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Freiheit ist nicht ein Wert unter vielen, sondern d e r Grundwert schlechthin. Individuelle Rechte und Freiheiten wurden dem Menschen im Lauf der Geschichte nicht immer freiwillig zugestanden, sondern mussten oft in langwierigen Verhandlungsprozessen, oder aber durch Gewalt und Krieg erkämpft-, und schließlich auch verteidigt werden. Das vorliegende Buch stellt 25 Verträge und Urkunden dar, welche die Entwicklung der Menschenrechte vom Augsburger Religionsfrieden von 1555 bis zum Rom Statut von 2002 mit der Einrichtung eines Internationalen Gerichtshofes für Kriegsverbrechen nachzeichnet. Die einzelnen Verträge und Urkunden werden in ihren grundlegenden Paragraphen wiedergegeben, ergänzt durch einen Kommentar zu ihrer Geschichte und weiteren Wirksamkeit.
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Seitenzahl: 288
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Geboren 1954, ist er Archäologe am Historischen Museum der Stadt Wien. Zahlreiche Veranstaltungen mit den Schwerpunkten Mittelalter und römische Zeit. Über 15 Publikationen.
Freiheit ist nicht ein Wert unter vielen, sondern der Grundwert schlechthin. Individuelle Rechte und Freiheiten wurden dem Menschen im Lauf der Geschichte nicht immer freiwillig zugestanden, sondern mussten oft in langwierigen Verhandlungsprozessen, oder aber durch Gewalt und Krieg erkämpft, und schließlich auch verteidigt werden. Das vorliegende Buch stellt 25 Verträge und Urkunden dar, welche die Entwicklung der Menschenrechte vom Augsburger Religionsfrieden von 1555 bis zum Rom Statut von 2002 mit der Einrichtung eines Internationalen Gerichtshofes für Kriegsverbrechen nachzeichnet. Die einzelnen Verträge und Urkunden werden in ihren grundlegenden Paragraphen wiedergegeben, ergänzt durch einen Kommentar zu ihrer Geschichte und weiteren Wirksamkeit.
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ISBN: 978-3-8438-0021-1
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Die Grundrechte des Menschen mussten definiert werden, bevor man darangehen konnte, sie zu sichern. Es gab lange Zeit keine einheitliche Beschreibung dieser Rechte, und wenn es sie in Ansätzen gab, so richtete sich diese stets nach der Zeit und dem Ort, an dem sie festgestellt wurden. Es fehlte lange Zeit eine universelle und allgemeingültige Definition. Man kann die ersten Erwähnungen von Grundrechten auf die Zeit des Absolutismus zurückführen, in der es darum ging, die Rechte des Individuums gegen einen Souverän zu verteidigen: »Als Menschenrechte bezeichnet man die dem Individuum zustehenden Rechte auf Schutz vor Eingriffen des Staates, die dem Einzelnen kraft seines Menschseins gegeben sind und auf jeden Fall erhalten bleiben und die nicht durch den Staat beschränkt werden können.« Aus dieser Zeit des Absolutismus stammt ihre Kennzeichnung als »angeborene« und »unveräußerliche« Rechte.
Ab dem 17. Jahrhundert beginnt die Zeit der Verschriftlichung der Menschenrechte in Verfassungen und »Bill of Rights«, in denen Folgendes festgestellt wurde: … zum Kern der Menschen- und Grundrechte zählen die Menschenwürde, das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz und Gleichberechtigung, Religions- und Gewissensfreiheit, Meinungs-, Presse-, Informations- und Lehrfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Freizügigkeit, Berufs- und Arbeitsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Garantie des Eigentums und des Erbrechts, Asyl- und Petitionsrecht, sowie justitielle Rechte wie beispielsweise die Garantie gegen ungerechtfertigte Verhaftung (…).«
Erst nachdem diese grundlegenden Rechte festgestellt wurden, arbeitete man daran, sie auch allgemein zu definieren. Grundlegende Rechte, so wurde nun formuliert, sind »… der Inbegriff derjenigen Freiheitsansprüche, die der Einzelne allein aufgrund seines Menschseins erheben kann und die von einer Gemeinschaft aus ethischen Gründen rechtlich gesichert werden müssen. In diesem Sinne ist von ›natürlichen‹, ›vorstaatlichen‹, ›angeborenen‹ oder ›unveräußerlichen‹ Rechten die Rede, in deren Achtung und Sicherung sich ein politisches Gemeinwesen legitimiert …«
Die Definition der Menschenrechte und ihre Umsetzung lässt sich in drei Phasen vom 16. bis zum 21. Jahrhundert einteilen: Ihre Herleitung aus der Philosophie, ihre politische Umsetzung im Rahmen von Nationalstaaten und ihre universelle Geltung in einer globalisierten Welt durch eine weltumspannende Organisation, den Vereinten Nationen.
Die Geschichte der Menschenrechte beginnt in der antiken griechischen Philosophie. Vor mehr als 2000 Jahren entwickelte sich die Idee von der Gleichheit aller Menschen und eines natürlichen Rechts, das jedem Menschen zukommen sollte. Im frühen Christentum und in anderen Religionen erfuhr diese Naturrechtstradition eine Weiterentwicklung. Man war der Auffassung, dass alle Menschen gleich von Gott geschaffen und ihm ebenbildlich seien. Diese beiden Ideen bilden die Grundlagen der Menschenrechte. Allerdings hatten sie noch nicht viel mit der politischen Realität zu tun. Es handelte sich um philosophische Betrachtungen, die zwar einen universalen Anspruch erhoben, deren schrittweise Übertragung in die Welt der Politik und des Rechts aber erst mit Beginn der Neuzeit einsetzte.
Eine der ersten Persönlichkeiten, die eines der Menschenrechte explizit nannte, war der italienische Philosoph Giovanni Picco della Mirandola (1463-1494), der 1486 in seiner Rede »De Hominis dignitate« feststellte, dass den Menschen Eines auszeichne, nämlich die Freiheit der Wahl. Im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen, deren Natur durch die Naturgesetze festgelegt ist, vermag allein der Mensch seine Natur frei zu wählen. Mirandola war zudem der erste Philosoph, der die Freiheit und Würde des Menschen als Menschenrecht philosophisch begründete. Die soziale Verpflichtung des Menschen trifft der Mensch selbst und freiwillig. Wird sein Wille missachtet und zwangsweise unterworfen, so werden seine Würde und Freiheit verletzt. Allerdings muss sich der Mensch auch darüber im Klaren sein, dass er die aus der Freiheit gewonnene Verantwortung selbst trägt und sie nicht einem Gott oder Herrscher abtreten kann.
Thomas Hobbes (1588 – 1679) begründete die Allmacht des Staates mit dem Naturzustand des Menschen, indem dieser regellos und im Krieg aller gegen aller lebe, so dass er beschloss, alle Macht auf einen Staat, den »Leviathan« zu übertragen, dessen Vertreter, der Souverän, für Ruhe und Ordnung zu sorgen habe.
Der Deutsche Samuel Pufendorf (1632-1694) übernahm die Idee des Naturzustandes von Hobbes. Er leitete die Staatenbildung aus der natürlichen Geselligkeit und dem Bedürfnis des Menschen ab, den Unterschied zwischen Recht und Unrecht zu erkennen. Damit setzte er sich in Widerspruch zur damals geltenden Staatstheorie, die das Recht allein auf göttliche Gesetze zurückführte. Aus dieser Sicht hat der Engländer John Locke (1632-1704) das Leben, die Freiheit und das Eigentum als die drei wichtigsten vorstaatlichen und natürlichen Rechte des Menschen abgeleitet. Es sind jene Eigenrechte, die der Mensch dem Staat nicht abgetreten hat, sie sind dem Menschen geblieben, weil er nicht darauf verzichtet hat.
Locke ging es also um die Idee der unveräußerlichen Menschenrechte.
Für ihn bilden Leben, Freiheit und Eigentum unwandelbar angeborene Rechte des Menschen. Der Zweck eines Staates sei es, diese natürlichen Menschenrechte zu schützen. Locke verpflichtet in seiner politischen Philosophie den Staat auf die Menschenrechte und vollzieht damit den entscheidenden Schritt von der abstrakten Idee der Menschenrechte zu ihrer konkreten Umsetzung im Staat. Diese Gedanken wurden später in England und den Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen und fanden Eingang in deren Verfassungen.
Eine andere Sichtweise hatte der holländische Gelehrte, Theologe, Jurist und Staatsmann Hugo Grotius (1583 – 1645). Auch er betrachtete das Naturrecht, jedoch nicht das des Individuums, sondern das der Staaten. Für ihn ist das Naturrecht ein Gebot der Vernunft, neben diesem besteht auch noch ein »Ius volontarium«, das durch den Willen gesetzte Recht, das er »Ius gentium«, Völkerrecht, nennt. Er definiert es als naturrechtliche Forderung, dass die Völker im Schutze des Rechtes leben dürfen und sollen. Das gesetzte Völkerrecht, aus dem Naturrecht kommend, geht diesem in der Rechtspraxis vor.
Der nächste Schritt in der Erarbeitung der Menschenrechte war deren Einführung und politische Umsetzung in den Gesetzen von Nationalstaaten. England spielte eine Vorreiterrolle bei dieser Entwicklung. Bereits 1215 wurden dem König in der »Magna Charta Libertatum« gewisse Rechte abgetrotzt. Die »Petition of Rights« von 1628 stellte die Unantastbarkeit des Bürgers sicher, und die »Habeas-Corpus-Akte« von 1679 bildete den entscheidenden Durchbruch zur Verankerung der Idee der Menschenrechte im konkreten staatlichen Recht.
Die englischen Rechte galten auch in den englischen Kolonien in Amerika. Dort wurde im Zuge des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes unter direkter Berufung auf die Gedanken Lockes erstmalig in der Geschichte ein Menschenrechtskatalog für eine Demokratie formuliert, die »Virginia Bill of Rights« von 1776, die wie die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung aus demselben Jahr zu den wichtigsten Dokumenten in der Geschichte der Menschenrechte zählt. Die »Virginia Bill of Rights« erstellte den Kern der Menschenrechte: Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum, Versammlungs- und Pressefreiheit, Freizügigkeits- und Petitionsrecht, Anspruch auf Rechtsschutz und das Wahlrecht. Die Amerikanische Verfassung fügte ein neues Element hinzu, nämlich das persönliche Glück und das Recht für alle Menschen, es zu suchen und zu gewinnen. In ihr sind die grundlegenden Naturrechte das Leben, die Freiheit, das Eigentum und die Suche nach dem Glück.
Von Frankreich aus nahm die verfassungsrechtliche Umsetzung der Idee der Menschenrechte in Kontinentaleuropa ihren Ausgangspunkt. Die Französische Revolution von 1789 mit ihrer Parole »liberté, égalité, fraternité« entfaltete eine enorme Wirkung. Am 26. August 1789 wurde die französische »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« angenommen. In ihr findet sich der Versuch, die universelle Geltung der Menschenrechte zu betonen.
Im weiteren Verlauf der Geschichte ging es dann darum, die Menschenrechte als Grundrechte in den jeweiligen nationalen Verfassungen zu etablieren, was in fast allen europäischen Staaten im Lauf des 19. Jahrhunderts gelang. Die politische und rechtliche Umsetzung der philosophischen Idee der Menschenrechte war bis Mitte des 20. Jahrhunderts europaweit zumindest theoretisch weitgehend gelungen.
Die Menschenrechte, wie sie in den Verfassungen der Nationalstaaten niedergeschrieben waren, beanspruchten universelle Gültigkeit, ihre verbindliche Verankerung als Grundrechte war aber auf die Nationalstaaten begrenzt. Diesen Widerspruch galt es in einem dritten Schritt, und zwar mit dem Versuch der universalen politischen und rechtlichen Umsetzung der Menschenrechte, aufzulösen.
Es waren die Gräuel des Zweiten Weltkrieges, welche die Menschen veranlassten, einen Weg zu suchen, um den Menschenrechten weltweit Geltung zu verschaffen. Alle Menschen auf der Welt sollten Grundrechte und Grundfreiheiten besitzen. Das war eines der wichtigsten Ziele, die zur Gründung der Vereinten Nationen führten. Durch den Zusammenschluss aller Staaten sollten die Menschenrechte nicht mehr die Angelegenheit eines einzelnen Staates sein, sondern zur Angelegenheit der internationalen Staatengemeinschaft werden. Festgehalten wurde dies in der Charta der Vereinten Nationen von 1945. In ihr heißt es, dass alle Mitgliedstaaten sich verpflichten, gemeinsam und jeder für sich, mit der Organisation zusammenzuarbeiten, um die Ziele der Organisation, und dazu zählt die Durchsetzung der Menschenrechte, zu erreichen. Durch diesen Artikel ist jedes Mitglied der Vereinten Nationen verpflichtet, die Menschenrechte zu achten. Um diese zu definieren, haben die Vereinten Nationen eine »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte«, eine Aufzählung der Menschenrechte, verfasst, die von der Generalversammlung 1948 angenommen wurde.
Die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« markiert den Beginn des Bemühens um universale politische und rechtliche Durchsetzung der Menschenrechte. Sie will den Widerspruch zwischen globalem Anspruch und nationaler Geltung der Menschenrechte aufheben. Man könnte in der Entwicklung der Menschenrechte noch weitergehen, wenn man sie nur als einen nächsten Schritt sieht, in dem es darum geht, im Dialog der Religionen und Kulturen aller Menschen ein Weltethos festzulegen, um die Zweifel an der Universalität der in Europa entstandenen und christlich geprägten Menschenrechte auszuräumen und sie für alle Kulturen und Religionen anwendbar zu machen.
Es sollte aber nicht vergessen werden, dass die Menschen- und Grundrechte nicht immer freiwillig gewährt wurden, sondern oft durch Kampf und Revolution eingefordert werden mussten. Es sind Rechte, die auch heute noch nicht von allen Staaten akzeptiert oder dort gebrochen werden, wo es Staaten politisch dienlich erscheint. Es muss daher ein Anliegen aller Menschen sein, diese Rechte weiter zu beschützen, zu bewahren und anzuwenden, oder zu akzeptieren, dass ohne sie die Menschheit wieder zum Urzustand, zum Krieg aller gegen alle, zurückkehren muss. Die Menschenrechte sind nur ein dünner Schild, der zwischen dem Menschen und seiner wilden Natur steht. Sie müssen stets von Neuem erkämpft und gesichert werden.
Freiheiten entstehen weder von selbst, noch werden sie von den Mächtigen gerne gewährt. Freiheiten mussten oft in einer langen Reihe von Auseinandersetzungen erkämpft werden. An erster Stelle stand in der Geschichte nicht der Kampf um politische Freiheiten, sondern um die Religionsfreiheit, die Freiheit, nach seinem Gewissen zu leben.
Als im Jahre 1517 Martin Luther seine 95 Thesen an die Türe der Schlosskirche zu Wittenberg anschlug, löste er die größte kirchliche, religiöse und auch politische Krise in der deutschen Geschichte aus.
In rascher Folge schlossen sich zahlreiche deutsche Fürsten der reformierten Religion an, nicht nur deshalb, weil sie die Erneuerung der Kirche anstrebten, sondern auch, um sich als Widerpart gegen die immer stärker werdende Position der habsburgischen Kaiser im Reich zu etablieren. Innerhalb weniger Jahre wuchs die »protestantische Kirche« in verschiedensten Ausformungen, deren stärkste die lutherische Kirche war, zu einer politischen Kraft im Reich heran, die sich jedem Versuch des Kaisers, sie wieder in die katholische Kirche einzubinden, widersetzte.
1530 wurde durch die protestantischen Stände auf dem Reichstag zu Augsburg versucht, die Anerkennung der reformierten Kirche, also eine erste grundlegende Religionsfreiheit, nämlich die Wahlfreiheit der Religion, zu erreichen. Das hierbei veröffentlichte Augsburger Bekenntnis (»Confessio Augustana«) war noch bestrebt, die Gemeinsamkeit mit der Katholischen Kirche wiederzuerlangen, sie war noch ein ökumenisches Bekenntnis, wurde aber in der Folge zur zentralen Bekenntnisschrift der Lutheraner, und somit ein erster Schritt auf dem Weg zur Kirchenspaltung. Kaiser Karl V., der dies erkannte, verweigerte daher dem Augsburger Bekenntnis die Anerkennung. In der Folge kam es zu innerdeutschen Auseinandersetzungen im Kampf zwischen dem Kaiser und den Protestanten im Reich, die bis 1547 andauerten und mit einem vorläufigen Sieg des Kaisers endeten. 1548 erließ Karl V. das »Augsburger Interim«, mit dem er die Protestanten zur Vereinigung mit der Katholischen Kirche zwingen wollte. Dieser Versuch endete 1552 mit dem Aufstand der protestantischen Fürsten im Reich, worauf im »Vertrag von Passau« die Gleichberechtigung der beiden Konfessionen bis zum nächsten Reichstag ausgesprochen wurde.
Kaiser Karl V. zog sich daraufhin aus der deutschen Politik zurück, sein Bruder Ferdinand I. berief in seiner Vertretung für 1555 einen Reichstag nach Augsburg ein, wo er mit den lutherischen Protestanten den »Augsburger Religionsfrieden« schloss.
Die Kernpunkte dieses Dokumentes, mit dem im Reich eine friedliche Koexistenz beider Konfessionen erreicht werden sollte, umfasst zwei Rechte:
Das »ius reformandi« ist das Recht des Landesherren, in seinem Herrschaftsgebiet die zu praktizierende Religion zu bestimmen. . Daraus aber, und das ist das revolutionäre Gedankengut des Augsburger Religionsfriedens, leitet sich ein zweites Recht ab, das »ius emigrandi«. Es ist dies das Recht der Andersgläubigen, ein konfessionell definiertes Herrschaftsgebiet zu verlassen und nach Bezahlung einer Abzugssteuer in ein Gebiet ihres Glaubens überzusiedeln. Erlaubt war dies aber nur Katholiken und Lutheranern, während Reformierte, Calvinisten und Anhänger Zwinglis davon ausgenommen waren.
Im Augsburger Religionsfrieden wurde damit erstmals ein Individualrecht festgeschrieben, das im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, in denen die Verfolgung Andersgläubiger durch Zwang und durch den Henker durchgeführt wurde, als fortschrittlich bezeichnet werden konnte. Damit kann das »ius emigrandi« als erstes niedergeschriebenes Grundrecht in der deutschen Geschichte bezeichnet werden.
Setzen demnach, ordnen, wollen und gebieten, dass fernerhin niemand, welcher Würde, Standes oder Wesens er auch sei, den anderen befehden, bekriegen, fangen, überziehen, belagern, […] [möchte], sondern ein jeder den anderen mit rechter Freundschaft und christlicher Liebe entgegentreten soll und durchaus die Kaiserliche Majestät und Wir alle Stände, und wiederum die Stände Kaiserliche Majestät und Uns, auch ein Stand den anderen, bei dieser nachfolgenden Religionskonstruktion des aufgerichteten Landfriedens in allen Stücken lassen sollen.
Und damit solcher Friede auch trotz der Religionsspaltung, wie es die Notwendigkeit des Heiligen Reiches Deutscher Nationen erfordert, desto beständiger zwischen der Römischen Kaiserlichen Majestät, Uns, sowie den Kurfürsten, Fürsten, und Ständen aufgerichtet und erhalten werden möchte, so sollen die Kaiserliche Majestät, Wir, sowie die Kurfürsten, Fürsten und Stände keinen Stand des Reiches wegen der Augsburgischen Konfession, und deren Lehre, Religion und Glauben in gewaltsamer Weise überziehen, beschädigen, vergewaltigen oder auf anderem Wege wider Erkenntnis, Gewissen und Willen von dieser Augsburgischen Konfession, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Zeremonien, die sie aufgerichtet haben oder aufrichten werden, in ihren Fürstentümern, Ländern und Herrschaften etwas erzwingen oder durch Mandat erschweren oder verachten, sondern diese Religion, ihr liegendes und fahrendes Hab und Gut, Land, Leute, Herrschaften, Obrigkeiten, Herrlichkeiten und Gerechtigkeiten ruhig und friedlich belassen, und es soll die strittige Religion nicht anders als durch christliche, freundliche und friedliche Mittel und Wege zu einhelligem, christlichem Verständnis und Vergleich gebracht werden.
Doch sollen alle andere so obgemelten beiden Religionen nicht anhängig in diesem Frieden nicht gemeint, sondern gänzlich ausgeschlossen sein.
Wo ein Erzbischof, Bischof, Prälat oder ein anderer geistliches Standes von Unser alten Religion abtreten würde, dass derselbige sein Erzbistum, Bistum, Prälatur und andere Benificia, auch damit alle Frucht und Einkommen, so er davon gehabt, alsbald ohne einige Verwiderung und Verzug, jedoch seinen Ehren ohne Nachteil, verlassen, auch den Kapiteln, und denen es von gemeinhin Rechten oder der Kirchen und Stift Gewohnheiten zugehört, ein Person, der alten Religion verwandt, zu wählen und zu ordnen zugelassen sein, welche auch samt der geistlichen Kapiteln und anderen Kirchen bei der Kirchen und Stift-Fundationen, Elektionen, Präsentationen, Konfirmationen, altem Herkommen, Gerechtigkeit und Gütern, liegend und fahrend, unverhindert und friedlich gelassen werden sollen, jedoch künftiger christlicher, freundlicher und endlicher Vergleichung der Religion unvergreifflich.
Es soll auch kein Stand den andern, noch desselben Untertanen zu seiner Religion dringen, abpraktizieren, oder wider ihre Obrigkeit in Schutz und Schirm nehmen, noch verteidigen in keinen Weg. Und soll hiermit denjenigen, so hiebevor von alters Schutz- und Schirmherrn anzunehmen gehabt, hiedurch nichts benommen, und dieselbige nicht gemeint sein.
Wo aber unsere, auch der Churfürsten, Fürsten und Stände Untertanen der alten Religion oder Augsburgischen Konfession anhängig, von solcher ihrer Religion wegen, aus unsern, auch der Churfürsten, Fürsten und Ständen des Heiligen Reiches Landen, Fürstentümern, Städten oder Flecken, mit ihren Weib und Kindern, an andere Ort ziehen und sich nieder tun wollten, denen soll solcher Ab- und Zuzug, … zugelassen und bewilligt, auch an ihren Ehren und Pflichten allerding unentgolten sein.
Nachdem aber in vielen Frei- und Reichsstädten die beiden Religionen ..] eine Zeit im Gang und Gebrauch gewesen, so sollen dieselbigen hinführ auch also bleiben, und in denselben Städten gehalten werden, und derselben Frei- und Reichsstädtischen Bürger, und andere Einwohner, geistlichen und weltlichen Stands, friedlich und ruhig, bei und neben einander wohnen, und kein Teil des andern Religion, Kirchengebräuche, oder Zeremonien, abzuthun, oder ihn davon zu bringen, unterstehen, sondern jeder Teil den andern, laut dieses Friedens, bei solcher seiner Religion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnungen und Zeremonien, auch seinen Hab und Gütern und allem andern, wie hie oben beider Religion Reichs-Stände halben verordnet und gesetzt worden, ruhig und friedlich bleiben lassen.
Der Augsburger Religionsfriede war ein erster Ansatz in Europa, das Grundrecht der Gewissens- und Religionsfreiheit zu akzeptieren. Es ging darum, die Konfessionsspaltung zu bewältigen und einen Ausgleich zwischen den christlichen Konfessionen, besonders zwischen der Katholischen Kirche und dem Luthertum, zu etablieren.
Der Religionsfriede war allerdings auch der Beginn eines staatlichen Zwangskirchentums. Jeder deutsche Landesherr konnte ab 1555 für sich und seine Untertanen die Glaubenszugehörigkeit (»cuius regio, eius religio«: In wessen Gebiet ich lebe, dessen Religion muss ich annehmen«) verpflichtend festlegen. Wer dem auf Grund seines Gewissens nicht folgen wollte, konnte nach dem Auswanderungsrecht das Territorium des Landesherren mit einer Eigentumsgarantie verlassen. Wegen dieser Bestimmung sehen Historiker im Augsburger Religionsfrieden die erste mitteleuropäische Menschenrechtserklärung. Allerdings waren von der Friedensgarantie alle diejenigen protestantischen Strömungen ausgeschlossen, die nicht auf dem Boden des Augsburger Bekenntnisses von 1530 standen.
Das Vertragswerk von 1555 regelte erstmals dauerhaft das gleichberechtigte konfessionelle Zusammenleben beider christlicher Glaubensgemeinschaften, ohne die umstrittene Frage nach dem »wahren Glauben« zu entscheiden. »Nicht Theologen haben damals eine Lösung gefunden, sondern Politikern war es gelungen, ein eigentlich unlösbares Problem zu regeln«, bewertet der Historiker Johannes Burkhardt das Zustandekommen des Augsburger Religionsfriedens. »Es war das erste Mal, dass für eine weltanschauliche Unstimmigkeit eine politisch-rechtliche Lösung ohne Gewaltanwendung gefunden wurde.«
Dieses System des »Landesherrlichen Kirchenregiments« wurde durch das aufkommende Presbyterial- und Synodalwesen sowie durch das allmähliche Auseinandertreten von Staat und Kirche im 19. Jahrhundert gelockert. Erst mit dem Ende der deutschen Monarchie 1918, mit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 sowie mit den eigenständigen evangelischen Kirchenverfassungen der folgenden Jahre kam es zu einer völligen Trennung von Kirche und Staat.
Einen ungeliebten Herrscher konnte ein Volk seit alters her durch Aufstand, Revolution und Krieg beseitigen. Die Vereinigten Niederlande fanden am Ende des 16. Jahrhunderts einen neuen Weg der Befreiung, indem sie ihrem König von sich aus den Gesellschaftsvertrag zwischen König und Untertanen aufkündigten und so eine Republik schufen, die zum Vorbild für andere Staaten werden sollte.
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