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DMT (N,N-Dimethyltryptamin) ist eine psychoaktive Substanz, die im Körper von Mensch und Tier natürlich vorkommt. Sie gehört zu den stärksten Psychedelika, die bislang bekannt sind. DMT gilt als "Bewusstseinsmolekül", kann visionäre Zustände bewirken und zu künstlerischem Schaffen inspirieren, andererseits ist es als "Rauschgift" verboten. Für die einen ist es ein "Entheogen" und Türöffner, für die anderen eine gefährliche "Alptraumdroge". Dieses Buch porträtiert umfassend den gesamten DMT-Komplex mit Schwerpunkt auf den psychedelischen Substanzen. Neben einer Übersicht über ihre wissenschaftliche Erforschung, die subkulturelle Verwendung und die indigene Nutzung DMT-haltiger Zubereitungen zeigt es die vielseitigen Erscheinungsformen und das therapeutische, spirituelle und rekreative Potenzial von DMT und DMT-Analogen auf. Mit Angaben zur praktischen Anwendung, vielen Erfahrungsberichten und einer umfangreichen Bibliografie.
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Seitenzahl: 715
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DMT
Markus Berqer
DMT
ForschungAnwendungKultur
INHALT
Vorwort
Einführung
DER DMT-KOMPLEX UND VERWANDTE MOLEKÜLE
DMT (Dimethyltryptamin)
5-MeO-DMT (5-Methoxy-DMT)
5-HO-DMT (Bufotenin)
DET (Diethyltryptamin)
DPT (Dipropyltryptamin)
DMT-Derivate Psilocybin und Psilocin
Weitere Analoga und Verwandte (Auswahl)
DIMETHYLTRYPTAMINE IN DER NATUR
Die Biosynthese
Endogene Dimethyltryptamine und Verwandte im Menschen
Endogene Dimethyltryptamine und Psychosen
Pharmakologie: Was macht DMT im Körper?
DMT und die Zirbeldrüse
DMT/5-MeO-DMT und das Träumen
Dimethyltryptamine und Verwandte im Tierreich
Dimethyltryptamine und Verwandte in Pflanzen und Pilzen
DIE DMT-FORSCHUNG
Die Entdeckung der DMT-Exoten
DMT aus dem Labor: Richard Manske
Die Entdeckung der DMT-Wirkungen: Stephen Szára
Der Missbrauch von DMT
Klinische Studien: Die Arbeit von Rick Strassman
Rick Strassman im Gespräch
Die Arbeit von Steven A. Barker
The Continuation: Alexander T. Shulgin
DMT und Verwandte in Medizin und Therapie
Psychonautische Forschung
Die Forschung im Untergrund
DAS MOLEKÜL DES BEWUSSTSEINS: DMT-SPIRITUALITÄT
Spirituelles Potenzial und mystische Welterfahrung
Psychedelischer Hyperraum: »CydelikSpace«
Geister, Aliens, Entitäten: Fremde Welten oder Gehirnprojektionen?
DMT und Nahtoderlebnisse
Weltraumvisionen
Wissenschaftliche Visionen
DMT und religiöses Erleben
DMT und Meditation
DMT-ENTHEOGALENIK
Galenische Schamanentrünke: Ayahuasca und Jurema
Traditionelle Schnupfpulver und Co.: Virola, Cebíl, Cohoba
Moderne Entheogalenik: Changa & Co.
DMT-PRAXIS
DMT-Extraktion aus Pflanzen
Einnahmeformen und Konsumtechniken
Stichwort Toleranz
Erfahrungsberichte
Safer Use und Prävention
Enorm wichtig: Dosis, Set und Setting
Gruppensetting und Tripsitter
Nicht vergessen: Nachbereitung
Gefahren und Risiken
Im Fall des Falles: Maßnahmen und Gegenmittel
Nicht wirklich böse: Der Bad Trip
DMT-Abhängigkeit?
Rechtliches
DMT-KULTUR
Indigene Kulturgüter
Zeitgenössische Kunst
ANHANG
Bibliografie
Danksagung
Der Autor
Bildnachweis
Index
Vorwort
»Die tiefe psychedelische Erfahrung hält nicht nur die Möglichkeit einer Welt voller gesunder Menschen, die im Gleichgewicht mit der Erde und miteinander leben, für uns bereit, sie verspricht auch ein großes Abenteuer und die Beschäftigung mit etwas völlig Unerwartetem – einem ganz nahen fremdartigen Universum, das vor Leben und Schönheit nur so strotzt.«
Terence McKenna (1996: 326)
»DMT verstärkt die mentalen Wahrnehmungen der bildhaften Symbolik in einer so mannigfachen Vergrößerung, dass die üblichen Wegmarken des Egos (…) abhanden kommen.«
Dale Pendell (2009: 234)
Ein Buch über den chemischen Stoff DMT, Dimethyltryptamin, und dessen verwandte Moleküle zu verfassen, gleicht einem Parforceritt. Bereits der Grundgedanke dürfte zumindest jenen pikant erscheinen, die sich mit der Materie vertraut gemacht haben und womöglich über Erfahrungen mit Psychedelika wie DMT und 5-MeO-DMT verfügen. Natürlich ist es möglich – und nötig! –, mannigfaltige Daten zu erheben und Zusammenhänge zu erläutern. Die Wissenschaft war diesbezüglich in den vergangenen Jahrzehnten alles andere als träge. Die Vielfalt der zu berücksichtigenden wissenschaftlichen Disziplinen, deren entsprechende Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem DMT-Komplex aufgearbeitet werden wollen, ist jedoch eine echte Herausforderung. Schon der US-amerikanische Chemiker und Psychedelik-Pionier Alexander (Sasha) T. Shulgin fand sich diesem Problem gegenüber und kommentierte: »Da gibt es die Substanz (Chemie) und eine Pflanze (Botanik), die einen Effekt hervorruft (Pharmakologie) in denen, die sie einnehmen (Anthropologie), die wiederum eventuell einen therapeutischen Nutzen daraus ziehen (Medizin) oder spirituelle Einsichten und Erkenntnisse gewinnen (Theologie).« (Shulgin und Shulgin 1997: 247) Damit wird klar, welch interdisziplinärer Ansatz nötig ist, um eine möglichst vollständige Abhandlung zu diesem einen Molekülkomplex zusammenzustellen.
Wenn es um den eigentlich erlebbaren Inhalt der DMT-Erfahrungen geht, wird es noch schwieriger. Denn wie soll man über etwas berichten, das dermaßen unglaublich, derart fern aller unserer Vorstellungen ist und fern auch aller erwägbaren Möglichkeiten unserer exzentrischsten Fantasien? Wie soll man erzählen von einer ur-kosmischen Erfahrung, die mit den zwar kunstvoll auszuformenden, dennoch aber höchst limitierten, ja einfachen Metaphern des menschlichen Egobewusstseins kaum in die Alltagsrealität zu transportieren ist, sprich: Wie soll man das schlicht und ergreifend Unbeschreibliche in Worte kleiden? Der Kern der Erfahrungen, die mit Dimethyltryptaminen und Verwandten möglich sind, ist bar jeder Möglichkeit, sie sprachlich zu erfassen. Zwar ist es möglich, die visuellen Komponenten und auch die emotionalen bzw. psychologischen Effekte und Symptome des DMT-Erlebnisses annähernd auf einen beschreibbaren Nenner herunterzubrechen. Zumindest all jenes an visuellen und anderen Eindrücken, das man nach einer Erfahrung ins Alltagsbewusstsein mit zurückzubringen befähigt ist (und das ist oftmals nicht besonders viel). Die eigentliche Qualität dieses Bewusstseinswechsels, der selbst das Etikett »psychedelisch« nicht einmal im Ansatz genügen kann, ist mit den Mitteln unserer Sprache nicht kommunizierbar.
Der US-amerikanische Philosoph, Psychonautenpionier, Ethnopharmakologe, Autor und Bewusstseinsforscher Terence McKenna (1946–2000) bezeichnete beispielsweise in seinem bahnbrechenden Buch »Wahre Halluzinationen« die DMT-Erfahrung als »das Geheimnis«: »So nannten wir es damals und meinten damit das Spektrum der Wirkungen, denen man in der Tryptamin-Ekstase begegnet. (…) Die Vorstellung, dass es das Andere gibt, war uns nicht unvertraut.« McKenna beschreibt den Kern seiner Erfahrungen mit gerauchtem DMT: »Wird DMT geraucht, beginnt der Onset der Erfahrung innerhalb etwa 15 Sekunden. Man fällt unverzüglich in einen Trancezustand. Die Augen sind geschlossen und man vernimmt ein Geräusch, das klingt, als würde ein Stück Zellophan zerrissen, als zerknülle jemand eine Plastikfolie und wirft sie weg. Ein Freund von mir vermutet, dass dies die Radio-Entelechie1 unserer Seele ist, die durch die organische Matrix bricht. Dann ist ein aufsteigender Ton zu hören. Außerdem nimmt man die gewöhnlichen halluzinogenen Wirkungen wahr wie eine sich wandelnde, verschiebende geometrische Fläche aus ineinanderfließenden, bunten Erscheinungen. Synaptisch betrachtet, sind jetzt alle Rezeptoren besetzt und man erlebt während etwa 30 Sekunden eine Verschiebung des Bewusstseinszustands. In diesem Moment findet man sich an einem Ort wieder, der sich jeder Beschreibung entzieht, ein Raum, der sich anfühlt, als sei er unter der Erde oder irgendwie isoliert und kuppelförmig. Im Roman ›Finnegans Wake‹2 wird ein solcher Ort ›merry go raum‹ genannt, abgeleitet vom deutschen Wort Raum. Der Raum dreht sich und man fühlt sich dort wie ein Kind, obwohl man irgendwo in der Unendlichkeit herausgekommen ist.« (McKenna 1999)
Das hört sich unglaublich spannend an! Allerdings kann die Beschreibung der DMT-Erfahrung eines Einzelnen nicht als exemplarisch für die Gesamtheit des Erlebbaren gelten. Hundert DMT-Erfahrungen können so verschieden voneinander sein, dass es geradezu schwerfällt, zu glauben, dass alle von einer einzigen Substanz hervorgerufen wurden. Aber zumindest gestattet uns die Sprache, das Molekül bzw. die Molekülgruppe, mit der solch Unerhörtes hautnah und in voller psychologischer Wucht erfahren werden kann, und die sich darum rankenden Erkenntnisse zu beschreiben, über die um sie entstandene Kultur zu berichten und die Versuche jener unerschrockenen Probanden zu dokumentieren, die im Nachhall ihrer Erfahrungen Berichte hinterlassen haben.
Mit diesem Buch liegt der erste deutschsprachige Band zum Dimethyltryptamin-Komplex vor, der eine umfangreiche Kollektion an Daten, Fakten und Erfahrungsberichten versammelt. Zwar ist kein Text in der Lage, das Mysterium als solches zu entschlüsseln. Denn eines wird gerade im Fall des DMT ganz ersichtlich: Die Erkenntnis liegt allein in der Erfahrung. Die Erfahrung allerdings bedingt jedoch ein Mindestmaß an Kenntnis der Zusammenhänge, also an Bildung und Wissen, denn Kenntnis schützt vor Unbedarftheit und Ignoranz, und Bildung ist letztlich die einzige Möglichkeit, sich auf die Reise in die DMT-Welten zumindest theoretisch vorzubereiten. Wenn vorliegendes Buch dabei als eine Art psychedelische Navigationshilfe von Nutzen sein kann, hat es seinen Zweck erfüllt.
Markus Berger
Valle Gran Rey/Felsberg im Winter 2016,
zum 60. Jahrestag der Entdeckung der Psychoaktivität des DMT
»DMT is everywhere!«
Alexander T. Shulgin (1925–2014)
»Was jetzt im Entstehen begriffen ist, ist kein neues Glaubensbekenntnis und keine neue Religion, keine neue spirituelle Ideologie oder Mythologie.Wir stehen vor dem Ende nicht nur der Mythologien, sondern auch der Ideologien und Glaubenssysteme.«
Eckhart Tolle
1 Radio-Entelechie: von Terence McKenna geprägter Begriff; Entelechie (griech. für: Vollendung, das Ziel in sich tragend) ist ein Terminus der Aristotelischen Philosophie und meint die Verwirklichung des in einem Wesen angelegten Potenzials. Auch: sich in der Materie manifestierende oder verwirklichende Form.
2 Finnegans Wake: Episches und künstlerisch anspruchsvolles sowie kryptisch-psychedelisches Werk des irischen Dichters James Joyce, das McKenna und die psychedelische Bewegung als essenzielle Schrift angesehen hatten. McKenna hatte Finnegan’s Wake sogar auf seine Expeditionen in den amazonischen Dschungel mitgenommen. Tim Leary nannte James Joyce den »großen psychedelischen Schreiber dieses Jahrhunderts, das Modell eines angetörnten, eingestimmten und ausgestiegenen Menschen«. (Leary 1997: 307)
DER DMT-KOMPLEX UND VERWANDTE MOLEKÜLE
5-MeO-DMT (5-Methoxy-DMT)
5-MeO-DMT
Andere Abkürzungen:
5-Methoxy-DMT
5-OMe-DMT15
MDMT
1019-45-0
Chemische Bezeichnungen:
5-Methoxy-N,N-dimethyltryptamin
N,N-Dimethyl-5-methoxytryptamin
5-Methoxy-3-[2-(dimethylamin)ethyl]-indol
[2-(5-Methoxyindol-3-yl)ethyl]-dimethylazan
Bufotenin-Methyl-Äther
Methoxybufotenin
Methylbufotenin
O-Methylbufotenin (OMB)
N,N,O-Trimethylserotonin
Trivialbezeichnungen:
5-MeO, Godhead, God Molecule, Gottesmolekül, Krötenschaum
Chemische Stoffklasse: Tryptamine/Indolalkaloide
Pharmakologische Klassifizierung: Psychedelikum,
Halluzinogen I. Ordnung
Summenformel: C13H18N2O
Molekulargewicht: 218,30 g/mol
Vorkommen:
Natur (Pflanzen, Tiere, Menschen), synthetisch
Chemische Strukturformel des 5-MeO-DMT.
»Mit 5-MeO-DMT kommst du in etwa zehn Sekunden von Null in die Unendlichkeit.«
Martin W. Ball (2011: 13)
Dosierung: geraucht: 5 bis 25 mg, geschnupft: 5 bis 20 mg, intravenös: 2 bis 3 mg
Wirkdauer: geraucht: 10 bis 25 Minuten, geschnupft: 45 bis 60 Minuten, injiziert (i. v.): 1 bis 2 Stunden
5-Methoxy-DMT ist das wichtigste psychedelische Derivat des Dimethyltryptamins und »unterscheidet sich von DMT lediglich durch eine einzige zusätzliche Methylgruppe und ein zusätzliches Sauerstoffatom«. (Strassman 2004: 62) 5-MeO-DMT ist eine blass-weiße kristalline Substanz, die in 96 %-igem Ethanol löslich ist, in Wasser hingegen so gut wie gar nicht. Wenn man aus psychonautischer Sicht einen DMT-Verwandten als den wichtigsten ausmachen müsste, dann würde dies ohne Zweifel 5-Methoxy-DMT sein. Einige Psychedeliker ziehen die 5-MeO-DMT-Erfahrung sogar der zwar ähnlichen, in summa aber doch andersartigen Erfahrung mit N,N-DMT vor. Das psychedelische Erleben auf 5-MeO-DMT umfasst nicht unbedingt solche exorbitanten visuellen Sensationen, wie dies beim N,N-DMT der Fall ist. Zwar können auch mit 5-MeO-DMT visuelle und mystische Erfahrungen gemacht werden, eine psychedelische Dosis von 20 bis 25 mg (geraucht) ist aber häufig eher vom Erleben eines kristallartigen, weißen Lichts und purer, urmächtiger und unbeschreiblich starker, alles umfassender Energie dominiert. Mit 5-MeO-DMT gelangt man auf direktem Wege zur Schöpferkraft, zur alleinheitlichen Energie, zu Gott, sagen viele, die diese Substanz ernsthaft probiert haben.
»Wie bei jeder subjektiven Erfahrung kommt es sehr auf die Versuchsperson an: Die meisten Leute scheinen die bizarren Farben und das fremdartige Ambiente von DMT der Wasserstoffbombe im Kopf, der Explosion weißen Lichts von 5-Methoxy-DMT vorzuziehen. Aber ich habe zumindest eine Person getroffen, die das zweite favorisiert. Beide Erfahrungen sind auf jeden Fall im Vergleich mit jeder anderen Substanz extrem machtvoll.« (Jim DeKorne, Entheogene 4, 1995: 33) Es gibt eine ganze Reihe von ernsthaften Psychonauten, die intensive Experimente mit 5-MeO-DMT gemacht haben, beispielsweise der US-amerikanische (und in Berlin geborene) Psychologe, Psychotherapeut, Psychedelika-Forscher und Autor Ralph Metzner16. Sein Buch »Die Kröte und der Jaguar« erzählt von Erfahrungen mit 5-MeO-DMT und dem Sekret der Colorado-Kröte Bufo alvarius, das reichlich 5-MeO-DMT enthält. Ralph Metzner beschreibt seine erste Erfahrung mit reinem gerauchtem 5-MeO-DMT: »Eine erschütternde Vernichtung, ein Gefühl, mich innerhalb einer Explosion zu befinden und in zahllose kleine Einzelteile zu zerfallen. Ich fühlte mich, als würde mein Inneres nach außen gekehrt, als ob meine Eingeweide durch meinen Mund hinausgepresst würden. Mein Körper schien offenbar auf dem Boden zu rollen (wie ich später realisierte), zusammengerollt zu einem Ball wie die Ouroboros-Schlange. Alle Unterscheidungen zwischen Innerem und Äußerem, Selbst und Anderem, Oben und Unten waren ausgelöscht. Tierische Laute schienen aus meinem Mund zu kommen. Da waren keine Gefühle der Angst, tatsächlich überhaupt keine Gefühle, mit Ausnahme einer Art unpersönlicher Ekstase. Kein Körpergefühl, kein Empfinden des Selbst, kein ›Ich‹ – nur eine funkelnde Empfindung von ehrfurchtgebietender Schönheit.« (Metzner 2015b: 34)
»Es ist dringend erforderlich, dass wir lernen, optimale Modelle umzusetzen, um solch potente Verbindungen wie 5-MeO-DMT handhaben zu können. Die Erforschung der traditionellen Anwendung als Sakrament betont die Bedeutung von Set und Setting ebenso wie die Fachkenntnis und die ethische Integrität des Vermittelnden.«
Charles Grob (Metzner 2015b: 8)
5-MeO-DMT, wie es im Internet angeboten wurde.
Der US-amerikanische Chemiker und Psychedelik-Pionier Alexander Shulgin wartet mit einer nicht minder interessanten Beschreibung eines Trips mit 20 gerauchten mg 5-MeO-DMT auf: »Dies ist ein sehr starkes Halluzinogen. Eine Zwanzigminuten-Erfahrung. Für mich war es, als kombiniere man MDMA mit DMT. DMT macht mir Angst (obwohl ich es immer wieder mache), und ich muss wirklich erst darüber nachdenken, bevor ich es nehme. Das 5-MeO-DMT war viel entspannter, eher eine Art Erfahrung kosmischen Bewusstseins. Ich brach in einen Raum durch, der dem DMT-Raum recht ähnlich war, aber es war mehr wie eine empfangene Gnade. Beim Herunterkommen fühlte ich mich etwas zitterig (Tremor-artig).« (Shulgin und Shulgin 1997: 533) Einen weiteren Bioassay mit 25 gerauchten mg dokumentiert Shugin wie folgt: »Ich inhalierte allen Dampf, der Geschmack war mild – nicht dieser Plastikgeschmack wie beim DMT. Etwa zehn Sekunden nach dem Inhalieren des letzten Dampfs begann es mit einem schnell ansteigenden Gefühl von Aufregung und Erstaunen, mit einem Unterton von ›Jetzt hast du es getan‹, aber dominiert von einem Gefühl von ›WOW, DAS IST ES!‹. Ich hatte ein gewaltiges Gefühl von Geschwindigkeit und Beschleunigung. Innerhalb von etwa zehn weiteren Sekunden verstärkten sich diese Eindrücke zu einer Intensität, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Das gesamte Universum implodierte durch mein Bewusstsein. Es war, als sei der Geist fähig gewesen, eine große Anzahl an Objekten, Situationen und Gefühlen gleichzeitig wahrzunehmen, die er sonst nur einzeln erfassen kann.« (Ebd.: 533f.)
Und Stanislav Grof berichtet über Erlebnisse einer Todes- und Wiedergeburtserfahrung unter 5-MeO-DMT-Einfluss: »Meine einzige Realität bestand aus strahlender, wirbelnder Energie von immensem Ausmaß, die alle Existenz in einer kondensierten und vollständig abstrakten Form zu beinhalten schien. Ich wurde reines Bewusstsein im Angesicht des Absoluten. Es hatte die Helligkeit von Myriaden von Sonnen … es schien reines Bewusstsein zu sein, eine Intelligenz und schöpferische Energie, die alle Polaritäten transzendiert. Es war unendlich und endlich, göttlich und dämonisch, erschreckend und ekstatisch, schöpferisch und destruktiv – all das und viel mehr. Ich hatte kein Konzept und keine Kategorien für das, was ich da erlebte. Ich konnte im Angesicht dieser Macht den Sinn separater Existenzen nicht aufrechterhalten. Meine gewöhnliche Identität war zersplittert und aufgelöst; ich wurde eins mit der Quelle.« (Grof 2006: 255)
5-MeO-DMT wirkt also nicht genauso wie N,N-Dimethyltryptamin und ist ohnehin nicht eins zu eins mit DMT zu vergleichen, allein schon, weil es etwa vier- bis achtmal potenter ist. Auch die Wirkdauer ist different; Ralph Metzner erklärt den Unterschied: »Bei beiden Substanzen beginnt die Wirkung praktisch unmittelbar, wenn sie geraucht oder verdampft eingeatmet werden, wie der Rauch oder Dampf durch die Mund- und Rachenschleimhäute sowie von den Lungen aufgenommen wird. DMT wird sehr schnell metabolisiert, und die Wirkung ist innerhalb von ungefähr 3 bis 5 Minuten mit einem deutlichen, schnellen Abfall der Konzentrationen im zerebralen Kreislauf beendet. Die Wirkung von 5-MeO-DMT beginnt ebenfalls fast unmittelbar nach der Inhalation, es wird aber anscheinend langsamer metabolisiert, denn die Wirkung bleibt für etwa 15 bis 20 Minuten erhalten, dreimal länger als beim DMT.« (Metzner 2015b: 30)
Der US-amerikanische Psychonaut James Oroc hat ein Standardwerk zum 5-MeO-DMT geschrieben, nämlich das nur auf Englisch verfügbare Buch »Tryptamine Palace: 5-MeO-DMT and the Sonoran Desert Toad«. Der Band enthält auf der einen Seite Informationen zu 5-MeO-DMT und der Colorado-Kröte Bufo alvarius, auf der anderen Seite eine Vielzahl von Erfahrungsberichten mit dem Molekül und dem Krötensekret sowie die zahlreichen Erkenntnisse, die daraus resultierten. Das Werk war ursprünglich als Broschüre für die Community des psychonautischen Burning Man Festivals17 in der Black-Rock-Wüste Nevadas geschrieben und dort 2006 und 2007 in diversen Auflagen verschenkt worden, enthielt aber, wie Oroc im Vorwort erzählt, zunächst zahlreiche Fehler und Fehlinformationen. 2009 ist das Buch dann im renommierten psychedelischen Verlag Inner Traditions (Park Street Press) erschienen.
Oroc hatte 2003 erstmals mit 5-MeO-DMT experimentiert und es, wie er es beschreibt, sehr achtlos genommen, mit einer für ihn »charakteristischen Abwesenheit von Umsicht, die viele meiner zahlreichen Abenteuer im Leben begleitet hat«. (Oroc 2009: 2) Was er mit dem Psychedelikum erlebte, veränderte sein Leben und wurde zu einem der wichtigsten Ereignisse seiner Biografie. »Nach meiner ersten Paradigma-verändernden Begegnung mit 5-MeO-DMT befand ich mich in einer Art intellektuellem Schockzustand, während die Fetzen meiner bisherigen Weltsicht um mich herumlagen und sich mir ein komplett neues rätselhaftes Universum zur Erforschung öffnete.« (Oroc 2009: 19) Die Substanz hatte ihn in direkten Kontakt mit einer energetischen Kraft gebracht, »die viel größer war, als ich es jemals für möglich gehalten hatte. (…) Diese erste Erfahrung hat meine Sicht der Realität auf eine solch massive Weise umgeworfen, wie ich es nie geglaubt hätte.« (Ebd.: 2f.)
Oroc, der sich selbst vorher als überzeugten Atheisten gesehen hatte und sich eine »geerbte zynische und materialistisch-reduktionistische Weltsicht zu eigen gemacht hatte«, ist durch diese eine Erfahrung mit 5-MeO-DMT zu der Gewissheit gelangt, dass es Gott gibt (von Oroc G/d geschrieben und damit »zu einem spirituell inspirierten und viel hoffnungsvolleren Menschen geworden« (ebd.: 3). Überdies ist er seitdem davon überzeugt, dass die Seele nach dem Tod weiterhin existiert; diese Überzeugung kommt übrigens häufig vor, wenn Menschen erstmals DMT oder 5-MeO-DMT genommen haben. Es ist nicht verwunderlich, dass James Oroc nach einer Durchbrucherfahrung einer spirituellen Wandlung unterlag. Das heißt in etwa: Erst die visionäre Umstrukturierung18, dann die Umstrukturierung des Lebens. Oroc hat für Erfahrungen mit 5-MeO-DMT eine eigene Abkürzung geprägt, nämlich 5MDE (5-MeO-DMT experience) und beschreibt seine eigenen folgendermaßen: »Ich inhaliere den Dampf ganz und halte ihn gemeinhin so lange ein, bis die Vision meines physikalischen Umfelds in fraktale Scher- ben zerbricht, und dann atme ich aus. Nahezu unmittelbar nachdem ich ausgeatmet habe, nehme ich ein Feld aus Lichtfraktalen wahr. Mein Geist löst sich dann in diesem weißen Licht auf, bis irgendwann die Wahrnehmung der äußeren Welt an Bedeutung verliert (bzw. ich die Umgebung nicht mehr wahrnehmen kann). Dieses weiße Licht – das mit der gestochenen Intensität eines Lasers leuchtet und weißer als weiß ist und gleichzeitig in brillanten Farben funkelt – ist vielleicht der Knackpunkt der Erfahrung. Als ich das erste Mal 5-MeO-DMT rauchte, bekam ich von dem Freund, der mir die Substanz gegeben hatte, nur eine einzige Anweisung: Ich solle so lange wie möglich versuchen, in diesem Licht zu bleiben. (…) Als Nächstes können sich vielfältige innere Erscheinungen zeigen. Manche berichten, sie sehen Schutzgeister (Tiere oder Engel), während andere beschreiben, dass sie direkt mit dem Licht kommunizieren. Auf einer meiner frühen Reisen spazierte ich über Flächen von Sternen und unterhielt mich mit einer Göttin, die in vielen wechselnden Formen erschien, manche waren mir vertraut, manche archetypisch, und ich erinnere mich, dass sie lachte und mich wie ein Kind behandelte. Wer immer in dieser Dimension das Sagen hat, weiß, sich kurz zu fassen, wenn wir zu Besuch sind; verglichen mit ihnen sind wir Kinder, und sie lehren uns die Dinge auf langsame methodische Weise, wie jeder gute Lehrer es tut: jeweils nur eine Lektion.« (Ebd.: 7)
War Oroc vorher durch andersartige psychedelische Erfahrungen und die Worte von Philosophen wie Terence McKenna davon geprägt und darauf aus, in veränderten Bewusstseinszuständen Kontakt zu fremden Wesen, Geistern usw. aufzunehmen, erlebte er auf 5-MeO-DMT eine völlig neuartige Dimension der Erfahrung. Und erhielt von der energetischen Kraft, von Gott, eine offenbarende Botschaft, die eindeutiger nicht hätte sein können: »Liebe. Das ist alles, was du wissen musst. Ich bin Liebe.« (Ebd.: 8)
Im nächsten Stadium, so berichtet James Oroc weiter, sieht er sein bisheriges Leben an sich vorüberziehen – und begegnet allen Wesen, mit denen er währenddessen Kontakt hatte. Lässt er sich dann ganz fallen und öffnet sich vorbehaltlos und vertrauensvoll, erlebt er den Zustand der umfassenden All-Einheit, »in dem es keinen Unterschied zwischen Gott, dem physikalischen Universum und mir gibt. (…) Und ich werde zu dieser Liebe, und ich weiß, dass alles eins ist, alles ist Gott.« (Ebd.: 9)
Für ihn zeigt sich hier – und dies eignet sich ganz hervorragend zur Charakterisierung jeglicher echten psychedelischen Erfahrung – der reine und universale Bewusstseinszustand, der ganz frei ist von Konstrukten wie dem Ego und dem Konzept eines separaten Selbst.
Während der Erfahrung können sich auch Angstzustände einstellen, die meist dann auftreten, wenn man sich wieder mit seinem Ego bzw. Selbst identifiziert. Oroc erklärt: »Ich existiere als reines formloses Bewusstsein, bis ›ich‹ diese Besonderheit realisiere und mich frage: ›Wie ist das passiert? Wie bin ich hierher gekommen?‹ Und dann zum Schluss der Killer: ›Wer bin ich?‹« (Ebd.: 11) Diese Wiedererinnerung an das eigene Selbst leitet die Phase des Coming Downs ein. In dem Augenblick, in dem die Erfahrung nicht mehr zur Gänze gelebt, sondern über sie nachgedacht wird, beginnt die Rückbesinnung auf die Alltagsrealität. Dann geht es sehr schnell, und man findet sich, häufig recht verwirrt, in seinem physischen Körper wieder, schildert James Oroc in seinem Werk, das bereits viele Psychonauten inspirieren konnte.
Der US-amerikanische Psychonaut, Privatforscher, Philosoph und Religionswissenschaftler Martin W. Ball hatte, genau wie James Oroc, eine lebensverändernde initiale 5-MeO-DMT-Erfahrung und wie Oroc einen direkten Kontakt mit Gott, der alleinheitlichen Schöpferkraft. Genau wie Oroc war auch Martin W. Ball zuvor Atheist und nach dem Erlebnis mit 5-MeO-DMT zu einem nicht nur gläubigen, sondern wie er es ausdrückt, wissenden Menschen geworden. Und genau wie James Oroc hat Martin Ball über seine Erlebnisse geschrieben. Sein transformativer Erkenntnisprozess auf 5-MeO-DMT hat Martin Ball dazu bewogen, das »Entheologische Paradigma« zu prägen, das konstatiert, dass es keine geistigen Realitätsebenen, keine anderweltlichen Dimensionen und keine fremdartigen Lebensformen gibt, sondern lediglich ein alleinheitliches Energiewesen, Gott, das sich in vielen verschiedenen Emanationen fleischlich manifestiert, um – zusammenfassend ausgedrückt – die dreidimensionale Realität erleben zu können. Sozusagen hautnah. Psychedelische Visionen von anderen fremden Wesen sind nach Ball lediglich Projektionen des eigenen Selbst und Egos. Im Abschnitt »Geister, Aliens, Entitäten: Fremde Welten oder Gehirnprojektion?« werden wir Martin W. Balls Entheologisches Paradigma und seine Erfahrungen und Bücher genauer unter die Lupe nehmen.
Über seine Erfahrungen mit 5-MeO-DMT schreibt Martin Ball in seinem Buch »The Entheological Paradigm«: »Es blies einfach alles aus allem, was ich jemals über alles dachte. Alles verschob und veränderte sich. Und, in Überstimmung mit Roc19, was wir hier haben, ist mit Abstand das mächtigste Werkzeug, das uns zur Verfügung steht, um unser Ego aus dem Weg zu räumen. Ich habe jetzt eine Menge Erfahrung mit diesem Zustand, und ich bin ebenfalls sehr erfahren darin, Menschen mit dieser Medizin zu helfen, und ich weiß genau, dass es immer eine sehr individuelle Angelegenheit ist. Es ist immer eine Reflexion desjenigen, der die Medizin einnimmt, und Leuten, deren Ego nicht loslassen kann, kannst du noch so viel Medizin geben …« (Ball 2011: 7) Martin Ball hat aus seiner ersten und den folgenden 5-MeO-DMT-Erfahrungen seine oben bereits zusammengefasste psychedelische Philosophie entwickelt, die er allerdings – und hier werden sich die sprichwörtlichen Geister scheiden – nicht bloß als Modell, sondern als absolute Wahrheit betrachtet: »Obwohl das Entheologische Paradigma einige Ähnlichkeiten mit verschiedenen religiösen, spirituellen Traditionen, Philosophien und anderen Weltanschauungen aufweist, ist es doch kein ›Glaubens‹-System, sondern eine umfassende Erklärung der fundamentalen, einheitlichen, energetischen Beschaffenheit der Realität.« (Ebd.: 18) Für Martin W. Ball ist 5-MeO-DMT der ultimative Schlüssel zum Gotteserleben und zur direkten Verbindung mit dem alleinheitlichen Geist. N,N-DMT betrachtet er als etwas schwerfälliger. Es sei nur in hohen Dosierungen sinnvoll und offenbare ansonsten eher die wenig nützlichen individuellen Projektionen des Selbst, die dann zu vermeintlichen Begegnungen mit Maschinen-Elfen, Geistern, Göttern usw. führen.
5-MeO versus Aya
Der Journalist und Medienkünstler Rak Razam, Autor des Buchs »Aya Awakenings: A Shamanic Odyssey« hat zusammen mit Tim Parish den Dokumentarfilm zum Buch »Aya: Awakenings« produziert, in dem auch eine Szene zu sehen ist, in der Razam 5-MeO-DMT raucht. »Heilige Mutter Gottes, ich zerschmelze in es … eine Energiewelle erfasst mich nach der nächsten und ich breche durch eine unendliche kaleidoskopische Matrix von unverfälschtem reinem Bewusstsein. Der Strom des Lebens fließt durch mich hindurch, es ist wie eine Erleuchtung Gottes. Und ich surfe, surfe auf Gottes Welle. (…) Reines Bewusstsein, das mit seinem Ursprung verschmilzt. Die Gottheit. Der Allgeist. Mutter Matrix. Vereinigung.« (St John 2015: 288)
Die Lebensgeschichte des mexikanischen Doktors Octavio Rettig Hinojosa liest sich wie ein Roman. Der 1979 geborene Octavio Rettig war über viele Jahre und bedingt durch sein, wie er es beschreibt, übermächtiges Ego einer polytoxikomanen Lebensweise und einer damit einhergehenden Crack-Kokain-Abhängigkeit verfallen. Mehr und mehr wurde er mit den dunkelsten Seiten seines Selbst konfrontiert. Als er vollkommen am Ende seiner Kräfte angelangt war, lernte er zunächst andere Psychedelika wie die Wahrsagesalbei Salvia divinorum und den meskalinhaltigen Peyotekaktus, LSD und Psilocybinpilze und später Otac20 und dessen 5-Methoxy-DMT-haltiges Sekret kennen – was sein Leben nicht nur rettete, sondern ihm eine komplette Wende seines Wegs ermöglichte. Rettig Hinojosa erkannte das Potenzial dieser Tryptaminmedizin der Kröte und heilte fortan viele andere Menschen damit. In seinem Buch »The Toad of Dawn« berichtet er von seiner Geschichte und seiner Mission, mit der Krötenmedizin durch die Welt zu reisen und