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"Die Zoebücher" besteht aus den beiden Büchern "Weg da- jetzt komm ich!" und "Zoe und das Meer". Die beiden Bücher handeln von Zoe, einer kleinen rumänischen Hündin. In "Weg da – jetzt komm ich!", dem ersten Band der "Zoebücher", schleicht sich die Hündin Zoe – wohlbemerkt unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – in ihr neues Zuhause ein und mischt dort kräftig auf. Mit Unternehmungslust, Ausgelassenheit und Lebensfreude bringt die gänzlich unbescheidene und außerordentlich resolute kleine Straßenhündin ordentlich Schwung in den beschaulichen Haushalt und gibt sich alle Mühe, ihren Menschen vor Augen zu führen, was ihnen bisher gefehlt hat. Gleichzeitig lüftet die kleine Hündin ihre geheimnisumwitterte Vergangenheit früherer Daseinsformen und begreift gemeinsam mit ihren Menschen, worauf es wirklich ankommt im Leben. "Weg da – jetzt komm ich!" ist ein unterhaltsames, heiteres Buch, das mit der Vermischung von Realität, Spiritualität und Fantasie Vertrauen darauf weckt, dass jeder auf die eine oder andere Art eigentlich immer das bekommt, was er braucht. In "Zoe und das Meer" verbringt die kleine Hündin mit ihren Menschen und Hundepartner Indio eine Woche an der dänischen Nordseeküste. Doch nicht nur die Impressionen der Reise, nein, auch eine ganz besondere Begegnung und viele wichtige Erkenntnisse lassen die Urlaubswoche zu einem unvergessenen Erlebnis werden … Die kleine braune Hündin, geboren und aufgewachsen in den Straßen einer rumänischen Stadt, besticht den Leser durch ihre muntere, direkte und manchmal etwas schnoddrige Art. Tatsächlich ist SIE die eigentliche Autorin der Bücher, indem sie ihren Menschen das vermittelt, was sie zu sagen hat. Mal nachdenklich und ernst, mal witzig und fröhlich und gewürzt mit einer großen Portion Erdung und Lebensfreude sind die Zoebücher unterhaltsam, abwechslungsreich und vielschichtig, so wie das Leben selbst.
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Seitenzahl: 315
Christine Goeb-Kümmel
Die Zoebücher Weg da – jetzt komm ich! & Zoe und das Meer
Ebook-Bundle - Copyright 2017
ISBN: 978-3-946723-36-3
Christine Goeb-Kümmel und Zoe Weg da — jetzt komm ich! Sind freche Engel immer weiblich? Copyright 2012
ISBN (Ebook) 978-3-946723-00-4 ISBN (Druckversion) 978-3-9814784-2-6
Christine Goeb-Kümmel und Zoe Zoe und das Meer Copyright 2013
ISBN (Ebook) 978-3-946723-01-1 ISBN (Druckversion) 978-3-9814784-5-7
Lektorat: Silke Martin, M.A.
Verlag: Begegnungen– Verlag für Natur und Leben
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Weg da – jetzt komm‘ ich !
Vorwort
Die Hauptfiguren
Zoe
Zoes Einzug
Die ersten Wochen
Mara und die Folgen der Begegnung
Ruussaan und das Reich der wissenden Seelen
Veränderungen
Der zweite Besuch bei Ruussaan
Entwicklung
Die Lektionen
Das Ende — ein neuer Anfang?
Nachwort
Danke
Zoes Schlusswort
INFO / Bildnachweis
Zoe und das Meer
Vorwort
Die Hauptfiguren
Was ist WIRKLICH? Was ist WAHR?
Die Zeit „davor“
Die Reise zum Meer
Die Ankunft
Eine Woche – tausend Eindrücke (mindestens)
Sonntag, der erste Urlaubstag
Montag, der zweite Urlaubstag
Dienstag, der dritte Urlaubstag
Mittwoch, der vierte Urlaubstag
Donnerstag, der fünfte Urlaubstag
Freitag, der sechste Urlaubstag
Die Heimfahrt
Wieder zu Hause
Die Zeit danach
Nachwort
Zoes Schlusswort
Quellennachweis:
Weg da — jetzt komm ich!
Sind freche Engel immer weiblich?
Christine Goeb-Kümmel
... und Zoe
Ich arbeitete gerade konzentriert und vertieft an meinem Buch „Zauber der Welten, Teil 2“, als eines Sonntagnachmittags, ohne Vorwarnung und sozusagen aus heiterem Himmel, der Satz
„Weg da — jetzt komm ich“
im wahrsten Sinne des Wortes in meine Gedanken „knallte“. Sekunden später folgte noch ein zweiter Satz in Form einer Frage, und zwar:
„Sind freche Engel immer weiblich?“
Im ersten Moment war ich etwas verblüfft, doch musste ich über den möglichen Absender bzw. die Absenderin nicht lange nachdenken. Es konnte nur meine Hündin Zoe sein, die friedlich schlafend neben meinem Schreibtisch in ihrem Körbchen lag. Oder zumindest tat sie so als ob, denn kaum blickte ich in ihre Richtung, schon öffnete sich blitzschnell eines ihrer hellen Augen und sah mich erwartungsvoll an. Ich war sicher, nur sie kam als Absenderin dieser Botschaft infrage, denn niemand sonst in unserem Haushalt ist so direkt in seinen Aussagen und so geschickt im Benutzen der Ellenbogen. Außerdem ist sie frech und weiblich, nur den genannten Engel konnte ich ihr beim besten Willen nicht zuordnen.
Ich erkannte in diesen Sätzen sofort einen Buchtitel. Und obwohl ich eigentlich keine Zeit hatte und meinen „Zauber der Welten“ weiter bearbeiten wollte, dauerte es nicht lange, bis sich auch das Buchcover in meinem Kopf bemerkbar machte und sich nicht wieder verdrängen ließ. Es hieß nun wohl umdisponieren, hier wollte offensichtlich zuerst eine andere Arbeit erledigt werden. Ich hatte keine Ahnung, worüber genau dieses Buch berichten würde, hatte ich doch bis dahin mit keinem Gedanken ein Buch über oder mit Zoe in Erwägung gezogen. Der Buchinhalt lag also vollkommen im Nebel verborgen. Dieser Nebel lichtete sich aber bereits in den nächsten Tagen und schnell, klar und direkt, so wie Zoe eben nun mal ist, diktierte sie mir zuerst den Aufbau und dann mehr oder weniger auch den kompletten Inhalt des Buches. Ich feilte noch etwas hier und da und ergänzte das ein oder andere, ansonsten stammt das vorliegende Buch von ihr.
Eigentlich müsste ich nun schreiben: Alle Figuren sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig usw. usf. …
Das ist natürlich nicht so. In der einen oder anderen Passage tauchen dann doch einige Parallelen zu unserer Familie auf. Doch ein großer Teil des Buches ist Intuition, Fantasie, altes oder unergründetes Wissen oder wie auch immer man es nennen mag. Es fragt sich jetzt nur, woher die Intuition, die Fantasie und das Wissen kommen? Von mir? Von Zoe? Oder von jemand ganz anderem? Ich würde sagen, alles stimmt. Meiner Meinung nach gibt es sowieso nur eine Quelle, aus der alles entspringt. Also lassen wir die Antwort offen und nehmen wir es einfach so hin, dass jemand, wer auch immer, diese Geschichte erzählt und geschrieben sehen wollte.
Den größten Teil der Geschehnisse erzählt Zoe selbst. Einiges, besonders auch all das, was sie zu dieser Zeit noch nicht wissen konnte, wird ergänzt von jemand anderem. Wir wissen nicht, wer es ist, vielleicht ein Sprecher des Universums oder eine wissende Seele?
Wer auch immer es sein mag, wünscht Ihnen neben Zoe und mir
viel Spaß beim Lesen.
Christine Goeb-Kümmel
Juli 2012
Die Hauptfiguren in diesem Kapitel unseres gemeinsamen Lebens sind:
Aus Transsylvanien:
Zoe, die erdbraune Mischlingshündin, klein und frech,
und
Indio, der wunderschöne, sanfte, schneeweiße Rüde.
Mit ungarischen Wurzeln:
Alaska, der schwarze Bärenhund, groß, mächtig, stark und tapfer, dabei liebenswert, anlehnungs- und liebebedürftig.
Außerdem:
Die Menschenfrau, achtsam und immer schon fast ängstlich darauf bedacht, niemanden zu verletzen.
Der Menschenmann, Stütze im Hintergrund und so manches Mal die wichtige und notwendige Erdung.
Mara, weise und richtungsweisende Freundin, Begleiterin und Vertraute.
Ruussaan, Halt, Hoffnung und wissende Seele im Verborgenen.
Diese Individuen fügen sich zu einer vielfältigen Einheit zusammen:
Zoe die Äußere: taff und klein und drahtig
Zoe die Innere: facettenreich und engelsgleich
Alaska: Lichtgestalt und zarter Krieger
Indio: Prinz aus einem fernen Reich
Zoes Menschenfrau: scheu und achtsam
Zoes Menschenmann: sanft und wachsam
Mara: Freundin, Hexe, weise Frau
Ruussaan: Zukunft, Zuflucht und so wichtig
Taff und klein und drahtig,
Facettenreich und engelsgleich,
Lichtgestalt und zarter Krieger,
Prinz aus einem fernen Reich,
Scheu und achtsam,
Sanft und wachsam,
Freundin, Hexe, weise Frau,
Zukunft, Zuflucht und so wichtig,
was immer kommt, ist gut und richtig!
Hallo Leute,
ich bin Zoe!
Ich bin 15 Monate alt, wiege 17 kg und meine Maße sind 50/50/50.
Ich habe auch noch einige andere Namen: Trulla, Thusnelda, Hexenweib, Hexe, Zwergenfrau, Madame, Zicke, Schnecke, Schneckchen, wilde Hilde, Mrs. Spock, Mäuschen, Kleine, Biest, Teufeline, Süße, Geierwally oder Magermodel. Mit dem einen oder anderen Namen könnte ich mich durchaus anfreunden. Madame zum Beispiel gefällt mir sehr gut. Der Name hört sich sehr edel an und ist meiner durchaus angemessen. Wäre da nicht immer der lauernde Unterton in Menschins Stimme, wenn sie mich damit anspricht: Madammme … so langgezogen und am Ende des Wortes hebt sich ihre Stimme fast schon drohend — oder ganz kurz und scharf: MADAM, NEIN, LASS DAS!
Da lobe ich mir dann doch die Betonung von Hexenweib. Das wird meist liebevoll und, wie ich herauszuhören glaube, wohlwollend und verstehend benutzt, wie mit einem leisen Lächeln. Wie heißt es bei den Menschen so schön: Der Ton macht die Musik. Aber egal, mein wirklicher und richtiger und wichtiger Name ist Zoe. Er ist durch die vielen zusätzlichen Namen nicht infrage gestellt. Das „Z“ wird wie ein „S“ gesprochen und das „e“ wird betont, also Soee. Den Menschenmann interessiert das nicht, er sagt immer Tsoe zu mir, das ist mir auch recht. Der Name Zoe ist mir deshalb so wichtig, weil er das bedeutet, was ich verkörpere. Zoe ist ein altgriechisches Wort und übersetzt heißt es „Leben“. Im weiteren Sinn bedeutet es „die einfache Tatsache des Lebens“ oder auch „Leben um des Lebens willen, um des guten Lebens willen“. Ist das nicht wunderschön? Die Erklärung meines Namens ist so eine Art Schlüsselbotschaft, das Thema, der Anfang und wahrscheinlich auch das Ende meines Daseins sozusagen. Was es im Detail damit auf sich hat, werde ich euch nach und nach erzählen. Es ist, wenn ich es mir recht überlege, eigentlich eine der wichtigsten Botschaften in meiner Geschichte. So ganz weiß ich selbst noch nicht, wie diese Geschichte verläuft und wie sie enden wird, ich weiß nur, dass sie nicht langweilig sein wird.
Ich selbst lebe noch nicht sehr lange bei meinen Menschen. Zuerst dachte ich, ha, ich habe hier alles im Griff, das wird eine leichte Aufgabe, diese Menschen scheinen schnell zu verstehen, warum ich bei ihnen gelandet bin. Naja, aber als ganz so einfach hat es sich dann doch nicht herausgestellt, so manches Mal ist es unerwartet anstrengend. Zum Glück bekomme ich hier genug zu essen, das ist auch wichtig bei meinem vollen Körpereinsatz. Die Arbeit, die ich leiste, verbraucht ordentlich Kalorien. Die Menschenfrau ist immer wieder aufs Höchste erstaunt, wie viel ich esse und wie dünn ich dabei bleibe.
Ach ja, für die, die noch nicht wissen, was ich meine:
Meine Aufgabe ist es, meine Menschen zu spiegeln und zu führen. Im Detail bedeutet das, ich muss durch mein Verhalten die Dinge im Leben oder in der Persönlichkeit der Menschen aufzeigen, die wichtig für sie sind, die sie selber bei sich beachten sollten oder die ihnen fehlen. Es ist naheliegend, zu glauben, dass die Zweibeiner das ohne fremde Hilfe bemerken, es ist aber nicht so. Im Gegenteil, es ist sogar für uns Tiere meist schwere Arbeit und erfordert in der Regel sehr viel Energieaufwand, da die Menschen meist etwas mehr Zeit benötigen, bis sie verstehen. In der Praxis bedeutet dies, dass ich ein bestimmtes Verhalten immer und immer wieder präsentieren muss. Deshalb kommen wir Tiere zu den Menschen und deshalb kommt auch kein Tier zufällig zu einer Person, das hat immer so seinen Sinn und seine Richtigkeit. Viele Leute glauben, wir Tiere sind untergeordnete und hilflose Wesen. Das ist nicht so. Viele Tiere sind spirituell wesentlich weiter entwickelt als die Menschen, bei denen sie leben. Sie sind zu ihren Zweibeinern gekommen, um zu helfen.
Unsere Seelen werden sozusagen speziell darauf geschult. In der Tier-hilft-Mensch-Seelenschule habe ich gehört, dass es oft Fälle gibt, in denen die Menschen in einem ganzen Leben keine einzige Botschaft verstehen. Das wird bei mir und meinen neuen Familienmitgliedern natürlich nicht der Fall sein, dafür bin ich einfach zu gut ausgebildet und auch motiviert und außerdem haben meine Leute prinzipiell schon einiges verstanden und wir müssen nicht bei null anfangen. Wie ich allerdings anfangs schon erwähnte, bin doch auch ich schon auf einige Widerstände gestoßen. Ach ja, bevor ich es vergesse: Ich bin dazu auserwählt worden, meinen Menschen Durchsetzungsvermögen, Selbstbewusstsein, Kampfgeist und Entschlossenheit und alles, was sonst noch so dazugehört, zu bringen. Was anderes war da auch noch, das habe ich aber vergessen — es wird mir schon wieder einfallen, wahrscheinlich war es sowieso nichts Wichtiges … “
Zoes neue Familie lebt in einem Häuschen, schön gelegen, in einer ruhigen Gegend in der Natur.
Bevor Zoe dort einzog, waren die Hunde Alaska und Indio hier zu Hause. Die beiden Hunde verstanden sich gut. Der junge Straßenhund Indio hatte in dem einige Jahre älteren Alaska nicht nur einen Vaterersatz gefunden, sondern auch einen Beschützer und ein Vorbild. Alaska genoss seine Aufgabe als Ziehvater und großer Bruder und ertrug tolerant die anfängliche Ruhelosigkeit des kleinen Energiebündels Indio.
Zwei Jahre verstrichen in Frieden — doch plötzlich kamen schwere Zeiten. Alaska starb, viel zu früh, und der gerade mal zweieinhalb-jährige Indio fühlte sich halt- und schutzlos und litt sehr unter dem Verlust. Selbst harmlose Spaziergänger ängstigten ihn, er wurde traurig und der sonst so unternehmungslustige und fröhliche Hund verbrachte viel Zeit zusammengekauert und manchmal sogar teilnahmslos im Haus.
Nie in seinem Leben war Indio ohne andere Hunde gewesen, zwar in den ersten Monaten seines Lebens ärmlich und entbehrungsreich aufgewachsen, doch immer mit einem Freund an seiner Seite. Nun war da niemand mehr. Er liebte seine Menschen sehr, aber ihm fehlte die Sicherheit eines Begleiters.
Zoes Einsatz begann, nachdem Alaska gestorben war.
Aber lassen wir sie nun selbst weitererzählen.
Ich stamme — wie auch Indio — ursprünglich aus Rumänien. An meine Geburt und die ersten Monate meines Lebens kann ich mich nur sehr vage erinnern. Die Zeit war schwer und kräftezehrend, aber diese Umstände waren mir nicht fremd, ich kannte sie offensichtlich bereits aus früheren Leben, denn auch im Nachhinein ist da trotz aller Erinnerungslücken eine seltsame Vertrautheit zu dieser Zeit.
Im Alter von ungefähr sechs bis sieben Monaten kam ich nach Deutschland. Während Alaska mit seiner schweren Krankheit kämpfte, lebte ich in einer Pflegestelle einige Hundert Kilometer entfernt von ihm. Hier hatte ich zuvor schon einige Vermittlungsversuche meiner Pflegeleute erfolgreich abgeblockt. Das musste so sein, weil mein Auftrag zu dieser Zeit noch nicht ganz klar war. Ich war zwar für den Job als Alaskas Nachfolgerin vorgemerkt, musste aber noch etwas warten, da noch nicht sicher geklärt war, ob Alaska abberufen wurde oder nicht. Das wussten meine Pflegemenschen natürlich nicht und versuchten fleißig, mich zu vermitteln. Zweimal wäre es ihnen fast gelungen und für mich deshalb beinahe schiefgegangen. Es kamen fremde Menschen und nahmen mich einfach mit. Also musste ich mir etwas einfallen lassen und improvisieren. Beim ersten Mal hatte ich die Idee, mich strikt zu weigern, mich anfassen zu lassen, und einmal habe ich den Leuten auch so ganz dezent und fast unauffällig einen meiner schönen Reißzähne gezeigt, also eigentlich nicht mal den ganzen Zahn, nur so ein Stückchen davon. Es hat aber gereicht und Wirkung gezeigt, die Menschen haben mich zurückgebracht. Bei solchen Memmen wäre ich sowieso nur höchst ungern geblieben.
Die nächste geplante Vermittlung folgte dann kurz darauf, nämlich bereits einige Tage später. Mir dämmerte, dass ich die Nummer mit dem gefährlichen Hund nicht nochmal aufführen durfte, zu leicht hätte ich mir damit ein Eigentor einhandeln können und im schlimmsten Fall als aggressiv und nicht vermittelbar gegolten. Also musste ein neuer Plan konstruiert werden. Da ich sehr einfallsreich bin, wusste ich schnell, was zu tun war. Ich ließ es zu, dass es so aussah, als würde mich der bereits vorhandene Hund der Familie mobben. Das war bis dahin mein allerschwerster Auftrag gewesen. Ich hätte dieses buntgescheckte, arrogante, übergewichtige, wichtigtuerische Wollknäuel auf vier Beinen am liebsten zum Teufel gejagt, aber es ging nicht. Ich musste durchhalten und zeigte mich als hilfloses Mädchen. Sollte ich aber in diesem oder einem anderen Leben nochmals mit diesem Kerl zusammentreffen, wird das Sackgesicht die Begegnung nicht in guter Erinnerung behalten. Entschuldigung, aber ist doch wahr.
Auch diese Aktion war aus meiner Sicht von Erfolg gekrönt und ich wurde zum zweiten Mal in meine Pflegestelle zurückgebracht.
Genau zu diesem Zeitpunkt zeigte sich dann, dass Alaska abberufen wurde, und er verließ diese Welt.
Alaska lebte bis dahin im Körper eines mächtigen und kräftigen, dabei aber sehr anmutigen, bärenhaften Hundes mit seidig glänzendem, schwarzem Fell.
Er war groß und schön und freundlich gewesen, also alles in allem das Gegenteil von mir. Ich bin mehr so der Typ klein und garstig und irgendetwas zwischen mausgrau gesprenkelt und schlammbraun.
Alaska starb und Indio, ein leuchtend weißes Lichtwesen in Hundegestalt (also auch mehr oder weniger nicht wirklich mit mir vergleichbar) blieb alleine zurück. Zwar nicht ganz alleine, denn sein Katerfreund und andere Tiere waren ja auch noch da, jedoch fehlte ihm sein großer Freund Alaska sehr. Er war derjenige gewesen, der ihm Halt gegeben und zu dem er aufgesehen hatte, und besonders außerhalb des Hauses konnte er sich stets hinter ihn flüchten, wenn scheinbare Gefahren in Form von fremden Menschen oder Hunden auftauchten. Das war immer sehr wichtig gewesen für Indio, da er zwar bei der Verteilung der Eigenschaften viel Sanftmut, Freundlichkeit und Güte erhalten hatte, aber das Selbstbewusstsein und das Durchsetzungsvermögen waren offensichtlich bei ihm vergessen worden.
Indio wurde immer unsicherer und auch freudloser. Oft lag er zusammengerollt in einer Ecke und die Einsamkeit, die ihn umgab, war deutlich spürbar.
Irgendein Teil in mir fühlte sehr stark mit ihm und konnte verstehen, was es für ihn bedeuten musste, den Schutz eines solch mächtigen Wesens verloren zu haben — oder vielleicht besser gesagt, zu glauben, ihn verloren zu haben. Ich konnte es mir nicht erklären, doch Alaska war mir, obwohl ich ihm nie begegnet war, so nah und vertraut wie kaum ein anderer. Ich empfand ihn als mächtiges Wesen und ich spürte, dass sein Schutz bestehen blieb, auch wenn sein Körper nicht mehr bei Indio war.
Indios Menschen beobachteten sein Verhalten mit Sorge. Hatten sie zuvor geglaubt, dass eine gewisse Zeit ohne schützende Hundebegleitung sicherlich zur Stabilisierung und zur Förderung des Selbstbewusstseins beitragen würde, so schien es jetzt so, als sei dies nicht der Fall.
Meine Aufgabe war es nun, dafür zu sorgen, dass ein zweiter Hund — nämlich meine Wenigkeit — adoptiert wurde, warum genau … nun, es wird sich zeigen.
Und so sendete ich einen Funkspruch ins Universum, um auf MICH aufmerksam zu machen.
Der Menschenmann hatte wohl als Erster unbewusst auf Empfang gestellt. Er sprach noch vor der Menschenfrau davon: „Indio braucht wieder einen großen, starken Freund und Beschützer, groß und stark und schwarz soll er sein“, sagte er ungefähr zwei Monate nach Alaskas Tod. Keine Frage, es sollte wieder ein mächtiger Hund sein und ein männlicher noch dazu. Mist, da schien mein Funkspruch etwas gestört angekommen zu sein. Ich bin stark und mächtig, okay, das bin ich wirklich, also zumindest relativ gesehen — aber ich bin weder groß noch schwarz, einem Hund wie Alaska nur äußerst entfernt ähnlich und ein Freund kann ich für Indio auch nicht sein — wenn schon, dann eine Freundin, ich bin nun mal ein Mädchen.
So wie ich die Sache analytisch überblickte, hatte ich einige Aufgaben zu bewältigen:
1. Den Menschenmann ruhigstellen,
2. irgendwie suggerieren, dass ich stark und mächtig und, naja, fast schwarz bin,
3. vertuschen oder irgendwie unwichtig werden lassen, dass ich ein Mädchen bin. Ich hatte schon realisiert, dass in der Tierfamilie hauptsächlich Jungs zu finden und auch alle Hundevorgänger Jungs gewesen waren — warum auch immer.
Um meinem Ziel näher zu kommen, begann ich als Erstes damit, mich in die Gedanken der Menschenfrau zu schleichen.
Hierzu muss ich erklären, dass ich seit meiner Geburt sozusagen auf dieses Zusammentreffen programmiert bin. Deshalb wusste ich über alle Entfernungen nicht nur immer genau, was passierte, sondern stand auch auf der seelischen Ebene mit den Menschen und den Tieren im Haus in ständiger Verbindung. Den Menschen war das nur, leider oder vielleicht auch zum Glück, nicht wirklich bewusst.
Zurück zu meinem Plan. Mir war also klar, dass ein guter und Erfolg- versprechender Ansatzpunkt dafür, den Menschenmann in den Hintergrund zu drängen, der war, mich in die Gedanken der Menschenfrau einzuklinken, sie auf mich aufmerksam zu machen und sie für mich zu gewinnen. Um dies zu erreichen, veranlasste ich als Erstes, dass sie immer öfter über einen neuen Hund nachdachte. Mithilfe einiger Feen und Kobolde, alles Kumpels aus anderen Welten und Zeiten, schickte ich ihr Ideen und Einfälle, Bilder und Geschichten. Als die Saat so langsam zu keimen begann, sorgte ich dafür, dass meine Menschenfrau mal wieder auf die Seite von Indios Tierhilfeverein schaute und dort ein Bild von mir zu sehen bekam. Auf diesem präsentierte ich mich zugegebenermaßen etwas größer und wuscheliger, als ich in Wirklichkeit bin, und — ganz wichtig — ich ließ mich als „sanft und schüchtern“ beschreiben.
Ha, das war ein geschickter Schachzug gewesen, darauf bin ich noch heute stolz, ansonsten hätte das mit dem Einzug hier nie geklappt. Nie im Leben hätte die Menschenfrau mich ausgesucht, wenn sie gewusst hätte, wie ich wirklich bin, besonders deshalb, weil ich schon rein äußerlich nicht wirklich in ihr Beuteschema passte. Mit einer Charakterisierung, die mich als rabiat und dominant beschrieben hätte, wären meine Chancen, von ihr adoptiert zu werden, gleich null gewesen. Das ist auch verständlich, denn zu diesem Zeitpunkt konnte sie noch gar nicht wirklich wissen, dass ich genau die bin, die zu ihr und der ganzen Familie passte. Sie ahnte es und spürte es intuitiv, aber sie hätte höchstwahrscheinlich fälschlicherweise gegen ihre Intuition gehandelt und mein Bild nicht beachtet, wenn sie exakt gewusst hätte, wie ich bin oder wie ich zu sein scheine. Da das nicht der Fall war, sondern sie mich wunderschön und besonders fand, verdeutlichte sie unserem Menschenmann im Brustton der Überzeugung, dass ich genau die war, die zu ihnen passte — ohne zu wissen, dass ich gar nicht so bin wie sie dachte, aber trotzdem genauso, wie sie es benötigen … verstanden?
Als etwas problematisch entpuppte sich noch das Ding mit der Weiblichkeit. Ehrlich gesagt konnte ich das nicht ganz verstehen. Die Menschen glaubten, ich würde vielleicht nicht mit Indio spielen wollen, sie glaubten, es gäbe Ärger mit den Nachbarhunden und anderen Hündinnen, da sie gehört hatten, dass Hündinnen oft zickig seien. Das grenzte meiner Meinung nach schon an Diskriminierung, machen Jungs keinen Ärger oder was?
Okay, so ganz begeistert bin ich auch nicht darüber, ehrlich gesagt wäre ich auch lieber ein Hundejunge geworden. Ich weiß auch nicht, wer die Auswahl meines Geschlechts zu verantworten hatte, aber ich konnte es nun mal nicht ändern. Zum Ausgleich verhalte ich mich nicht wie ein Mädchen, sondern wie ein aufmüpfiger Halbstarker nach dem Motto: Zuerst mal frech und unfreundlich sein, dann sehen wir weiter.
Auch einige andere unvorhergesehene Dinge brachten mich noch etwas ins Schwitzen. Die Menschenfrau und ihre Freundin machten systemische Aufstellungen mit mir und Indio. Das ist an sich eine gute Sache, blöderweise kann man dabei nicht schwindeln, da das, was sich zeigt, tief aus der Seele kommt und deshalb nicht manipuliert werden kann. Und prompt kamen auch einige Themen zur Sprache, die mich etwas die Luft anhalten ließen. Unter anderem wurde ich energetisch konfrontiert mit dem Thema Jagdtrieb! Ach du sch…ande. Im allerletzten Moment kriegte ich die Kurve und hörte meinen energetischen Stellvertreter sagen, dass ich das Thema zwar kannte, mich aber davon distanzierte. Die Menschenfrau hat das ohne zu zögern so ausgelegt, als würde ich damit nichts zu tun haben wollen. Also ganz so hätte ich es jetzt nicht formuliert, es gibt da ja noch so einige Vertiefungen und Zwischentöne, aber ich habe es mal so stehen lassen und mich nicht gegen die Auslegung gewehrt …
Das Gesamtergebnis der systemischen Aufstellung zeigte, dass ich gut zu Indio und dem Rest der Familie passte. Das Ergebnis sagte viel Gutes über mich aus und das erstaunte mich fast selber. Während dieser Aufstellungsarbeit spürte ich in mir ganz kurzzeitig ein befremdliches Gefühl. Die vielen guten Eigenschaften und Gefühle — war das wirklich ich? Ich schüttelte diese Gedanken ab, es würde schon alles seine Richtigkeit haben. Für mich ungünstige Details kamen vorerst nicht ans Licht — und das war auch ganz gut so.
Alles in allem ging meine Planung auf und die Menschen beschlossen, mich kurz vor Jahresende und damit drei Monate nach Alaskas Tod zu sich zu holen.
Der Tag meines Einzugs näherte sich. Am Vortag schrieb meine neue Menschenfrau in spe einen Brief an ihre Freundin Mara:
„Liebe Mara,
morgen holen wir unsere kleine Hundedame ab. Ich freue mich schon sehr. Sie wird sicher sehr ängstlich sein, vorsichtshalber nehme ich eine stärkende Bachblüten-Mischung mit. Wir planen vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu sein, damit wir hier bei uns in ihrer neuen Umgebung noch einen schönen Spaziergang bei Tageslicht machen können. Sie soll sich nicht gleich ängstigen in der Dunkelheit.“
Der Tag, an dem meine Menschen sich angekündigt hatten, um mich abzuholen, begann schon mal alles andere als gut: Ich bekam kein Frühstück! So ganz sicher waren meine Pflegeleute noch nicht, ob die Übergabe auch wirklich klappen würde. Da waren erstens die beiden misslungenen Vermittlungsversuche, bei denen ich zumindest in einem Fall negativ aufgefallen war, und zweitens hatte ich sie schon öfter davon reden hören, dass die meisten Menschen niedliche, wuschelige, flauschige Hundchen mochten, und ich entsprach in ihren Augen wohl nicht nur äußerlich nicht wirklich diesem Idealbild eines solchen Wesens, sondern war nun mal auch nicht der Liebreiz in Person. Ich sage dazu nur, na und? Knutschkugeln gibt es genug, taffe Frauen braucht das Land! Nun ja, auf jeden Fall zeigte sich wohl bei meinen Pflegeleuten doch ein Hoffnungsschimmer am Horizont, mich heute endlich loszuwerden, und ich bekam nichts zu essen, um zu verhindern, dass ich das Frühstück später während der Fahrt auf die Polster des Autos spuckte.
Meine neuen Menschen tauchten schließlich gegen Mittag auf und zusammen mit meinen Kumpanen machte ich ordentlich Krach. Alle zusammen schleuderten wir ihnen unsere Empörung über das ausgefallene Frühstück entgegen, denn die anderen hatten aus Solidarität mit mir auch nichts bekommen. Ich muss gestehen, ich war ja auch ein bisschen aufgeregt, sollte doch heute ein neuer und sehr wichtiger Abschnitt in meinem Leben beginnen.
Was soll ich sagen, ich bemerkte schon, dass ich nicht so ganz das war, was meine Leute eigentlich wollten, aber sie spürten doch und hatten es auch schon vorher deutlich gespürt, dass ich trotzdem die Richtige bin. Nach einigem Hin und Her und mit dem Segen meiner Pflegeeltern, die natürlich auch nur das Beste für mich wünschten, wurde ich schließlich reisefertig gemacht und ins Auto gesetzt. Ich registrierte gleich, dass das Auto nicht schick sauber war und angenehm nach Hund und Pferd und Wald roch. Das gefiel mir schon mal sehr gut. Das Letzte, was ich gebrauchen konnte, waren pedantische Menschen, die ständig mit dem Wischlappen hantierten.
Um mir die vermeintliche Aufregung zu nehmen und vielleicht auch um sich ein bisschen bei mir beliebt zu machen, reichte mir meine neue Menschin noch eine Leckerstange und außerdem ein Stück Wurst, sie hatte die Köstlichkeiten extra für mich mitgebracht. Ich fand das sehr nett von ihr und war guter Dinge, denn beide Zweibeiner waren mir nicht unangenehm.
Auf der Fahrt wurde mir dann zuerst mal schlecht. Die Leckerstange hatte gut geschmeckt, sie hatte sehr appetitlich gestunken und wenigstens die konnte ich, wenn schon nicht das ausgefallene Frühstück, zusammen mit der Wurst zwei Stunden später auf den Autositz spucken, gestunken hat sie dann noch mehr.
Nachdem ich meinen Mageninhalt auf dem Sitz platziert hatte und die besorgten Menschen bei nächster Gelegenheit angehalten und alles sauber gemacht hatten, ging es mir besser. Die Übelkeit war weg und ich hatte zum ersten Mal in Ruhe Gelegenheit, mir meine neuen Leute näher anzuschauen — nur von hinten zwar, aber das war schon mal ein Anfang.
Ich spürte nochmals sehr deutlich das, was ich schon wusste, nämlich dass beide jeweils auf ihre Art ziemlich hartnäckige Exemplare waren, dabei aber sehr freundlich. Sie würden mir ein schönes Zuhause geben, ich hatte es gut getroffen und war ganz zufrieden mit mir und der Welt.
Die Menschenfrau blickte oft nach hinten und warf mir besorgte Blicke zu. Ich sah dann immer schnell zur Seite und setzte mein cooles Pokerface auf, schließlich sollten sie mich nicht für ein Weichei halten. Ich sah schon albern genug aus in dieser Zwangsjacke, in die ich eingeschnürt war. Sicherheitsgeschirr heißt das Ding, angeblich kann man sich nicht selbst daraus befreien und fliehen. Blödsinn, wenn ich Fluchtgedanken gehegt hätte, wäre ich schon geflohen, bevor ich in das Ding gesteckt worden war. Naja gut, ich war selber daran schuld. Das Pflegefrauchen hatte mich da hineingewickelt, nachdem ich nach meinem neuen Menschenmann ein bisschen geschnappt hatte, als er versuchte, mir das mitgebrachte leichte Geschirr anzuziehen. Das hätte ich mal lassen sollen, dann müsste ich die Fahrt jetzt nicht wie eine blaue Roulade in diesem Textil eingerollt verbringen.
Ansonsten verlief die Fahrt unspektakulär. Ich war brav, schaute meist zum Fenster hinaus, döste vor mich hin und dachte über meinen neuen Job nach. Ich war jetzt doch sehr gespannt, was mich so alles erwarten würde. Ich war bereit für mein neues wichtiges Leben und freute mich darauf.
Es war Abend geworden als wir in meinem neuen Zuhause ankamen. Gleich nach der Ankunft, bevor ich überhaupt das Haus und das Grundstück inspizieren durfte, machten wir uns alle zusammen auf zu einem ersten kurzen Spaziergang. Indio hatte zu Hause auf uns gewartet. Er begrüßte mich höflich und freundlich und war recht erfreut, mich zu sehen. Ich wusste mich auch zu benehmen. Allerdings fiel mir das nicht schwer, denn ich fand ihn sehr nett. Er war so sanft und freundlich, dass ich nicht mal den Drang verspürte, ihn zu mobben, vielleicht ein bisschen dominieren, wir würden sehen.
Er war mir sonderbar vertraut, genau wie Alaska, obwohl ich diesen nur auf der geistigen Ebene kennengelernt hatte.
Auf jeden Fall sind Indio und ich an diesem Abend zusammen mit den beiden Menschen noch ein bisschen spazieren gegangen. Es war zwar noch früher Abend, aber bereits dunkel. Das Wohngebiet liegt mitten im Wald, hier gibt es keine Straßenbeleuchtung. Die Straßen ähneln eigentlich mehr breiten Waldwegen als den Straßen, die ich kannte. Ich fand das unheimlich spannend und genoss die neuen Gerüche und Geräusche des Waldes. Ich wusste, hier würde ich mich wohlfühlen.
Kurz vor Ende des Spazierganges trafen wir einen Nachbarn. Er schaute mich an und fragte: „Ein neuer Hund? Wie heißt der denn?“ Die Menschenfrau antwortete: „Das ist Zoe, und es ist eine Sie.“
„Zoe?“, hörte ich den Mann mit leicht abwertend verzogenem Gesicht sagen. „Ach du meine Güte, warum hat sie denn keinen deutschen Namen?“
Meine Menschin lächelte höflich und sagte etwas, das ich aber nicht verstehen konnte, weil ich diesem Ignoranten aufgebracht entgegen knurrte: „Vielleicht weil ich kein deutscher Hund bin, du Null?“
Ich musste meiner Menschin unbedingt beibringen, diejenigen anzuknurren, die so blöd daherkamen, das war wichtig. In diesem Moment bemerkte ich, dass ich mit meinem Verhalten bereits eine erste Lektion gegeben hatte, die Vermittlung von:
„Sich nichts gefallen lassen“ und
„Kampfgeist entwickeln und immer tüchtig austeilen“.
Ich war stolz auf mich, schon am ersten Abend so viel geleistet zu haben, ich fühlte mich toll!
Den etwas schiefen Seitenblick und die leicht gerunzelte Stirn von Indio bemerkte ich gar nicht.
Spät an diesem Abend schrieb meine Menschenfrau noch einen Brief an Mara.
„Liebe Mara,
wir sind nun zurück. Naja, sie sieht eigentlich nicht ganz so aus, wie ich dachte, nicht wirklich groß, eher klein und dünn, sehr dünn, mager. Ein bisschen geschnappt hat sie nach uns, als wir ihr das Geschirr anziehen wollten — nur so in die Luft —, aber Indio und Alaska hätten das nie gemacht … Natürlich waren wir doch sehr spät zurück und den geplanten Spaziergang mussten wir im Dunkeln machen. Sie hat mich an der Leine die Straße entlanggezerrt und den Nachbarn angeknurrt, der uns begegnete — sicher hatte sie Angst vor ihm.
Bis bald …“
Der erste Morgen in meinem neuen Zuhause war ganz interessant. Da es kurz vor Silvester war, hatten die Menschen Urlaub und viel Zeit für uns Hunde.
Obwohl niemand zur Arbeit musste, wachten meine Menschen schon früh auf. Sie kannten meine Gewohnheiten noch nicht und wollten vermeiden, dass ich in der Aufregung eine Pfütze ins Haus machte. Netter Gedanke und sicher nicht von der Hand zu weisen — aber zu spät.
Ich war tatsächlich nachts einige Male unruhig hin und her gelaufen. Normalerweise musste ich nachts eigentlich nie, in dieser Nacht aber schon und leider nicht nur das kleine Geschäft. Wir müssen das nun nicht lange ausdehnen. Fakt war, nur vom hin und her Laufen ging der Drang nicht weg, und ich hatte beschlossen, den Ort aufzusuchen, den die Menschen und der Kater am Vorabend auch benutzt hatten. Ich fand, das war eine echt nette Geste von mir. Meine Menschen erkannten meine Gedankengänge, nachdem sie die Bescherung am Morgen an besagter Stelle vorgefunden hatten, fanden diese auch sehr passend, erklärten mir aber trotzdem, dass das prinzipiell nicht so gedacht war. Das war mir natürlich auch klar und es ist auch bei dem einen Mal geblieben. Keiner von uns hatte ein dauerhaftes Problem damit und das war schon mal in Ordnung so. Nachdem das Bad, der Flur und das angrenzende Zimmer geputzt waren — ich musste irgendwann in der Dunkelheit aus Versehen irgendwo hineingetreten sein — brachen wir auf zu einem langen Spaziergang.
Mein neues Haus liegt, wie ich bereits erzählt habe, mitten im Wald und hier kann man toll spazieren gehen. Das hatte ich zwar auch schon erzählt, aber da ich es so toll finde, erzähle ich es gerne noch öfter. Wir verließen also am ersten Morgen nach meinem Einzug das Grundstück und gingen nicht wie am Vorabend nur durch das Wohngebiet, sondern in den Wald hinein. Nach einer Weile trafen wir einen Spaziergänger mit einem Hund. So wie ich es verstanden hatte, waren die beiden Nachbarn von uns und der Hund war mit Indio befreundet.
Diese Tatsache hatte mich nun nicht sehr beeindruckt und ich knurrte den erst mal an. Er reagierte aber nicht, war wohl ein ganz friedlicher Vertreter. Er hatte ja auch nichts gemacht, was mich zum Knurren veranlasst hatte. Meine Unfreundlichkeit war rein prophylaktisch, damit der gleich wusste, wo der Hammer hing, und nicht auf dumme Gedanken kam. Ich hatte aus der Vergangenheit gelernt und wusste somit, dass mir das in der Zukunft viel Arbeit ersparen würde.
Während des Spaziergangs spürte ich, dass meine Menschen in sich gekehrt waren. Ich glaube, sie dachten an Alaska. Noch vor drei Monaten war er diese Wege mit ihnen und Indio gegangen und nun war er weg und ich da und zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass es sicher auch schwer und traurig für sie war, besonders weil die Menschen nicht verstehen, dass niemand wirklich weg ist, nur weil er in der bekannten und vertrauten Form die Welt verlassen hat. Sie waren traurig und ich hatte Mitgefühl mit ihnen. Ich überlegte, wie ich sie aufheitern konnte, und schlich an der langen Laufleine, soweit es mir möglich war, etwas hinterher. Ha — und wie gerufen lag doch da am Wegesrand unter einem Busch ein totes Eichhörnchen, noch ganz frisch und appetitlich. Das wird sie freuen, ich werde es ihnen schenken, dachte ich bei mir, schnappte es und rannte fröhlich an der langen Leine nach vorne. Es war ein besonders großes Eichhörnchen und ich dachte, vielleicht könnten wird es alle zusammen nachher zum Frühstück verspeisen. In diesem Moment drehte meine Zweibeinin sich um und sah mich mit glücklichem Gesicht und dem tollen Geschenk in der Schnauze direkt hinter sich.
Na, also Freude sieht anders aus. Offensichtlich hatte ich nicht ihren Geschmack getroffen. Sie forderte mich auf, es auszuspucken, und dann musste ich es auch noch liegen lassen. Ich sah, wie sie es sorgsam an den Wegrand legte. Das soll einer verstehen. Vielleicht mochte sie eher frisches Fleisch? Ich beschloss, ihr bei Gelegenheit ein lebendiges Eichhörnchen zu fangen.
Zumindest war die gedrückte Stimmung verflogen und wir hatten noch einen schönen Spaziergang.
Der Tag war alles in allem ganz nett, ich sah mir meine neue Umgebung genau an und machte auch bereits den einen oder anderen Plan für meine Vorhaben.
Schon bald nach der Rückkehr am Morgen hatte ich bemerkt, dass ich wahrscheinlich mit meinem Eichhörnchen-Fang-Vorhaben keine Pluspunkte sammeln würde. Erstens schien das Futter meiner Menschin grundsätzlich nur aus Gemüse und anderem pflanzlichen Kram zu bestehen und zweitens lebten in einem Zimmer meines neuen Hauses einige seltsame dicke, schwarz, braun und weiß gescheckte Eichhörnchen ohne Schwanz und mit ganz kleinen Ohren. Die liebte sie wohl heiß und innig. Ich ignorierte diese Gesellen vorerst, weil ich nicht wusste, was das war. Später habe ich erfahren, dass die dicken kleinen Wesen Meerschweinchen heißen. Die Menschin mag sie wirklich sehr, ich darf die kleinen Dicken weder jagen noch fangen noch essen, also interessieren sie mich nicht.
Ich beschloss, die Idee, mich mit dem Fang eines Eichhörnchens beliebt zu machen, trotzdem vorerst im Hinterkopf zu behalten, vielleicht konnte ich beim Menschenmann ja damit punkten.
Da es Ende Dezember war, wurde es früh dunkel und ich war am ersten Abend auch ordentlich müde. Trotz allem war ich hoch motiviert und wollte den Tag nicht abschließen, ohne noch eine gute und wertvolle Tat vollbracht zu haben. Ich wollte meinen Menschen demonstrieren, wie das geht mit „sich Respekt verschaffen“ und „Selbstbewusstsein ausstrahlen“. Der Gedanke daran und die Umsetzung in die Tat waren eins:
Ich knurrte Indio an.
DAS hätte ich wohl mal lieber lassen oder zumindest auf einen späteren Zeitpunkt verschieben sollen. Der „Erfolg“ war so durchschlagend, dass es mich fast meinen Job hier gekostet hätte. Die Menschen waren mir nicht etwa dankbar dafür, dass ich ein so schönes Beispiel für Macht und Dominanz geliefert hatte, nein, sie waren stinksauer.
Ich weiß ja selber, dass Indio nichts gemacht hatte und nur an mir vorbeilaufen wollte, aber das ist doch auch egal. Erstens war das nur zu Demonstrationszwecken gedacht und außerdem: Seit wann braucht man einen Grund dafür, jemanden anzuknurren?
Im Brief an Mara wurde ich zum ersten Mal als „Zicke“ bezeichnet. Ich fand jetzt nicht, dass sich das besonders schmeichelhaft anhörte, und erkannte, dass die Botschaft, die ich aussenden wollte, offensichtlich nicht so angekommen war, wie sie von mir gemeint war.
In mir regten sich die ersten Zweifel.
Warum verstanden die Menschen mich nicht?
Der Tag heute war letztendlich nicht wirklich gut gelaufen. Da ich mich aber nicht so schnell unterkriegen lassen wollte, verscheuchte ich die trüben Gedanken und ging schlafen.
Am nächsten Morgen beobachtete mich meine Menschin sehr argwöhnisch. Ich wedelte ehrergiebig um sie herum, warf mich auf den Rücken, winselte, lachte sie an und bedeutete ihr, wie lieb ich bin. Dieses Verhalten hat sich übrigens auch später in allen möglichen Situationen bewehrt. Auf dem Bauch ankriechen, dabei wie wild wedeln, schuldbewusst schauen, schlecken und schmatzen, sich dann auf den Menschenfüßen auf den Rücken werfen und winseln, das kommt immer gut an. Meine Menschin glaubt dann stets zu hören: „Ich mach´s niiieee wieder!“ Ich weiß zwar nicht, wie sie darauf kommt, aber ich lasse sie in dem Glauben …
Ich habe festgestellt, diese Beschwichtigungsgesten versöhnen die Menschen mit allem und rechtfertigen damit meine Bemühungen. Ich kann danach aufstehen, mich schütteln und nach kurzer Zeit das eigentlich unerwünschte Verhalten wiederholen, die Reaktion darauf ist dann mit Sicherheit nicht so folgenschwer wie ohne die vorangegangene „Ich-schmeiß-mich-auf-den-Rücken-Aktion“.
Nachdem die Menschin halbwegs wieder ausgesöhnt war, überlegte ich, wie ich meine Schlappe vom Vorabend wieder ausbügeln konnte. Mir dämmerte, dass Indio eine wichtige Person in diesem Haushalt war. Ich wollte auch gar nichts dagegen sagen, auch für mich war und ist er ein besonderes Wesen und ich hatte nach wie vor das Gefühl, ihn schon lange zu kennen. Auf jeden Fall war und ist seine Stellung bei unseren Menschen eine ganz besondere und ich dachte, dass sicher alles, worin er involviert war, bei den Menschen gut ankam. Nach einigem Nachdenken kam mir der Gedanke, die Menschen heute mit dem Thema „Durchsetzungsvermögen“ zu konfrontieren, und ich hatte auch schon eine Idee dazu.