Dragon Flame - G. A. Aiken - E-Book
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G. A. Aiken

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Beschreibung

Als Leibwächter der Drachenkönigin erhält Celyn, der Schwarze, auch mal den einen oder anderen ungewöhnlichen Auftrag. Jetzt soll er ausgerechnet Elina Sheszakova beschützen, jene Menschenfrau, die er nach einem Mordanschlag auf seine Königin höchstselbst ins Gefängnis befördert hatte. Elina ist nicht nur wenig begeistert, ihn zu sehen (Menschen sind eben nachtragend), sie zeigt sich auch noch von Celyns Charme völlig unbeeindruckt. Doch so schnell gibt der stolze Drache nicht auf – er wird alles dafür tun, die Flammen der Begierde in Elina zu entfachen.

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Für dich, Ma.

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Michaela Link

ISBN 978-3-492-96916-1

Oktober 2015 ©

Shelly Laurenston 2014 Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Light My Fire«, Zebra Books, New

York

2014 Deutschsprachige Ausgabe: ©

Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2015 Covergestaltung: Guter Punkt, München Covermotiv: Guter Punkt unter Verwendung von Motiven von Shutterstock Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

1 Elina Shestakova von den Schwarzbärenreitern der Mitternachtsberge der Verzweiflung in den fernen Weiten der Steppen der Außenebenen – oder für Faulpelze einfach Elina– bahnte sich vorsichtig einen Weg den Berg hinauf. Ihrem Schicksal entgegen.

Es war natürlich nicht das Schicksal, das sie für sich selbst wollte. So hatte ihr Plan fürs Leben nicht ausgesehen. Aber sie hatte keine Wahl, oder? Glebovicha, die Anführerin ihres Stammes, hatte ihr diese Aufgabe zugewiesen. Um, wie sie sagte, Elina Gelegenheit zu geben, sich bei ihrem Stamm einen Namen zu machen, auf den sie stolz sein könne. Vielleicht sogar bei allen Stämmen der Steppen, die unter der Herrschaft von Anne Atli standen. Aber Elina gab sich darüber keinen Illusionen hin.

Ihr Leben war vorbei, ganz gleich, welche Entscheidung sie traf. Daher konnte sie ihre jämmerliche Existenz ruhig so weit in die Länge ziehen, wie es ging. Und wer wusste das schon? Vielleicht würde so das Ende schneller und viel weniger schmerzhaft sein, als wenn sie Glebovicha sagte, sie solle sich mit ihrem lächerlichen Auftrag zur Hölle scheren.

Also stieg Elina weiter diesen Berg hinauf. Er hieß Devenallt Mountain und lag tief im Herzen der Südländer. Angeblich war er die Heimat der gefürchteten Drachenkönigin.

Der Berg war ein gewaltiger Brocken. Aber man hatte Elina, seit sie stehen konnte, gelehrt, größere Berge zu besteigen. Ihr Volk, die Töchter der Steppen, oder – wie andere sie nannten– die Schrecken der Außenebenen, liebte den Krieg. Früher einmal waren die Steppen ein Flickenwerk zufälliger Herrschaftsgebiete einander ständig bekämpfender Räuberbanden gewesen. Eine abscheuliches Leben– und die Frauen hatte es am schlimmsten getroffen, weil sie oft ihrem Stamm geraubt und von Kindern und Familien getrennt worden waren, um die Konkubinen irgendeines fremden Häuptlings zu werden.

Dann war vor vier- oder vielleicht fünftausend Jahren eine Kriegerin namens Anne Atli zur Welt gekommen. Sie wurde die erste Hauptfrau der Reiter, hatte eine Gabe für Pferde und wusste ihre Waffen auf eine Weise zu benutzen, die sie allen anderen überlegen machte. Schließlich ergriff sie alle Macht und vernichtete jeden, der sie herausforderte. Und sie tat das wieder und wieder, bis sie endlich die Stämme unter ihrem Banner einte und die Aufmerksamkeit der Krieger voneinander weg und auf jene lenkte, die die Steppen mit Überfällen und Plünderzügen peinigten.

Seither hatten die Töchter der Steppen das Land beherrscht, und Anne Atli, Mutter der Steppenreiter, beherrschte sie alle. Der Titel und Name war nicht erblich– wer bereit war, ihn für sich zu fordern, und in der Lage, ihn zu behaupten, nahm ihn sich und erwies damit der Frau, die das alles begonnen hatte, ihre Hochachtung.

Natürlich war Elina nicht bereit sich irgendetwas zu nehmen. Sie war nie dazu bereit gewesen. Sie hatte kein Interesse daran, die Steppen zu beherrschen. Sie hatte kein Interesse daran, Kriegerin zu sein. Aber jedem der Stämme unter Anne Atlis Banner war sehr an seinem Ruf gelegen, und wenn sie nur herumsaß und die Hände in den Schoß legte, wie Glebovicha sich ausgedrückt hatte, würde Elina den Rest ihres Stammes schwach erscheinen lassen. Elina bezweifelte das– bedachte man Glebovichas eigenen Ruf. Sie war eine gefürchtete Stammesführerin, und Elina war nur eine von vielen in ihrem Stamm. Aber Glebovicha hasste sie. Inbrünstig, so schien es. Und so hatte sie Elina losgeschickt, um die herauszufordern und zu töten, die man die Weiße Drachenkönigin nannte.

Darum war Elina jetzt hier… und kletterte einen Berg von der größeren Sorte hinauf, die die Steppen umringten. Zudem gab es in diesen Bergen Drachen, so sagte man, aber Elina war noch keinem begegnet. In Wahrheit hätte sie es vorgezogen, niemals einem Drachen zu begegnen. Sie hätte ihr ganzes Leben zubringen können, ohne jemals einem Drachen zu begegnen, und sie wäre recht glücklich damit gewesen.

Das kam jedoch nicht länger infrage. Also kletterte sie. Und kletterte. Tagelang. Abends schlug sie sogar manchmal direkt am Berghang ihr Zelt auf, damit sie schlafen konnte. Glücklicherweise drehte sie sich im Schlaf nicht um. Das wäre… ungünstig gewesen.

Am fünften Tag erreichte Elina endlich den Gipfel des Devenallt Mountain. Sie zog sich die letzte Felswand hoch, blieb auf den Knien und atmete tief durch, während sie demjenigen Pferdegott dankte, der vielleicht gerade zuhörte.

Es war sehr hell da oben. Mittag. Sodass der große, dunkle Schatten, der sich langsam über sie schob, ein wenig… unvorbereitet kam. Sie hoffte, dass es eine Wolke war. Eine große, albtraumhafte Wolke, die einen schrecklichen Sturm ankündigte. Aber sie wusste es besser… sie wusste, dass da keine Wolke über ihr schwebte.

Sie ließ die Schultern sinken und sah nach oben.

Er war groß. So furchtbar groß. Und schwarz wie die Diamanten aus den Zwergenminen der Steppen. Alles an ihm war schwarz: Die Schuppen. Die Klauen. Die Augen. Die lange Mähne. Alles bis auf die Reißzähne. Sie waren weiß… strahlend weiß.

Scheinbar eine Ewigkeit starrten sie einander an. Dann sprach er endlich. Seine Stimme war die eines Mannes.

»Was tust du hier?«, fragte er.

Elina versuchte, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Sie war in dem Glauben aufgewachsen, Drachen seien nicht mehr als Tiere. Wie Dschungelkatzen oder Bären. Nur größer und in der Lage, Feuer zu spucken– sodass man ihnen definitiv am besten aus dem Weg ging. Aber dieser hier war kein Tier ohne Vernunft. Er sprach wie ein Mensch– wenn auch mit einem weichen, südländischen Akzent. Auf dem Weg durch die Gebiete dieser verkommenen, faulen Menschen hatte sie nicht wenige Südländer kennengelernt. Ja, er sprach genau wie die männlichen Südländer.

Elina erhob sich langsam und wandte sich dem Drachen zu.

»Ich bin gekommen, um die Weiße Drachenkönigin zu töten«, verkündete Elina. Es kostete sie etwas Mühe, die überall außerhalb der Steppen üblichen Artikel korrekt zu verwenden.

Der Drache blinzelte einige Male. »Tatsächlich?«, fragte er schließlich.

»Tatsächlich.«

»Hm«, sagte er nach einer kurzen Pause. Dann drehte er sich langsam um und schickte sich an, so lautlos wieder zu gehen, wie er gekommen war. Elina war überrascht. Vielleicht waren die Untertanen der Drachenkönigin nicht so loyal, wie ihre Leute dachten. Vielleicht wollten sie den Tod ihrer Königin. Nun, für Elina spielte es nicht wirklich eine Rolle. Sie hatte einen Auftrag, und sie würde sterben, wenn sie ihn zu erfüllen versuchte. Kein glücklicher Gedanke, aber leider ein zutreffender.

Also warf sich Elina ihr Reisebündel über die Schulter und griff nach ihrem Speer. Und im gleichen Moment wischte der lange, schwarze Schwanz des Drachen plötzlich herum, schlang sich ihr um die Taille und presste ihr die Arme an den Leib.

Vor Schreck schrie Elina nicht einmal, und sie kämpfte auch nicht, obwohl sie den Speer noch immer in der Hand hielt. Der Drache ging einfach weiter, Elina sicher in seinem Schwanz verstaut… und summte vor sich hin.

Sie musste zugeben, sie fand das Summen ärgerlich.

Celyn der Charmante vom Cadwaladr-Clan liebte seine Arbeit! Soweit es ihn betraf, hatte er die beste Stellung im Reich der Königin.

Obwohl er zugeben musste, dass seine Geschwister ihn verspotteten. Während sie in die Schlacht zogen, Monate im Schlamm verbrachten und jeden verdammten Tag jede verdammte Kreatur dort töteten, war Celyn einer der persönlichen Leibwächter Ihrer Majestät. Er trainierte jeden Tag, genau wie seine Geschwister. Lebte das Leben eines Militärdrachen genau wie seine Geschwister. Und er tötete, wenn es nötig war– im Gegensatz zu seinen Geschwistern, die töteten, wann immer ihnen danach zumute war.

Und doch nahmen nur wenige Celyn ernst, weil er sich nicht mit dem Gesicht voran im Blut und der Hirnmasse einer Schlacht suhlte. Aber das brauchte er auch gar nicht zu tun. Denn er hatte die beste Stellung aller Zeiten!

Er warf einen Blick auf die Menschenfrau, die er mit dem Schwanz gefangen hatte. Er hatte noch nie zuvor einen Menschen gesehen, der so aussah wie sie. So interessant. Langes, weißblondes Haar, das ihr über den Rücken fiel und ein ovales Gesicht einrahmte. Bleiche Haut bedeckte rasiermesserscharfe Wangenknochen unter leuchtenden, leuchtenden blauen Augen, die schmal waren wie die einer Hauskatze. Volle, rosige Lippen und ein Kinn mit einem Grübchen rundeten dieses Gesicht ab. Sie war definitiv jemand, die er angesprochen hätte, wären sie sich in der nächsten Kneipe begegnet. Aber war nicht der Fall. Stattdessen war sie ihm auf dem Gipfel des Devenallt Mountain erschienen. Dem Berg der Königin.

Der Devenallt Mountain war der Sitz der Macht der Südländischen Drachenkönigin, Rhiannon der Weißen, und die einzigen Menschen, die hierherkamen, waren die, die von ihrer Majestät eingeladen oder hierhergebracht wurden, um gefressen zu werden. Eine Praxis, die sie beendet hatten, als die Kinder der Königin – Celyns königliche Cousins und Cousinen– sich erstmals mit Menschen paarten. Der Königin war es geschmacklos vorgekommen, Brüder derjenigen zu fressen, die ihre Kinder liebten. Celyn war es gleichgültig gewesen. Er war auch mit einer guten Kuh zufrieden, die hatten außerdem mehr Fleisch auf den Knochen.

Trotzdem, dass ein Mensch auftauchte und offen zugab, dass er gekommen war, um die Königin zu töten… das war ungewöhnlich. Aber Celyn liebte das Ungewöhnliche.

Celyn hatte gewusst, dass die Frau tagelang in den Bergen herumgekraxelt war. Alle Wachen hatten es gewusst. Es war ihre Aufgabe, die Königin zu beschützen, und das bedeutete, jederzeit zu wissen, wer sich in der Nähe der Residenz aufhielt. Doch nachdem sie am ersten Tag nicht in den Tod gestürzt war, hatten alle Wachen sehen wollen, wie weit der Mensch kommen würde. Sie hatten Wetten abgeschlossen. Celyn war sich sicher gewesen, dass sie es schaffen würde, sobald er beobachtet hatte, wie sie ihr Zelt am Berghang errichtete und dort ihre Nacht verbrachte– also hatten sie sie in Ruhe gelassen und abgewartet. Er hatte Dienst gehabt, als sie den Gipfel erreichte, und sie daher als Erster angesprochen. Leise. Nicht nötig, ihr mit Flammen entgegenzutreten oder ein Zornesbrüllen zu entfesseln, bei dem sie sich vielleicht in die Hosen gepinkelt hätte. Dergleichen überließ er seinen Geschwistern. Celyn bevorzugte eine sanftere Herangehensweise.

Doch er hätte nie erwartet, dass sie zugeben würde, dass sie hier war, um seine Königin zu töten. Natürlich hätten seine Geschwister sie an Ort und Stelle ermordet. Aber Celyn kannte die Königin. Sie war seine angepaarte Tante, und sie hatten den gleichen Humor. Sie liebte es, unterhalten zu werden.

Und er war sich ganz sicher, dass diese Frau die beste Unterhaltung sein würde, die seine Königin heute bekam.

Die Weiße Drachenkönigin saß auf ihrem steinernen Thron, den gewaltigen Kopf auf die linke Klaue, den Ellbogen auf die Armlehne des Throns gestützt. Ihr extrem langer Schwanz schlängelte sich um die Rückseite ihres Throns bis nach vorn, wo die Spitze im gleichen Rhythmus auf den Steinboden schlug wie eine Kralle ihrer rechten Klaue auf die andere Armlehne des Throns.

Die Königin musterte Elina und fragte schließlich: »Könntest du das wiederholen?«

Elina schnaufte und umfasste ihren Speer ein wenig fester. Den Speer, den der schwarze Drache ihr gelassen hatte. Das war ihr töricht vorgekommen, bis sie die Größe der Drachenkönigin erfasst hatte… und die all der anderen Drachen, die um ihren Thron standen… und sie anstarrten. Götter, Elina hatte nie zuvor so große Kreaturen gesehen– oder gewusst, dass es so viele von ihnen gab.

»Ich bin hier, um…« Sie räusperte sich. »…dir das Leben zu nehmen, Königin der Drachen, und meinem noblen Volk deinen Kopf zu bringen.«

Die Weiße Drachendame nickte langsam. »Ah ja. So hatte ich es auch verstanden.«

Ein tödliches Schweigen folgte, und Elina machte sich bereit, ihren Vorfahren auf der anderen Seite zu begegnen. Aber dann schnaubte plötzlich einer der alten Drachen, die hinter der Königin standen. Und sobald er schnaubte, brach der Rest der Drachen in hysterisches Gelächter aus, während die Drachenkönigin eine Handbewegung in Richtung des alten Drachens hinter ihr machte.

»Ältester Clesek!«, brachte sie unter unablässigem Gekicher hervor.

»Es tut mir leid, meine Königin. Ich… ich kann einfach nicht…« Er brach abermals in Gelächter aus, und der Rest des königlichen Hofs lachte mit ihm.

Elina schaute hinter sich, aber der schwarze Drache, der sie hereingebracht hatte, war fort. Nach einem getuschelten Gespräch mit der Königin hatte er Elina hier zurückgelassen. Nicht dass sie ihm einen Vorwurf daraus machte. Vielleicht wollte er ihren schmutzigen Tod nicht mitansehen.

»Mein liebes Mädchen«, übertönte die Königin das Gelächter der anderen, »wer hasst dich so sehr, dass er dich hierhergeschickt hat… um mir entgegenzutreten?«

»Es ist eine Ehrenmission.«

»Eine, die du dir selbst ausgedacht hast?«, fragte Königin. Und als Elina nicht antwortete, nickte sie. »Wenn du dir all das selbst ausgedacht hättest, wäre es unglaublich dumm gewesen. Aber wenn jemand dich zu mir geschickt hat? Das ist einfach grausam. Irgendjemand will offensichtlich, dass du stirbst.«

Elina seufzte. »Das weiß ich.«

»Warum bist du dann hergekommen? Warum bist du nicht weggelaufen und hast irgendwo anders ein neues Leben begonnen?«

»Ich bin Tochter der Steppen«, erwiderte sie. Sie merkte sofort, dass sie die Sprache der Südländer nicht ganz richtig hinbekam. Sie benutzen hier zu viele Worte– es war schwer, an alle zu denken, die man verwenden musste.

»Ich laufe nicht weg«, fuhr Elina fort. »Wenn ich durch deine Klaue Tod finden soll, dann werde ich finden.«

»Tochter der Steppen? Du kommst von den Außenebenen?«

»So ist es.«

»Von den Reiterstämmen, die die Täler der Nordländer überfallen, die quintilianischen Provinzen und das Annaigtal? Dein Volk wird weithin gefürchtet. Sag mir, kleiner Mensch, wie heißt du?«

»Ich bin Elina Shestakova vom Schwarzbärenstamm der Mitternachtsberge der Verzweiflung in den fernen Weiten der Steppen der Außenebenen.«

Die Königin blinzelte mehrfach, bevor sie fragte: »Das Ganze ist dein Name?«

»Es ist der, den man mir bei Geburt gegeben hat.«

»Verflucht bei der Ankunft und beim Abgang, nicht wahr, Süße?«

Der alte Drache beugte sich vor und sagte: »Mylady, vielleicht sollten wir für ein schnelles Ende sorgen, statt es unnötig in die Länge zu ziehen, jetzt, da wir wissen, wie es um sie bestellt ist.«

Die Königin sah den Drachen an. »Worauf willst du hinaus?«

»Es erscheint mir grausam, mit ihr zu spielen.«

Die Königin runzelte die Stirn und schockierte Elina mit ihrer Fähigkeit, trotz all ihrer Schuppen Gefühle zu zeigen. Die Königin ließ den Blick über ihren Hof wandern, und ihr Gesichtsausdruck war jetzt verwirrt. Schließlich rief sie: »Wie… glaubt ihr alle, ich hätte vor, sie zu verspeisen?«

Der alte Drache hinter der Königin zuckte kaum merklich die Achseln. »Hast du das nicht?«

»Nein! Das tue ich nicht mehr. Es scheint mir unschicklich zu sein… mit den Enkelkindern und allem. Außerdem… seht euch das arme Ding doch an.« Und sie alle sahen sie an. Die Größe der Drachen war grauenerregend genug, aber tatsächlich waren es die mitleidigen Mienen, die Elina vor Entsetzen erstarren ließen. Es hätte sie eigentlich nicht kümmern müssen– sie kannte diesen Gesichtsausdruck von anderen Stammesmitgliedern.

»Du armes, armes Ding«, sagte die Königin.

Der schwarze Drache, der Elina hierhergebracht hatte, kehrte plötzlich zurück. Er sah sie im Vorbeigehen kaum an. Er nahm so viel von ihr wahr wie Elina von einer Maus, die ihr außerhalb der Stammesgebiete im Wald über den Weg lief.

»Meine Königin«, begann der schwarze Drache mit leiser Stimme, »Ich sollte dich wissen lassen, wenn Lord Bercelak sich dem Berg nähert.«

»Ja, ja. Wir werden sie an einen sicheren Ort bringen müssen.«

Der Drache schaute abermals zu Elina hinüber und zurück zur Königin. »An einen sicheren Ort?«

»Jawohl. Und wir müssen diese Information vor Bercelak geheim halten.«

Der schwarze Drache schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Ich bin deine Königin.«

»Ja. Aber du himmelst mich an. Dein Bercelak… weniger. Und er hat eine kräftige Handschrift.«

»Also wirklich! Hast du Angst vor deinem eigenen Onkel?«

»Ja! Und ob! Daher der weinerliche Ton in meiner Stimme.«

»Bring sie an einen sicheren Ort.«

»Tantchen…«

»Komm mir nicht mit Tantchen, Celyn der Charmante! Wie bist du überhaupt zu diesem Namen gekommen? Offensichtlich verdienst du ihn nicht!«

»Du hast ihn mir gegeben.«

»Was eindeutig ein Fehler meinerseits war.«

»Du machst niemals Fehler, meine Königin, das hast du mir selbst gesagt.«

Langsam musterte die Königin den schwarzen Drachen. Er wiederum grinste und ließ eine Anzahl außerordentlich großer Reißzähne aufblitzen. Die größten Reißzähne, die zu sehen Elina jemals das Missgeschick hatte.

»Bring sie«, befahl die Königin, »an einen sicheren Ort. Und tu es, bevor ich gezwungen bin, meinen Hintern von diesem Thron hochzukriegen, damit ich dich erwürgen kann!«

Der schwarze Drache machte eine kleine Verbeugung. »Wie du befiehlst, meine Königin.«

»Ach, lass das, Celyn.«

Sie hörte den schwarzen Drachen kichern, während er langsam seinen massigen Körper drehte. Er musterte Elina für einen Moment, dann stolzierte er davon. Nachdem er vorbeigegangen war, senkte Elina gerade rechtzeitig den Blick, um zu sehen, wie sich sein Schwanz um ihre Taille legte.

»Nicht…«, war alles, was sie herausbrachte, bevor er sie mit hochhob und aus einem Nebeneingang in die Halle hinaustrug. Während sie sich entfernten, hörte Elina die Königin rufen:

»Bercelak, mein Liebster! Ich bin ja so froh, dass du zu Hause bist!«

»Warum«, fragte eine weitere leise Stimme aus dem Thronsaal der Königin, »siehst du so schuldbewusst aus? Was verheimlichst du mir, Rhiannon?«

Celyn landete auf der Insel Garbhán dicht vor dem Machtzentrum der menschlichen Königin der Südländer. Er ließ die Frau, die er im Schwanz hielt, los und nahm Menschengestalt an. Dann warf er der Frau einen warnenden Blick zu: »Versuch nicht, wegzulaufen.«

»Weglaufen?«, wiederholte sie mit dem schweren Akzent der Außenebenen. »Weglaufen wohin, Drache? Man kann Misserfolg nicht weglaufen. Oder Enttäuschung. Unglück. Warum also überhaupt versuchen?«

Celyn griff nach einigen Kleidungsstücken, die für die vielen Drachen, die kamen und gingen, draußen vor der Stadt bereitlagen. Dann hielt er einen Moment inne und sah wieder zu der Menschenfrau hinüber. »Du bist ein lustiges, vorwitziges Mädchen, nicht wahr?«, witzelte er.

Sie zuckte die Achseln. »Ich bin bei Stamm als unverschämt wohlgelaunt bekannt. Fluch, dem ich nicht entfliehen kann.«

Nicht bereit, über diese Information auch nur kurz nachzudenken, zog sich Celyn schnell gepanzerte Hosen an, ein Kettenhemd und Lederstiefel. Sobald er angekleidet war, nahm er der Frau den Speer aus der Hand und warf ihn auf einen Haufen anderer Waffen. Dann fasste er sie am Arm und führte sie durch das Stadttor. Die Wachen nickten ihm zu, und er nickte zurück.

»Also«, fragte sie plötzlich, »wird meine Hinrichtung lang und schmerzhaft sein oder schnell und brutal?«

»Wenn die Königin deine Hinrichtung gewollt hätte, hätte sie das selbst erledigt. Du lebst aufgrund ihrer Gnade.«

»Sie ist nicht, was ich erwartet habe«, gestand die Frau.

»Was hast du denn erwartet?«

Die Frau zuckte die Achseln. »Geifernde Bestie von Eidechse, die es verdient, tausend Tode zu sterben. Stattdessen… war sie ziemlich nett.«

Celyn grunzte. »Tut mir ja so leid, dass wir dich enttäuscht haben.«

Sie tätschelte die Hand, die sie festhielt. »Nicht deine Schuld.«

Celyn blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Er wollte ihr gerade erklären, wie beleidigend ihr Verhalten war, als ihm etwas an ihr auffiel, und er vermutete: »Du wolltest das nicht tun… nicht wahr?«

Sie wandte schnell den Blick ab, bevor sie schließlich antwortete: »Spielt das Rolle? Man hat mir Aufgabe gegeben, und ich bin gescheitert. Ich habe Stamm enttäuscht. Tu dein Schlimmstes mit mir.«

Er verdrehte die Augen. »Fürstin Elend, steig vom Scheiterhaufen… wir brauchen das Holz.«

»Wie meinst du?«, fragte sie, während sie die Straße entlanggingen.

»Es bedeutet, dass du aufhören sollst, dir selbst leidzutun. Offensichtlich hat dich jemand hierhergeschickt, damit du stirbst. Das sollte dich wütend machen. Ich wäre wütend.«

»Zuerst, Drache, ich tue mir nicht selbst leid. Ich habe versagt, und wenn ich für Versagen sterben muss– dann soll sein. So sind Dinge eben. Zweitens«, fügte sie zunehmend gereizt hinzu, »tu nicht so, als wäret ihr besser als wir.« Er dachte zuerst, dass sie von Drachen und Menschen sprach, aber nein. Das war es nicht, was sie meinte. »Ihr seid faule, verweichlichte Südländer. Leben von Armen. Abschaum von verrottendem Imperium. Und«, fuhr sie fort und zeigte mit einem Finger auf ihn, »ich weiß, du hältst mich schwach, weil ich Frau bin. Aber ich Tochter der Steppen. Kein bedürftiges, nutzloses Mädchen aus Südland, das Mann anfleht, zu sorgen. Ich stärker als diese Frauen.«

Celyn lachte. »Jawohl. Das ist definitiv das Problem. Südländische Frauen sind so überaus schwach. Alle, die ich kenne, sind schwache Frauen. Oh, wie sie mich anwidern! Die schwachen Frauen aus dem Südland.«

»Genau habe ich gedacht«, sagte sie naserümpfend.

Der schwarze Drache zog sie in das Stadtgefängnis. Ihre Leute hatten keine Gefängnisse. Es machte keinen Sinn, jemanden bei sich und am Leben zu halten, sobald das Stammesgesetz gebrochen worden war. Also taten sie es nicht. Aber die Südländer waren große Freunde von Gefängnissen… und Verliesen.

Elina war zuversichtlich, dass das Gefängnis einem Verlies vorzuziehen war. Ihr gefiel die Idee nicht, in einen unterirdischen Käfig gesperrt zu werden. Es hätte zu große Ähnlichkeit damit, lebendig begraben zu werden. Der Drache blieb vor einem schlecht gezimmerten Schreibtisch stehen. Der massige Mann dahinter erhob sich auf seine stummeligen Beine, und die Schlüssel an seiner Seite klirrten.

»Mylord«, sagte der Mann und nickte dem Drachen zu.

»Wachtmeister. Ich muss diese Frau hier unterbringen.«

»Hier?« Er schaute sich um. »Hat sie sich irgendeines Verbrechens schuldig gemacht?«

»Abgesehen davon, dass sie meine Nerven strapaziert hat… ja. Aber du wirst ihre Anwesenheit niemandem gegenüber erwähnen. Vor allem nicht Lord Fearghus oder Briec gegenüber. Verstanden?«

»Nun…?«

»Verstanden?«

»Jawohl.«

»Gut. Du wirst sie hierbehalten, und du wirst sie beschützen. Ich bin mir sicher, du verstehst, was ich meine.«

»Ja. Natürlich, Mylord.«

»Gut.« Er legte Elina eine Hand auf den Rücken und schob sie zum Wachtmeister hinüber. »Irgendjemand«, murmelte er Elina zu, »wird irgendwann kommen, um dich an einen anderen Ort zu bringen.«

Elina drehte sich um, um zu fragen, wann das sein würde, aber sie sah nur noch, wie der Drache mit seinem langen schwarzen Haar zur Tür hinaus verschwand. Und sie hatte das unbehagliche Gefühl, dass sie ihn nie wiedersehen würde. »Hier entlang, Fräulein«, sagte der Wachtmeister freundlich.

Mit einem Seufzen folgte Elina ihm, bis sie eine Zelle erreichten. Er schloss die Tür auf, und Elina trat ein.

Es war keine tolle Zelle, nur mit einem kleinen Bett, einem Schreibtisch, einem schwach aussehenden Stuhl und einem Nachttopf. Aber es gab ein Fenster mit Gitterstäben, und der Raum war größtenteils ungezieferfrei. Und da Elina normalerweise mit acht ihrer Schwestern in einem Zelt lebte… war dies tatsächlich besser als das, woran sie gewöhnt war.

Elina setzte sich auf das Bett, schaute zu dem Wachtmeister auf und nickte. »Danke.«

»Keine Ursache.« Er schaute sich um. »Gibt es irgendetwas, das du vielleicht brauchst? Möglicherweise etwas zu lesen?«

»Wäre schön.«

»In Ordnung. Und lass es mich einfach wissen, wenn es noch etwas anderes gibt.«

Er ging hinaus und schloss die Tür, aber nur, bis sie gerade eben den Rahmen berührte. Er schloss sie nicht ganz. Vielleicht hoffte er, dass Elina fliehen würde. Aber wohin sollte sie fliehen? Zurück in die Berge der Außenebenen, um Abscheu und Enttäuschung ihres Stammes zu erfahren? Da sie die entsprechenden Mienen ihrer Stammesschwestern den größten Teil ihres Lebens lang gesehen hatte – mit Ausnahme einer Schwester, Kachka–, war es irgendwie nett, für eine kleine Weile davon verschont zu bleiben. Außerdem… wie lange würde es dauern, bis diese Südländer sie wegschickten? Nicht lange, dessen war sie gewiss.

2 Tagebucheintrag

Jahrzeit der Göttin 195.202

Sie kamen am Mittag zu unserem gesegneten Tempel hinaufgeritten. Geführt von der Stadtwache, ritten die beiden auf zwei riesigen Streitrossen. Selbst wenn sie nicht in die Schlacht zogen, hatten sie diese Pferde bitter nötig. Vor allem der Mann. Ich hatte gehört, er sei nicht menschlich, sondern ein Drache in seiner menschlichen Gestalt. Das merkte man. Er war so riesig! Andererseits galt das Gleiche für diese Frau. Nicht so groß wie der Mann, aber groß. Muskulös. Vielleicht ein wenig, wage ich es zu sagen… männlich?

Ich sah zu, wie die Gruppe von sechs Personen die vielen Treppen zu unseren Haupttüren hinaufkam. Der Drache war bleich wie jeder Nordmann. So weiß mit echtem blauem Haar. Die Frau bei ihm stammte offensichtlich aus unseren Wüstenländern, aber sie schien trotzdem nicht hierherzugehören. Sie erreichten die oberste Treppenstufe, und die Kommandantin der Stadtwache machte eine kleine Verbeugung. »Ich wünsche dir einen guten Tag, Schwester. Wir sind hier, um Älteste Elisa zu sehen.«

»Älteste Elisa ist unabkömmlich, aber Älteste Haldane erwartet euch drinnen«, sagte ich.

Die Kriegerin verdrehte die hellbraunen Augen, und ohne auch nur hinzuschauen, knurrte der Drache sie an: »Lass das.«

»Sie wissen, dass wir gekommen sind, um Rhian zu sprechen«, blaffte sie zurück.

»Lass. Das.«

Die Frau von der Stadtwache feixte hinter ihrem Helm und dem Nasenschutz. »Bitte, geh voran, Schwester.«

Also tat ich es. Und zwar schnell! Ich wollte nicht, dass diese Kriegerin sich noch mehr aufregte, als sie es bereits tat.

Von Kopf bis Fuß in einen Kettenpanzer gehüllt wie jeder abgehärtete Krieger und mit allen möglichen Waffen am Gürtel an ihrer Taille und auf ihrem Rücken, war sie offensichtlich keine Person, die man herausfordern sollte.

Glücklicherweise erwartete die Älteste Haldane uns. Ich war so erleichtert, sie zu sehen. Aber an dem Ausdruck auf ihrem Gesicht konnte ich erkennen, dass sie in einer ihrer weniger entgegenkommenden Stimmungen war. Ich wollte sie schütteln. »Gib ihnen einfach, was sie wollen!«, hätte ich am liebsten geschrien.

Wir blieben vor Ältester Haldane stehen, aber bevor ich alle richtig miteinander bekannt machen konnte, breitete die Kriegerin die Arme aus und rief: »Großmutter!« Dann umarmte sie Älteste Haldane! Umarmte sie! Und ich wusste, dass sie es mit Absicht tat. Einfach um die Frau zu ärgern, die die beiden in die Bären verwandeln konnte, denen sie ähnelten.

»Bleib mir vom Leib!«, blaffte Älteste Haldane schließlich und schob die Kriegerin von sich.

»Du hast mich vermisst, nicht wahr?«, spottete die Frau grinsend. Oh, Göttin, sie genoss ihren kleinen »Scherz« mit Ältester Haldane ganz offensichtlich. Beinahe ebenso sehr, wie Haldane diesen Scherz nicht genoss.

»Sie sind hier, um mit Schwester Rhianwen zu sprechen«, erklärte ich schnell, in der Hoffnung all dies so höflich wie möglich zu halten.

»Vielleicht ein andermal«, sagte Älteste Haldane gelangweilt und entschlossen, sich nicht belästigen zu lassen. »Wir sind hier mit der bevorstehenden Wintersonnenwende ziemlich beschäftigt. Ich bin mir sicher, dass du das verstehst.«

Aber vor meinen Augen hörte die Kriegerin langsam auf zu lächeln, und ein solch düsterer Ausdruck überkam sie, dass ich sowie alle anderen wussten, dass sie es in keiner Weise verstand. Noch hatte sie vor, mit dem Verstehen zu beginnen.

Der Mann sah das sofort und trat zwischen Älteste Haldane und die Kriegerin, den Blick auf Haldane gerichtet.

»Uns ist klar, dass du viel zu tun hast, Herrin«, erklärte er mit einer schockierend tiefen Stimme. Seine silbernen Augen deuteten eine viel fürsorglichere Seele als die seiner Gefährtin an. »Aber es ist so lange her, seit wir meine Nichte gesehen haben. Nur einige Minuten, und dann arrangieren wir eine andere, bessere Gelegenheit für ein richtiges Treffen. Das verstehst du doch, oder?«

Älteste Haldane saugte die Zunge auf ihre ganz eigene Weise gegen die Zähne, und liebe Göttin, ich dachte, es würde hässlich werden, aber nein…

Glücklicherweise ließ sich Älteste Haldane von den sanften Worten des Drachen mit einem knappen: »Oh, dann kommt mit« umstimmen und führte sie zu Schwester Rhianwens Zimmer.

Ich lief den anderen voraus die Treppe hinauf, um selbst die Tür zu öffnen. Als eine von Älteste Haldanes Gehilfinnen war es bishin die einzige Aufgabe, die sie mir zuwies. Und ja, ich bemühe mich immer noch, darüber nicht gekränkt zu sein.

Ich erreichte Schwester Rhianwens Zimmer als erste und klopfte an die Tür. »Schwester Rhianwen?«, rief ich. »Du hast Besuch.«

Ich wartete nicht auf eine Antwort, sondern öffnete stattdessen die Tür und hielt sie auf. Und sah, dass die arme Schwester Rhianwen… sie wurde… sie wurde gezerrt! Das ist die einzige Art, wie ich es beschreiben kann. Aus dieser Welt in eine andere gezerrt. Ein Arm kam aus irgendeinem Portal und hatte ihr Handgelenk ergriffen, um Schwester Rhianwen hineinzuziehen!

»Älteste Haldane!«, schrie ich, und die kleine Gruppe kam rechtzeitig an die Tür geeilt, um zuzusehen, wie die arme Schwester Rhianwen sich zu ihnen umdrehte.

»Izzy!«, rief Schwester Rhianwen, und man sah ihr ihren Schock an. »Götter, Izzy! Erzähl es Mum nicht!«

»Rhi!«, brüllte die Kriegerin, zwängte sich an allen vorbei und stürmte in den Raum. »Rhi!«

Sie streckte die Hand nach Schwester Rhianwen aus, aber nachdem sie einmal ordentlich gezogen und Rhianwen noch einmal gerufen hatte: »Erzähl es bloß nicht Mum!«, riss der mysteriöse Arm meine Zirkelschwester aus dieser Welt in irgendeine andere.

Die Kriegerin versuchte, ihr zu folgen, aber das Portal schloss sich mit einem Knallen, bevor sie es erreichte. Sie blieb auf der Stelle stehen, und ihre Schultern hoben und senkten sich von ihren Anstrengungen. Sie war nur einige Schritte weit in den Raum hineingegangen, aber es war, als sei sie kilometerweit gelaufen.

Älteste Haldane, gewiss nicht die Frau, an die ich mich wenden würde, wenn ich Trost suchte, verschränkte einfach die Arme vor der Brust und fragte mit großem Ärger: »Hättest du dich nicht ein wenig schneller bewegen können, du nutzloses Mädchen?«

Es war keine gute oder kluge Bemerkung.

Die Kriegerin schaute über ihre Schulter zu Haldane hinüber, und bevor ich Luft holen konnte, stand sie plötzlich direkt vor ihr und streckte ihre großen Hände nach Haldanes Hals aus. Aber der Drache war überaus schnell für eine solch große Kreatur, sodass er die Kriegerin um die Taille fasste und zurückzerrte.

»Izzy, nein!«

»Ich hätte sie schon vor Jahren töten sollen. Ich sollte sie jetzt töten!«

»Du kannst es versuchen«, sagte Haldane. »Und ich erinnere mich recht gut, dass meine Magie dich nicht verletzen kann.« Sie deutete auf den Drachen. »Aber ich kann ihn verletzen. Ich kann ihm die Schuppen vom Rücken reißen und mir meinen eigenen Panzer daraus machen.«

Bei Haldanes Worten explodierte die Kriegerin und befreite sich beinahe aus den Armen des Drachen, der sie festhielt. Ich wusste, dass er selbst in seinem menschlichen Körper stark war, aber Götter, diese Frau. Ihre Kräfte waren… Furcht einflößend.

»Ich werde jeden hier töten!«, brüllte die Kriegerin und erschütterte mich bis in die Seele. »Ich werde die Mauern deines Tempels einreißen und deine Knochen mit den Zähnen abnagen!«

Ich kann nicht lügen. Ich hatte solche Angst, dass ich mich nicht bewegen konnte. Ich konnte nicht schreien. Und begriff schnell, dass es nicht geholfen hätte. Keine meiner Schwestern würde eingreifen, und Älteste Schwester Elisa – die stärkste unter uns– war an diesem Tag fortgegangen.

Götter, ich fühlte mich so furchtbar allein.

Der Drache zog die Kriegerin weiter zurück in den Raum und drehte sie zu sich um. Er sagte etwas zu ihr, aber ich konnte es nicht hören. Doch was immer er sagte, schien sie zu beruhigen. Für den Augenblick.

Dann schloss er die Augen, und ich wusste, dass er den Geist benutzte, um mit irgendjemandem zu reden. Aber ich war nicht mächtig genug – oder mutig genug–, herauszufinden, wer das sein könnte. Es dauerte nur einige wenige Augenblicke, dann öffnete er die Augen und sagte: »Wir müssen gehen.«

»Gehen?«, fragte die Kriegerin.

»Jawohl. Vertrau mir.«

Ruhiger jetzt nickte die Kriegerin und wandte sich wieder um. Ich drückte mich an die Wand, so gut es ging, und betete, dass ich nicht ihre Aufmerksamkeit erregte.

Das tat ich nicht. Ihr Blick war ausschließlich auf Älteste Schwester Haldane gerichtet. Die Kriegerin trat auf sie zu und war gerade vorbeigegangen, als Älteste Haldane die Augen verdrehte und einen denkbar leisen Laut von sich gab. Als schnalze sie mit der Zunge. Ich bekam dieses Schnalzen oft laut zu hören, wenn ich etwas tat, das sie enttäuschte. Aber diesmal war es so schwach, dass ich nicht dachte, dass irgendjemand sonst es hören würde.

Doch die Kriegerin hörte es, und sie hieb Ältester Schwester Haldane mit solcher Geschwindigkeit und Wucht die Faust seitlich ins Gesicht, dass ich nur nach Luft schnappen konnte. Die Älteste Schwester fiel wie ein Stein zu Boden und schlug dort so unglücklich auf, dass sie sich die Nase brach. Wange und Kinn hatte diese große Faust bereits zerschmettert.

Dann schnalzte die Kriegerin selbst mit der Zunge und schlenderte hinaus.

Der Drache folgte ihr, blieb aber kurz stehen, um mir zuzunicken und zu murmeln: »Tut mir wirklich leid.«

Ich erwiderte sein Nicken nur. Was sonst hätte ich tun können? Außer abzuwarten, bis es sicher war, und die nächste Stunde dann mit meinem Mitschwestern zu versuchen, Schwester Haldane aufzuwecken…

3 Annwyl die Blutrünstige, Königin der Südländer, ritt in Baron Pyrs Innenhof und zügelte ihr Pferd vor der großen, steinernen Treppe, die in die Burg führte, wo das Treffen stattfinden sollte.

»Du bist also fest entschlossen?«, fragte Brastias, ihr Generalkommandeur, sanft.

Annwyl tätschelte den Hals ihres Pferdes. »Ich treffe mich ja nur mit Baron Pyrs. Ich ziehe nicht in die Schlacht.«

»Bist du dir da wirklich sicher?«

Annwyl knirschte mit den Zähnen und verzog die Lippen. Sie wusste, was Brastias wirklich sagte: »Glaubst du tatsächlich, ausgerechnet du könntest diese Angelegenheit regeln, ohne dass irgendjemand seinen Kopf verliert? Du? Wirklich?«

Es war etwas, das Annwyl indirekt seit einer ziemlich langen Zeit hörte. Einer sehr langen Zeit. In Jahren war sie fast…? Götter. Fünfzig? Vielleicht mehr. Sie hatte den Überblick verloren. Nicht weil ihr Verstand bereits nachgelassen hätte, sondern weil es einfach jede Bedeutung verloren hatte. Wenn sie in den Spiegel schaute, sah sie immer noch eine Frau von weniger als dreißig Wintern. Nicht weil sie blind war gegen ihr Altern, sondern dank eines Geschenks von Rhiannon der Weißen. Eines Geschenks, das es – sollte sie nicht in der Schlacht oder von der Klinge eines Meuchelmörders sterben– ihr ermöglichte, genau wie die Drachen viel langsamer zu altern als andere Menschen, sodass sie und Fearghus, ihr schwarzer Drachengefährte, zusammen alt werden konnten.

Allerdings behauptete Fearghus, Annwyl spiele »viel zu viel mit dem Tod«, um ihm noch weitere sechs- oder siebenhundert Jahre Gesellschaft leisten zu können.

Aber was erwartete Fearghus von ihr? Sie war Königin der Südländer. Ein Titel, den Annwyl nicht auf die leichte Schulter nahm. Ihr Volk bedeutete ihr viel zu viel, was der Grund war, warum Annwyl sich während der letzten Jahre solche Mühe gegeben hatte, nicht so zu sein wie… was war das Wort, dass ihre Kriegsherrin häufig benutzte? Oh ja, lächerlich! Gefährlich lächerlich. Idiotisch lächerlich.

Es war kein Geheimnis, dass Annwyl mitunter ihre Launen hatte. In Kriegszeiten, wenn sie ihre Kinder zu beschützen hatte, wusste Annwyl, dass sie ein klein wenig… reizbar… sein konnte. Aber Dagmar Reinholdt, Bestie der Nordländer, ihre Kriegsherrin und Stellvertreterin, hatte ihr einen sehr überzeugenden Grund dafür genannt, sich zu zügeln. Wenn sie ihre Kinder – die inzwischen in unterschiedlichen Teilen der Welt in wichtigen Fähigkeiten unterrichtet wurden, damit sie eines Tages an Annwyls Stelle herrschen konnten– weiterhin beschützen wollte, würde sie lernen müssen, eine »ordentliche« Königin zu sein.

Nicht eine schreiende Wahnsinnige, die darauf erpicht ist, alles und jeden zu vernichten, der sie auch nur schief ansah. Sondern eine freundliche, normale Person, die nicht automatisch gefürchtet und verachtet wurde.

Diese Wandlung fiel Annwyl schwer– nicht weil sie sie nicht wünschte, sondern weil so viele nicht an sie zu glauben schienen. Nicht einmal ihr eigener Generalkommandeur.

Doch statt Brastias anzublaffen, er solle sich »verpissen«, bevor sie ihn von seinem Pferd schlug, holte sie tief Luft, zählte im Geist bis zehn und erwiderte dann gelassen: »Ich werde damit fertig.«

Brastias zuckte die Achseln. »In Ordnung.«

Nein. Es lag nicht viel Vertrauen in dieser Antwort. Überhaupt nicht viel Vertrauen. Aber sie würde ihn nicht von seinem Pferd schlagen, ganz gleich, wie gern sie das wollte.

Und Götter… wie sehr sie es wollte.

»Ihr alle wartet hier«, befahl sie ihm und ihrer Leibgarde.

»Willst du nicht lieber auf Briec und Gwenvael warten?«, fragte einer ihrer Gardisten. »Sie sollten bald eintreffen.«

Warum sollte sie das tun? Sie hatte alles im Griff. Warum zweifelten alle an ihr?

»Ich habe gesagt…« Annwyl brach ab. Ruhig und gefasst, sagte sie sich. Ruhig und verdammt gefasst.

»Es wird schon schiefgehen.« Annwyl stieg von dem massigen Pferd, das ihr Gefährte ihr eigens wegen seiner Gelassenheit in der Schlacht und Unbefangenheit in der Nähe von Drachen ausgewählt hatte.

Sie stieg die Treppe hinauf, nahm mit jedem Schritt zwei Stufen und trat in die große Halle. Die vier Männer, die an einem der Tische standen, hörten sofort auf zu sprechen und wandten sich ihr zu.

Sie zwang sich mit geschlossenem Mund zu einem Lächeln. »Meine Herren.«

»Meine Le…« Baron Thomas brach ab und versuchte es noch einmal. »Meine Kö… ähm…« Er sah die anderen Adligen an. »Meine Dame?«

Annwyl hasste all die Verneigungen und das Katzbuckeln, das man als Herrscherin über sich ergehen lassen musste, und sie alle wussten es. Aber laut Dagmar machte auch das eine Königin aus: sich die königlichen Titel, die einem entgegengeschleudert wurden, als Schmeichelei gefallen zu lassen.

Annwyl gab sich große Mühe, genau das zu tun.

»Wir wissen es zu schätzen, dass du dir die Zeit nimmst, Herrin. Uns allen ist klar, dass es im Königreich vieles gibt, dass dich beschäftigt.«

»Stimmt, aber ich darf die Lords nicht vernachlässigen, die mir helfen, meine Länder zu beschützen.«

Annwyl zuckte ein wenig zusammen. Klangen diese Worte so falsch in den Ohren der anderen, wie sie in ihren eigenen klangen?

Sie hob die Hand, um sich am Kopf zu kratzen, aber das hätte dazu geführt, dass ihr das Haar in die Augen fiel, und wie ihr Dagmar und ihre angepaarte Schwägerin Keita viele Male versichert hatten, sah sie damit »wie eine wild gewordene Kuh« aus.

Aber mit der untätigen Hand am Kopf wirkte sie gewiss ebenfalls eigenartig, daher strich sie sich sorgfältig zu beiden Seiten ihres Kopfes übers Haar, sodass es nicht in Unordnung geriet und glänzend und glatt erschien. Nicht wirr und wahnsinnig.

»Also… was kann ich für dich tun, Baron Pyrs?«

»Königin Annwyl«, erklang eine Frauenstimme hinter ihr.

Annwyls Hand fuhr instinktiv zum Schwert, während sie sich halb umwendete, um festzustellen, wer hinter ihr stand.

»Herrin, bitte!«, flehte Baron Pyrs, während er eilig zwischen Annwyl und die Frau hinter ihr trat. »Du bist nicht in Gefahr. Ich schwöre es bei meinem Namen. Dies ist nur ein zwangloses Treffen.«

Annwyls Hand zitterte, als sie auf dem Griff einer der Klingen auf ihrem Rücken ruhte. Ihre Hand zitterte nicht vor Angst, sondern von dem überwältigenden Drang, das Schwert zu ziehen und jeden im Raum zu töten.

Aber Annwyl hörte Dagmars Stimme. Sie hörte sie jetzt schon seit Jahren, und immer sagte sie ihr das Gleiche. Ich bin mir sicher, dass du mit einiger Übung vermeiden kannst, Personen zu töten, die dich lediglich verärgern. Komm schon, lass uns noch einen Versuch wagen, ja?

Dann dachte Annwyl an Brastias und ihre Leibgarde draußen. Sie warteten darauf, dass sie ein Massaker anrichtete, dessen Folgen sie beseitigen würden und das sie den beiden Drachen würden erklären müssen, die bereits auf dem Weg zu ihnen waren.

Sie konnte Gwenvaels Grinsen schon vor sich sehen und Briecs gespieltes Seufzen hören. Sie wusste Bescheid.

Sie alle erwarteten, dass sie versagte.

Wieder atmete Annwyl tief aus, ließ bedächtig die Hand sinken und drehte sich ganz zu der Frau um.

»Priesterin Abertha.«

Oder, wie Annwyl sie gern nannte: »Die verfluchte Priesterin Abertha.«

Sie stammte aus dem kleinen, aber mächtigen Annaigtal, das versteckt hinter den Conchobarbergen der Außenebenen lag und binnenwärts bis zu den quintilianischen Provinzen reichte. Levenez war seine Hauptstadt, und sein Herrscher war Herzog Roland Salebiri.

Eigentlich hatte Annwyl der Familie Salebiri nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Fast drei Jahrzehnte lang waren die Pferdereiter aus den Westlichen Bergen mit ihrem immer noch einträglichen Sklavenhandel und der Senat der quintilianischen Provinzen ihre Hauptsorgen gewesen. Das kleine Tal zwischen den plündernden Steppenreitern der Außenebenen und den Randbezirken der Provinzen hatte sie wenig gekümmert.

Bis Salebiri herausgefunden hatte, was ihm wahre Macht brachte. Die Anbetung eines Gottes. Nicht mehrerer Götter, sondern nur eines Gottes. Damit begründete Salebiri seine Macht– er verlangte Treue nicht zu seinem Land oder dessen Bewohnern, sondern zu dem fordernden Gott.

Chramnesind. Der Blinde, wie er genannt wurde, weil ihm Augen fehlten oder so.

Annwyl wusste es nicht und scherte sich auch nicht darum. Sie hasste die Götter, so ziemlich alle. Aber mehr als Götter hasste sie Menschen, die schreckliche Dinge taten und sich dabei ihrer Götter wegen als heilig und gerecht erklärten.

Doch von all den heiligen Speichelleckern, mit denen sie es in den letzten Jahren zu tun gehabt hatte, verachtete Annwyl am meisten Priesterin Abertha, die Schwester von Herzig Salebiri und größte Heuchlerin, der zu begegnen Annwyl jemals das Missgeschick gehabt hatte.

Die Priesterin lächelte dieses falsche warme Lächeln. »Du erinnerst dich doch an mich, nicht wahr, Königin Annwyl?«

»Natürlich erinnere ich mich an dich«, antwortete Annwyl und zwang sich ihrerseits zu einem Lächeln. »Du bist schön.« Und das war Priesterin Abertha mit ihrer schlanken Gestalt, dem taillenlangen goldblonden Haar und den verblüffend grünen Augen.

Sie war außerdem die kranke Fotze, die von ihrer immer mächtiger werdenden Kanzel gepredigt hatte, Annwyls Zwillinge »hätten bei der Geburt ertränkt werden sollen, um unseren guten und wunderbaren Herrn zu besänftigen«.

»Also, was führt dich in meine Länder?«, fragte Annwyl.

»Baron Pyrs fand, es wäre gut für uns, einmal unter günstigeren Umständen zusammenzutreffen als beim letzten Mal.«

Jetzt bemühte sich Annwyl sehr, nicht zu lächeln– so gern sie es auch getan hätte. Es war Jahre her. Ihr Sohn war ausgezogen, um sich von der Bruderschaft der Fernen Berge jenseits der quintilianischen Provinzen ausbilden zu lassen. Ihre Tochter war zur Ausbildung in die Eisländer zu den Kriegerhexen der Kyvich gegangen. Und Rhianwen, ihre Nichte, war mit ihren Blutsverwandten in die Wüstenländer gezogen, um bei den Nolwenn-Hexen zu lernen.

Man hatte ein Treffen der Herrscher aus dem Westen, Norden und Süden organisiert, und alles war relativ gut gelaufen, bis Thomas, Aberthas jüngerer Bruder, während eines prächtigen Festmahls mit dem Finger auf Dagmar gedeutet und sie wutschäumend eine Hure der Verderbnis genannt hatte. Und warum? Weil er gesehen hatte, wie sie Gwenvael den Schönen, ihren Gefährten, einen allseits bekannten Drachen, geküsst hatte. Gwenvael war damals in menschlicher Gestalt gewesen, aber das hatte Thomas Salebiri nicht gestört.

Dagmar hatte sich unbeeindruckt von der Theatralik gezeigt, und Gwenvael war erheitert gewesen. Annwyl jedoch hatte sich den verdammten Kopf des Großmauls geholt. An Ort und Stelle, in der Großen Halle ihres Palastes.

Es war bei den anderen Adligen nicht gut angekommen. Ihre gegenwärtigen Bündnisse hielten noch, aber nur mit knapper Not.

Und Dagmar hatte es zum Anlass genommen, Annwyl zu erklären: »Das darfst du einfach nicht machen, du wahnsinniges Miststück. So sehr ich dich auch liebe, das darfst du nicht tun!«

Es war der letzte Kopf gewesen, den Annwyl außerhalb einer Schlacht oder einer Gerichtsverhandlung genommen hatte. Daher war es eine geschätzte Erinnerung… für Annwyl.

»Das klingt… vielversprechend«, log Annwyl. »Worüber willst du mit mir sprechen?«

»Über den Frieden zwischen unseren beiden Völkern.«

Völkern? Tatsächlich? Annwyl sah bereits das erste Problem. Dass die Salebiris glaubten, über ein Volk zu herrschen statt über ein gut bemessenes Tal zwischen praktisch unpassierbaren Bergen und einem Land von grimmigen Plünderern. Aber Annwyl würde diese Sache wie eine richtige Königin bewältigen, auch wenn es sie körperlich schmerzte, niemanden zu verprügeln.

»Ahh, ich verstehe. Das könnte tatsächlich ein interessantes Gespräch werden. Aber eines, das unter… günstigeren Bedingungen stattfinden sollte. Meinst du nicht auch?«

»Günstigere Bedingungen? Was ist an hier und jetzt auszusetzen?«

»Um ganz offen zu sein, sind Bündnisse, Verträge und Waffenstillstände nicht mein Ding. Ich sorge dafür, dass sie eingehalten werden, aber ich handele nicht wirklich die Verträge aus. Das überlasse ich Dagmar Reinholdt und Königin Rhiannons Königlichem Friedensstifter, Bram dem Barmherzigen. Wenn du Frieden für dein Land sichern willst, Priesterin, müssten sie beide an den Gesprächen zwischen uns beteiligt werden.«

»Wirklich? Die Bestie Reinholdt und der Lakai eines Drachen? Sie sagen dir, was du zu denken hast?«

»Nein. Sie lassen mich wissen, wessen Kopf ich vor aller Welt draußen auf meine Burgmauern spießen sollte… und es genießen, bis das Fleisch verfault.« Annwyl lächelte. »Du weißt doch noch, wie das aussieht… nicht wahr, Priesterin?«

»Meine Damen«, griff Baron Thomas ein und trat zwischen sie, als Aberthas Gardisten aus dem Annaigtal sich versteiften und Annwyl böse anstarrten. »Bitte.«

»Schon gut, Baron.« Die Priesterin tätschelte dem Mann den Arm. »Wir sind einfach zwei Damen, die sich miteinander unterhalten.«

»Sind wir das?«, fragte Annwyl.

»Oh ja. Es gibt einfach so viel, worüber wir reden müssen«, sagte Albertha freundlich, als säßen sie zum Tee zusammen. »Zum Beispiel deine abscheulichen Sprösslinge, die Gräuel, die die Wahre Dunkelheit in diese Welt bringen werden. Die Besudelten, wie du eine bist, die wie unheilige Huren mit Drachen das Lager geteilt und dann das Gezücht solcher Paarungen geboren haben. Das alles muss erörtert werden. Unter uns. Unter Freunden.«

Während Baron Pyrs, dessen Gesicht inzwischen grauweiß geworden war, langsam vor den beiden zurückwich, schoben sich die anderen Barone immer näher und näher an eine Nebentür heran. Sie hofften, dass ihnen eine irrwitzige Flucht gelingen würde.

Annwyl sah sie alle durch den roten Nebel, der sie jetzt umgab.

Für einen langen Augenblick rührte Annwyl sich nicht. Sie konnte nicht atmen. Aber sie zwang sich – zwang sich buchstäblich– sich nicht zu bewegen. Nicht zu reagieren. Nicht sofort.

Und dieser Augenblick des Nichtstuns erlaubte es ihr zu bemerken, dass Aberthas Wachen sich nicht von der Stelle gerührt hatten. Sie eilten nicht an die Seite ihrer Herrin, bereit, sie mit ihrem Leben zu verteidigen. Und doch warteten sie eindeutig darauf, dass Annwyl irgendetwas tat.

Dann traf es sie. Wie eine Ohrfeige. Diese Frau wollte, dass Annwyl ihr den Kopf von den Schultern schlug. Sie wollte, dass Annwyl den Zorn entfesselte, für den sie so berühmt war. Sie alle wussten, was geschehen würde, wenn das passierte. Wenn Annwyl plötzlich der Faden riss und sie das Miststück töten würde. Und ihre Wachen gleich mit.

Und die Barone. Vielleicht sogar die armen Diener, die hereingeeilt kamen, um Baron Pyrs zu helfen. Sie würden alle unter Annwyls Schwertern fallen– wie so viele vor ihnen. Und danach… die Nachricht würde sich wie ein Lauffeuer in alle Länder verbreiten: »Annwyl, die Wahnsinnige Königin, tötet eine schutzlose Priesterin und ihre eigenen Edelleute!«, würden alle reisenden Barden singen.

Hier ging es nicht um einen Waffenstillstand oder ein Bündnis oder auch nur eine Chance, den Tod ihres Bruders zu rächen.

Nein. Abertha war aus einem Grund und nur aus einem Grund hier: Um eine Märtyrerin für die Sache ihres Gottes zu werden und diese höchstwahrscheinlich mit aller Gewalt voranzubringen.

Und falls das geschah, würde es ganz allein ihre, Annwyls, Schuld sein.

Die Erkenntnis, dass dieses Miststück versuchte, Annwyls fein geschliffenen Zorn für ihre eigenen Zwecke zu nutzen, machte Annwyl noch zorniger. Aber sie brachte auch das zutage, was Annwyls Vater ihre »Kleinlichkeit« und ihre »Gehässigkeit« genannt hatte, um dann hinzuzufügen: »Du bist das einzige Weib, das ich kenne, das sich die eigene Nase abschneiden würde, nur um es ihrem eigenen Gesicht mal richtig zu zeigen.«

Und er hatte recht. Annwyl ließ sich nicht gern drängen. Wenn man sie in eine Richtung drängte, ging sie sehr wahrscheinlich genau in die andere… aus reiner Bosheit.

Also hielt sie sich an dieser Bosheit fest wie an einem Rettungsring und sagte gelassen: »Wir sind hier fertig, Priesterin Abertha.«

»Herrin, bitte«, flehte Baron Pyrs.

Annwyl, die sich nicht sicher war, wie lange sie ihr Temperament noch im Zaum halten konnte, scheuchte mit einer Handbewegung den Baron aus dem Weg und wandte sich den Vordertüren zu. Aber dort stellten sich ihr vier von Aberthas Wachen in leuchtend weißen Waffenröcken mit der Rune ihres Gottes in Blutrot entgegen und verwehrten ihr den Durchgang.

»Beiseite«, befahl Annwyl leise. Sie wagte es nicht, diesen Befehl laut hinauszuschreien. Wenn sie erst einmal schrie, würde sie nicht aufhören, bis alle im Raum tot waren.

»Wir bestehen darauf, dass du bleibst, Königin Annwyl«, sagte die Priesterin hinter Annwyl, immer noch mit dem warmen Unterton in der Stimme. »Wir haben unser Gespräch noch nicht beendet, du und ich.«

Endlich war Annwyls Lächeln echt. Denn jetzt hatte sie etwas, auf das sie sich konzentrieren konnte. Etwas… Entbehrliches.

»Ja«, antwortete Annwyl, die bereits die Erleichterung in Muskeln und Geist verspürte. »Ich sehe, du bestehst darauf.«

Als der Wind um sie herum zunahm, schaute Brastias zum Himmel empor und sah zwei seiner Schwager zu Boden gleiten. Er ließ seine Männer stehen und trat zu den beiden. Es waren Briec der Mächtige und Gwenvael der Schöne.

»Brüder«, begrüßte er sie.

»Wir haben dir doch gesagt, dass du uns nicht so nennen sollst«, rief Gwenvael ihm ins Gedächtnis und warf sich die übermäßig langen, goldenen Locken aus dem Gesicht. Der goldene Drache war im letzten Krieg gezwungen gewesen, sich dieses Haar auf Schulterlänge abzuschneiden, und hatte es seither zu einer recht widerborstigen Mähne wachsen lassen.

»Was ist los mit dieser Frau?«, blaffte Briec, der silberne Drache, der sich ständig beklagte. »Fearghus ist einen verdammten Tag lang fort, und schon macht sie eine Dummheit. Ist es ihr einziges Lebensziel, mich zu verärgern?«

»Ja«, antworteten Gwenvael und Brastias wie aus einem Mund.

»Still«, stieß er zwischen den Reißzähnen hervor. »Ihr beide.«

»Wo ist sie, Brastias?«, fragte Gwenvael.

»Dort drin bei Baron Pyrs.«

»Allein?«

»Sie ist meine Königin, Briec. Wenn sie mir und den Wachen befiehlt, draußen zu bleiben…«

»Dann ignorierst du sie! Warum ist das für euch schwache Menschen so schwer zu verstehen?«

Brastias schaute zu Gwenvael hinüber, und der Goldene grinste. »Das war nicht rhetorisch gemeint. Er erwartet tatsächlich, dass du diese Frage beantwortest.«

»Nun.« Briec seufzte dramatisch. Die ganze Welt schien auf seinen silbernen Schultern zu lasten… oder zumindest erweckte er den Eindruck, als denke er das. »Ich denke, wir holen sie raus.«

Ohne sich in seine Menschengestalt zu verwandeln, stapfte Briec durch den Innenhof auf die vorderen Burgtore zu. Aber als er die Treppe erreichte, bohrten sich zwei Schwerter durch das harte Holz, und Blut spritzte von beiden Klingen. Etwas davon traf Briec im Gesicht.

Brastias zuckte zusammen, doch Gwenvael lachte nur.

»Das kann nichts Gutes bedeuten«, witzelte Gwenvael.

Briec schaute Brastias über die Schulter hinweg an. »Siehst du?«, brüllte er und wischte sich mit der Kralle das Blut aus den Augen. »Verstehst du jetzt, warum ich die Dinge sage, die ich sage?«

»Weil du ein gemeiner Bastard bist?«, fragte Brastias, woraufhin Gwenvael nur umso lauter lachte. Etwas, das Briec nicht im Mindesten schätzte. Aber bevor er mit dem Schwanz nach Brastias schlagen konnte – wie es mehr als einmal vorgekommen war, seit Brastias Leben und Liebe Briecs Schwester Morfyd gewidmet hatte–, öffneten sich die Vordertüren und Annwyl kam heraus.

Durchweicht von Blut – sie war noch nie eine saubere Kämpferin gewesen–, kam sie mit vier Köpfen, die sie an den Haaren gepackt hatte, die Treppe hinunter und schritt auf ihr Pferd zu. Sie schob sich unter Briec hindurch, als sei er überhaupt nicht da, und manövrierte sich mühelos um dessen Schwanz herum.

»Was hast du jetzt wieder angestellt, du lächerliche Frau?«, fuhr der silberne Drache sie an.

»Nicht, was du denkst.« Sie stieß einen kurzen Pfiff aus, und ihr Pferd ließ sich nieder, sodass Annwyl aufsteigen konnte, ohne ihre neuen Köpfe loszulassen.

Sobald sie im Sattel saß, erhob ihr Pferd sich, und Annwyl ergriff mit der freien Hand die Zügel. Ohne ein weiteres Wort wendete sie das Pferd und ritt davon.

Brastias gab ihren Wachen ein Zeichen, und sofort folgten sie ihrer Königin. Nicht dass sie für deren Sicherheit hätten sorgen müssen. Das würde ihr kaum gezähmter Zorn machen, bis sie die Insel Garbhán erreichten.

»So so«, sagte Gwenvael, den Blick auf die Burgtreppe gerichtet. »Die liebreizende Priesterin Abertha.«

Brastias fuhr herum und sah, dass Gwenvael recht hatte. Die liebreizende – und unendlich grausame– Abertha stand auf den Stufen von Baron Pyrs Burg, die weißen Roben makellos, während die Sonnen auf ihrem Kopf glänzten und sie in einen Schimmer tauchten, der strahlend ihr wahres böses Wesen verbarg.

Aber zumindest lebte sie noch. Lebte! Schockierend, um ehrlich zu sein. Brastias hatte immer gedacht, dass Abertha die erste Person sein würde, die Annwyl töten würde, wenn sie die Chance hätte. Vor zehn Jahren wäre alles andere außer Frage gestanden. Aber es schien, dass Dagmar Reinholdts Arbeit mit der Königin gewirkt hatte.

Als er an der Priesterin vorbeischaute, waren die einzigen Leichen, die Brastias sah, die ihrer Wachen. Ein »Missverständnis«, das sich leicht wegerklären ließ, im Gegensatz zu dem Tod einer wichtigen und »unschuldigen« Priesterin.

»Meine liebe Dame«, bemerkte Gwenvael feixend, »du wirkst… enttäuscht. Hat Königin Annwyl dir nicht gegeben, was du ersehnt hast?«

Abertha versuchte zu lächeln, aber alles, was sie zustande brachte, war ein kleines Grunzen, als sie die Lippen an den Winkeln hochzog. Es war nicht attraktiv.

Als Briec sah, dass Abertha noch lebte, wandte er sich wortlos von ihr ab, aber er schwang den Schwanz, und die Priesterin ließ sich instinktiv zu Boden fallen, bevor die geschärfte Spitze ihr ins Gesicht schlagen oder ihren schlanken, menschlichen Körper gegen die unnachgiebigen Steinmauern schleudern konnte.

»Ich gehe nach Hause«, stellte Briec fest und schüttelte seine Flügel aus. »Ich schlage vor, du tust das gleiche, Brastias.«

Brastias gab ihm recht. Es war niemals eine gute Idee zu verweilen, nachdem Annwyl einen ihrer »Momente« gehabt hatte, wie Morfyd sie gern nannte.

Er stieg auf sein Ross und beobachtete flüchtig, wie Priesterin Abertha sich hochrappelte. Währenddessen kam Baron Pyrs die Treppe hinunter auf Brastias zugeeilt. Jetzt, da Annwyl und die Drachenbrüder fort waren, hatte der Baron keine Angst mehr, sich aus der Sicherheit seiner Burgmauern herauszuwagen.

»Lord Brastias…«, begann er.

»Ich bin kein Lord, Baron Pyrs. Lediglich ein bescheidener General von Königin Annwyls Armeen.«

»Ja, aber…«

»Und wenn du mich wiedersiehst, wird das höchstwahrscheinlich dann sein, wenn ich die Mauern deines schönen Heims niederreißen lasse, einen verdammten Stein nach dem anderen.«

Brastias wendete sein Pferd, um davonzureiten, aber der Baron trat schnell neben ihn.

»Brastias, warte…«

»Nicht ich bin es, mit dem du reden musst, Herr. Ich bin ein Soldat. Ich bringe Krieg, ich beende ihn nicht. Wenn du nach dieser Torheit um die Sicherheit deiner Familie flehen willst, dann solltest du dich besser mit Lady Dagmar in Verbindung setzen. Sie ist diejenige, der du deine Sache vortragen musst. Sie ist diejenige, die dich am Leben erhalten wird. Verstehen wir einander?«

Pyrs stieß den Atem aus und nickte. »Ja.«

Brastias, der nichts anderes zu hören brauchte, ritt zurück nach Hause und zu seiner Gefährtin.

4 Irgendwo tief in der Burg schlug eine Tür zu, und Celyn verbarg den Kopf zwischen den Klauen und betete um den Tod. Eine weitere Tür schlug zu, gefolgt von erhobenen Stimmen und weiterem Türenknallen.

Als der Tod nicht kam – dieser Bastard!–, rollte Celyn sich auf den Rücken und öffnete die Augen, um sich umzuschauen. Für ein Weilchen hatte er keine Ahnung, wo er war. Er betrachtete seine Klauen und begriff, dass sie Hände waren. Hob den Kopf ein wenig an und begriff, dass er in seiner Menschengestalt auf einem Bett lag.

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