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Überarbeitete Ausgabe in Neuer Deutscher Rechtschreibung Auf dem Balkan folgen Kara Ben Nemsi und seine Gefährten den Spuren der Verbrecher. Dabei begegnen sie den gefürchteten »Aladschy«, gelangen zur »Schluchthütte«, die ihnen zur Falle werden soll, und erleben eine dramatische sowie lustige Episode im »Turm der alten Mutter«. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 733
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Karl May
Durch das Land der Skipetaren
Karl May
Durch das Land der Skipetaren
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] EV: Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, 1892 2. Auflage, ISBN 978-3-954187-25-6
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Karl May und die Originale
Zum Buch
Entlarvt
Die beiden Aladschy
Ein Hekim
In der Schluchthütte
Der Miridit
Im Turme der alten Mutter
In Wassersnot
Ein Nachwort
Durch die Wüste
Durchs wilde Kurdistan
Von Bagdad nach Stambul
In den Schluchten des Balkan
Durch das Land der Skipetaren
Der Schut
Willkommen in der Welt von Karl May: Ein klassisches Erbe neu präsentiert
Liebe Leserin, lieber Leser
In der Welt der literarischen Klassiker gibt es wenige Namen, die so sehr mit Abenteuer und fernen Ländern verbunden sind wie Karl May. Mit seinen fesselnden Erzählungen aus dem Wilden Westen und dem Orient hat Karl May nicht nur Generationen von Lesern begeistert, sondern auch eine literarische Landschaft geschaffen, die bis heute nachhallt. Seine Figuren, insbesondere Winnetou und Old Shatterhand, sind mehr als nur Charaktere auf dem Papier – sie sind Symbole für Mut, Freundschaft und die Suche nach Gerechtigkeit.
Als Einzelverleger habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, Karl Mays Werke in ihrer reinsten und authentischsten Form zu präsentieren. Ich arbeite mit den Erstveröffentlichungen seiner Werke, um sicherzustellen, dass der ursprüngliche Charakter und Stil von Mays Schriften so treu wie möglich erhalten bleibt. Mein Ziel ist es, diese klassischen Texte so zu überarbeiten, dass sie die Qualität und den Geist der Originalausgaben widerspiegeln, während sie gleichzeitig den heutigen Lesegewohnheiten angepasst sind.
Willkommen zurück zu den Wurzeln von Karl Mays literarischem Erbe, präsentiert mit einem tiefen Respekt für seine Arbeit und einem Auge für die Bedürfnisse des heutigen Lesers.
Treue zu den Erstveröffentlichungen
Bei der Überarbeitung der Texte lege ich größten Wert darauf, Karl Mays originale Erzählstimme zu bewahren. Ich vermeide es, inhaltliche Änderungen vorzunehmen oder moderne Interpretationen einzufügen, die vom ursprünglichen Geist der Geschichten abweichen könnten. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, sprachliche Glättungen durchzuführen, wo es notwendig ist, um die Lesbarkeit zu verbessern und gleichzeitig die Authentizität zu wahren.
Barrierefreiheit und Zugänglichkeit
Es ist mir wichtig, dass Karl Mays Werke von allen genossen werden können. Daher gestalte ich die E-Books so, dass sie mit verschiedenen Technologien zur Unterstützung des Lesens kompatibel sind, um sicherzustellen, dass auch Menschen mit Sehbehinderungen oder anderen Einschränkungen Zugang haben.
Begleiten Sie mich auf dieser Reise zurück zu den Wurzeln
Ich lade Sie ein, Karl Mays Welt durch diese neuen Editionen wiederzuentdecken, die sowohl die Tiefe als auch das Abenteuer seiner Geschichten mit einer Frische und Klarheit präsentieren, die Sie vielleicht noch nicht erlebt haben. Tauchen Sie ein in die klassischen Erzählungen, die Karl May zu einem der meistgelesenen Autoren seiner Zeit machten.
May und seine Zeit
May war und ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller deutscher Sprache. Generationen von Leser haben ihn für sich entdeckt, egal, wie stark und aus welchen Gründen er immer wieder von Tugendwächtern oder besorgten Eltern in die literarische Schmuddelecke gedrängt wurde.
Es gibt wohl keinen Deutschen, der seine Figuren nicht kennt: Winnetou oder Hadschi Halef Omar, Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi. Viele werden sogar die Namen der Pferde oder der Waffen der Protagonisten kennen. Nicht zuletzt die farbenprächtigen Filme der 1960er Jahre haben Mays Figuren auch eine kinematografische Untersterblichkeit verpasst – sollte das jemals notwendig gewesen sein. Und wo sonst hätte ein Franzose einen amerikanischen Ureinwohner, ein Amerikaner einen deutschen Abenteurer und ein Berliner einen Orientalen spielen können?
Zu einer Zeit, als es noch keinen organisierten Massentourismus und kein Internet gab, brachte May dem Leser die weite Welt bis vor die Haustür oder unter die verbergende Bettdecke. Seine Texte prägten, ob gerechtfertigt oder nicht, die Vorstellung des Wilden Westens und des Orients für Generationen.
Am besten, Sie, lieber Leser, liebe Leserin, fühlen sich einfach nur gut unterhalten.
In diesem Sinne Ihr Jürgen Schulze, Neuss
Karl May
Auf dem Balkan folgen Kara Ben Nemsi und seine Gefährten den Spuren der Verbrecher. Dabei begegnen sie den gefürchteten »Aladschy«, gelangen zur »Schluchthütte«, die ihnen zur Falle werden soll, und erleben eine dramatische sowie lustige Episode im »Turm der alten Mutter«.
Die Dämmerung war bereits eingetreten. Auf dem Weg zum Gerichtsgebäude standen viele Menschen. Sie hatten im Hof keinen Platz mehr gefunden und sich hier aufgestellt, um uns wenigstens kommen zu sehen.
Als wir den Hof betraten, wurde das Tor hinter uns verschlossen. Das war für uns kein gutes Zeichen. Der Mübarek hatte seinen Einfluss geltend gemacht und zwar nicht ohne Erfolg, wie es schien.
Wir konnten kaum durch die Menge bis an den Platz des Verhörs gelangen. Wo vorher nur ein Stuhl gestanden hatte, war jetzt noch eine lange Bank aufgestellt. Der Apparat zur Bastonnade lag noch an derselben Stelle.
Man hatte Öl in Gefäße gegossen, Werg hinein getan und dasselbe angezündet. Diese Flammen ließen alles in einem abenteuerlichen Licht erscheinen.
Die Herren vom Gericht befanden sich im Innern des Hauses. Unsere Ankunft wurde ihnen gemeldet. Die Khawassen postierten sich so um uns, dass sie den Weg zum Tor versperrten. Da dasselbe verschlossen war, ließ sich dieses Verhalten der Polizisten doppelt bedenklich für uns deuten.
Lautlose Stille herrschte rundum. Jetzt erschienen die fünf Herren, und sofort zogen die Khawassen blank.
»O Allah!« sagte Halef. »Wie wird es uns ergehen, Sihdi! Ich zittere vor Angst.«
»Ich ebenfalls.«
»Soll ich diesen dummen Menschen, die da glauben, uns mit ihren Säbeln bange zu machen, meine Peitsche schmecken lassen?«
»Keine Dummheit! Du warst heute schon einmal voreilig und trägst die Schuld, dass wir uns überhaupt hier befinden.«
Die fünf Richter hatten Platz genommen: der Kadi Bascha auf dem Stuhl und die anderen auf der Bank. Eine Frau drängte sich aus der Menge herbei und nahm hinter dem Naïb1 Stellung. Ich erkannte Nohuda, die Erbse, welche ihrer Schönheit mit Eisenocker nachhalf. Der Stellvertreter war also wohl ihr glücklicher Ehemann. Er hatte sehr nichtssagende Gesichtszüge.
Neben dem Kadi Bascha saß der Mübarek. Er hatte ein Papier quer über das Knie gelegt. Zwischen ihm und seinem Nachbarn stand ein kleiner Topf. Da eine Gänsefeder in demselben steckte, so vermutete ich, dass er die Tinte enthalte.
Der Kadi Bascha wackelte mit dem Kopf und räusperte sich auffällig. Dies war das Zeichen, dass die Verhandlung beginnen sollte. Er begann mit krähender, weithin schallender Stimme:
»Im Namen des Propheten und im Namen des Padischah, dem Allah tausend Jahre verleihen wolle! Wir haben diese Kasa zusammenberufen, um über zwei Verbrechen zu urteilen, welche sich heute in unserer Stadt und in deren Nähe ereignet haben. Selim, tritt vor! Du bist der Ankläger. Erzähle nun, was mit Dir geschehen ist.«
Der Khawaß trat in die Nähe seines Herrn und erzählte. Was wir zu hören bekamen, war geradezu lächerlich. Er hatte sich in der angestrengtesten amtlichen Tätigkeit befunden und war von uns mörderisch überfallen worden. Nur durch Unerschrockenheit und durch die tapferste Gegenwehr war es ihm gelungen, sein Leben zu retten, sagte er.
Als er geendet hatte, fragte ihn der Kadi:
»Und welcher ist es, der Dich schlug?«
»Dieser hier ist es,« antwortete er, auf Halef deutend.
»So kennen wir nun ihn und seine Tat und werden zur Beratung schreiten.«
Er begann mit seinen Beisitzern zu flüstern, und erklärte nach einer Weile mit lauter Stimme:
»Die Kasa hat beschlossen, dass der Verbrecher auf jede Fußsohle vierzig Hiebe erhalten und dann vier volle Wochen eingesperrt werden soll. Das verkündigen wir im Namen des Padischah. Allah segne ihn!«
Halefs Hand fuhr an den Griff seiner Peitsche. Ich musste mir Mühe geben, nicht laut aufzulachen.
»Jetzt kommt das zweite Verbrechen,« verkündete der Beamte. »Mawunadschi, tritt vor, und erzähle!«
Der Fährmann gehorchte dieser Aufforderung. Er hatte jedenfalls mehr Angst als ich. Aber ehe er seinen Bericht beginnen konnte, wandte ich mich in sehr höflichem Ton an den Kadi Bascha:
»Willst Du vielleicht die Gnade haben, Dich einmal zu erheben?«
Er stand ahnungslos von seinem Stuhl auf. Ich schob ihn zur Seite und setzte mich nieder.
»Ich danke Dir,« sagte ich. »Es ziemt dem Niedrigen, dem Hohen Ehrerbietung zu erweisen. Du hast ganz recht getan.«
Jammerschade, dass es unmöglich ist, sein Gesicht zu beschreiben. Der Kopf geriet in ein gefährliches Pendeln. Er wollte reden, brachte aber vor Entsetzen kein Wort hervor. Darum streckte er, um wenigstens durch die Pantomime seine Entrüstung auszudrücken, die dürren Arme aus und schlug die Hände über dem wackelnden Kopf zusammen.
Kein Mensch sagte ein Wort. Kein Khawaß rührte sich. Man wartete auf den Zornesausbruch des Gebieters. Dieser fand glücklicherweise die Sprache wieder. Er brach in eine Reihe unbeschreiblicher Interjektionen aus und schrie mich dann an:
»Was fällt Dir ein! Wie kannst Du eine solche Unverschämtheit begehen und –– ––«
»Hadschi Halef Omar!« unterbrach ich ihn laut. »Nimm Deine Peitsche. Denjenigen, welcher noch ein einziges unhöfliches Wort zu mir sagt, beschenkst Du mit Hieben, bis ihm die Haut zerplatzt; mag er sein, wer er will!«
Der kleine Hadschi hatte sofort die Peitsche in der Hand.
»Emir, ich gehorche,« sagte er entschlossen. »Gib mir nur einen Wink.«
Es fehlte leider die Beleuchtung, sonst hätte man erstaunte Gesichter sehen können. Der Kadi Bascha wusste offenbar gar nicht, wie er sich verhalten sollte. Da flüsterte ihm der Mübarek einige Worte zu, worauf er den Khawassen befahl:
»Nehmt ihn gefangen! Schafft ihn in den Keller!«
Er deutete auf mich.
Die Polizisten traten herbei, mit blanken Säbeln in den Händen.
»Zurück!« rief ich ihnen zu. »Wer mich anrührt, den schieße ich nieder!«
Ich hielt ihnen die beiden Revolver entgegen, und im nächsten Augenblick sah ich keinen einzigen Khawaß mehr. Sie hatten sich in das Publikum verloren.
»Was erregt deinen Zorn?« fragte ich den Kodscha. »Warum stehst du? Warum setzt du dich nicht? Lass den Mübarek aufstehen und setz dich auf seinen Platz.«
Jetzt ging ein Gemurmel durch die Menge. Dass ich den Kodscha beleidigte, hatte ihnen noch im Bereich der Möglichkeit gelegen; aber dass ich nun auch den Heiligen angriff, das war denn doch zu viel gewagt. Man begann zu murren.
Das gab dem Kodscha eine bedeutende Energie. Er rief mir zornig zu:
»Mensch, sei du, wer du willst, aber für eine solche Frechheit werde ich dich auf das Allerstrengste bestrafen. Der Mübarek ist ein Heiliger, ein Liebling Allahs, ein Wundertäter. Wenn er will, kann er Feuer vom Himmel auf dich fallen lassen!«
»Schweig, Kodscha Bascha! Wenn du reden willst, so halte eine klügere Rede. Der Mübarek ist weder ein Heiliger, noch ein Wundertäter. Er ist vielmehr ein Verbrecher, ein Schwindler und Bösewicht!«
Da wurden im Publikum drohende Stimmen laut. Noch lauter aber wurde die Stimme des Mübarek selbst. Er hatte sich erhoben, streckte die Hand gegen mich aus und rief:
»Er ist ein Giaur, ein ungläubiger Hund. Ich verfluche ihn. Möge sich die Hölle unter ihm öffnen und die Verdammnis ihn verschlingen. Die bösen Geister werden –– ––«
Weiter kam er nicht. Mein kleiner Hadschi hatte ausgeholt und ihm mit der Peitsche einen solchen Jagdhieb versetzt, dass der alte Sünder sich unterbrach und einen mächtigen Luftsprung machte.
Das war ein gewaltiges Wagnis, wie sich sogleich zeigte. Nach einem Augenblick drohender Stille schallten von allen Seiten Schreie des Zornes im Publikum. Die Hinteren drängten nach vorn. Die Sache konnte verhängnisvoll werden. Da trat ich schnell an die Seite des Mübarek und rief, so laut ich konnte:
»Rahat; süküt –– Ruhe, seid still! Ich werde euch beweisen, dass ich recht habe. Halef, hole die Flamme her! –– –– Seht her, ihr Leute, wer der Mübarek ist, und wie er euch täuscht! Seht ihr diese Krücken?«
Ich nahm den Schurken mit der rechten Hand beim Genick und presste ihm den dünnen Hals zusammen. Mit der linken riss ich ihm den Kaftan auseinander. Richtig, da hing an jeder Seite eine Krücke. Beide waren mit Gelenken versehen und konnten zusammengeschlagen werden.
Bei dieser Gelegenheit sah ich, dass die Innenseite des Kaftans anders gefärbt war, als die Außenseite. Das Kleidungsstück hatte viele Taschen. Ich griff in die erste beste und fühlte einen haarigen Gegenstand. Ich zog ihn heraus. Es war eine Perücke, ganz genau das wirre, struppige Haar, wie ich es bei dem Bettler gesehen hatte.
Der Kerl war so erschrocken, dass er alle Gegenwehr vergaß. Jetzt aber stieß er Hilferufe aus und schlug mit den Armen um sich.
»Osco, Omar, haltet ihn! Greift aber tüchtig zu! Wenn es ihm auch weh tut!«
Die beiden Genannten packten ihn, sodass ich nun beide Hände frei bekam. Da Halef das eine Ölgefäß herbeigeholt hatte, wurde unsere interessante Gruppe hell erleuchtet, sodass die Anwesenden alles deutlich sehen konnten. Sie verhielten sich ruhig.
»Dieser Mensch, den ihr für einen Heiligen haltet,« fuhr ich fort, »ist ein Verbündeter des Schut oder wohl gar der Schut selbst. Seine Wohnung ist der Aufenthalt von Dieben und Räubern, wie ich euch nachher beweisen werde. Er schleicht in allerlei Verkleidungen im Lande umher, um Gelegenheit zu Verbrechen auszukundschaften. Er und der Bettler Sakat sind eine und dieselbe Person. Hier hat er sich die Krücken unter den Achseln angebunden. Wenn sie beim Gehen aneinander stießen, habt ihr geglaubt, dass seine Gebeine klappern. Hier ist die Perrücke, welche er als Krüppel trug.«
Ich leerte nach und nach seine Taschen, betrachtete die einzelnen Gegenstände und erklärte deren Gebrauch, indem ich fortfuhr:
»Hier ist eine Büchse mit Farbenmehl, welches dazu diente, seinem Gesicht schnell eine andere Farbe zu geben. Da ist der Lappen, mit welchem er sich die Farbe rasch wieder abwischen konnte. Jetzt seht ihr eine Flasche, noch halb voll von Wasser, jedenfalls um sich auch an Orten, wo kein Wasser vorhanden war, nach Bedürfnis reinigen zu können. Und nun seht ihr –– ja, was ist denn das? Das sind zwei kleine Nesf el kürre el zamk.2 Er hat sie sich in die Backen gesteckt, wenn er den Bettler machen wollte. Das Gesicht war dann dicker als vorher. Seht ihr die verschiedene Färbung des Kaftan? Als Bettler zog er ihn aus, drehte die dunkle Seite nach außen und schlang ihn um den Leib. Dann sah das Gewand aus wie ein altes Tuch. Habt ihr jemals den Mübarek und den Bettler beisammen gesehen? Gewiss nicht. Das war ja ganz unmöglich, da beide nur eine Person waren. Und hat sich nicht der Mübarek grad zu der Zeit zum ersten Mal sehen lassen, in welcher auch der Bettler in diese Gegend kam?«
Diese letzten Argumente schienen überzeugend zu sein, denn ich hörte von allen Seiten Ausrufe verwunderter Zustimmung erschallen.
Jetzt zog ich ein kleines Päckchen aus der Tasche. In einen alten Lumpen gewickelt, erschien ein Armband von alten venetianischen Goldzechinen. Bei einigen der Münzen war die Prägung gut erhalten. Ich sah beim Schein der Flamme auf dem Avers das Bild des heiligen Markus, welcher dem Dogen die Kreuzesfahne reicht, und auf dem Revers das Bild eines anderen, mir unbekannten Heiligen, von Sternen und der Inschrift umgeben: Sit tibi, Christe, datus, quem tu regis, iste ducatus.
»Hier ist ein Bilezik von zwölf goldenen Münzen, in einen Lappen gewickelt,« fuhr ich fort. »Wer weiß, wo er es gestohlen hat! Wenn ihr nachforscht, wird sich die Besitzerin vielleicht finden lassen.«
»On iki zikkeler –– zwölf Münzen?« rief eine Frauenstimme hinter mir. »Zeig her! Mir ist ein solches Armband in voriger Woche aus dem Kasten gestohlen worden.«
Nohuda, die ›Erbse‹, war die Sprecherin. Sie trat herbei, nahm mir das Armband aus der Hand und betrachtete es.
»Allah!« rief sie. »Es ist das meinige. Es ist ein altes Erbstück meiner mütterlichen Vorfahren. Schau her und überzeuge Dich, dass es mir wirklich gehört!«
Sie gab es ihrem Mann.
»Bei Allah, es ist das Deinige!« stimmte dieser bei.
»So besinne Dich, Nohuda, ob der Mübarek zur betreffenden Zeit bei Dir gewesen ist,« sagte ich.
»Der Mübarek nicht, aber der Krüppel. Er wurde herein gerufen, um ein Essen zu empfangen. Ich hatte meinen Schmuck auf dem Tische liegen und legte ihn in den Kasten zurück. Das hat er gesehen. Als ich nach einigen Tagen zufällig nachschaute, war das Armband weg.«
»So kennst Du nun den Dieb.«
»Er ist’s. Er hat es, es ist erwiesen. O Du Spitzbube! Ich kratze Dir die Augen aus! Ich werde –– ––«
»Still jetzt!« unterbrach ich sie in der Befürchtung, dass der Fluss ihrer Rede, einmal in Überschwemmung getreten, nicht so leicht und bald versiechen werde. »Behalte das Band und lass den Dieb bestrafen. Ihr seht jetzt, welch einen Menschen Ihr verehrt habt. Und dieser Räuber ist sogar zum Basch Kiatib ernannt worden und hat über andere mit zu Gericht gesessen. Mich hat er in die Hölle verflucht, und bald hätte ich mir seinetwegen den Zorn dieser braven Versammlung zugezogen. Ich verlange, dass er an einem sicheren Ort eingesperrt werde, von welchem kein Entkommen möglich ist, und dass dem Makredsch von Saloniki Anzeige erstattet werde.«
Man stimmte mir nicht nur bei, sondern es ließen sich zahlreiche Rufe hören:
»Prügelt ihn vorher! Gebt ihm die Bastonnade! Zerschlagt ihm die Fußsohlen!«
»Sapytyn–iz ona bojunu –– dreht ihm den Hals um!« eiferte die ›Erbse‹ voller Grimm über den an ihr verübten Diebstahl.
Der Mübarek hatte bis jetzt nichts gesagt. Nun aber schrie er:
»Glaubt ihm nicht! Er ist ein Giaur. Er ist der Dieb. Er hat mir das Armband soeben in die Tasche gesteckt. Er –– –– waï’ waï’!«
Er unterbrach sich mit diesem Ausruf des Schmerzes, weil ihm Halef’s Peitsche auf den Rücken knallte.
»Warte, Schurke!« rief der Hadschi. »Ich will es Dir auf den Rücken schreiben, dass wir erst heute in diese Gegend gekommen sind. Wie kann dieser Emir das Band gestohlen haben? Übrigens ist so ein berühmter Effendi kein Dieb. Hier hast Du die Beglaubigung dafür.«
Er maß ihm noch einige so kräftige Hiebe über, dass der Getroffene laut aufbrüllte.
»Aferim, aferim –– bravo, bravo!« riefen dieselben Leute, welche mir noch vor wenigen Augenblicken gefährlich werden wollten.
Der Kodscha Bascha wusste nicht, was er tun und sagen sollte. Er ließ mich machen. Er hatte aber schleunigst die Gelegenheit ergriffen, sich wieder auf dem Amtsstuhl nieder zu setzen. So war doch seine Ehre gewahrt.
Seine Beisitzer verhielten sich schweigsam. Sie mochten eine Art Beklemmung fühlen. Die Khawassen erkannten, dass meine Aktien zu steigen begannen, und in der Voraussetzung, dass ich mich in Folge dessen in guter Laune befinden und ihnen nicht mehr gefährlich sein würde, kamen sie –– Einer nach dem anderen –– wieder herbei.
»Bindet den Kerl!« befahl ich ihnen. »Fesselt ihm die Hände!«
Sie gehorchten augenblicklich, und keiner der anwesenden Justizbeamten erhob Einspruch gegen meine Eigenmächtigkeit.
Der Mübarek sah wohl ein, dass es für ihn geraten sei, sich zu fügen. Er ließ sich binden, ohne Widerstand zu leisten, und setzte sich dann auf seinen Platz, wo er in sich zusammensank. Die Beisitzer standen schnell von ihren Sitzen auf. Sie wollten nicht dieselbe Bank mit einem Verbrecher teilen.
»Und nun zurück zu Deinem Richterspruch,« sagte ich zu dem Kodscha Bascha. »Kennst Du die Gesetze Deines Landes?«
»Natürlich muss ich sie kennen,« antwortete er. »Ich habe ja in der Mekteb i milkijeh3 studiert.«
»Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht?« fragte er beleidigt. »Ich kenne das ganze Scheriat,4 welches auf dem Kuran beruht, auf der Sunna und auf den Entscheidungen der vier ersten Kalifen.«
»Kennst Du auch das Mülteka el buher, welches Euer Zivil– und Criminalgesetzbuch ist?«
»Ich kenne es; es ist vom Scheik Ibrahim Halebi verfasst.«
»Wenn Du diese Verordnungen wirklich kennst, warum handelst Du denn nicht nach ihnen?«
»Ich habe mich stets und auch heute streng nach ihnen gerichtet.«
»Das ist nicht wahr. Es steht geschrieben, dass der Richter selbst dem schlimmsten Verbrecher, bevor er ihm das Urteil spricht, das Syanet5 gestatten muss. Ihr aber habt meinen Freund und Begleiter verurteilt, ohne ihn ein einziges Wort sagen zu lassen. Euer Urteil gilt also nichts. Auch müssen bei der Verhandlung alle Angeklagten und Zeugen vollzählig beisammen sein; das war aber keineswegs der Fall.«
»Es sind ja alle da!«
»Nein. Es fehlt Ibarek, der Herbergsvater. Wo befindet er sich?«
Der Richter wackelte verlegen mit dem Kopf, stand dann auf und antwortete:
»Ich werde ihn holen.«
Er wollte fortgehen; ich aber ahnte, was mit Ibarek geschehen war, und hielt den Bascha am Arm zurück, indem ich den Khawassen gebot:
»Holt Ibarek! Bringt ihn aber genau in demselben Zustand herbei, in welchem er sich jetzt befindet!«
Zwei von ihnen entfernten sich und führten nach kurzer Zeit den Wirt herbei. Die Hände waren ihm auf den Rücken gebunden.
»Was ist das? Was hat der Mann begangen, dass man ihn bindet?« fragte ich. »Wer hat den Befehl dazu gegeben?«
Der Bascha warf den Kopf herüber und hinüber und antwortete:
»Der Mübarek wollte es so haben.«
»So hat also der Kodscha Bascha das zu tun, was der Basch Kiatib befiehlt? Und doch sagst Du, Du hättest die Gesetze studiert! Dann ist es freilich kein Wunder, wenn in Deinem Bezirke die ärgsten Spitzbuben für Heilige gehalten werden.«
»Ich war in meinem Recht,« verteidigte er sich kleinlaut.
»Das kannst Du mir nicht beweisen.«
»Oh doch! Euch habe ich nicht arretieren lassen, weil Ihr fremd seid. Dieser Herbergsvater aber ist ein Bewohner unserer Gegend. Er steht unter meiner Gewalt.«
»Und Du meinst, dass es Dir erlaubt ist, diese Gewalt zu missbrauchen? Da stehen einige Hundert Deiner Untergebenen. Meinst Du, dass Du mit ihnen machen kannst, was Dir beliebt? Vielleicht hast Du es bisher getan; aber sie werden sich das heutige Vorkommnis merken und in Zukunft Gerechtigkeit verlangen. Ibarek ist bestohlen worden. Er kam zu Dir, um Dich um Hilfe zu bitten. Anstatt sie ihm zu gewähren, hast Du ihn fesseln und einsperren lassen. Wie willst Du diese Ungerechtigkeit verantworten? Ich verlange, dass Du ihm augenblicklich die Fesseln löst.«
»Die Khawassen haben es zu tun.«
»Nein, Du selbst wirst es tun als Sühne für Deine Ungerechtigkeit.«
Das war ihm denn doch zu viel. Er fuhr mich zornig an:
»Wer bist Du denn eigentlich, dass Du hier gebietest, als ob Du unser Makredsch oder Bilad i Kamse Mollatari seist?«
»Siehe hier meine Papiere!«
Ich gab ihm die drei Pässe hin. Als er das Teskereh, das Buyuruldi und sogar den Ferman erblickte, kniff er erschrocken die kleinen Triefaugen zusammen, und sein Kopf pendelte wie das Metronom des berühmten Regensburgers Johann Nepomuk Mälzl.
»Herr, Du stehst ja im Schatten des Großherrn!« rief er aus.
»So sorge dafür, dass ich einen Teil dieses Schattens auf Dich werfe!«
»Ich werde tun, was Du begehrst.«
Er trat zu Ibarek und löste ihm den Strick.
»Bist Du nun zufrieden?« fragte er.
»Einstweilen, ja. Es wird noch mehr von Dir verlangt. Dein Khawaß Selim hat Dir grundfalschen Bericht erstattet. Das Zusammentreffen war ganz anders, als er erzählte. Der Mübarek wird ihm eingegeben haben, wie er zu sagen habe, um uns so viel wie möglich zu schaden.«
»Das glaube ich nicht.«
»Ich aber glaube es, denn er hat den Fährmann auch verleitet, ein falsches Zeugnis gegen mich abzulegen.«
»Ist das wahr?«
Diese Frage war an den Fährmann gerichtet, welcher jetzt glaubte, dass der Mübarek ihm nun nicht mehr schaden könne, und infolgedessen furchtlos erzählte, wie er von ihm instruiert worden sei.
»Du siehst,« sagte ich zu dem Bascha, »dass ich diesem Mann keineswegs nach dem Leben getrachtet habe. Ich sah, dass er den Spion des Alten machte, und nahm ihn mit mir, um nach der Angelegenheit zu forschen. Das ist alles. Wenn Du mich dafür bestrafen willst, so bin ich bereit, meine Verteidigung anzutreten.«
»Herr, von einer Bestrafung kann keine Rede sein, Du hast keinen Fehler begangen.«
»So kann auch mein Begleiter nicht wegen des Khawassen bestraft werden, denn nicht er, sondern ein ganz anderer trägt die Schuld an dem Vorkommnis.«
»Wer ist der andere?«
»Du selbst bist es.«
»Ich? Wie so?«
»Als Ibarek bestohlen wurde, kam er zu Dir, um Anzeige zu machen. Was hast Du getan, um Deine Pflicht zu erfüllen?«
»Alles, was ich konnte.«
»So? Was war das?«
»Ich habe Selim den Auftrag gegeben, er solle nachsinnen, was zu tun sei.«
»Die anderen Khawassen hast Du nicht damit betraut?«
»Nein; denn das war überflüssig. Sie hätten ja doch nichts entdeckt.«
»So müssen Deine Polizisten große Dummköpfe sein, weil Du gleich von vornherein weißt, dass sie keinen Erfolg haben werden. Die Tat ist hier geschehen. Warum aber hast Du denn diesen Selim, welcher sich erst seit ganz Kurzem hier befindet, mit der Sache betraut?«
»Weil er der Klügste ist.«
»Ich denke, Du hast einen ganz anderen Grund.«
»Herr, welchen anderen Grund sollte ich haben?«
»Ein guter Beamter setzt alle Hebel an, den Täter eines solchen Verbrechens zu entdecken. Du aber hast es verschwiegen und dem einen, welchem Du es mitteiltest, hast Du fast eine ganze Woche Zeit gegeben, sich die Sache zu überlegen. Das hat den Anschein, als ob Du wünschtest, dass die Diebe entkommen mögen.«
»Effendi! Was denkst Du von mir?«
»Meine Ansicht richtet sich ganz genau nach Deinem Verhalten. Nichts lag näher, als dass Du hier in Ostromdscha nach den Tätern suchen ließest.«
»Sie sind ja nach Doiran geritten!«
»Das zu glauben, muss man sehr befangen sein. Kein Dieb wird sagen, wohin er sich wenden will. So viel musst Du als alter Ehli ilmi scheraat6 doch wissen. Wie nun, wenn ich entdecke, dass Du ein Freund dieser Verbrecher bist?«
Er begann fürchterlich mit dem Kopf zu wackeln, jedenfalls vor Bestürzung.
»Herr, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll!« rief er aus.
»Sage lieber gar nichts, denn meine Meinung bleibt doch gänzlich unverändert. Wenn Du Dich der Sache in der Art angenommen hättest, wie es Deine Pflicht war, so wären die Diebe längst entdeckt.«
»Glaubst Du, dass sie freiwillig kommen, um sich mir zu melden?«
»Nein; aber ich glaube, dass sie sich hier in Ostromdscha befinden.«
»Unmöglich! Es sind in keinem Konak drei Reiter abgestiegen.«
»Das wird ihnen auch nicht einfallen. Sie werden sich nicht so nahe am Tatort öffentlich zeigen. Sie haben sich versteckt.«
»Soll ich wissen, bei wem?«
»Warum nicht? Ich bin ein Fremder und weiß es doch.«
»Was! Du weißt es?«
»Ja, ganz genau.«
»So musst Du allwissend sein.«
»Nein; ich habe aber gelernt, nachzudenken. Solche Halunken werden sich nur bei gleich schlechten Subjekten verstecken. Wer aber ist das schlechteste Subjekt in Ostromdscha?«
»Meinst Du den Mübarek?«
»Du hast’s erraten.«
»Bei ihm sollen sie sein?«
»Jedenfalls.«
»Da irrst Du Dich.«
»Ich irre mich so wenig, dass ich bereit bin, mit Dir zu wetten. Wenn Du die Diebe fangen willst, so musst Du hinauf zur Ruine gehen.«
Er blickte zu dem Mübarek hinüber, und dieser erwiderte den Blick. Es war mir ganz so, als ob diese beiden doch in einem Einvernehmen ständen.
»Der Weg wäre vergeblich, Herr,« sagte er.
»Ich bin vom Gegenteil überzeugt und sage dir, dass wir nicht nur die Diebe, sondern auch die gestohlenen Gegenstände finden würden. Darum fordere ich dich auf, mir mit deinen Khawassen zu folgen.«
»Du scherzt doch?«
»Nein, es ist mein Ernst.«
»In dieser Dunkelheit?«
»Fürchtest du dich?«
»Nein; aber solche Menschen sind gefährlich. Sind sie wirklich oben, so werden sie sich verteidigen. Warte lieber, bis es morgen Tag geworden ist.«
»Bis dahin könnten sie entkommen sein. Es hat übrigens den Anschein, dass es hier Leute gibt, welche die Diebe warnen würden.«
»Das wird niemand tun. Ich selbst werde dafür sorgen, dass kein Mensch sich in dieser Nacht der Ruine nähern kann.«
»Sorge lieber dafür, dass wir schnell aufbrechen können, und gib Befehl, dass Laternen mitgenommen werden.«
»Herr, lass ab von diesem Beginnen!«
»Nein! Wenn du deine Pflicht nicht tun willst, so bleibe daheim. Ich werde Leute finden, welche des Amtes eines Kodscha Bascha würdiger sind.«
Das zog. Er wackelte zwar noch immer höchst bedenklich mit dem Kopf, sagte aber doch:
»Du darfst mich nicht verkennen. Ich bin nur auf dein eigenes Wohl bedacht und wünsche nicht, dass du dich in Gefahr begibst.«
»Kümmere dich nicht um mich! Mein Wohl wahre ich selbst.«
»Nehmen wir den Mübarek mit?«
»Ja. Er wird uns führen.«
»So erlaube, dass ich für Beleuchtung und auch für Waffen sorge.«
Er begab sich in das Haus.
Viele der anwesenden Leute eilten fort; ich vermutete, um Laternen oder etwas Ähnliches zu holen und uns zu begleiten. Ibarek hatte dieser Verhandlung still zugehört. Jetzt fragte er mich:
»Effendi, glaubst du wirklich, dass wir die drei Spitzbuben fangen?«
»Ganz gewiss.«
»Und dass ich mein Eigentum zurückerhalte?«
»Ich bin überzeugt davon.«
»Herr, ich kann dich nicht begreifen! Es scheint, dass du alles weißt. Ich gehe natürlich mit Freuden hinauf zu der Ruine.«
»Was sagst du nun zu dem Einsiedler? Du hast ihn gepriesen, obgleich du ihn fürchtetest. Und als du von ihm sprachst, ahnte ich bereits, dass er ein großer Halunke sei. Die Diebe deines Eigentums befinden sich bei ihm.«
Der Bascha kehrte bald zurück. Er brachte einige alte Laternen, mehrere Fackeln und eine Anzahl von Kienspänen. Andere Leute kamen mit ähnlichen Beleuchtungsgegenständen herbei, und dann setzte sich der Zug in Bewegung.
Ein nächtlicher Zug zu der Ruine hinauf, um Diebe einzufangen, das war noch niemals da gewesen; das war den Leuten eine Lust. Darum wanderte fast die ganze Bevölkerung des Ortes hinter uns her.
Da ich weder dem Kodscha Bascha noch seinen Khawassen recht traute, mussten Osco und Omar den Mübarek bewachen. Sie hatten ihn zwischen sich genommen.
Voran schritten einige Khawassen. Dann kam der Bascha mit den Herren seines Gerichtes, hinter diesen der Mübarek mit seinen beiden Wächtern, dann ich mit Halef und den beiden verschwägerten Wierten, und hinter uns drein tummelte sich das Alter und die Jugend von Ostromdscha.
Es war lustig, zu hören, welche Meinungen geäußert wurden, auch über unsere Personen. Der eine meinte, ich sei ein großherrlicher Prinz, und der andere hielt mich für einen persischen Baysadeh.7 Ein Dritter schwur, ich sei ein indischer Sihirbaz,8 und ein Vierter schrie überlaut, dass ich ein Kronprinz aus Moskau sei und gekommen wäre, um das Land für Russland zu erobern.
Je näher wir der Ruine kamen, desto stiller wurden die Leute. Sie sahen doch ein, dass man vorsichtig sein müsse, wenn man Spitzbuben fangen wolle.
Da, wo der Wald begann, blieben viele zurück. Das waren die Furchtsamen. Sie versicherten aber doch hoch und teuer, dass sie sich nur darum hier postierten, damit die Diebe an dieser Stelle nicht durchkommen könnten, falls es ihnen gelingen sollte, oben zu entfliehen.
Als wir dann die Lichtung erreichten, herrschte die Ruhe des Grabes auf derselben. Die Helden fühlten sich beklommen. Die Spitzbuben konnten ja jeden Augenblick erscheinen, konnten hinter jedem Baum stecken. Man trat so leise wie möglich auf, um sie ja nicht zu verscheuchen und –– –– um ja nicht etwa derjenige oder diejenige zu sein, der oder die mit ihnen in Kampf kommen werde. Denn Frauen waren auch dabei.
Diese gespannte Stille erlitt freilich einmal eine kurze Unterbrechung. Ein schriller Schrei erscholl aus einer weiblichen Kehle. Als ich an die Stelle kam, fand ich, dass Nohuda, die ›Erbse‹, so unglücklich gewesen war, sich in der kalten Quelle zu betten, an welcher ich die Butterblume gefunden hatte. Sie saß im Wasser und hielt ihrem geliebten Gerichtsbeisitzer eine mehr als halblaute Rede, deren Inhalt dringend wünschen ließ, dass sie dieselbe in sehr leisem Ton gehalten hätte. Sie wollte sich nicht herausziehen lassen, denn sie werde sich erkälten, wenn sie durchnässt in der kühlen Abendluft einhergehen müsse, und nur, als ich ihr erklärte, dass das Wasser noch kälter als die Luft sei, meinte sie:
»Effendi, deinem Rat werde ich folgen. Du weißt das alles besser als andere Leute oder gar als mein Mann, der mich gradenwegs in dieses Loch hineingeführt hat.«
Ich zog sie heraus. Glücklicherweise stand das Wasser kaum einen Fuß hoch. Ob es in der Folge ihrer durch Eisenocker verjüngten Schönheit schädlich geworden ist, weiß ich leider nicht.
Der Mübarek stand mit Omar und Osco an der Türe seiner Hütte. Er verlangte, hineingelassen zu werden. Da er sich aber mit Chemie abgab und in allerlei vermeintlichen Zauberkünsten bewandert war, so traute ich ihm nicht. Er konnte ja irgend eine Vorrichtung angebracht haben, welche für den Fall einer plötzlichen Verhaftung berechnet war.
»Was willst du drin tun?« fragte ich.
Er antwortete mir nicht. Der gute Mann schien gar nichts mehr von mir wissen zu wollen.
»Wenn du nicht antwortest, so darfst du auch nicht erwarten, dass dein Wunsch erfüllt werde.«
Jetzt antwortete er:
»Ich habe Tiere drin, die gefüttert werden müssen, damit sie nicht verhungern.«
»Ich werde sie morgen früh füttern. Deine Heimat ist von nun an das Gefängnis. Doch bin ich bereit, dir deinen Wunsch zu erfüllen, falls du mir einige Fragen wahrheitsgemäß beantwortest.«
»Dann frage!«
»Hast du Besuch?«
»Nein.«
»Bewohnt außer dir jemand die Hütte oder die Ruine?«
»Nein.«
»Weißt du nicht, ob jemand in der Hütte anwesend ist?«
»Es ist niemand da. Ich müsste es wissen.«
»Kennst du einen Mann namens Manach el Barscha?«
»Nein.«
»Oder einen anderen namens Barud el Amasat?«
»Auch nicht.«
»Und doch behaupten diese Leute, dass sie dich sehr gut kennen.«
»Das ist nicht wahr.«
»Dass du von meiner Ankunft heute benachrichtigt hast.«
»Das ist eine Lüge!«
»Und dass du dafür sorgen wolltest, dass ich eingesperrt werde. Dann wollt ihr kommen und mich ermorden.«
Er antwortete nicht sofort. Dass ich dies alles wusste, kam ihm jedenfalls nicht ganz geheuer vor. Es mochte die Ahnung in ihm aufdämmern, dass er heute Abend hier nicht alles so vorfinden würde, wie er es verlassen hatte. Ich hörte, wie er schluckte und schluckte, als ob er irgendetwas hinunter zu würgen habe; dann antwortete er:
»Herr, ich weiß nicht, was du redest und was du von mir willst. Ich kenne die Namen nicht, die du mir genannt hast, und habe nichts mit Leuten zu tun, die so zu sein scheinen, wie diejenigen, von denen du sprichst.«
»So weißt du wohl auch nicht, dass zwei Brüder kommen wollen, um euch zu melden, dass ich in Menlik ermordet worden sei?«
»O Allah, ich weiß kein Wort, keine Silbe davon!«
»Du bist so unwissend, dass deine Unkenntnis mich erbarmt, und aus diesem Erbarmen will ich dir zeigen, welche gefährlichen Leute sich in deiner Nähe befinden. Komm!«
Ich nahm ihn beim Arm und führte ihn fort. Auf meinen Wink schritt Halef mit der Fackel voran, um zu leuchten. Die zu der Kasa gehörigen Herren folgten, auch Osco, Omar und die beiden Wierte. Die anderen mussten zurückbleiben, da im Innern der Ruine nicht so viel Raum vorhanden war.
Was musste in dem Mübarek vorgehen, als er jetzt bemerkte, mit welcher Sicherheit wir beide den Weg verfolgten, von dem er geglaubt hatte, dass er für jeden Fremden ein Geheimnis sei!
Als Halef den Epheu zurückschob, hörte ich, dass der Alte einen Fluch ausstieß, den er nicht ganz zu unterdrücken vermochte.
»Was? Pferde?« fragte der Kodscha Bascha, als wir in die Abteilung gelangten, die als Stall benutzt wurde.
Da es Nacht war, machten uns die Tiere ein wenig zu schaffen. Sie waren nicht angebunden und scheuten vor den Lichtern und vor den fremden Personen.
»Wo Pferde sind, müssen auch Menschen sein, denen sie gehören«, sagte Halef. »Komm hier heraus, so werden wir sie finden.«
Die drei Gefesselten lagen ganz genau noch so da, wie wir sie verlassen hatten.
Es wurde zunächst kein Wort gesagt. Ich band mit Halefs Hilfe die Drei los, aber nur so weit, dass sie den Gebrauch der Füße wieder erhielten und aufstehen konnten.
»Manach el Barscha, kennst du diesen Mann?« fragte ich, auf den Mübarek zeigend.
»Allah verdamme dich!« antwortete er.
»Barud el Amasat, kennst du ihn?«
»Stürze von der Brücke des Todes in die ewige Verdammnis hinab!«
Da wandte ich mich an den Gefängnisaufseher:
»Du hast nur die eine Tat begangen, dass du diesen Gefangenen befreit hast. Die Strafe dieser beiden wird eine schwere sein; die deine aber wird viel leichter ausfallen, zumal wenn du zeigst, dass du kein halsstarriger Sünder bist. Sage mir die Wahrheit! Kennst du diesen Mann?«
»Ja«, antwortete er, nachdem er einige Augenblicke lang mit sich zu Rate gegangen war.
»Wer ist er?«
»Der alte Mübarek.«
»Du kennst auch seinen wirklichen Namen?«
»Nein.«
»Er und deine beiden Gefährten kennen sich auch gegenseitig?«
»Ja. Manach el Barscha ist sehr oft bei ihm gewesen.«
»Ich sollte in Menlik ermordet werden?«
»Ja.«
»Und heute wurde derselbe Beschluss gefasst? Man wollte mich im Gefängnis töten?«
»So ist es.«
»Und nun noch eins. Während du mit Ibarek und seinen Leuten Karte spieltest, haben die beiden anderen ihn bestohlen.«
»Ich nicht, sondern sie waren es.«
»Schon gut! Du bist ebenso dabei beteiligt, wie sie; denn du hast durch deine Kunststücke dazu beigetragen, dass der Diebstahl gelang. Ich habe genug gehört.«
Und mich an den Kodscha Bascha wendend, fragte ich:
»Nun, habe ich nicht Recht gehabt? Sind die Diebe nicht hier in der Ruine?«
»Herr, du hattest sie bereits gefunden, als du mit mir von ihnen sprachst.«
»Allerdings! Aber dass ich sie so rechtzeitig, so schnell gefunden habe, das mag dir ein Beweis sein, wie leicht es für dich gewesen wäre, deine Pflicht zu tun. Diese drei Menschen werden ins Gefängnis geführt und gut bewacht. Gleich morgen früh wirst du dem Makredsch den Bericht senden, dem ich auch den meinen beilegen werde. Er wird dann bestimmen, was geschehen soll. Ibarek, sieh hier auf den Boden nieder. Ich glaube, das sind die Gegenstände, die dir gestohlen worden sind.«
Der Inhalt der Taschen der drei Gefangenen war von uns in drei Häufchen niedergelegt worden. Ibarek freute sich königlich, dass er sein Eigentum wieder sah. Er wollte es an sich nehmen; da aber sagte der Kodscha Bascha:
»Halt! So schnell geht das nicht. Alle diese Gegenstände muss ich mit mir nehmen. Sie haben als Beweis bei der Verhandlung zu dienen und bei der Bestimmung des Strafmaßes als Richtschnur.«
Ich kannte die Gepflogenheit dieser Leute. Wer weiß, ob Ibarek jemals etwas wiederbekommen hätte! Darum antwortete ich an seiner Stelle:
»Das ist nicht nötig. Ich selbst werde ein Verzeichnis dieser Gegenstände anfertigen und sie auch auf ihren Wert taxieren. Dieses Verzeichnis leistet dir ganz dieselben Dienste, wie die Sachen selbst.«
»Herr, du bist kein Beamter!«
»Herr, ich habe Ihnen heute erwiesen, dass ich ein besserer Beamter sein würde, als Sie! Wenn Sie meinen Vorschlag von sich weisen, so werde ich dem Makredsch viel ausführlicher schreiben, als Ihnen lieb sein kann. Also schweigen Sie! Das liegt in Ihrem eigenen Interesse.«
Ich sah es ihm an, dass er mir mit einer Grobheit antworten wollte; aber er hielt sie doch zurück. Er musste sich sagen, dass dies nur zu seinem Schaden sein würde. Aber er erhob nun gleich andere Ansprüche:
»So mag er seine Sachen behalten; aber alles Übrige, was sie bei sich gehabt haben, konfisziere ich.«
Er wollte sich bücken, um die Geldbeutel und anderen Gegenstände aufzuheben.
»Halt!« sagte ich. »Diese Sachen sind bereits konfisziert.«
»Von wem?«
»Von mir.«
»Haben Sie das Recht dazu?«
»Gewiss! Ich werde auch über sie ein Verzeichnis ausstellen, wobei Sie ja als Zeuge dienen können, dass ich nichts unterschlage. Dann sende ich beides, die Liste und die Sachen, dem Makredsch zu.«
»Das gehört alles in meine Hände!«
»Sie sollen auch zu Ihrem Recht kommen. Konfiszieren Sie die Pferde, und was zu ihnen gehört, so haben Sie Ihren Willen. Das andere aber gehört mir. Halef, stecke alles ein!«
Der kleine Hadschi war so schnell bei der Hand, dass in der Zeit von drei Sekunden alles in seiner Tasche verschwunden war.
»Chyrsyz!«9 brummte der Mübarek.
Der Lohn wurde ihm auf der Stelle. Halefs Peitsche gab ihm eine überaus deutliche und auch sehr fühlbare Antwort.
Jetzt wurden die Gefangenen durch die Ruine hinaus auf die Lichtung transportiert. Dort stand das neugierige Publikum, welches sich herbei drängte, um sich die Drei zu betrachten.
Ibarek erzählte mit lauter Stimme, dass er glücklich zu seinem Eigentum gelangt sei. Er war des Lobes voll.
Nun nahmen die Khawassen die vier Arrestanten in die Mitte und setzten sich mit ihnen in Bewegung. Die Menge folgte, das gelungene Abenteuer besprechend. Der Abzug wurde viel lauter bewerkstelligt, als der Aufmarsch.
Auch die Herren von der Obrigkeit schlossen sich dem Zug an. Ich blieb mit Halef zurück. Er hatte mir einen Wink gegeben.
»Sihdi, ich habe noch die halbe Fackel,« sagte er; »sie ist zwar verlöscht, aber wir können sie ja wieder anbrennen. Wollen wir uns nicht die Hütte des Alten ansehen?«
»Ja, wir wollen es wenigstens versuchen.«
»Haben Sie den Schlüssel noch? Ich habe gesehen, dass Sie ihn einsteckten, als Sie dem Schurken in der Gerichtsverhandlung die Taschen leerten.«
»Ich habe ihn noch, weiß aber nicht, ob es der Hüttenschlüssel ist.«
»Er wird es schon sein. Welche Schlüssel sollte der Alte sonst noch haben!«
Wir warteten, bis die anderen sämtlich verschwunden waren, und schlossen dann die Tür auf. Mit Hilfe eines Zündholzes und eines Stückes Papier wurde die Fackel wieder in Brand gesteckt, dann betraten wir das Gebäude.
Das armselige Gebäude lehnte, wie bereits erwähnt, an einer Mauer. Es schien, von außen betrachtet, nur einen einzigen kleinen Raum zu enthalten; aber als wir uns jetzt im Innern befanden, sahen wir, dass mehrere Stuben hintereinander lagen. Die inneren Räume gehörten zu dem alten Schloss, und die Hütte war in schlauer Weise an die Öffnung gesetzt worden.
Die vordere Stube war fast leer. Man sah es ihr an, dass sie nur dazu diente, Besuche abzufertigen.
Als wir das zweite Gelass betreten wollten, bemerkte ich mehrere Fäden, welche oben, unten und in der Mitte quer über den Eingang liefen. Ich berührte den einen vorsichtig mit dem Griff meiner Peitsche, und sofort ertönte das Krachen eines Schusses. Katzen miauten, ein Hund bellte, Raben krächzten und allerlei andere Stimmen wurden hörbar.
»O Allah!« lachte Halef. »Wir befinden uns wahrscheinlich in der Arche des Erzvaters Noah. Aber, Sihdi, ich schlage vor, dass wir nicht weiter eindringen. Warten wir lieber, bis es Tag ist.«
Ich stimmte sehr gern bei. Wenn ich dem alten Mübarek auch keine außergewöhnlichen physikalischen Kenntnisse zutraute, so konnten die seinigen doch vollständig ausgereicht haben, irgend einen wirkungsvollen Apparat zum Unschädlichmachen fremder Eindringlinge zu erfinden. Wir schlossen also wieder zu und löschten die Fackel aus.
Eben als wir den Heimweg antreten wollten, kam eine weibliche Gestalt auf uns zu gehuscht. Ich erkannte ihr Gesicht nicht. Sie aber ergriff meine Hand und drückte, bevor ich es zu hindern vermochte, ihre Lippen darauf.
»Ich sah beim Scheine der Fackel, dass Sie es sind, Effendi, und muss Ihnen nochmals danken.«
Es war Nebatja, die Pflanzensucherin.
»Was tun Sie hier oben?« fragte ich sie. »Waren Sie bereits da, als wir die Gefangenen holten?«
»Nein. Es ist keine Freude für mein Herz, solche unglückliche Menschen zu sehen. Aber ich war im Hof des Kodscha Bascha, als Sie verurteilt werden sollten. Herr, Sie waren tapfer, aber Sie haben sich auch einen bösen Feind erworben.«
»Wen? Den Mübarek?«
»Den meine ich nicht, obgleich auch er Sie hasst. Ich meine den Kodscha Bascha.«
»Ich glaube wohl, dass er mir nicht seine besondere Liebe schenken wird; aber als Feind brauche ich ihn nicht zu fürchten.«
»Ich bitte Sie dennoch, seien Sie vorsichtig!«
»Ist er ein so schlimmer Gast?«
»Ja. Er ist die Obrigkeit, aber im Stillen unterstützt er die Leute des Schut.«
»Ah! Woher wissen Sie das?«
»Er war oft des Nachts hier oben bei dem Mübarek.«
»Haben Sie sich nicht getäuscht?«
»Nein. Ich habe ihn beim Mondschein sehr deutlich gesehen, und ich habe ihn in dunkler Nacht an der Stimme erkannt.«
»Hm! Sind Sie so oft hier oben gewesen?«
»Oft, trotzdem es mir vom Mübarek verboten worden ist. Ich liebe die Nacht. Sie ist die Freundin des Menschen. Sie lässt ihn mit seinem Gott allein und duldet nicht, dass er im Gebet gestört wird. Auch gibt es Pflanzen, die man nur des Nachts suchen darf.«
»Wirklich?«
»Ja. Wie es Pflanzen gibt, die nur nachts duften, gibt es auch solche, die nur nachts wachen; tagsüber schlafen sie. Und hier oben gibt es solche Nachtgefährtinnen, bei denen ich dann sitze, um mit ihnen zu sprechen und auf ihre Antwort zu lauschen. In letzter Zeit war mir das schwer gemacht. Heute jedoch hast du meinen Feind entlarvt; er befindet sich in Gefangenschaft, und deshalb bin ich gleich heraufgegangen, um mir um Mitternacht einen König zu holen.«
»Einen König? Ist das auch eine Pflanze?«
»Ja. Kennst du sie nicht?«
»Nein.«
»Sie ist ein König, denn wenn sie stirbt, stirbt das ganze Volk mit ihr.«
Ich hatte hier ein sehr eigenartiges und tief angelegtes Frauenherz vor mir. Diese Frau musste im Schweiß ihrer Arbeit für ihre Familie sorgen und fand doch noch Zeit, nachts stundenlang mit den Pflanzen zu verkehren, mit ihnen zu sprechen und die Geheimnisse ihres Daseins zu erlauschen.
»Wie heißt diese Pflanze?« fragte ich neugierig.
»Es ist die Hadsch Marrjam. Schade, dass du sie nicht kennst!«
»Ich kenne sie; aber ich wusste nicht, dass sie einen König hat.«
»Nur wenige Menschen wissen es, und unter diesen Wenigen ist selten einer so glücklich, einen König zu finden. Man muss die Hadsch Marrjam sehr lieben und ihre Art und Weise genau kennen; dann findet man den König. Das Volk wächst gerne an unfruchtbaren Stellen, an Bergen, Felsenbrüchen und öden Halden. Es steht stets in einem Kreis, der oft klein, oft auch groß ist, und genau in der Mitte dieses Kreises steht der König.«
Das war mir freilich neu. Hadsch Marrjam bedeutet ›Kreuz Mariens‹, und genau dieselbe Pflanze wächst auch in Deutschland und wird im Volksmund Marienkreuzdistel genannt. Wie seltsam, dass der Name sowohl im Erzgebirge als auch im Babuna- oder Plaschkawitzagebirge in der Türkei gleich klingt!
Die Frau fuhr in ihrem Lieblingsthema fort:
»Diese Distel ist sehr dürr und spröde; sie wird nicht hoch und hat einen dünnen Stängel; aber der König ist breit und wird jedes Jahr breiter. Sein Stängel ist so dünn wie eine Messerklinge; aber er kann so breit wie zwei Hände werden und trägt oben einen langen, schmalen Distelkopf, auf dessen dunklem Grund eine helle Zickzackschlange gezeichnet ist. Diese Schlange leuchtet nachts.«
»Ist das wahr?«
»Ich belüge dich nicht, Herr. Ich habe es oft gesehen und werde es auch heute wieder sehen. Wenn man den Distelkönig entfernt, gehen alle seine Untertanen ein. Nach einem Monat sind sie tot. Ansonsten werden sie sehr alt. Der König, den ich heute hole, ist wohl gegen zehn Jahre alt.«
»Aber wenn du ihn holst, geht doch sein Volk ein!«
»Oh nein! Ein neuer, junger König ist gewachsen; daher kann man den Alten entfernen. Das muss am Sonntag nach dem Neumond geschehen, am heiligen Tag der Christen, deren Himmelskönigin Marrjam ist. An diesem Tag leuchtet der König am schönsten; er leuchtet sogar noch einige Nächte, nachdem er abgeschnitten wurde. Dann hat er seine beste Kraft. Heute ist der erste Sonntag nach Neumond; deshalb hole ich mir den König in dieser Nacht. Wenn du Zeit hättest, könntest du ihn leuchten sehen.«
»Ich würde mit dir gehen, denn ich interessiere mich sehr für solche Naturgeheimnisse; aber ich muss leider in die Stadt hinab.«
»Dann bringe ich ihn dir morgen Abend; da leuchtet er auch noch.«
»Ich weiß nicht, ob ich dann noch in Ostromdscha sein werde.«
»Herr, willst du so schnell fort?«
»Ja. Ich bin nicht hierhergekommen, um lange zu verweilen, und meine Zeit ist begrenzt. Aber sag mal, welchen Kräften schreibt man dem Distelkönig zu?«
»Die gewöhnliche Hadsch Marrjam heilt, wenn man sie als Tee trinkt, die Lungentuberkulose, sofern sie nicht zu weit fortgeschritten ist. Die Distel enthält einen Stoff, der die winzigen Krankheitserreger tötet, die sich in der Lunge befinden. Vom König jedoch sagt man, dass er die Lungentuberkulosekranken sogar vom Tod zurückholen könnte.«
»Hast du das ausprobiert?«
»Nein; ich glaube daran, denn der Schöpfer ist allmächtig und kann, wenn er will, auch den kleinsten Pflanzen große Kraft verleihen.«
»Dann komm morgen zu mir und zeige mir den König, falls ich noch hier bin. Weißt du, wo ich wohne?«
»Ich habe es gehört. Gute Nacht, Effendi!«
»Viel Glück mit dem König, Nebatja!«
Sie ging.
»Sihdi, glaubst du an den Distelkönig?« fragte mich Halef, als wir weitergingen.
»Ich bezweifle es nicht.«
»Ich habe noch nie gehört, dass Pflanzen ihre Herrscher haben.«
»Wenn sie mir diesen Herrscher der Hadsch Marrjam bringt, wirst auch du ihn sehen.«
Heute ahnte ich nicht, dass ich bald mein Leben dem Distelkönig zu verdanken hätte. Dass die Pflanzensucherin heute wegen ihm hier oben war, sollte sich als großes Glück erweisen. Übrigens ist der Distelkönig keine Fabelgestalt. Ich habe zwischen Scheibenberg und Schwarzenberg im sächsischen Erzgebirge auf einer kahlen, abgeholzten Anhöhe ein Volk von Marienkreuzdisteln gefunden und bin volle vier Tage dort geblieben, um nach dem König zu suchen.
Das Gelände, auf dem sich die Disteln ausgebreitet hatten, bildete tatsächlich einen ziemlich regelmäßigen Kreis. Ich umrundete den Umfang und ging dann verschiedene Radien zur Mitte hin ab, jedoch lange Zeit ohne Erfolg. Schließlich fand ich den Gesuchten an einem Punkt, an dem ich oft vorbeigekommen war, ohne den König zu sehen, da er von einem Büschel dichtem, trockenem Schmeelgras umgeben war. Er entsprach genau der Beschreibung von Nebatja; ich schnitt ihn ab und besitze ihn noch heute. Als ich nach etwa vier Monaten wieder nach Annaberg kam, machte ich trotz Zeitmangel und Neugierde einen Fußmarsch zum Fundort – die Untertanen waren eingegangen.
Diesen Beweis von der Wahrheit der Beschreibung Nebatjas hatte ich freilich hier in Ostromdscha noch lange nicht; aber dennoch glaubte ich ihr. Der große Linné erzählt ja mit schöner Anerkennung, dass er seine besten Funde und Beobachtungen in Folge von Winken gemacht habe, welche er von einfachen, oft noch weniger als einfachen Menschen erhielt. Das Kind des Volkes hat einen liebevolleren Blick für die Heimlichkeiten der Natur, als der sogenannte bevorzugte Mensch.
Im Ort angekommen, begaben wir uns zu dem Kodscha Bascha, bei welchem ich das Verzeichnis anfertigte. Seine kleinen Augen funkelten, als wir den Inhalt der drei Geldbeutel zählten. Er fragte nochmals an, ob ich ihm die Absendung nicht überlassen wollte, aber ich bestand darauf, dass ich das selbst besorgen werde. Es sollte sich sehr bald zeigen, dass ich daran wohlgetan hatte. Aber er drang darauf, jedenfalls um mich zu ärgern, dass die Beutel versiegelt und mit seinem Petschaft gestempelt werden mussten. Ich weigerte mich natürlich keinen Augenblick.
Dann ließ ich mir die Gefangenen zeigen. Sie befanden sich in einem kellerartigen Raum und waren gebunden.
Ich sagte ihm, dass dies eine unnütze Quälerei sei; er aber meinte, dass man mit solchen Burschen gar nicht streng genug verfahren könne, und er werde während der Nacht sogar einen seiner Knechte als Wächter vor die Türe stellen.
Ich fühlte mich also über die Sicherheit der Gefangenen ganz beruhigt und dachte wirklich nicht, dass er sie jetzt nur deshalb gebunden habe, weil zu erwarten war, dass ich kommen werde, um nach ihnen zu sehen.
Von hier aus begab ich mich in den Konak, wo jetzt das verspätete Abendmahl eingenommen wurde. Wir saßen in demselben Zimmer wie am Mittag beisammen. Es ging recht lebhaft her, denn die Ereignisse des Tages gaben genug Stoff zu einem lebhaften Gedankenaustausch, und so war Mitternacht längst vorüber, als wir uns zur Ruhe legten.
Ich bekam die Ehrenstube angewiesen, in welche ich auf einer Stiege gelangte. Da zwei Betten da standen, nahm ich den kleinen Hadschi zu mir. Ich wusste, wie wohl ihm ein solcher Freundschaftserweis tat.
Meine Uhr zeigte wenig über zwei, als wir uns anschickten, uns der Kleider zu entledigen. Da pochte es unten an das jetzt verriegelte Tor. Ich öffnete den Laden und blickte hinaus. Es stand jemand am Tor; ich konnte aber nicht erkennen, wer es war.
»Kim dir – wer ist da?« fragte ich.
»O, das ist Deine Stimme,« antwortete ein weiblicher Mund. »Nicht wahr, Du bist der fremde Effendi?«
»Ja. Und Du bist die Pflanzensucherin?«
»Ja, Herr. Komm herab! Ich habe Dir Etwas zu sagen.«
»Ist’s notwendig?«
»Gewiss.«
»Werde ich wieder schlafen gehen können?«
»Sogleich wohl nicht.«
»Warte! Ich komme.«
Eine Minute später stand ich mit Halef unten bei ihr.
»Effendi,« sagte sie, »weißt Du, was geschehen ist – oder halt, so viel Zeit hast Du wohl noch: siehe da meinen König der Hadsch Marrjam!«
Sie gab ihn mir in die Hand, eine stachelige Distel von zweimal Handbreite, aber wirklich so dünn, wie eine Messerklinge. Die helle Zickzackschlange oben auf der langen, schmalen Krone war trotz der Dunkelheit sehr deutlich zu erkennen. Sie ›leuchtete‹ zwar nicht, aber sie hatte einen ziemlich bedeutenden Glanz, fast wie phosphoreszierend.
»Glaubst Du mir nun?« fragte sie.
»Ich habe an Deinen Worten gar nicht gezweifelt. Hier ist’s zu dunkel; ich werde Dich früh besuchen, um mir die Distel bei Tageslicht genau zu betrachten. Aber nun sage, was Du mir mitzuteilen hast.«
»Etwas sehr Schlimmes: die Gefangenen sind entflohen.«
»Was? Wirklich?«
»Ja, sie sind entflohen.«
»Woher weißt Du es?«
»Ich habe es gesehen; ja sogar gehört, was sie sprachen.«
»Wo denn?«
»Droben auf dem Berg, an der Hütte des Mübarek.«
»Sihdi!« sagte Halef. »Da müssen wir fort, augenblicklich fort, hinauf auf den Berg. Wir schießen sie nieder, sonst geht es uns an das Leben.«
»Warte! Wir müssen erst alles wissen. Sage uns, Nebatja, wie viele ihrer waren.«
»Die drei Fremden, der Mübarek und der Kodscha Bascha.«
»Was? Der Kodscha Bascha war dabei?«
»Ja; er selbst hat sie herausgelassen und von dem Mübarek fünftausend Piaster dafür erhalten.«
»Weißt Du das gewiss?«
»Ich habe es deutlich gehört.«
»So erzähle, aber alles doch nur kurz! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Ich hatte den Distelkönig geholt und wollte zurückkehren – über die Lichtung. Da sah ich vier Männer kommen, in der Richtung aus der Stadt. Ich wollte mich nicht sehen lassen und huschte in die Ecke, welche die Hütte mit der Mauer bildet, an die sie stößt. Die vier Männer wollten in die Hütte treten, welche aber verschlossen war. Drei von ihnen kannte ich nicht; der Vierte aber war der Mübarek. Sie sprachen davon, dass der Richter sie nun frei gelassen habe und gleich kommen werde, um sich fünftausend Piaster dafür zu holen. Wenn sie ihn bezahlt hätten, wollten sie fort; aber rächen müssten sie sich an Euch. Der eine sagte, Du würdest jedenfalls nach Radowich und Istib reiten. Unterwegs sollten Euch da die Aladschy anfallen.«
»Wer sind die Aladschy?«
»Ich weiß es nicht. Dann kam der Kodscha Bascha. Weil niemand den Schlüssel hatte, traten sie die Türe mit den Füßen ein. Es wurde Licht gemacht und ein Laden geöffnet, gleich da, wo ich versteckt war. Aus dem Laden kamen Vögel, Fledermäuse und andere Tiere heraus, welche der Mübarek frei ließ. Da fürchtete ich mich und floh und rannte so schnell wie möglich nach der Stadt und zu Dir. Das ist es, was ich Dir zu sagen habe.«
»Ich danke Dir, Nebatja; morgen sollst Du Deine Belohnung dafür haben. Geh jetzt heim! Ich habe nicht länger Zeit.«
Nun kehrte ich in das Haus zurück. Zu wecken brauchte ich niemanden. Dass man mir geklopft hatte, war ein sicheres Zeichen gewesen, es sei etwas vorgefallen. Nach kaum zwei Minuten waren wir bewaffnet und unterwegs: Halef, Osco, Omar und ich. Die beiden Wärter hatten die Stadt alarmieren wollen, ich aber hatte es ihnen verboten; denn die Flüchtlinge hätten den Lärm hören müssen und wären durch denselben gewarnt worden. Ich beauftragte die Wärter, im Stillen noch einige tapfere Männer zu holen und mit ihnen die nach Radowich führende Straße zu besetzen. So mussten ihnen die Flüchtlinge auf alle Fälle in die Hände laufen, wenn es uns nicht vorher gelang, sie unschädlich zu machen.
Wir vier eilten zunächst den Bergpfad empor; dann aber, als wir den Wald erreichten, waren wir gezwungen, langsamer zu gehen. Da das Terrain nicht offen war, mussten wir uns in Acht nehmen, nicht zu stürzen. Der Weg ging steil bergan, und der Boden war zwischen den Bäumen mit Steinen besät, da das herabströmende Regenwasser allmählich die weicheren Erdbestandteile weggewaschen hatte.
Da war es mir, als ob ich vor uns einen scharfen, spitzen Menschenlaut vernehme, wie wenn jemand im Schrecken ein hohes, kurzes ›I‹ ausstößt. Dann hörte ich einen dumpfen Schall, wie wenn jemand stürzt.
»Halt!« flüsterte ich den anderen zu. »Es ist ein Mensch da vor uns. Bleibt stehen und verhaltet euch ganz ruhig.«
Nach wenigen Augenblicken näherten sich uns langsame Schritte. Sie waren unregelmäßig, denn der Mann setzte den einen Fuß langsamer und auch leiser vorwärts als den anderen. Er hinkte. Vielleicht hatte er sich bei dem Fall verletzt.
Jetzt war er ganz nahe vor mir. Die Nacht war nicht hell, und hier zwischen und unter den Bäumen lagerte nun gar eine dicke Finsternis. Darum ließ mich mehr der Instinkt als das Auge eine lange dünne Gestalt erkennen, ganz ähnlich derjenigen des Kodscha Bascha.
Ich fasste ihn bei der Brust.
»Du! Halt und schweig!« gebot ich ihm mit unterdrückter Stimme.
»Ia Allah!« rief er erschrocken.
»Sei still, sonst schlage ich dich nieder.«
»Wer bist du?« fragte er.
»Kennst du mich nicht?«
»Ah, du bist der Fremde! Was willst du hier?«
Vielleicht hörte er es an meiner Stimme, vielleicht auch war meine Gestalt besser zu erkennen als die seinige – er wusste, wen er vor sich hatte.
»Und du, wer bist du?« fragte ich. »Wohl gar der Kodscha Bascha, welcher die Gefangenen freigelassen hat!«
»Ej müdschizat! O Wunder!« schrie er laut. »Er weiß es!«
Er machte einen Seitensprung, um sich zu befreien. Ich hielt zwar fest, da ich wohl einen Fluchtversuch erwartet hatte; aber sein alter, morscher Kaftan hielt nicht so fest wie ich. Ein Riss, und ich hatte ein Stück des Zeuges in der Hand, und der Mann sprang unter die Bäume hinein, wo eine Verfolgung ganz nutzlos gewesen wäre. Dabei schrie er aus Leibeskräften:
»Hajde, sa–usch kulibeden, choriadscha, tschapuk – fort, fort aus der Hütte, rasch, schnell!«
»O Sihdi, was bist du für ein Budala!« sagte Halef. »Hast den Kerl schon beim Schopf und lässt ihn doch wieder los! Wenn ich das getan hätte, so –«
»Still!« unterbrach ich ihn. »Zu Vorwürfen haben wir jetzt keine Zeit. Wir müssen schnell zur Hütte, denn sein Warnungsruf lässt vermuten, dass sie dort sind.«
Da erschallte von oben herab ein fragender Ruf:
»Nitschün, ne deji – warum, aus welchem Grund?«
»Jabandschylar, edschnebiler! Katschyn, koschyn, sytschryn – die Fremden, die Fremden! Flieht, lauft, springt!« antwortete der Flüchtende von der Seite her.
Jetzt befleißigten wir uns natürlich der größtmöglichen Eile; aber der holprige Weg hielt uns doch zu sehr auf. Wir waren nur wenige Schritte weit fortgekommen, da tat es eben einen Krach: wir sahen einen Feuerstrahl emporschießen, dann wurde es für einige Augenblicke wieder dunkel.
»Sihdi, bir top fischenkler ile – Herr, das war eine Kanone mit Raketen!« meinte Halef, indem er hinter mir her keuchte. »O Allah, es brennt sogar noch!«
Wir sahen jetzt zwischen den Baumstämmen hindurch einen Feuerschein, und als wir dann den freien Platz erreichten, lag die Hütte vor uns, über und über brennend. Und von dort her rief eine Stimme:
»Dort kommen sie! Seht ihr sie? Gebt Feuer!«
Wir waren vom Flammenschein hell erleuchtet und boten also ein sehr sicheres Ziel.
»Zurück!« rief ich und tat zu gleicher Zeit einen Sprung, der mich hinter den nächsten Baum brachte.
Die anderen folgten augenblicklich meinem Beispiel, und just noch zur rechten Zeit, denn es krachten drei Schüsse auf uns, von denen aber keiner traf.
Noch im Sprung hatte ich das Gewehr emporgemommen. Der Aufblitz der Schüsse musste mir die Stelle verraten, an welcher sich die Halunken befanden. Ich drückte keine Sekunde später ab als sie und hatte getroffen, denn eine Stimme schrie:
»Ej felaket, bre ha! Jaralanmyschim! – O Unglück, zu Hilfe! Ich bin verwundet!«
»Drauf und dran!« rief der tapfere kleine Hadschi Halef Omar, indem er hinter seinem Baum hervorsprang.
»Halt!« warnte ich, ihn am Arm erfassend. »Sie haben vielleicht zwei Läufe.«
»Mögen sie hundert haben, die Schurken, ich haue sie nieder!«
Er riss sich los, drehte sein Gewehr um und sprang über den hell erleuchteten Platz. Da blieb uns nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Es war zwar sehr gefährlich, aber glücklicherweise war da drüben kein Doppelgewehr vorhanden, und zum Wiederladen hatten sie auch keine Zeit gehabt. Wir gelangten mit heiler Haut zu dem Felsen, an welchem die Schüsse gefallen waren; doch war dies auch der einzige Erfolg, den uns der unvorsichtige Sturmlauf einbrachte. Es befand sich niemand mehr da.
»Sihdi, wo sind sie?« fragte Halef. »Hast du eine Ahnung davon?«
»Wo sie sind? Nein! Aber wie sie sind, das weiß ich sehr genau.«
»Nun, wie denn?«
»Gescheiter als wir, vor allen Dingen gescheiter als Du.«
»Willst Du mich schon wieder tadeln?«
»Du verdienst es. Wir hätten sie ganz sicher ergriffen, wenn Du nicht ausgebrochen wärest.«
»Auf welche Weise denn?«