Diskursanalyse des deutschen TV-Duells 2009 zwischen den Kanzlerkandidaten Steinmeier und Merkel - Annamária Fábián - E-Book

Diskursanalyse des deutschen TV-Duells 2009 zwischen den Kanzlerkandidaten Steinmeier und Merkel E-Book

Annamária Fábián

0,0
36,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Medien und Politik, Pol. Kommunikation, Note: 1,3 (sehr gut), Universität Passau (Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaften), Veranstaltung: Medien und Kommunikation (Interdisziplinär: Kommunikations- und Sprachwissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Kaum eine Fernsehsendung ist aus politischer Sicht so relevant und populär, wie das TV-Duell,das als Höhepunkt eines Wahlkampfs angesehen wird und kurz vor den Wahlen zwischen den Kanzlerkandidaten stattfindet.In den USA kämpfen die beiden Präsidentschaftskandidaten, in Deutschland die Kanzlerkandidaten um die Sympathie der potenziellen Wähler. Die politische Relevanz dieser mit Abstand umfangreichsten und spannendsten Wahlwerbung wird von Kommunikationswissenschaftlern besonders hoch eingeschätzt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der diskursanalytischen Untersuchung der deutschen TV-Duelle am Beispiel des TV-Duells zwischen Steinmeier und Merkel an der Grenze zu der Sprach- und Kommunikationswissenschaft, und analysiert die Feststellungen der Nachwuchswissenschaftlerin mit Hilfe von Textausschnitten bzw. etablierter Wissenschaftler wie Searle, Austin etc. Dem TV-Duell wird ein eigens entwickeltes Kommunikationsmodell zugrunde gelegt. Außerdem werden die Intentionen, die Argumentationsstile und die Kommunikationsstrategien der einzelnen Akteure ausführlich analysiert. Bei der Analyse findet auch die in der Sprechakttheorie oft vernachlässigte Wirkung eine große Beachtung. Die nonverbalen Kommunikation wird bei der Untersuchung der Wirkung in der hiesigen Forschungslandschaft häufig missachtet, umso stärker wird ihre Relevanz in dieser Abschlussarbeit betont. Über die Intention und Wirkung hinaus findet eine ausführliche Analyse der im Duell diskutierten Themen statt. Auch die Faktoren, mit deren Hilfe die Themen ausgewählt wurden, werden erörtert. Auf die Interviewführung der Moderatoren, die hierarchischen Verhältnisse im Gespräch bzw. die Interaktionsmöglichkeiten seitens der Adressaten wird ausführlich eingegangen. Gleichzeitig werden im Verlauf der gesamten Arbeit diskursanalytisch relevante Terminologien wie Gespräch, Handlung, Illokution, Perlokution geklärt und ergänzend oder neu definiert. Außerdem werden auch neue Analysekriterien vorgeschlagen und definiert,sowie eigens entwickelte Modelle vorgestellt, erklärt und an das TV-Duell angewandt. Eine kritische Einstellung zur pragmatischen Theorie vollzieht sich durch die gesamte Arbeit. Der Anteil der eigenen Forschung, die Bereitschaft zur Durchsetzung eigener Forschungsideen bzw. Entwicklung neuer Modelle, wie auch zum Praxisbezug und tabellarischen Darstellungen sind besonders hoch.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2012

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum:

Copyright (c) 2015 GRIN Verlag / Open Publishing GmbH, alle Inhalte urheberrechtlich geschützt. Kopieren und verbreiten nur mit Genehmigung des Verlags.

Bei GRIN macht sich Ihr Wissen bezahlt! Wir veröffentlichen kostenlos Ihre Haus-, Bachelor- und Masterarbeiten.

Jetzt bei www.grin.com

Danksagung

Bei der Entstehung dieser Arbeit und während meines Studiums haben mich einige für meine Ergebnisse relevante Personen unterstützt.

Für die anspruchsvolle wissenschaftliche Betreuung der vorliegenden Abschlussarbeit danke ich meinem wissenschaftlichen Betreuer, Dr. Günter Koch (Lehrkraft für besondere Aufgaben am Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Passau).

Ferner haben meine Arbeitsweise während des Studiums in Deutschland sowie in Ungarn Prof. Dr. Dr. Csaba Földes (Leiter des Germanistischen Instituts an der Pannonischen Universität Veszprém), Prof. Dr. Rüdiger Hämisch (Lehrstuhlleiter für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Passau) und Dr. Igor Trost (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Passau) geprägt.

Meinen Eltern bin ich für ihre aufmerksame, liebevolle Unterstützung in meinem Leben und Studium besonders dankbar.

Inhaltsverzeichnis

 

Danksagung

1. Einleitung: Das TV-Duell als demokratiekonstitutive Größe und der Ansatz für eine interdisziplinäre Gesprächsanalyse mit Hilfe von Methoden aus der Pragmatik und den Kommunikationswissenschaften

2. Eine pragmatisch orientierte Untersuchung des TV-Duells zwischen Steinmeier und Merkel

2.1 Beschreibung einiger Elemente der Sprechakttheorie, eine Problemdiagnose

2.1.a Theoretische Analyse der Kategorien der Sprechakttheorie und Vorschlag einer komplementären Erweiterung zur besseren Herstellung des Praxisbezugs im Sinne der Verständlichkeit einer Äußerung

2.1.b Der Einfluss der Sprechakttheorie auf die Pragmatik und eine Problemdiagnose

2.2 Die Untersuchung des Handlungszusammenhangs - Konzipierung integrativ- pragmatischer Kommunikationsmodelle für das TV-Duell

2.3 Die Untersuchung der Interaktion im TV-Duell unter dem Aspekt des journalistischen Interviewstils, der Handlungsberechtigung und der Illokution - eine empirische Annäherung an der Grenze zu Journalismus und Pragmatik

2.3. a Analyse der Interaktion unter dem Aspekt des journalistischen Interviewstils und der Kooperationsbereitschaft

2.3. b Die Kategorisierung kommunikativer Strategien, sprachlicher Handlungen und der in ihnen versteckten Intentionen

2.4 Inhalts- und Themenanalyse des TV-Duells vor dem Hintergrund des Zusammenhangs ausgewählter Elemente der Sprechakttheorie - eine empirische Annäherung an der Grenze zu Journalismus und Pragmatik

2.4. a Journalistische Inhalts- und Themenanalyse des TV-Duells

2.4. b Analyse des Verhältnisses der Illokution, der Perlokution und der Lokution im Verhältnis zueinander mit Blick auf die Interaktion der primären Akteure

2.4. C Strukturelle Gesprächsanalyse anhand der Themen mit Blick auf die Illokution und die Perlokution

2.5 Die Relevanz der nonverbalen Kommunikation für die Rezeption des TV-Duells

3. Resümee: Die zusammenfassende Bewertung der Sprechakttheorie und des TV-Duells

Vermerk zum Transkriptionssystem

Anhang

Literaturverzeichnis

 

1. Einleitung: Das TV-Duell als demokratiekonstitutive Größe und der Ansatz für eine interdisziplinäre Gesprächsanalyse mit Hilfe von Methoden aus der Pragmatik und den Kommunikationswissenschaften

 

Kaum eine Fernsehsendung ist aus politischer Sicht so relevant und populär, wie das TV- Duell, das als Höhepunkt eines Wahlkampfs angesehen wird und kurz vor den Wahlen zwischen den Kanzlerkandidaten stattfindet.

 

In den USA kämpfen die beiden Präsidentschaftskandidaten, in Deutschland die Kanzlerkandidaten um die Sympathie[1] der potenziellen Wähler.

 

Die politische Relevanz dieser mit Abstand umfangreichsten und spannendsten Wahlwerbung wird von Kommunikationswissenschaftlem besonders hoch eingeschätzt, denn diese Sendung ist sowohl in Nordamerika als auch in Deutschland besonders beliebt und erreicht angesichts der guten Zugänglichkeit zum vermittelnden Medium ein breites Publikum. Insbesondere das zweite deutsche TV-Duell im Jahre 2005 zwischen Angela Merkel (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) löste ein besonderes öffentliches Interesse aus. Das wurde von 20,98 Millionen Zuschauern [2] mitverfolgt. Beim dritten deutschen TV-Duell zwischen Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Angela Merkel (CDU) im Jahre 2009 schauten nur noch 14,85 Millionen Personen [3]zu, dennoch ist die Zuschauerquote im Gegensatz zu anderen Wahlkampfsendungen besonders hoch. Die Gesamtbevölkerung Deutschlands betrug im Februar 2010, also ein halbes Jahr nach dem dritten deutschen TV-Duell, 81,759 Millionen Einwohner[4]. Wenn man die beiden Zahlen vergleicht, kann man feststellen, dass sich ein beachtlicher Teil der deutschen Gesellschaft (18,2 %) politisch relevante Informationen über das TV-Duell einholte.

 

Aus der hohen Zuschauerquote und der Feststellung von Efing - der in seinem Aufsatz hervorhebt, dass die politische Wahlwerbung eine demokratiekonstitutive Größe sei[5] - kann abgeleitet werden, dass das Duell nicht nur informierenden, sondern auch entscheidungsbildenden Charakter hat. Auch Fengel und Vestring betonen, dass das Femsehduell starke Wirkung darauf habe, welchen Kandidaten die Zuschauer als „Sieger“ der Debatte wahmehmen. Diese Entscheidung des Zuschauers sei unabhängig von seinen politischen Präferenzen.[6]

 

Die stark beeinflussende Kraft und die demokratiekonstitutive Größe des Duells erfordern einen klaren Überblick, denn nur so ist es den Zuschauern möglich, eine kompetente Wahlentscheidung zu treffen. Die Rezeption des Duells für die Zuschauer wird aber dadurch erschwert, dass die entscheidende politische Femsehdiskussion - wie viele Produkte der Medien - als Folge der Vielfalt medialer Kommunikation „innerhalb von Diskursbrüchen erzeugt worden ist“. [7] Umso notwendiger ist die Analyse der Femsehdiskussion also für die verantwortungsbewusste politische Entscheidungsfindung.

 

Die meisten Arbeiten, die sich mit der Untersuchung der TV-Duelle auseinandersetzen, widmen sich vor allem der Untersuchung der politischen Inhalte. Die Erkenntnis, dass „politisches Handeln vornehmlich sprachliches Handeln ist“ [8] - allerdings begleitet von nonverbalen Handlungen - bezieht sich auch auf das TV-Duell. Problematisch ist die Tatsache, dass es kaum sprachwissenschaftliche Untersuchungen des Duells gibt. Damit das erwähnte Defizit im aktuellen Forschungsstand kompensiert und der Komplexität des Duells Rechnung getragen wird, muss man sich des Inventars interdisziplinärer Forschungsmethoden bedienen. Aus den genannten Gründen setzt sich die vorliegende Arbeit die Analyse des TV- Duells an der Grenze zu Sprach- und Kommunikationswissenschaften zum Ziel.

 

Da im Zentrum pragmatisch orientierter Forschungen die bereits erwähnte sprachliche Handlung steht, werden die Grenzen zwischen Sprach- und Kommunikationswissenschaften vor allem durch Methoden der Pragmatik überwunden. Emst weist mit seiner Feststellung, dass hinter der Pragmatik die Vorstellung stehe, dass der Sprechende mit Sprache handele [9], auf die Sprechakttheorie, den ursprünglichen Kembereich der Pragmatik, hin.

 

Der „Gründungsvater der Sprechakttheorie“, John L. Austin, erkannte den Handlungscharakter der menschlichen Äußerungen als erster und legte in seinem breit bekannten, renommierten Werk „How to do things with Words“ das Fundament der Pragmatik im Rahmen einer Vorlesungsreihe an der Harvard-Universität im Jahre 1955. Durch seinen besten Schüler, John R. Searle, wurde ein Buch mit dem Titel „Speech acts“ verfasst, in dem die Ansätze seines Professors erweitert wurden. Die Sprechakttheorie und die Anerkennung des Handlungscharakters der Sprache haben seit den Siebzigern des letzten Jahrhunderts einen starken Einfluss auf die Entwicklung der pragmatisch orientierten Forschungen. In Deutschland kam es zu einem Durchbruch der pragmatischen Theorie durch die Arbeit von Dieter Wunderlich mit dem Titel „Zur Rolle der Pragmatik in der Linguistik“ in den siebziger Jahren.

 

Das zentrale Element der Sprechakttheorie ist die Intention hinter der vollzogenen Handlung. Außerdem wird auch die durch die Handlung[10] ausgelöste Wirkung beim Empfänger neben der Illokution als sekundäres Element der Sprechakttheorie genannt. Nach der Erörterung zentraler sprechakttheoretischer Ansätze im Kapitel 2.1 widmet sich die vorliegende Arbeit vorwiegend der sowohl theorie- als auch praxisorientierten Erforschung der Intentionen sowie der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Intention und Wirkung.

 

Die zu analysierende Femsehdiskussion hat - wie man das der Benennung entnehmen kann - einen interaktiven Charakter. Die Fragen nach den Charakteristika in der Interaktion und der Hierarchie in der Kommunikation werden an Textbeispielen mit Hilfe eines selbst konzipierten pragmatischen Interaktionsmodells erörtert und unter kommunikationswissenschaftlichen Aspekten untersucht.

 

Die Konstitution von Wirklichkeit im politischen Sprachhandeln erfolge innerhalb bestimmter situativer und kontextueller Bedingungen[11], deshalb muss bei einer präzisen Untersuchung auf jeden Fall auch das situative Umfeld untersucht werden. Interdisziplinäre Forschungsmethoden werden in der vorliegenden Arbeit häufig eingesetzt. Dieser Herangehensweise liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Pragmatik die Sprach- und die Kommunikationswissenschaften miteinander verbindet, indem sie sich mit dem Verhältnis sprachlicher Äußerungen zu ihrem situativen und kommunikativen Kontext beschäftigt. [12]

 

Die Feststellung von Schmitz, das Sprachliche verbinde sich infolge der Verbreitung moderner Medien immer enger mit nichtsprachlicher Kommunikation [13], gilt auch für das TV- Duell. Die nonverbale Kommunikation und ihre Relevanz für die Wirkung werden im Kapitel 2.5 beispielsorientiert thematisiert.

 

Die zu analysierende politische Femsehdiskussion ist der letzte „Countdown“ der beiden konkurrierenden Parteien, die bei den Wahlen die Kandidaten stellen, deshalb kann man davon ausgehen, dass sich die Politiker im Interesse der Selbstdarstellung der eigenen Person sowie der Partei um einen kompetenten Eindruck bemühen und ihre politischen Pläne besonders attraktiv präsentieren wollen. Das Duell als Teil der persuasiven Kommunikation zielt darauf ab, eine Änderung, Verstärkung und Festigung der Meinung, der Einstellung sowie des Verhaltens seitens der Wähler zu bewirken.

 

Der Wunsch nach positiver Selbstdarstellung und die Zuordnung des Duells zum Bereich der persuasiven Kommunikation lassen darauf schließen, dass die Teilnehmer während der Diskussion eine Vielfalt an Kommunikationstechniken einsetzen. Auch die Untersuchung der eingesetzten kommunikativen Strategien findet in der vorliegenden Arbeit Beachtung.

 

Über die kommunikativen Strategien und die Illokutionen hinaus werden zudem strukturelle Analysen durchgeführt. Die Fragen, wie das Duell als Ganzes erscheint und durch welche strukturellen Merkmale es sich auszeichnet, werden durch die Erörterung der Zusammenhänge zwischen Gesprächs- und Handlungsstruktur sowie durch Themenwechsel beantwortet und praxisorientiert dargestellt. Im Interesse der Herstellung des zu erlangenden Zusammenhangs ist es empfehlenswert, manche Methoden der Sprechakttheorie und der Konversationsanalyse miteinander zu verbinden.

 

Laut Holly ist die Diskursanalyse, auf die auch im Titel der vorliegenden Arbeit hingewiesen wird, das zentrale Beschäftigungsfeld der Pragmalinguistik[14].

 

Das Verhältnis der beiden Disziplinen der Sprachwissenschaft zeigt sich auch am Beispiel des folgenden Zitats:

 

,,In der Weise, wie die Beteiligten die Turns handhaben, zeigen sie einander auf, wie sie die sich entwickelnden Aktivitäten verstehen, wie sie den vorangegangenen Turn und die entsprechenden Erwartungen der Partner interpretieren...“[15]

 

Auf den Zusammenhang zwischen den Sprecher- und Höreraktivitäten und ihre Relevanz für die sprachliche Handlung als Koordinatoren des Gesprächs kann anhand des obigen Zitats gefolgert werden. Ob ein Gespräch verstanden werden kann, hängt meiner Meinung nach insbesondere von der Verbindung der Themenstruktur ab. Die Analyse der Themen erfolgt mit Blick auf das Verhältnis der Intention und der Wirkung.

 

Das geäußerte Ziel setzt selbstverständlich voraus, dass das TV-Duell tatsächlich als Gespräch angesehen werden kann. Es wird davon ausgegangen, dass das TV-Duell ein medial vermitteltes Gespräch mit einigen Strukturmerkmalen eines Hypertextes ist, was in den nächsten Kapiteln als Grundlage für die Untersuchungen dient. Nun muss kurz erörtert werden, welche Eigenschaften eines Gesprächs und eines Hypertextes für die Analyse des TV-Duells relevant sind.

 

Das Gespräch als „Grundeinheit sprachlicher Kommunikation“[16] ist „eine Folge von sprachlichen Äußerungen“ [17] und entspricht dem „Aspekt der Mündlichkeit“ [18] . In Duden wird der Anspruch erhoben, dass sich „bei der mündlichen Verständigung mindestens zwei Parteien zur Realisierung spezifischer Ziele und Zwecke in gemeinsamer Situation befinden müssen.“[19] Die Anwesenheit von mindestens zwei Beteiligten lässt auf eine Interaktion schließen. Das Gespräch wird zur Gruppe der symbolischen sprachlichen Interaktion zugeordnet. Laut Holly stellt die symbolische sprachliche Interaktion ein komplexes Geflecht von Handlungsmustem dar, das primär auf wechselseitiges Verstehen gerichtet sei . [20]

 

Ein für das TV-Duell relevantes Merkmal des Hypertextes ist die Multimedialität [21]. Vor allem hinsichtlich der Aspekte der Kohärenz [22] und der kommunikativen Funktion[23] gibt es prägnante Unterschiede zwischen einem Gespräch und einem Hypertext. Das Kriterium einer strengen Kohärenz wird an das Gespräch im Gegensatz zum Hypertext nicht gestellt. Insbesondere vor der Grundlage der Themenhierarchie wird die Kohärenz in der Forschung häufig analysiert. Ein enges Verhältnis zwischen der Themenhierarchie und der Kohärenz kann man dem folgenden Zitat entnehmen:

 

„Die Charakterisierung von Hypertext als kommunikative, thematisch-funktional bestimmte Einheit legt nahe, die Kategorie der Themenhierarchie zu gewichten."[24]

 

 Eine komplexe und vielseitige Hypertextdefinition kann auf Sandig zurückgeführt werden. Sie definiert den Hypertext als die Gesamtheit aller kommunikativen Äußerungen, die in einer kommunikativen Situation untereinander kohärent sind, ein untrennbares Ganzes bilden und im komplexen Zusammenspiel eine kommunikative Funktion signalisieren bzw. sie für die Rezipienten erkennbar machen. [25]

 

In der Einführung wurden bereits einige Aspekte zur Unterscheidung des Gesprächs und des Hypertextes genannt. Es wird angemerkt, dass eine vollständige Analyse des Gesprächs und des Hypertextes aus Sicht der Untersuchung nicht notwendig ist und auch nicht erstrebt wird. Auf diese Unterscheidung wird in den nächsten Kapiteln immer wieder zurückgegriffen.

 

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich jedoch auf eine pragmatische Untersuchung vor dem Hintergrund der Untersuchungsaspekte der Sprechakttheorie und der Diskursanalyse, aber mit dem komplementären Einsatz kommunikationswissenschaftlicher Methoden.

 

2. Eine pragmatisch orientierte Untersuchung des TV-Duells zwischen Steinmeier und Merkel

 

2.1 Beschreibung einiger Elemente der Sprechakttheorie, eine Problemdiagnose

 

2.1.a Theoretische Analyse der Kategorien der Sprechakttheorie und Vorschlag einer komplementären Erweiterung zur besseren Herstellung des Praxisbezugs im Sinne der Verständlichkeit einer Äußerung

 

In der Einleitung wurde darauf hingewiesen, dass sich die vorliegende Arbeit an Mitteln der Pragmatik orientiert, um das TV-Duell 2009 zwischen Steinmeier und Merkel analysieren zu können. Die Berechtigung, Elemente der Sprechakttheorie vor dem Hintergrund der Pragmatik zu erörtern, erhält man unter anderem durch die Tatsache, dass sie „im Rahmen der linguistischen Pragmatik in den größeren Zusammenhang einer Theorie des sprachlichen Handelns gestellt worden ist“.[26]

 

Das vorliegende Kapitel hat zum Ziel, über die Sprechakttheorie einen zusammenfassenden Überblick zu geben und ihre Definitionen zu systematisieren sowie sie im Verhältnis zueinander zu erörtern.

 

Laut Adamzik umfasst die Sprechakttheorie verschiedenartige Komponenten und zerlegt eine Äußerung bekanntlich in diverse Teilakte, die auch die Verbindung zwischen sprachlichen Aspekten im engeren Sinn und handlungstheoretischen Kategorien modelliert. [27]

 

Im Mittelpunkt der Sprechakttheorie steht der Sprechakt als Ganzes, der Basiseinheit sprachlicher Kommunikation ist[28] und aus mehreren simultan vollzogenen Teilakten besteht[29] ,die durch eine Indem-Relation miteinander verbunden sind [30].

 

Austin differenzierte zwischen dem phonetischen [31], dem phatischen [32], dem rhetischen [33], dem illokutiven[34] sowie dem perlokutiven Akt[35]. Von seinem Lehrer übernahm Searle den illokutiven sowie den perlokutiven Akt und den Äußerungsakt mit Änderungen.

 

Im Unterschied zu Austin nannte er aber den rhetischen Akt von Austin[36] propositionalen Akt und gliederte ihn in Referenz und Prädikation.

 

Was man genau macht, wenn man einen komplexen Sprechakt vollzieht, wird im Folgenden anhand einiger oben aufgezählter Begriffe der Sprechakttheorie erörtert. Einzelne grundlegende Definitionen werden zu diesem Zweck eingesetzt, wobei die Beschreibung des lokutionären Aktes als Ausgangspunkt für die folgende Analyse dient.

 

Linke et al. beschreiben den lokutionären Teil eines Sprechaktes nach Austin wie folgt:

 

„Man bewegt die Stimmwerkzeuge, gibt Laute von sich - oder man bewegt Schreibwerkzeuge bzw. Tasten. Dabei realisiert man abstrakte Muster eines Sprachsystems: Phoneme, Morpheme/Wörter, Sätze, Texte. Man bezieht sich mit der Sprache auf Dinge in der Welt und sagt über sie etwas aus.“ [37]

 

Für Austin ist der lokutionäre Akt vereinfachend die gesamte Handlung, „etwas zu sagen“ [38]. Auf eine Hypothese der „Indem-Relation“ der einzelnen Teilakte wurde in diesem Kapitel bereits aufmerksam gemacht. Von der zitierten „Indem-Relation“ kann abgeleitet werden, dass sich zwischen den einzelnen Teilakten Zusammenhänge manifestieren.

 

Auf ein enges Verhältnis der Lokution und der Illokution wies auch Austin hin:

 

„Einen lokutionären Akt vollziehen, heißt im Allgemeinen auch und eo ipso einen illokutionären Akt vollziehen, wie ich ihn nennen möchte. So werden wir im Vollzug eines lokutionären Aktes auch einen Akt vollziehen wie etwa: eine Frage stellen oder beantworten; informieren, eine Versicherung abgeben, warnen; eine Entscheidung verkünden, eine Absicht erklären usw. [39]“

 

Die im Zitat genannte Illokution wird von Austin als „vollzogener Akt“ [40] bezeichnet und in den Fokus seiner sprechakttheoretischen Überlegungen gerückt. Die Illokution ist vereinfacht der Ausdruck einer bestimmten Absicht des Autors.[41] Dem obigen Zitat von Austin kann entnommen werden, dass es keine Äußerung ohne Intention gibt, aber die Hypothese gilt auch umgekehrt, denn ohne Äußerung kommt auch keine Intention zum Vorschein. Die angenommene „Indem-Relation“ kann verifiziert werden, aber es lohnt sich aus logischen Gründen, den zu Beginn des Kapitels zitierten simultanen Vollzug der Teilakte weiteren Überlegungen am Beispiel des TV-Duells zu unterziehen.

 

PR-Vertreter der Politiker verhandeln im Vorfeld zum TV-Duell mit den Vertretern des Fernsehsenders und vereinbaren die zu diskutierenden Hauptthemen und Regeln der femsehvermittelnden politischen Wahldiskussion. Anschließend werden von den PR- Fachmännem Konzepte zu den einzelnen Statements entworfen, dadurch auch Intentionen und kommunikative Strategien festgelegt, die aber erst mit einer relevanten Zeitverzögerung durch die Politiker während des TV-Duells zum Einsatz kommen. Aufgrund des obigen Gedankengangs kann eine Simultanität der Illokution und der Lokution ausgeschlossen werden, denn die erstere motiviert überhaupt die Entstehung der letzteren. Festgestellt werden kann allerdings, dass die Illokution erst zum Vorschein kommt, indem die Lokution vollzogen wird.

 

Einen weiteren Zusammenhang zwischen einem weiteren Teil der Sprechakttheorie, dem propositionalen Gehalt und der bereits erörterten Illokution und Lokution, betonte Searle: „Äußerungsakte bestehen einfach in der Äußerung von Wortreihen. Illokutionäre und propositionale Akte sind - wie wir später sehen werden - dadurch charakterisiert, dass Wörter im Satzzusammenhang in bestimmten Kontexten, unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Intentionen geäußert werden." [42]

 

Searle versteht unter Proposition den in der Lokution geäußerten Sachverhalt.[43] Metzler definierte die Proposition vereinfacht als Inhalt einer Äußerung[44]. Ein enger Zusammenhang zwischen propositionalem Gehalt und dem illokutionären Akt wird von Emst verifiziert, der darauf hinwies, dass ersterer den Stand der Dinge beschreibe und letzterer gleichzeitig bestimme, wie die Beschreibung verstanden werden soll.[45]

 

Wie zu Beginn des Kapitels erwähnt wurde, differenzierte Austin auch einen weiteren Akt, nämlich den perlokutionären Akt, den man vollzieht, indem man die illokutionären und die lokutionären Akte vollzieht.

 

In dem angesehenen Standardwerk von Bußmann wird die Perlokution wie folgt beschrieben: „Im Rahmen der Sprechakttheorie Teilaspekt einer Sprechhandlung, der sich auf die kausalen Wirkungen, die der Sprecher durch seine Äußerung absichtlich hervorruft, bezieht."[46]

 

 Eine schwerwiegende Inkonsequenz dieser Beschreibung - auch wenn sie auf den Beschreibungen von Austin und Searle basiert - ist, dass die Perlokution als Folge der Sprecherabsicht im Sinne des Sprechers angesehen wird. Der Empfänger, der auch ein souveräner Mensch mit eigenen Entscheidungskompetenzen ist, bleibt in der obigen Beschreibung völlig unbeachtet. Am Beispiel des Duells wird die Perlokution erklärt.

 

Auch zu Beginn der vorliegenden Arbeit wurde festgestellt, dass das Duell in den Bereich der persuasiven Kommunikation fällt und die Bürger politisch aktivieren will.

 

Argumentieren ist dementsprechend ein hauptsächlicher Bestandteil der persuasiven Kommunikation. Wenn man zusätzlich die Kommunikationssituation des zu analysierenden Duells beachtet, gibt es in der Femsehdiskussion gleich sechs selbstverständlich nicht parallel aktive Sprecher, die gleichzeitig ihren eigenen Intentionen nachgehen.

 

Am meisten bemühen sich logischerweise die Politiker um einen überzeugenden Auftritt. Durch die Aussage von Klaus Wowereit, dass im TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier derjenige oder diejenige gewinnt, der/die seine Argumente am glaubwürdigsten herüberbringt[47], wird die erwähnte Beschreibung der Perlokution falsifiziert und die Hypothese über eine von den Absichten des Senders kausal abhängige Wirkung widerlegt.

 

Aus diesem Grund wird eine weitere Definition genannt:

 

„Ein perlokutionärer Akt hingegen ist von den Äußerungsumständen abhängig und wird somit nicht konventionell, einfach durch das Äußern dieser besonderen Äußerung erreicht; er umfasst alle beabsichtigten oder unbeabsichtigten, oft auch nicht vorhersagbaren Wirkungen, die eine bestimmte Äußerung in einer bestimmten Situation hervorrufen kann.“ [48]

 

Das, was bei der früher zitierten Definition der Perlokution bemängelt wurde, nämlich die geringe Rücksichtnahme auf die Souveränität des Gesprächspartners, wurde in der Definition von Levinson ergänzt. Betont wird aber, dass die Perlokution nicht notwendigerweise unabhängig von der Illokution ausfällt.

 

Drei für die Analyse des Duells relevante Elemente der Sprechakttheorie wurden behandelt, dennoch kann man feststellen, dass ein zu einer vielseitigen Analyse notwendiger weiterer Aspekt in der Theorie keine Beachtung fand. Indem die Teilnehmer des Duells ihre Äußerungen vollziehen, kommen kommunikative Strategien zum Vorschein. Eine Äußerung ist einerseits das Ergebnis einer Lautfolge und der Kombination verwendeter grammatikalischer Strukturen andererseits das Ergebnis eingesetzter kommunikativer Strategien, die ähnlich wie die Intentionen im Vorfeld zum Duell festgelegt werden. Der operative Akt ist in seiner Eigenschaft die Gesamtheit der kommunikativen Strategien, mit deren Einsatz eine gewisse Intention verfolgt wird, damit die vom Sprecher beabsichtigte Wirkung ausgelöst werden kann.

 

Emst, der das Verhältnis der Wirkung und der Situation aufgreift, betont, dass die Wirkungen von den Äußerungsumständen abhängig seien.[49] Anhand der obigen Erörterungen wird eine adäquate Beschreibung für die Lokution vorgeschlagen. Die Lokution ist die Äußerung, die aufgrund von aufeinander folgenden Lauten durch den Einsatz grammatikalischer Systeme mit Hilfe von kommunikativen Strategien motiviert von der Intention des Senders in einem gegebenen situativen Umfeld zustande kommt und eine Botschaft in sich trägt. Die Äußerung löst beim Empfänger eine gewisse Wirkung aus.

 

Die diskutierten Definitionen der Sprechakttheorie werden im Überblick wie folgt dargestellt: