür keine Gewähr. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umschlaggestaltung: Herrmann Michels und Regina Göllnerunter Verwendung von Abbildungen der Vorder- und Rückseite des Notizbuchs von Peter Handke

eISBN 978-3-518-77393-2

www.suhrkamp.de

Die Zeit und die Räume

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Cover

Titel

Impressum

Notizbuch 24. April – 26 August 1978

Notizbuchseiten mit Zeichnungen

Die Reiseroute im August 1978

Nachwort

I.

II

.

III

.

Editorische Notiz

Fußnoten

Informationen zum Buch

Notizbuch 24. April – 26 August 1978

Wegschauend von etwas, sieht er nicht ins Leere, sondern was anderes (Selbstbewußtsein)

sie abtuend, salutiert er ihr (aus der offenen Zugtür heraus); zuerst hatte er in der Menge ihr zögerndes Armheben nach ihm gesehen; dann folgte er dem halb erhobenen Arm reflexhaft und sah sie; überall in der Welt trifft er alle wieder (wie b. Eichen[dorff)]

Plötzlich zu viele Menschen (deren Bezug er ist) Löwenzahn auf dem Abstellgleis, und da hat er [si]e im voraus geliebt

Sich aufgeschwungen zu einem Blick ganz in die letzte Tiefe des Bildes, die so greifbar ist wie der Vordergrund (Delvaux, »Der Wachmann« [?])

Die Straße wird erhöht durch Teeren (»geopsychologisches Erlebnis«)

Er zieht oft ein Gesicht (das merken alle beim ersten Mal)

»Hast du noch viel geweint?« – »Ich konnte nicht« (Wie bedauernd; gleichsam jenseits der körperlichen Fähigkeit zu Tränen)

»Noch war das Wort nicht ganz gesprochen, als ihm der eigene Sohn in das Vortor trat« (οὔπωπᾶνεἴρητοἔπος, ὅτεοἱφίλοςυἱὸςἔστηἐνὶπροθύροισι)[1] 

»küßte ihm die beiden schönen Augenlichter«[2] 

»Wer rühmst du dich, zu sein?«[3]  (Die Tränen lange zurück[gehalten])

blühende Obstbäume mit Maikäfergestank

Widerwille vor der Vielfalt der Arten

N.: Ich habe eine Freundin verloren

»Ich habe nicht so viel Sprache für so viel versch[iedene] einzelne Leute«

»Sich versenken«, wörtlich; anders kein Denkraum

Sanftes Werfen, so genau, daß es steckt

[T]odbild: plötzlicher Gerölleinbruch in sich oder Bergsturz (S.);[4]  etwas ist ausgewaschen und sinkt tief ein, V-förmig (oder als Einbrechen des Wohnzimmerbodens über dem Keller)

Als Mumie aufgewacht

Nächte, von Grauen erleuchtet

»Mein Ich ist stärker als ich«

Totenblaß erwachen

Endlich war diese Zeit Vergangenheit

Zerstreut liest er ein Horoskop der Vergangenheit

Gefühlsunsicherheit – und Geschlechts[unsich.] (Vor Scham sich gerade vom Erdboden abheben)

Die M-r, älter, schäbiger, panischer, kurzhaariger (revenant)

Fußstellungen im Warteraum (alle haben ungeputzte Schuhe)

Eine warme lebendige Maske wuchs über dem toten Gesicht zusammen

Leid; wenigstens ist man der Mittelpunkt d. Welt (unbeirrbar – das K. vor der Schule)

Lust zu kochen

sich nichts mit ihr ausdenken, sondern einfach an sie denken

»Ich ließ sie mit einem Blick meine Macht spüren«

»Ich habe mir gedenkt«

Gusto an Arbeit

»Ich versuche, Sie wiederzufinden« (die Idee von Ihnen) [süße Idee – Whitman]

Den Ober- und Unterkörper verbinden (bevor es zu spät ist)

Wenn du dir nicht mehr die Lippen zu beißen brauchst

Bei allem Jetzigen betrachtete ihn das Frühere verächtlich oder milde oder traurig

In der grünenden Gegend rülpst plötzlich (Mittagsstille) ein Arbeiter auf dem Villendach

Mittag vorbei: die zu kurz dauernden Glockenschläge, die doch wie zu etwas Dauerndem ansetzen

Er mag sie, denn er kann sie sich denken, ohne viel Theorie

Ein Blitz im Sonnenlicht, als hätten sich im Wind hohe Bäume kurz zur Seite bewegt (Blitz als plötzlich zusätzlicher Spalt in einem Zaun)

Er will von ihr wegrücken, nicht zur Abwehr, sondern um sie wie einst zu sehen (?)

»Ich habe einen Platz zum Warten gefunden« (Mauersims)

Eine Entrüstung von Angst überzieht ihn (beim Anblick eines Hundes) [Ent-Rüstung]

Verrücktes Bild der glänzenden Fernsehantennen vor dem dunklen Gewitterhimmel (sie bilden tatsächlich ein eigenes Bild im Bild)

Er sah, im Einschlafen, sah er die WELTKARTE seines Gehirns, mit allen Einzeichnungen (wie das Fernsehantennenbild des Abends)

Morgen: Er weiß noch nicht, was er tut

Riesiges Schiff in kleinem Gewässer

Angebettelt im Traum von verkleideten Bekannten

Der Spuckfleck im Wasser als Totenschädel

Er tritt angezogen vor sie (nackt wagt er nicht zu denken)

Kirschblüten in der Hutkrempe wie die Kreise von gelochten Fahrkarten

Für das Kind riechen seine Hände am Abend nach dem Küchengas

monumentales kleines Tier, still in der Nacht

Immer bereit, jm. zu retten

der weiße Kirschbaum dauert nur ein paar Tage, dann frißt sich das Grün durch

»Gib mir das Augenlicht wieder!« (Übel der Blicklosigkeit, als Gleichgewichtsstörung)

Die am Tag werbenden Katzen, stolze Bewegung, Rituale, mit Lippenlecken und Wie-Gleichgültigkeit dazwischen; Reglosigkeit der Annäherung

Grünes Haus innen, vom leuchtend grünenden Garten, im Vorabendlicht

Blütenballenübelkeit

Die sich schnell Verewigenden

Der Erdboden war ihm, wieder einmal, zu friedlich (zu ruhig, zu unbewegt); Erwartung der Explosion

Über sie nachdenkend, distanzierte er sich aber schließlich von ihr (lehnte er sie ab)

Allmählich wurde aus dem Nachdenken Sehnsucht

Tiefkühlfachschnee wurde ins Waschbecken geworfen, und in dem Moment blitzte es draußen im Garten

Nachbild des Abflußloches (im Waschbecken)

Sommernacht mit Schneeträumen

Aus dem Schlaf geschreckt sieht er sofort den Frauen nach (»schlaftrunkene Liebe«)

»Endlich muß ich nicht mehr reden«

Bedürfnis nach »Gebirgsbildung«

Eingefrorenes Bild einer Kraftwirkung

Gefühl des Vergessen-Habens

zu benommen, sich selber zu schlagen

Kirschblüten, auf die frisch umgegrabene Erde fallend

»Alles kann ich ertragen, nur nicht diese Unwirklichkeit«

Sich selber beschwören, sich gern zu haben, zu mögen

vor ihr konnte er misanthropisch sich gehen lassen

Seine jeweiligen Abschiedsbilder

Wunscherfüllungsbedürfnis

»Sich in die Augen des Geliebten bergend« …

Neue Fenster, bitte! (in die alte Umgebung)

»Was heißt Müdigkeit?« (Ansprache im Keller beim Aufhängen von Wäsche) Das Gehirn ruht, es gibt es nicht; und draußen drohen die Hunde

Im Bedienen wurde er wieder stark; lief

Manchmal waren die Menschen ganz einfach nichts, unsinnig, ein Zeug vor ihm, mit ihm

»Ich will dir nicht den Weg ansagen! Finde selber heraus, wie du herkommst.« (Alle wollen die Wegbeschreibung)

Aus dem täglichen Weltkrieg entspringt ein Bild: das versöhnt (Frau, ganz dunkel gekleidet, läuft am Straßenende die Hauswände entlang, am hellen, verlassenen Abend, wie Kulissen)

Wortlos geht er im Traum neben dem ehemaligen Freund (dieser sagt nicht mehr, wo er hingeht, wann er zurückkommt [!])

besorgt blicklos (blicklos besorgt)

Das Tier will leben (sein Wille)

Endlich war er wieder fähig, die Schönheit zu sehen (aus dem Bewußtsein der Unvermeidlichkeit der Schuld) [Fluß im Tal im Herbstfrühlingslicht]

»Ich denke so schlecht über die andern: ich muß streng über mich nachdenken«

Das Geliebte mit seiner Farbe anrufend (»Weißes!«)

»Bei der Scherfaltung findet Gleitung nicht auf den Schicht-, sondern auf den Schieferungsflächen statt« (= zerhackende Bruchflächen im Kleinbereich)

»Heute vertraue ich Dir« (Brief)

Geschehen lassen können; nicht in den Geschehnissen sein, nicht die Geschehnisse sein (der vorbeifahrende Zug, der Fluß in der Ebene), sondern deren Topographie im eigenen Kopf bewahren; Ent-Dinglichung der Wahrnehmung; die Dinge in sich hineindenken und sie dort »gewähren lassen« (das wäre sein Weltgefühl)

Einmal hast du an unrechter Stelle genickt (wo ich wohl Widerspruch wollte)

In der Müdigkeit stellt er sich sich feige vor (die Müdigkeit aushalten)

Sich an einen Gott herandenken

ihre kostbaren Tränen

Beweinungs-Notwendigkeit

sportsdumm (aber er kann nicht aufhören)

Freundprofil in der Nacht

Erstmals ihre Stimme am Telefon, Beklemmung davor

Das kranke Tier: hört erstmals auf Sprache

Ich brauche keinen Bruder mehr (keinen Ähnlichen)

»Es fehlt mir der innere Jubel von früher« (Er will auch keine Ekstase mehr)

Haß auf Geschenke

Wohlgefühl: sich nicht um die Fremden kümmern (an 3. Orten)

Mein Bewußtsein ist was anderes als ich: unverwüstlich, naturverbunden, Natur selbst, sich immer wieder erholend ohne mich, der sich schon länger aufgegeben hat

Als seien die sich bewegenden Sträucher nur kurz beiseitegeschoben von den Häusern (so sieht es einmal S.)

Er will ihre Haare auf sich

Blütenwind in der Nacht

Wetterleuchten in der Nacht und Maultrommelakkorde (bestimmte Instrumente und bestimmte Wörter waren nur bei idealer Leidenschaft wirksam, brauchbar, schön)

Er würde im schönsten Moment etwas Unschönes an sich finden

Seine Arme wurden stark vor Liebe

Er glaubte, für sich, an Wunder und war oft vermessen

Den Zusammenhang zwischen sich und sich denken (am bitterklaren Morgen sich vom letzten Abend mit dessen Enthusiasmus)

Nicht sich wieder auf eine Frau wälzen

Mit einer kleinen reflexhaften Geste (Daumen verbergen in der Handfläche) verbannt er sich in den dummen Heimatort und in das Unfreie an der Kindheit zurück (in der aber frischen Morgenluft)

Sich nicht ereifern gegen, sondern ruhig die Ablehnung aussprechen

Ein Atlas einer Weltstadt

Wenn er nicht ruhig wahrnimmt, beschimpft er, was er nicht wahrnehmen kann, schmäht er immerhin kräftig, als Beschwörung

Er vergleicht sich zu oft

Handabdruck wie von einer Skeletthand, röntgenbildhaft

Die Frauen waren seine geistesgegenwärtigen Prüfer

»Das dunkle Zimmer im Haus« (im sonst hellen Haus)

Die Morgensonne als Pflanzengrün auf dem gerade umgegrabenen Beet

Wohlgefühl, auf einem »Schild« zu stehen, über der Stadt (und Sonntagsonnenmorgen mit sich im Wind bewegenden, weit offenen Tulpen)

Kirschblüten auf dem hohen Gras, den breiten Halmen liegend (an der Gras-Oberfläche)

»Damit der Blick tief wird, muß ich mich mit dazudenken« (sonst wird es nur ein Zufallsfoto, ein »Schnappschuß«) [mich Zeitlichen, jetzt]

An den Enden der Zweige sind keine Blüten mehr, nur noch Blätter

Sich durchatmend

Er sieht nur auf den ersten Blick, ohne Sehwillen, oder aber durch langes, inständiges Vertiefen

»Lebewesen, die nur aus Weichteilen bestehen, haben kaum eine Chance« (Fossil zu werden) »Der Fossilinhalt einer Schicht stellt also eine Selektion dar«

Die Welt war jetzt tatsächlich noch jung

Heilige Liebe

Sich von sich bewegenden Blättern beobachtet fühlen

Liebe: Ich will dir etwas erzählen (und ich habe auch etwas zu erzählen)

Im Glücksfall war es so, daß jeder, dessen Blick auf ihn fiel, ihn als seinesgleichen erkannte (außer die Blicklosen)

Er liebte die für die Gemeinschaft »Verlorenen«

lieblicher Schweiß

Deutsche: die Schuldigen sind verdammt, ihre Schuld grimassenhaft, phantomhaft ewiglich zu wiederholen – und auf diese Weise für ewig verhaßt zu bleiben (die geisterhaften Nachfahren in allen Weltstädten, die Zähne bleckend, eben alles geisterhaft nachfahrend, zwanghaft, in Ewigkeit) [F.-E.!!][5] 

Sie wurde verfügbar (hatte Zeit, gab das Sonstige auf) [Wenn er nur wollte, würde sie verfügbar sein]

Das Gesicht ausdruckslos gemacht durchs Kaugummikauen (Sonntagabend)

Er will, daß doch wenigstens jemand die von ihm verweigerten Geschichten weitergibt

Sich mit einer vergangenen Arbeit verbindend, wurde er ein Lebensbündel (abends, im Vorortzug) [sich verbindend mit der Fahrt OUEST-CEINTURE)

Er sieht den Zug leer fahren (in dem er steht), obwohl es sich in ihm voll von Passagieren bewegt, regt, schüttelt (die P. sind nur eine Phantasie)

Als sei bei Frauen jener Zusammenhang zwischen Gewesenem (Gemachtem oder Passiertem) viel inniger, mehr vorhanden, und erzeuge Güte, Nachsicht, Freundlichkeit, Fürsorge

Ohne Vorbereitung aus einem Zug aussteigen

ICH BIN NICHT ZUM SPRECHEN GEBOREN (A. auch nicht; aber auch sie wird sich dahin künsteln müssen)

Jemand, den man mögen muß

Die Sexualität war für ihn nicht denkbar; er konnte nur Glück haben, daß sie sich manchmal mit ihm ereignete

Eine Frau, feig wie ein Mann

Reifenprofile als Totenmasken im Asphalt

Unversehens spricht er das Tier mit »Kind« an

Sich vertiefen in den Tau der Nacht

Nach dem Schreck: die Sitzfläche ist zu tief unten (man fällt tatsächlich)

Die hinter den Rinden gepreßt lebenden Leute, und manchmal ging mitten in der Nacht ein Rollbalken auf, und die Rinde wurde weggespleißt, mit einem seufzenden Geräusch, auch einem Krachen

Er wollte nur das reden, was er nicht schon vorausgedacht hatte; was er zugleichdachte

»Sein letzter Blick ging durch den Griff eines Reißverschlusses« (in der fahlen Nacht)

Lichtausschalten: Er umgab sich mit der Dunkelheit als seiner Freundin

»viel klopfendes Herz«

Im Weiß ohne Bild endlich erwachen, nach langer Gelähmtheit im Scheinschlaf, in einem weißen Bild

Rest-Erotik: Er wäscht sich vor ihr

»Ebene Landschaft mit an verschiedenen Horizonten befindlichen wenigen Häusern, die aber trotz der Entfernung als ein Dorf zusammengehörten, durch die die ganze Breite der Ebene einnehmenden, sich kreuzenden Straßen; der Himmel mit seinen kleinen weißen Wolkenflocken wölbte sich in diese Ebene hinein, setzte sich in den Straßen fort, als Nebelflocken: es war der Himmel auf Erden, und einige Gestalten bewegten sich hinter den Nebel- und Wolkenflocken. Ich schrie vor Entzücken, lief einen Grasabhang hinunter und gelangte am Fuß des Kessels an eine Quelle; Himmel und Erde waren ein Griff, ein Schnitt«

Das Unflätige an S.

»Deine Schönheit gilt nicht mehr« (täglich) Immer wieder mußte er darauf gefaßt sein, von gestern zu sein (täglich war er von gestern)

Die M. wäscht ihn Erwachsenen

Er sucht Streit (braucht ihn); er sucht die natürliche Feindschaft, hinter allen Gründen

Leute, mit ihren Gesichtern ewig auf die Sehnsucht wartend (immer werden die Lippen nuschelnd bleiben)

Endlich wieder einen ganzen Tag mit einem Traum der Nacht bestreiten

Sport, und die Kieselsteine als Blüten (der zurückprallende Ball sirrt an seinem Ohr)

Das Restaurant an der Friedhofsmauer (F.-E.)

Die wiederkehrende Feindesliebe im Traum (überströmende, zungenlösende Liebe gerade zu den Feinden)

»Du hast nur noch wenig Zeit, die Menschen zu entdecken«

Wie das Tier wollte auch er, daß im Haus die Türen zu allen Zimmern immer offenstünden

Blaue Nacht (nach grauem Tag)

Der Rauch und die Pappel

Sturm und Katzenschreie wie Todesschreie

Das Licht im letzten Fenster geht aus: als würde das ganze Haus damit ausgelöscht, ausgeschaltet wie ein Fernseher

Der Strauch bewegt sich plötzlich, wie wenn ein Tier auf eine Mauer springt

Er will sich endlich glauben als Geliebtem (als Verehrtem, Gewolltem); er will sich für gewollt betrachten

Glänzende Straßenecken in der Nacht

Blitze, und kleine, frisch grüne Blätter

Der Wind donnert, und ich warte auf den wirklichen Donner

Seine Ich-Vision (nach der er sich doch gesehnt hat als nach seiner Lebendigkeits-Mystik), als er nach langer Zeit wieder in seinem Haus allein schläft und gleich nach dem Einschlafen wieder aus dieser Unterwelt als etwas Unzugehöriges heraufschnellt in den weltlosen Leerraum, in dem es nur noch das groteske Ich gibt: seine Vision von sich katatonisch Zusammengeballtem (sogar die Füße zu Fauststeinen geworden) als einem atmosphärelosen, vereisten steinernen Planeten, steinschwer und doch ewig nicht fallen könnend, eine Kugel ohne Form, weil ohne Weltraum; nicht allein auf der Welt, sondern allein absolut, ohne Welt, in der Vision zum Alleinzigen ausgeboren, lag er da in sich allein gekrümmt, im letzten, äußersten Allein-Sein, dem ewigen Allein-Gelassensein des Universums selber, etwas ewig Versteinertes in einer Eiszeit, in der auch die Zeit vereist war: er war, als gekrümmte Gestalt, das Universum selbst, und sah auch tatsächlich insich die Sterne und Spiralnebel stehen, als Augen, die ihn aber NICHT ANSCHAUTEN [Er war, obwohl als das All-Einige aus jeder Oberfläche herausgeschnellt, von der Schwere der schwersten Steine des Erdkerns] (danach aber, bei Tag, wilde Lebenslust, als Schaulust) – Und dann fuhren draußen, in der Helle, doch wieder in der waagrechten Welt die Züge, und es gab die Welt, entfaltet zu tausend Einzelheiten (mit den umgeblättert werdenden Zeitungen im Café, usw.), er drunter, aber doch noch »steinerner Gast«; er als das dämmrig-graue Universum: er konnte dieser Vision nicht folgen, wollte sie aber doch behalten; sie soll ihn mitbestimmen [F.-E.]

Die wiederkehrenden Verwandtenträume, wo alle die gemeinsten Schurken sind, er eingeschlossen

Die Hände wurden sofort kalt

»Da weinten sie hell auf, heftiger als Vögel: Seeadler oder krummklauige Lämmergeier, denen Jäger die Kinder herausgenommen haben, ehe sie flügge wurden«[6] 

Und es wässert ihm der Mund nach Wein

»und empfingen des Schlafes Gabe«[7] 

»Gekommen bist du, süßes Licht« (»ἦλθες, Τηλέμαχε, γλυκερὸνφάος«)[8] 

»Den Argos aber ergriff das Schicksal des schwarzen Todes sogleich, als er den Odysseus gesehen hatte im zwanzigsten Jahre«[9] 

»ἀλλ' οὔπωκακότηταδιήνυσενἣνἀγορεύων.«[10]  (doch ist er noch nicht ans Ende damit gekommen, seine Leiden zu erzählen)

Sehnsucht nach dem Dunkel

Mit der schönen Emphase eines Phlegmatikers, oder eines Schüchternen, oder Melancholischen

Die Finger sanft spreizen, um seine Kraft anzudeuten

»Dir zuliebe antworte ich der Menge« (denn ich sehe dich in der Menge)

Er sitzt zu verschränkt und endgültig da, um sich zum Schlafen hinlegen zu können (so schläft er so)

»Ich liebe dich und werde dir jetzt meine Meinung sagen« (Endlich kann er, nach dem Traum [s. ‌o.], wieder phantasieren, und es gilt, neben dem Traum, etwas anderes)

Tischtuchfalten in der Nacht im dunklen Raum

Das schweigende Telefon abheben und »sich melden«

Gedränge in den Träumen; dann die Leere im Haus (Alle wollten von Empfang zu Empfang)

»D. sollte versenkt werden wie bei einer Gebirgsbildung, das obere nach tief unten; ein Land, als Land, in die Hölle, auch geologisch«

»Ich, der Unsterbliche!« sagte er, sich ermutigend vor dem Spiegel

Wasserfall am Morgen vor einem Haus: ein Leintuch wird ausgeschüttelt in der Sonne, es fließt sehr lang hinunter

Der lange Zug, nah an den Sträuchern des Bahndamms vorbeiführend, so daß diese aufglänzten, nahm den Druck der Nacht von seinem Kopf

Sonnenflecken im dunklen Bahnhofstunnel

mit der Unruhe (Unrast) der Verlorenheit

»Ich reagiere menschlich, aber noch immer nicht schnell genug«

»Gestern hat die Erde [das Licht, die Hügel, das wahnsinnige Grün] nicht gegolten gegen den grauen Steinteig des Universums«

Sonnenschein auf den Sitzen des leer vorbeifahrenden Zuges

Er kann seinen Namen nicht mehr schreiben, d. ‌h., seine Unterschrift bringt er nicht zustande

»Ich bin der böse Nachbar« (Er tritt die Tiere der andern)

Ein Grün von einer anderen Welt (es gab tatsächlich keine Sprache, kein Bild, das sich ereignete) und doch erinnert es einen, eben an eine andre Welt

Wieder einmal etwas kaufend, das er gar nicht will (im Moment des Kaufens es bemerken)

plötzlicher Tod: Sich nicht wiederfinden

Sinnloses Ankreuzen von Lebens- (oder auch nur Zerstreuungs)möglichkeiten

Achtung, gib dem Kind keine Definitionen von sich, weder im guten noch im schlechten (es sei mutig, oder unsportlich, oder …)

Auf dem Nachmittagsstraßenrücken weit weg die Hunde als Silhouetten, flohhaft (der Rücken besonnt, die Tiere als krabbelnde Umrisse, aber auch die Menschen)

Tatsächlich einem endlich zum Fenster hinausfliegenden Tier etwas Freundliches nachsagen können

Neue Energie durch Finden, und Wiederfinden von Verlorengeglaubtem (F.-E.!)

Liebe verband sich für ihn mit dem Geruch von Stoff (in warmer Luft)

Als sei die Rest-Freundlichkeit, die der Müdigkeit nach einem langen Tag, doch die tiefste

Er erwartet nichts mehr, wartet auf nichts mehr (Vorstellung, daß jetzt alle Leute auf die Fernsehnachrichten warten, und sie sich auch ansehen werden) [Endlich lebt er jenseits der Nachrichten]

In den letzten Handlungen des Tages (z. ‌B. Weingläser leeren) erschien noch etwas vom Geiz seiner Jugend

Sie, die er immer nur von vorn gesehen hatte, sah er erstmals im Profil

Unbewegliches Gesicht des Philosophen, als sei die Begeisterung selbstverständlich

Wenn eine immer enthusiastische (geistesgegenwärtige) Frau einmal schweigt (abwesend ist)

Eines Nachts brachen die Wurzeln der Lichtmasten durch den Asphalt

Er glaubte plötzlich für immer an die »ewig andere Frau« (und alle galten) [F.-E.]

In stolzer Nicht-Furcht (allein in der Nacht) [Im Dunkeln doch seine Gesten, wie seine Schrift z. ‌B. – auch eine Geste – formvollenden]

Er schlief ein mit zum Teil offenem Leib, wie Schotter auf (S., der den Leib öffnete) Schiefer, dachte er (dabei hatte er sich zum Einschlafen schon auf sein geschlossenes mineralisches System verlassen)

Es gibt zu wenig Leute, als daß man mit ihnen seine Scham verbergen kann (zu schütter)

Hoch die Frau, die seinen Blick suchte!

Jemanden ruhig sprechend rufen (nach Mitternacht)

Schon wieder hat er ausgeplappert (wenn auch ganz ruhig redend), was er eigentlich schreiben wollte (und was nur geschrieben sich auch entfaltet hätte)

Gedankenlos verrichtete er seine täglichen Geschäfte, und so auch »ohne erotische Selbstaufladung« [aber einmal auch anders]

Weg mit drei Gabelungen, von denen gerade die mittlere sich als Sackgasse erweist

In der mondlosen Zeit

»Ich will die Frauen achten, indem ich sie nicht mehr bemerke«

Und am nächsten Morgen hörte er sich wieder reden

»Ich bin in der Helle der Welt und will das genießen!«

Er schimpft: »Tier, elternloser Räuber, kinderloser Selbstling!«

Seine zwanghaften täglichen Vorstellungen von den »geologischen« Vorgängen im Haus, den Abnutzungen, Ablagerungen, Abtragungen, die er vornimmt bei seinen täglichen Verrichtungen (auch nur die Abnutzung der Rasierklinge beim Rasieren) [F.-E.!]

Heiß erscheinende Wolken, eine Fernsehantenne vor dem freien Himmel als Vogelkäfig

Was man über die Erde liest, zugleich in die Landschaft hineindenken

»Ich kann dir meinen Ernst nur beweisen durch meine Arbeit«

Eine Nacht, in der Schlafen und Wachen eins war; er schlief tief, nahm aber doch alles wahr und war froh: ideale, glückliche Nacht; das war an ihm anorganisch, was er anorganisch wünschte, und organisch, was er organisch wünschte (die üblichen Alpträume kamen, aber passierten nur belustigend Revue)

Schönheit für S., den Wissenschaftler: »Ein schöner Beweis«

»Warum sieht sie nicht meine Größe und verläßt mich?« (läßt mich allein)

»Wieder habe ich eine Vereinigung vorgetäuscht«

Rousseau: Endlich lebt er ohne Sehnsucht im Frieden (friedliche Hoffnungslosigkeit)

»Ils ont arraché de mon cœur toutes les douceurs de la société.«[11] 

»Tout est fini pour moi sur la terre. On ne peut plus m'y faire ni bien ni mal. Il ne me reste plus rien à espèrer ni à craindre en ce monde, et m'y voilà tranquille au fond de l'abîme, pauvre mortel infortuné, mais impassible comme Dieu même.«[12] 

Die Kühle des schlafenden Kindes, und seine Wärme imHandgelenk

Das einzige an einem Tag: die Wolkenbildung gegen Abend, und der undurchdringliche Blick eines Kindes (im Zug; vertrauliche Verachtung?)

Liebe und Ruhe (A-r fürchtet, viele Gefühle nicht zu kennen)

Ein ewiger Beschwichtiger (als »Dritter«; schlimmer als »Der Mittler«, weil er dazu auch noch ablenkt)

Endlich konnte er, wenn auch nur für ein paar Momente, zornig sein (Nach ein paar Augenblicken Zornäußerung konnte er lachen)

Die Vereinigung war kein Ereignis, weil sie, wenn auch nur kurz, verzögert war (nicht in eins mit dem höchsten Begehren geschehen konnte)

Ein langes Brot, im Wind schwankend

»Wenn ich dich lieben will, muß ich in jedem Moment, auch deiner Abwesenheit, eindeutig, entschieden, klar sein« (Sonst werde ich die Liebe verlieren)

Er denkt sich in seine Geschichte, um zu denken, wahrzunehmen …

Zorn und Helligkeit

S.'s Vergnügtheit

Eine Urschuld ist in ihm, die ihn immer wieder neu schuldig werden läßt; er kann sich sich selber ohne tägliche Schuld gar nicht vorstellen; Frieden ist erst möglich, wenn er diese tägliche Schuld begangen hat, möglichst früh nach seinem Wunsch

Griesgrämigkeit und Humor

»Ich weiß etwas Gutes über dich, aber das soll ganz tief in mir bleiben« (tief: viele Schichten sind drüber, und es lebt)

Wer verzeiht mir? (heute)

erschöpft, und im hellen Licht

Die Nacht verkörpert als universaler Hunderachen

»The silence that followed his words was like the silence of a field at the bottom of a mountainvalley, when the setting sun touches the flanks of a herd of feeding cattle«[13] 

»Die Nacht auf dem kahlen Berge, mit meinem Rock hängend an der [?] Wand, in dem Weiler über der Baumgrenze, wo ich aber natürlich meine beflissenen Verwandten wiedertraf, [die] mir, in dem Bewußtsein ihrer Schuld, den Namen jeder Alpenblume erklärten, nach der sie mich zu blicken vermeinten auf meinem nachtlangen Gang auf dem Bergrücken, wo es keinen Besitzer gab, sondern alles nur Mieter«

Durst eines Kindes nach einem Film, den es die ganze Zeit mit offenem Mund angeschaut hat