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Durch das Land der Skipetaren ist der fünfte Teil des sechsbändigen Orientzyklus von Karl May. Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef, Osco und Omar kommen auf der Suche nach dem Schut und der Verfolgung der Verbrecher nach Albanien, dem Land der Skipetaren. Auch hier entkommen sie nicht ohne Mühe aus verschiedensten Gefahren. Zum Orientzyklus gehören: Durch die Wüste, Durchs wilde Kurdistan, Von Bagdad nach Stambul, In den Schluchten des Balkan, Durch das Land der Skipetaren, Der Schut.
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Titelseite
Entlarvt
Die beiden Aladschy
Ein Hekim
Im Turme der alten Mutter
In Wassersnot
Karl May
Durch das Land der Skipetaren
(Orientzyklus Band 5)
Basel, 2015
(Dies ist keine Ausgabe des Karl May Verlag)
Die Dämmerung war eingetreten. Auf dem Weg zum Gerichtsgebäude standen viele Menschen. Sie hatten im Hof keinen Platz mehr gefunden und sich hier aufgestellt, um uns wenigstens kommen zu sehen.
Als wir den Hof betreten hatten, wurde das Tor hinter uns verschlossen. Das war für uns kein gutes Zeichen. Der Mübarek hatte seinen Einfluß aufgeboten und zwar nicht ohne Erfolg, wie es schien.
Wir konnten kaum durch die Menge bis an den Platz des Verhöres gelangen. Wo vorher nur ein Stuhl gestanden hatte, war jetzt noch eine lange Bank aufgestellt. Der Apparat zur Bastonnade lag noch an derselben Stelle.
Man hatte Öl in Gefäße gegossen, Werg hinein getan und dasselbe angebrannt. Diese Flammen ließen alles in einem abenteuerlichen Licht erscheinen.
Die Herren vom Gericht befanden sich im Innern des Hauses. Unsere Ankunft wurde ihnen gemeldet. Die Khawassen postierten sich so um uns, daß sie den Weg nach dem Tor versperrten. Da dasselbe verschlossen war, so ließ sich dieses Verhalten der Polizisten doppelt bedenklich für uns deuten.
Lautlose Stille herrschte rundum. Jetzt erschienen die fünf Herren, und sofort zogen die Khawassen blank.
»O Allah!« sagte Halef. »Wie wird es uns ergehen, Sihdi! Ich zittere vor Angst.«
»Ich ebenso.«
»Soll ich diesen dummen Menschen, die da glauben, uns mit ihren Säbeln bange zu machen, meine Peitsche schmecken lassen?«
»Keine Dummheit! Du warst heut schon einmal voreilig und trägst die Schuld, daß wir uns überhaupt hier befinden.«
Die fünf Richter hatten Platz genommen: der Kodscha Bascha auf dem Stuhl und die Anderen auf der Bank. Ein Frauenzimmer drängte sich aus der Menge herbei und nahm hinter dem Naïb Stellung. Ich erkannte Nohuda, die Erbse, welche ihrer Schönheit mit Eisenocker nachhalf. Der Stellvertreter war also wohl ihr glücklicher Ehemann. Er hatte sehr nichtssagende Gesichtszüge.
Zunächst dem Kodscha Bascha saß der Mübarek. Er hatte ein Papier quer über das Knie gelegt. Zwischen ihm und seinem Nachbar stand ein kleiner Topf. Da eine Gänsefeder in demselben steckte, so vermutete ich, daß er die Tinte enthalte.
Der Kodscha Bascha wackelte mit dem Kopfe und räusperte sich auffällig. Dies war das Zeichen, daß die Verhandlung beginnen solle. Er begann mit krähender, weithin schallender Stimme:
»Im Namen des Propheten und im Namen des Padischa, dem Allah tausend Jahre verleihen wolle! Wir haben diese Kasa zusammenberufen, um über zwei Verbrechen zu urteilen, welche sich heute in unserer Stadt und in deren Nähe ereignet haben. Selim, tritt vor! Du bist der Ankläger. Erzähle nun, was mit Dir geschehen ist.«
Der Khawaß trat in die Nähe seines Herrn und erzählte. Was wir zu hören bekamen, war geradezu lächerlich. Er hatte sich in der angestrengtesten amtlichen Tätigkeit befunden und war von uns mörderisch überfallen worden. Nur durch Unerschrockenheit und durch die tapferste Gegenwehr war es ihm gelungen, sein Leben zu retten, sagte er.
Als er geendet hatte, fragte ihn der Kodscha:
»Und welcher ist es, der Dich schlug?«
»Dieser hier ist es,« antwortete er, auf Halef deutend.
»So kennen wir nun ihn und seine Tat und werden zur Beratung schreiten.«
Er begann mit seinen Beisitzern zu flüstern, und erklärte nach einer Weile mit lauter Stimme:
»Die Kasa hat beschlossen, daß der Verbrecher auf jede Fußsohle vierzig Hiebe erhalten und dann vier volle Wochen eingesperrt werden soll. Das verkündigen wir im Namen des Padischa. Allah segne ihn!«
Halef's Hand fuhr an den Griff seiner Peitsche. Ich mußte mir Mühe geben, nicht laut aufzulachen.
»Jetzt kommt das zweite Verbrechen,« verkündete der Beamte. »Mawunadschi, tritt vor, und erzähle!«
Der Fährmann gehorchte dieser Aufforderung. Er hatte jedenfalls mehr Angst als ich. Aber ehe er seinen Bericht beginnen konnte, wendete ich mich in sehr höflichem Ton an den Kodscha Bascha:
»Willst Du vielleicht die Gnade haben, Dich einmal zu erheben?«
Er stand ahnungslos von seinem Stuhl auf. Ich schob ihn zur Seite und setzte mich nieder.
»Ich danke Dir,« sagte ich. »Es ziemt dem Niedrigen, dem Hohen Ehrerbietung zu erweisen. Du hast ganz recht getan.«
Jammerschade, daß es unmöglich ist, sein Gesicht zu beschreiben. Der Kopf geriet in ein gefährliches Pendeln. Er wollte reden, brachte aber vor Entsetzen kein Wort hervor. Darum streckte er, um wenigstens durch die Pantomime seine Entrüstung auszudrücken, die dürren Arme aus und schlug die Hände über dem wackelnden Kopfe zusammen.
Kein Mensch sagte ein Wort. Kein Khawaß rührte sich. Man wartete auf den Zornesausbruch des Gebieters. Dieser fand glücklicherweise die Sprache wieder. Er brach in eine Reihe unbeschreiblicher Interjectionen aus und schrie mich dann an:
»Was fällt Dir ein! Wie kannst Du eine solche Unverschämtheit begehen und – –«
»Hadschi Halef Omar!« unterbrach ich ihn laut. »Nimm Deine Peitsche. Denjenigen, welcher noch ein einziges unhöfliches Wort zu mir sagt, beschenkst Du mit Hieben, bis ihm die Haut zerplatzt; mag er sein, wer er will!«
Der kleine Hadschi hatte sofort die Peitsche in der Hand.
»Emir, ich gehorche,« sagte er entschlossen. »Gib mir nur einen Wink.«
Es fehlte leider die Beleuchtung, sonst hätte man erstaunte Gesichter sehen können. Der Kodscha Bascha wußte offenbar gar nicht, wie er sich verhalten sollte. Da flüsterte ihm der Mübarek einige Worte zu, worauf er den Khawassen befahl:
»Nehmt ihn gefangen! Schafft ihn in den Keller!«
Er deutete auf mich.
Die Polizisten traten herbei, mit blanken Säbeln in den Händen.
»Zurück!« rief ich ihnen zu. »Wer mich anrührt, den schieße ich nieder!«
Ich hielt ihnen die beiden Revolver entgegen, und im nächsten Augenblick sah ich keinen einzigen Khawassen mehr. Sie hatten sich in das Publikum verloren.
»Was erregt Deinen Zorn?« fragte ich den Kodscha. »Warum stehst Du? Warum setzest Du Dich nicht? Laß den Mübarek aufstehen und setze Dich auf seinen Platz.«
Jetzt ging ein Gemurmel durch die Menge. Daß ich den Kodscha beleidigte, hatte ihnen noch im Bereich der Möglichkeit gelegen; aber daß ich nun auch den Heiligen angriff, das war denn doch zu viel gewagt. Man begann, zu murren.
Das gab dem Kodscha eine bedeutende Energie. Er rief mir zornig zu:
»Mensch, sei Du, wer Du willst, aber für eine solche Frechheit werde ich Dich auf das Allerstrengste bestrafen. Der Mübarek ist ein Heiliger, ein Liebling Allah's, ein Wundertäter. Wenn er will, kann er Feuer vom Himmel auf Dich fallen lassen!«
»Schweig', Kodscha Bascha! Wenn Du reden willst, so halte eine klügere Rede. Der Mübarek ist weder ein Heiliger, noch ein Wundertäter. Er ist vielmehr ein Verbrecher, ein Schwindler und Bösewicht!«
Da wurden im Publikum drohende Stimmen laut. Noch lauter aber wurde die Stimme des Mübarek selbst. Er hatte sich erhoben, streckte die Hand gegen mich aus und rief:
»Er ist ein Giaur, ein ungläubiger Hund. Ich verfluche ihn. Möge sich die Hölle unter ihm öffnen und die Verdammnis ihn verschlingen. Die bösen Geister werden – –«
Weiter kam er nicht. Mein kleiner Hadschi hatte ausgeholt und ihm mit der Peitsche einen solchen Jagdhieb versetzt, daß der alte Sünder sich unterbrach und einen mächtigen Luftsprung machte.
Das war ein gewaltiges Wagnis, wie sich sogleich zeigte. Nach einem Augenblick drohender Stille schallten von allen Seiten Schreie des Zornes im Publikum. Die Hinteren drängten nach vorn. Die Sache konnte verhängnißvoll werden. Da trat ich schnell an die Seite des Mübarek und rief, so laut ich konnte:
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