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In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. E-Book 55: Ich warte auf Dich... E-Book 56: Eifersucht in Adelskreisen E-Book 57: Opfer einer Familienfehde E-Book 58: Rückkehr auf den Rosenhof E-Book 59: Sie spielte die Rolle der Braut E-Book 60: Julianes Prinzenmärchen E-Book 1: Ich warte auf Dich... E-Book 2: Eifersucht in Adelskreisen E-Book 3: Opfer einer Familienfehde E-Book 4: Rückkehr auf den Rosenhof E-Book 5: Sie spielte die Rolle der Braut E-Book 6: Julianes Prinzenmärchen
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Seitenzahl: 772
Ich warte auf Dich...
Eifersucht in Adelskreisen
Opfer einer Familienfehde
Rückkehr auf den Rosenhof
Sie spielte die Rolle der Braut
Julianes Prinzenmärchen
Fast ängstlich ist der Blick der großen grauen Augen Janines, als sie den Mann anschaut, der ihrem Blick standhält.
»Was wollen Sie denn eigentlich von mir?« fragt sie leise und weiß nicht, warum sie so furchtsam ist.
»Ich möchte Sie bewahren, Fräulein zur Linden, davor bewahren, eine Riesendummheit zu machen«, sagt er ernst.
»Ich verstehe nicht«, stammelt Janine, »wieso kommen Sie denn dazu? Ich weiß nicht, aber ich fürchte mich.«
»Wenn ich Sie wäre«, erklärt er offen, »dann würde ich mich auch fürchten, Fräulein zur Linden, glauben Sie mir!«
»Aber warum denn nur?«
»Sind Sie denn wirklich so ahnungslos? Kann ein Mensch denn überhaupt so ahnungslos sein?« erregt er sich. »Sie wissen doch, daß es nur ein Geschäft ist, was man morgen mit Ihnen vorhat.«
»Sie sprechen von meiner Hochzeit!« sagt sie nun aber empört!
»Ja, ja, von Ihrer Hochzeit rede ich und von nichts anderem«, stößt er wütend hervor, »aber ich weiß, daß es nur ein Geschäft sein wird, nichts anderes!«
»Aber für diese – ungeheuerlichen Behauptungen müssen Sie doch einen Grund haben«, sagt sie angstvoll, »wie kommen Sie dazu, mir solche Dinge zu sagen?«
»Wieso?« Er lacht hart und kalt auf, so daß sie fühlt, wie ihr ein Schauer über den Rücken fliegt, »ich habe meine Gründe, Fräulein zur Linden!«
»Dann sagen Sie es mir! Sie können mir doch nicht nur solche Andeutungen machen. Ich – ich liebe meinen Verlobten.« Das letzte stößt sie leise, fast unhörbar hervor. Da schaut er sie überrascht an.
»Das habe ich nicht gewußt. Ich – ich dachte, er sei Ihnen vielleicht gleichgültig. Aber wenn Sie ihn lieben… Das erschwert meine Mission natürlich bedeutend.«
»Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, was eigentlich los ist«, sagt Janine energisch und sieht ihn groß und fordernd an. Sie ist sehr schön, die kleine Janine zur Linden, aber sie ist auch hilflos und sehr sanft. Es ist ihr, seit sie im Hause des Onkels lebt – und das ist, solange sie denken kann – nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen, sich gegen etwas aufzulehnen.
»Erich von Osten ist ein schöner Mann«, sagt der Unbekannte an ihrer Seite nachdenklich, und etwas wie Grimm steht in seinem herrischen Gesicht geschrieben, »ich weiß das sehr gut. Es gelang ihm alles im Leben, um das andere Menschen haben hart kämpfen müssen. Ich habe ihn niemals bekämpft. Aber wenn er jetzt auch sein Spiel mit einem Menschenherzen treiben will, dann werde ich ihm offenen Kampf ansagen.«
»Ja, ja«, Janine zittert leicht, »ich verstehe nur nicht, was das alles zu bedeuten hat.«
»Sehen Sie, Fräulein zur Linden, Erich von Osten hat zwanzig Prozent der Aktien der Chemie-Werke. Sie selbst besitzen dreißig Prozent, die Ihnen morgen überschrieben werden. Wenn Sie also Erich von Osten heiraten, besitzt er Ihren Anteil mit, und was das bedeutet, das wissen Sie hoffentlich.«
»Erich besitzt nur zehn Prozent«, flüstert Janine und zieht die Schultern zusammen, »ich weiß es genau.«
»Dann hat er aber immerhin noch vierzig Prozent in der Hand, wenn Sie ihn heiraten, Fräulein zur Linden. Und das will er. Ihr Onkel besitzt auch zehn Prozent. Ein hübsches Kapital, das sich da anhäuft. Ihr Onkel und Erich von Osten werden die Macht besitzen, weil die Aktien zusammenkommen. Und das ist es, was Erich anstrebt.«
»Das glaube ich nicht«, sagt Janine und wendet sich ab. Hoch aufgerichtet und stolz geht sie davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Und Reginald schaut ihr verdutzt nach, zuckt die Schultern und geht an der Parkmauer entlang zurück den Weg, den er gekommen ist zu seinem kleinen Gasthaus.
Es ist nichts zu retten. Das Mädchen glaubt mir nicht, denkt er fast wütend und sieht wieder zwei angstvolle graue Augen auf sich ruhen, mit einem Ausdruck, der ihm ins Herz schneidet.
Ich sollte mich lieber raushalten, denkt er zornig, ich kann ja doch nichts ändern. Aber dieses Mädchen ist zu schade für Erich, sie wird an ihm zugrunde gehen.
Wütend wischt er mit der Hand durch die Luft. Es bleibt mir ja nichts anderes übrig, ich muß den Dingen ihren Lauf lassen.
*
»Wo kommst du her, Janine?« fragt Erich von Osten und sieht das Mädchen vorwurfsvoll an. »Du weißt doch, daß wir eine Menge zu besprechen haben. Und wir können nicht den ganzen Tag damit vertrödeln, auf dich zu warten.«
»Verzeih«, murmelt sie und sieht zum ersten Mal in seinem Gesicht den blasierten Zug, »ich war spazieren und habe mich verspätet.«
»Ich liebe das nicht sonderlich, Janine«, sagt er und geht mit ihr in das große Haus.
»Endlich«, sagt auch der Onkel tadelnd und wirft der Nichte einen wütenden Blick zu. »Setz dich!«
Erich von Osten setzt sich zu seiner Braut auf die Lehne des dunklen Sessels, während sich Friedrich zur Linden erhebt und mit auf dem Rücken verschlungenen Händen durch das dunkle Zimmer geht. Er ist eine imposante Erscheinung, der alte Friedrich zur Linden, aber er flößt Janine auch immer Furcht ein.
»Wir haben dich hergebeten, um einige Dinge geschäftlicher Art mit dir zu besprechen, Janine.«
Es ist nur ein Geschäft, was man mit Ihnen vorhat, hört Janine eine Männerstimme sagen und sieht ein erregtes Gesicht vor sich, braungebrannt und mit herrischen Zügen.
»Ja, Onkel«, entgegnet sie leise. Sie bemerkt den zufriedenen Blick, den die beiden Männer miteinander tauschen, sie sieht ihn ganz genau. Und obwohl sie sich einreden will, daß es Täuschung sei, weiß sie, daß es nicht so ist.
Sie wird keinerlei Schwierigkeiten machen, die Kleine, heißt dieser Blick. Sie hat keine Ahnung von geschäftlichen Dingen.
»Du weißt, daß dein Vater dir seinen Aktienanteil vermacht hat. Und morgen gehen diese Aktien in deinen Besitz über, Janine. Da du, wie du ja einsehen wirst, keine Ahnung von den geschäftlichen Dingen hast, wirst du jetzt Erich eine Vollmacht geben, daß du damit einverstanden bist, daß er sein Vermögen mit dem deinen zusammen verwaltet.«
»Wozu? Ich möchte Erich nicht noch mehr Arbeit aufhalsen.« Janine lächelt.
»Das ist sehr nett und rücksichtsvoll von dir, mein liebes Kind, aber Geschäft ist eben Geschäft.«
»Warum soll ich Erich eine Vollmacht geben? Ich kann doch mein Vermögen selbst verwalten«, erklärt Janine.
Die beiden Männer werfen ihr einen forschenden, mißbilligenden Blick zu.
»Schäfchen«, sagt Erich von Osten überheblich, »aber davon hast du doch keine Ahnung.«
»Das läßt sich erlernen. Es macht mir Spaß, selbst bestimmen zu können. Ist es wahr, daß mein Anteil dreißig Prozent ausmacht, Onkel Friedrich?«
»Woher weißt du denn das plötzlich so genau?« fragt der alte Mann ungeduldig, daß nicht alles so geht, wie er es sich ausgedacht hat.
»Man hat es mir erzählt«, erklärt sie ruhig.
»Also, du gibst Erich die Vollmacht, und dann ist alles in Ordnung!«
Janine erhebt sich und schaut den Onkel fragend und neugierig an.
»Wollen wir das nicht lieber auf morgen verschieben, Onkel? Ich habe heute gar keine Lust, mich über diese Dinge zu unterhalten.«
Er sieht aus, als wolle Friedrich zur Linden wütend auffahren, aber ein Wink Erichs läßt ihn verstummen.
»Gut, mein Schäfchen«, der junge wirklich gutaussehende Mann lächelt freundlich, »gut, sprechen wir ein andermal davon, schließlich sind diese Dinge auch nicht so wichtig.«
Er liebt mich, denkt Janine froh und wäre fast bereit, die geforderte Unterschrift zu erteilen, er liebt mich doch, er ist sehr rücksichtsvoll.
»Ich möchte jetzt gehen, ich habe noch eine Menge vorzubereiten, Onkel Friedrich«, sagt sie und verläßt das Zimmer. Sie weiß, daß sie noch nie ihres Onkels Wünsche mißachtet hat, aber heute kann sie einfach nicht anders, zu frisch ist noch der Eindruck dessen, was der Fremde ihr draußen an der Parkmauer sagte.
Zurück bleiben zwei Männer, die sich wütend ansehen. Aber dann lächelt Erich dem alten Mann beruhigend zu.
»Laß mich nur machen, das sind Mädchenlaunen. Sie will sich ein wenig in dem Gefühl sonnen, nun Aktionärin der Chemie-Werke zu sein. Und es ist echt fraulich, daß sie mich zappeln lassen will.«
»Aber du weißt, daß fünfzig Prozent der Aktien an einen Unbekannten verkauft wurden, ehe wir zugreifen konnten. Dieser Mensch hat jetzt eine gefährliche Macht. Er hat die absolute Mehrheit und kann uns alle samt und sonders an die Wand drücken, wenn er nur will.«
»Daß das nicht geschieht, das laß nur meine Sorge sein. Janine ist wie Wachs in meinen Händen. Ich verstehe etwas von Frauen, das kannst du mir glauben. Ich werde in spätestens einer Woche die Vollmacht haben. Wir werden ihr schöne Reisen ermöglichen, sie soll sich mit allem möglichen Luxus umgeben, und dann werden wir in Ruhe das Kapital arbeiten lassen können.«
Sie nicken sich zufrieden zu und sind sich wieder einmal einig.
*
Janine konnte nicht schlafen, die ganze Nacht mußte sie an den Fremden denken. Immer wieder sah sie das markante Männergesicht vor sich, hörte eine eindringliche Stimme, die immer das gleiche sagte:
»Wissen Sie nicht, daß es ein Geschäft ist, das man mit Ihnen vorhat, Fräulein zur Linden?«
Nein, denkt sie dann immer, nein, es ist kein Geschäft, er hat mir doch gesagt, daß er mich liebt.
Schon sehr früh erhebt sie sich und schlüpft durch die Hintertür in den Park. Heute ist mein Hochzeitstag, der Tag, auf den ich mich gefreut habe, der der schönste meines Lebens werden soll.
Ach, lieber Gott, verzeihe mir, wenn ich Erich Unrecht tue mit meinen Zweifeln und meinen schlimmen Gedanken. Ich werde seine Frau werden, und ich werde ihm die Unterschrift geben. Er hat mir selbst gesagt, daß er mich liebt, und er wird doch nicht ein so schändliches Spiel mit meinem Herzen treiben.
Langsam kehrt sie in das große, schloßartige Haus zurück und bleibt unwillkürlich in der Halle stehen, als sie ihren Namen nennen hört. Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, geht sie dem Klang dieser Stimme nach. Das sind der Onkel und Erich, weiß sie und spürt, wie die Furcht wieder mit harten Krallen nach ihr greift.
»Ach was, ich weiß nicht, was du immer hast«, sagt Erich von Osten gerade recht ungeduldig, »ich verstehe dich wirklich nicht. Janine liebt mich, sie wird mir die Unterschrift geben, und damit ist der Fall erledigt. Ich bin nur froh, daß sie ein so niedliches, kleines Mädchen ist, sonst wäre es mir wirklich schwer geworden, sie zu heiraten. Ja, ich glaube, ich kann sie sogar lieben, wenn ich mir Mühe gebe.«
Janine steht da wie erstarrt.
Er liebt mich nicht, denkt sie und rennt dann wie gehetzt nach oben in ihr Zimmer. Sie wirft sich zitternd auf das Bett und starrt zur Zimmerdecke. Er liebt mich ja gar nicht. Der Fremde hat recht, als er sagte, er wolle nur ein gutes Geschäft machen.
Ich kann ihn doch nicht heiraten. Ich kann nicht, ich würde mir unsagbar gedemütigt vorkommen, wenn ich nach dieser Erkenntnis noch heiraten würde.
Plötzlich hat sie ein unsinniges Verlangen danach, noch einmal mit dem Fremden zu reden. Sie glaubt ganz sicher, daß er ihr helfen, raten könnte. Aber er ist nicht da. Sie hat ihm nicht geglaubt, sie hat ihn einfach stehen lassen, sie hat nichts mehr hören wollen. Und dabei sprach er die Wahrheit. Aber sie, Janine, hat nicht an diese Wahrheit glauben wollen.
Es ist ein Geschäft!
Sie erhebt sich.
Lange steht sie am Fenster und starrt mit blickleeren Augen hinaus auf die blühenden Bäume. Als sie sich wieder umwendet, um sich anzukleiden, ist sie wie umgewandelt.
Streng sind ihre Züge, herrisch, unbeugsam. Ich werde dem Namen zur Linden keine Schande bereiten. Ich werde mein Wort halten, aber er wird einsehen, daß man auch mit mir als Aktionärin der Chemie-Werke rechnen muß. Und man muß mit mir rechnen.
*
Niemand sieht ihr an, als sie blaß, aber beherrscht und freundlich herunterkommt, welche Kämpfe sie ausgestanden hat. Niemand sieht ihr an, daß eine Wandlung mit ihr vorgegangen ist. Und niemand weiß, daß Janine zur Linden von Stund an eine Feindin ist, die sich nicht unterkriegen lassen wird, die auch den unbeugsamen Willen der zur Lindens geerbt hat, der durch das Leid des heutigen Tages zum Ausdruck gekommen ist.
Janine ist freundlich und damenhaft, als sie den Verlobten begrüßt, sie schenkt ihm den Kaffee ein wie immer, wenn sie zusammen frühstücken, und sie lächelt auch, als sie miteinander in die Stadt zum Standesamt fahren.
Nur als Erich von Osten ihren Mund küssen will, da beugt sie sich ein wenig zurück, so daß seine Lippen nur ihre Wange streifen.
Ich könnte seine Küsse nicht ertragen, denkt sie wütend. Ich möchte sie auch niemals ertragen müssen. Und es ist besser, wenn ich es ihm heute noch sage, damit er weiß, was er von mir zu halten hat.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten sind laut, konventionell, nicht ein bißchen herzlich. Janine sitzt puppenhaft starr da, und sie sieht aus wie eine schöne Statue, in weißen Marmor gehauen. Der Schleier macht sie noch zarter und lieblicher. Und das weiße Kleid läßt sie blasser erscheinen.
Janine lächelt gekünstelt, sie tanzt mit den Gästen, sie plaudert, aber über ihr liegt eine Grabeskälte.
Mädchenhafte Scheu, denkt Erich von Osten, wenn er fühlt, wie sie ganz steif in seinen Armen wird, wenn er mit ihr tanzt. Und dabei spürt er, wie sein Blut zu pulsen beginnt, wie sein Herz hämmert, und wie er Janine immer begehrenswerter findet.
Oh, er ist mir widerlich, denkt Janine und möchte in lautes, verzweifeltes Weinen ausbrechen, wenn sie sieht, mit welch besitzergreifender Miene er sie im Arm hält. Ich ekle mich vor ihm.
Sie sieht wieder das braungebrannte, offene, sympathische Männerantlitz und versteht nicht, wieso sie immerzu an den Fremden denken muß, den sie doch nur ein einziges Mal gesehen hat, der ihr noch dazu die Illusionen genommen hat, der all ihre Träume von der Ehe zerstörte, mit ein paar dürren, mitleidsvollen Worten, die eine Welt in ihr zertrümmerten.
Und nach diesem Mann, der mir ohne Schonung, mit fast brutaler Offenheit ins Gesicht sagte, daß alles nur ein Geschäft sei, nach diesem Mann sehne ich mich.
Es ging etwas Beschützendes, Kraftvolles von ihm aus, das ich mir nicht erklären kann. Ihn könnte ich zum Freund haben, seinen Wünschen könnte ich mich auch willig unterwerfen.
Aber er ist nicht da. Ich habe ihn stehenlassen, ich habe ihm nicht geglaubt. Und er sah nicht danach aus, als ob er sich noch einmal die Mühe machen würde, sich um mich zu kümmern. Nein, das wird er ganz sicher nicht.
Sie wirft den Kopf in den Nacken.
Ich bin eine zur Linden, und ich werde mir schon selbst zu helfen wissen. Ich werde mir auch die mir heute noch fehlenden Kenntnisse aneignen, um mein Vermögen selbst verwalten zu können.
»Komm, mein Schäfchen«, sagt Erich neben ihr, »es wird Zeit, daß wir uns umkleiden!«
Sie nickt und geht neben ihm hinaus. Er sieht sie von der Seite her an und findet sie wieder einmal ungeheuer begehrenswert und schön. Er möchte sie küssen, er möchte sie besitzen, er möchte ihr beweisen, daß er nicht nur ein ausgezeichneter Geschäftsmann ist, sondern auch ein leidenschaftlicher, glühender Liebhaber.
Schweigend und in sich gekehrt sitzt Janine neben ihrem Gatten im Wagen. Sie schaut hinaus, aber sie sieht einfach nichts von der Landschaft, die an ihr vorübergleitet.
Am späten Abend kommen sie in München an. Erich von Osten lächelt, sehr geschmeichelt und sehr überheblich lächelt er, als er sieht, wie verlegen seine Frau dasteht, als der Portier eifrig dienert und ihnen versichert, sie würden mit ihrem Zimmer ganz bestimmt zufrieden sein.
Aber ihm vergeht das Lächeln sehr schnell, als Janine den Kopf in den Nacken wirft und freundlich, aber sehr bestimmt fragt:
»Verzeihung, handelt es sich um ein oder um zwei Zimmer?«
»Um ein Doppelzimmer, genau nach der Bestellung, gnädige Frau«, der Portier wird auch unsicher.
Doch Janine lächelt ihm freundlich und beruhigend zu und sagt dann bestimmt:
»Das ist ein Irrtum. Ich möchte ein eigenes Zimmer haben!«
»Aber, Janine!« Erich von Osten ist wütend, er hat nicht damit gerechnet, daß Janine so energisch auf ihren Wünschen beharren wird. Aber dann, als sie ihn ruhig anschaut und kopfschüttelnd sagt: »Es tut mir leid, Erich, aber ich bin gewöhnt, mein eigenes Zimmer zu bewohnen«, wird er ruhiger.
»Wie du willst, Janine.« Er lächelt höflich und verneigt sich. Sie nickt nur und sieht so aus, als wolle sie sagen, daß sie auch nichts anderes von ihm erwartet habe. Das macht ihn wieder ungeduldig und ungerecht und läßt seine ganze Unbeherrschtheit wieder aufsteigen.
Äußerlich ruhig und beherrscht – Erich von Osten weiß, was sich gehört – geht er neben ihr die teppichbelegte Treppe hinauf. Und vor ihrer Zimmertür, als sich Janine mit einem leichten Kopfnicken verabschieden will, sagt er hart:
»Du erlaubst, daß ich eintrete, Janine, ich habe mit dir zu reden.«
Sie neigt den schönen Kopf mit den üppigen roten Locken und sagt ohne eine Spur von schlechtem Gewissen:
»Bitte, gern, warum nicht.«
Er verbeugt sich, läßt ihr höflich den Vortritt und lehnt sich dann gegen einen Sessel, nachdem er die Tür sorgfältig ins Schloß gedrückt hat.
»Janine«, beginnt er, während er die Arme auf der Brust kreuzt, »Janine, du kannst dir vorstellen, daß ich neugierig darauf bin, wie du mir dein unverständliches Verhalten erklären willst.«
»Oh, sehr einfach, Erich. Ich habe eingewilligt, deine Frau zu werden, weil ich einen Skandal vermeiden wollte. Wäre es nach meinem freien Willen gegangen, glaube mir, ich hätte dich nicht geheiratet. Nein, ich hätte dich nicht geheiratet, nicht um alles in der Welt.«
»Ich verstehe nicht«, stammelt er und sieht sie nicht gerade sehr geistreich an.
»Schau, Erich, ich glaubte dich zu lieben, ich war felsenfest davon überzeugt, daß du mich auch liebtest. Aber leider habe ich feststellen müssen, daß es dir nur um ein gutes Geschäft gegangen ist. Jawohl, um ein Geschäft«, bekräftigt sie und fegt mit einer Handbewegung seinen Einwand hinweg, ehe er gemacht werden kann.
»Ich bin aber keine Aktie, Erich, ich bin ein Mensch, der auch menschlichen Gefühlen und Empfindungen unterworfen ist. Und deshalb möchte ich dir sagen, daß ich nicht die Absicht habe, eine wirkliche Ehe mit dir zu führen. Ich werde dir auch nicht die Vollmacht geben, um die du mich angegangen bist. Ich werde versuchen, mir die notwendigen Kenntnisse selbst anzueignen. Aber du wirst nicht über mein Vermögen verfügen können. Lieber übergebe ich die Vollmacht einem – einem fremden Menschen.«
Dem Fremden, durchzuckt es sie, er wäre der richtige Mann dafür gewesen, er hätte mich ganz bestimmt nicht betrogen, und er hätte auch immer den Menschen in mir gesehen. Er hat nichts im Sinn mit lauter Aktienpaketen.
Aber hier steht Erich, der sich mein Mann nennt, er verlangt Unmögliches von mir, und es ist sicherlich besser, wenn ich versuche, den Fremden zu vergessen.
»Du willst mir also deine Vollmacht nicht erteilen, Janine?« stößt Erich von Osten heiser vor Enttäuschung und unterdrückter Wut hervor und sieht sie an, als zweifle er an ihrem Verstand.
»Natürlich nicht. Ich bin meinem Schicksal sogar dankbar, daß es mich aufgeklärt hat, daß es mich nicht in Unkenntnis über deinen wahren Charakter gelassen hat, lieber Erich. Ich werde niemals deine Frau werden können, niemals. Du wirst dich damit begnügen müssen, daß ich nur deinen Namen trage. Und auch das habe ich nicht gern getan, das glaube mir. Du hast meine ganze Sympathie gehabt, Erich, ich war überzeugt, daß ich mich bei dir wohl fühlen und geborgen sein würde. Aber ich kann es nicht mehr. Du bist nicht ehrlich mir gegenüber gewesen. Es tut mir leid!«
»Aber dein Onkel…«, versucht er, einen Einwand zu machen.
Janine lächelt mitleidig und sagt dann freundlich:
»Onkel Friedrich hat mich erzogen, ich bin ihm sehr dankbar dafür. Das gibt ihm jedoch nicht das Recht, auch über mich zu verfügen, mich hin und her zu schieben, als sei ich eine schrecklich unwichtige Figur in irgendeinem interessanten Spiel. Ich bin keine Figur, Erich, das werde ich dir und auch dem Onkel beweisen müssen.«
»Gut, heute abend werde ich nicht mehr mit dir darüber reden, Janine.« Er sieht ein, daß es keinen Wert hat, sich jetzt in einen Disput mit ihr einzulassen. »Aber ich denke, daß das letzte Wort in dieser Angelegenheit nicht gefallen ist.«
»Von meiner Seite aus ist es bestimmt gefallen, Erich. Niemand kann mich zwingen, eine Vollmacht zu geben, und niemand wird sich erlauben, mich unter Druck zu setzen. Auch du nicht. Ich habe einen Skandal vermeiden wollen, indem ich mein Wort hielt und deine Frau wurde. Mehr aber kannst du nicht von mir verlangen, Erich, beim besten Willen nicht. Ich lasse nicht mit mir spielen, Erich. Niemand darf das. Ich habe auch noch nie mit einem Menschen gespielt, und ich werde es auch niemals tun.«
»Es ist sicher besser, wir kleiden uns zum Essen um, Janine. Dann werden wir gemeinsam in den Speisesaal gehen, und morgen ist ja auch noch ein Tag. Morgen werden wir weiter darüber sprechen.«
Sie nickt nur, aber sie weiß, daß es nutzlos ist, noch weiter über diese Dinge zu reden. Ich werde nicht von meinem Standpunkt abweichen, denkt sie zuversichtlich, und sie lächelt plötzlich, weil es ihr ist, als sehe sie das Gesicht des Mannes, dem sie nur ein einziges Mal begegnete, der aber einen so nachhaltigen Eindruck auf sie gemacht hat. Janine sieht dieses Männergesicht vor sich, und es ist ihr, als lächele der herrische, schmale, energische Mund, und als nickte er ihr zu.
»So ist es recht, Janine, man muß im Geschäftsleben auch die Zähne zeigen, desto größer ist die Hochachtung der Partner – und auch die der eventuellen Gegner.«
*
Erich von Osten hat die denkbar schlechteste Laune. Er hat geglaubt, leichtes Spiel mit Janine zu haben. Er war fest davon überzeugt, daß sie an nichts anderes denken würde als daran, seine Liebe, seine Zärtlichkeiten zu empfangen und sie zu erwidern. Und jetzt? Ach, jetzt muß er feststellen, daß man sie immer verkehrt eingeschätzt hat, daß sie ein vollwertiger Partner oder ein ebenso vollwertiger Gegner sein muß.
*
Als er die Treppe hinabsteigt und am Portierstand vorübergeht, ruft ihm der Portier zu, daß er ihm einen Brief zu übergeben hat. Erstaunt tritt Erich von Osten näher und erkennt die Handschrift Janines. Er beherrscht sich mit eiserner Energie und liest dann wütend und empört:
Lieber Erich!
Ich glaube, wir können beide auf Hochzeitsreisen und so etwas verzichten. Ich möchte wieder heimfahren und mich um die Geschäfte kümmern. Sicherlich nimmst Du mir das alles nicht übel. Ich hatte erst vor, Dich persönlich von meiner Absicht in Kenntnis zu setzen, aber leider schliefst Du noch, und ich wollte Dich nicht aufwecken lassen.
Janine!
»Das wird sie mir büßen«, stößt er zwischen den Zähnen hervor, und seine Hände ballen sich zu Fäusten. Sein sonst so schönes Gesicht, das eine so große Wirkung auf Frauen ausübt, ist verzerrt und trägt einen geradezu brutalen Ausdruck, so daß der Portier denkt, daß er diesem widerlichen Vertreter des männlichen Geschlechtes auch ausgerissen wäre, wenn er die schöne junge Frau gewesen wäre.
»Die Rechnung bitte!« sagt Erich herrisch, ehe er in den Speisesaal tritt und sich das Frühstück servieren läßt.
Ich werde zurückfahren, ich werde Friedrich zur Linden ganz energisch bitten, seinen ganzen Einfluß auf seine Nichte geltend zu machen, damit Janine die Lust an derartige Extravaganzen vergeht.
*
Je weiter sich Janine von ihrem Manne entfernt, je näher sie ihrem Bestimmungsort kommt, desto freier atmet sie, und desto energischer wird sie. Nein, sie ist beileibe nicht mehr das weltfremde, kleine Mädchen, das sich willig allen Forderungen und Anordnungen des strengen Onkels beugt. Sie ist eine Frau, die weiß, daß sie eine Rolle spielt. Und Janine beschließt, diese Rolle auch zu spielen. Ich habe aufgehört, in den Tag hineinzuleben, ich habe aufgehört, mich widerspruchslos den Anordnungen des Onkels zu beugen. Und jetzt müssen sie mich als gleichwertiges Mitglied der Familie anerkennen. Es bleibt ihnen nichts weiter übrig, als das zu tun. Und sie werden staunen.
Janine fühlt sich glücklich im Bewußtsein, daß sie auf den Fremden gehört hat. Wenn ich ihn wirklich einmal wiedersehen sollte, nimmt sie sich vor, dann werde ich ihm danken, und ich werde mich auch dafür entschuldigen, daß ich ihn damals so einfach habe stehenlassen.
Sie lächelte sehnsüchtig bei dem Gedanken, daß sie den Fremden wirklich einmal wiedersehen könnte. Und sie wünscht es sich, denn die kleine Janine hat das untrügliche Gefühl, daß er es ehrlich mit ihr meint, wenn er ihr etwas rät. Er meint es gewiß ehrlich, und er würde ihr niemals zu etwas raten, was ihr Nachteile bringen würde.
Sie ist mehr als stolz und zuversichtlich, als sie ankommt. Und sie tut instinktiv etwas, was sie vor dem Einfluß des Onkels bewahrt: Sie kehrt nicht in das Haus Friedrich zur Linden zurück, sondern geht in ein Hotel. Dort mietet sie sich ein Zimmer und nimmt sich vor, am nächsten Morgen zu den Chemie-Werken zu fahren und den Onkel zu bitten, ihr einen Vermögensnachweis zu geben, damit sie weiß, welche Gelder ihr zur Verfügung stehen.
*
Die Bremsen kreischen mehr als laut, als Erich von Osten mit scharfem Ruck vor dem schloßartigen Gebäude der Familie zur Linden hält. Er stürmt ins Haus und fragt sofort nach Friedrich zur Linden.
Erstaunt sieht der dazukommende Hausherr auf den Kompagnon, der außer sich ist und sich sofort auf den alten Herrn stürzt und wütend fragt:
»Wo ist Janine?«
Friedrich zur Linden macht ein Gesicht, als begreife er nicht, als habe er den Sinn der Worte seines Neffen nicht verstanden. Aber er beherrscht sich und wirft einen bezeichnenden Blick auf den Diener, winkt Erich von Osten zu und geht mit ihm gemeinsam in das große Arbeitszimmer.
Nachdem sie sich gegenübersitzen, beugt sich Friedrich zur Linden vor und fragt vor Spannung:
»Habe ich recht verstanden? Du fragst mich, wo sich Janine aufhält?«
»Natürlich, ich wüßte nicht, wen ich sonst fragen sollte!« ruft Erich zornig aus. Er sieht aus, als müsse er jeden Augenblick vor Wut und Enttäuschung platzen.
»Ich verstehe nicht. Du bist doch erst gestern mit ihr auf die Hochzeitsreise gegangen, mein Lieber.«
»Wem erzählst du das? Janine ist aber anscheinend doch nicht das weiche widerspruchslose Mädchen, das wir beide hinter ihr vermutet haben. Du hättest sie gestern mal sehen und hören sollen. Sie erklärte mir ganz ruhig, daß sie nicht im entferntesten die Absicht habe, mir die Vollmachten auszustellen, um die wie sie gebeten haben. Lieber wolle sie ihr Vermögen von einem Fremden verwalten lassen. Sie sei ein Mensch und kein Aktienpaket, das man so ganz einfach hin und her schieben könne.«
»Ich begreife das alles nicht«, seufzt Friedrich zur Linden, dem unvorhergesehene Schwierigkeiten ein Greuel sind.
»Ich verstehe das wirklich nicht. Bisher hat Janine doch keinerlei Schwierigkeiten gemacht.«
»Dann hat sie sich jetzt eben anders benommen. Sie macht uns Schwierigektien, erhebliche Schwierigkeiten sogar, Onkel. Und ich erwarte von dir, daß du sie zur Räson bringst, denn immerhin habe ich sie geheiratet, damit uns die Aktienmehrheit zufällt.«
Ein hämisches Lächeln kräuselt die herrischen Lippen des alten Herrn, als er sagt:
»Erlaube, wie redest du mit mir? Bin ich ihr Mann oder du? Ich denke doch, daß man dir zutrauen kann, deine Frau zur Vernunft zu bringen.«
»Ich werde es, darauf kannst du dich verlassen. Mir sind die Mittel ganz gleich, jedes Mittel ist mir recht, das nimm bitte zur Kenntnis, verehrter Onkel!«
»Im Geschäftsleben ist jedes Mittel erlaubt«, sagt der alte Herr mit hämischem Lächeln. »Und jetzt bin ich außerordentlich an den Aktien interessiert, denn sie sind im Steigen begriffen. Es wäre eine unvorstellbare Macht, wenn wir auch Janines Anteile noch unter unsere Regie bringen könnten.«
»Ich werde es tun, Onkel Friedrich.« Erich von Osten lacht auf, und jetzt sieht man auch erst, wie unsagbar brutal seine Züge sein können.
*
Janine sitzt im Zimmer des Generaldirektors der Chemie-Werke und hört aufmerksam zu, was er ihr zu sagen hat.
»Sie, verehrte gnädige Frau, bilden eine Macht, weil Sie die meisten Aktien besitzen, die noch der Familie zur Linden gehören. Und ich denke, man sollte Sie auch ruhig darüber aufklären, wie Sie Ihre Macht anzuwenden haben. Bisher hat Herr zur Linden immer angeordnet. Wir kennen den neuen Aktionär nicht, aber es wird nur eine Frage von Tagen sein, bis er sich bei uns melden wird. Herr von Osten, Ihr Gatte, wird bestimmt nicht einverstanden damit sein, daß Sie ihm die notwendige Unterschrift nicht geben.«
»Ich bin großjährig, Doktor Kramer«, erklärt Janine, die den energischen Zug der zur Lindens um den feingeschnittenen Mund trägt, »ich kann mit meinem Vermögen tun und lassen, was ich will. Und ich habe auf gar keinen Fall die Absicht, Herrn von Osten die Unterschrift, die er wünscht, zu geben. Wenn Sie erlauben, werde ich Sie in der nächsten Zeit öfter aufsuchen, damit Sie mich über die Dinge, die ein Aktionär einfach wissen muß, aufklären können, ja?«
»Es wird mir eine Ehre und ein Vergnügen sein, gnädige Frau, Ihnen zu helfen, denn ich fürchte, daß man nicht gerade sehr saubere Absichten hat.«
Janine zuckt erschrocken zusammen und schlägt die grauen Augen ganz groß zu dem getreuen Generaldirektor auf.
»Wie meinen Sie das, Doktor?«
»Ich weiß es noch nicht so genau, gnädige Frau, ich weiß, daß da etwas im Gange ist, das ich nicht gutheißen werde. Und vielleicht werde ich auch nicht mehr sehr lange hier sein, weil ich mich weigern werde, jemand zu übervorteilen.«
»Wer stimmt denn darüber ab, ob Sie bleiben oder nicht?« fragt Janine eifrig.
»Die Aktionäre natürlich«, erwidert er.
»Natürlich«, wiederholt sie nachdenklich, »natürlich die Aktionäre. Aber ich bin doch auch Aktionärin, nicht wahr?«
»Ja, Sie sind sogar eine sehr wichtige Aktionärin, gnädige Frau.« Er lächelt.
»Nun«, impulsiv streckte sie ihm ihre schmale, schöne Hand, an der der einfache Goldreif steckt, entgegen. »Nun, dann wird man auch meine Stimme haben müssen, wenn man wirklich die Absicht hat, Sie, Doktor Kramer, Ihres Amtes zu entheben. Und ich hoffe, Sie wissen, daß ich meine Zustimmung niemals dazu geben werde.«
»Ich glaube, Ihr Herr Vater würde sehr stolz auf Sie sein, gnädige Frau«, ist die Antwort, und Janine weiß nicht, wieso sie diese Worte so glücklich machen.
Ja, Vater soll stolz auf mich sein können, nimmt sie sich vor. Vater muß stolz auf mich sein können, ich will ihm beweisen, daß ich mir der Verantwortung bewußt bin, die auf mir liegt.
»In einigen Tagen werden die Aktionäre zusammentreten und sich kennenlernen. Der Hauptaktionär wird sich mit Ihnen bekannt machen. Ich werde mir erlauben, gnädige Frau, Ihnen Nachricht zu geben.«
Janine nickte. Sie kann zufrieden sein.
»Ich möchte gern wissen, wie hoch mein privates Vermögen ist, Doktor Kramer. Ich möchte mir eine eigene Wohnung einrichten.«
Sekundenlang tritt maßloses Erstaunen in die Augen des alten Mannes. Aber er sagt nichts. Er atmet nur tief durch. Schon möchte er sagen, daß er zufrieden sei. Aber er tut es nicht. Sie muß von selbst darauf kommen, daß dieser Erich von Osten ein Mann ist, der nicht zu einer solchen Frau, wie sie eine ist, passen wird. Niemals wird er zu ihr passen, und das muß sie selbst herausfinden.
»Ich werde heute noch alles veranlassen, und ich denke, daß ich Ihnen morgen eine Abrechnung über Ihr Vermögen geben kann.«
Janine nickt wieder und erhebt sich.
»Ich fürchte, ich werde Ihnen noch sehr oft zur Last fallen müssen, lieber Doktor Kramer. Ich habe viel vor für die Zukunft, und ich muß Sie noch oft mit Fragen behelligen. Leider verstehe ich nichts vom Werk, aber ich möchte alles nachholen. Ich möchte nicht von anderen Menschen abhängig sein müssen. Und ich möchte beweisen, daß ich selbständiger bin, als mancher glaubt.«
Sie nickt ihm freundlich zu und geht hinaus. Sehr nachdenklich ist der Blick, den der Generaldirektor ihr nachwirft, und dann, als er sich wieder setzt, murmelt er:
»Arme, kleine, junge Frau! Ich fürchte, es wird dir noch viel bevorstehen. Das Vögelchen ist flügge geworden, aber das wird verschiedenen Leuten, die sich große Hoffnungen machten, nicht recht sein. Wenn du dich durchsetzen willst, Janine zur Linden, dann mußt du hart sein und hart bleiben. Hoffentlich gelingt es dir auch.«
*
Janine ist über die Höhe ihres Privatkontos sehr erstaunt. Das hat sie nicht erwartet. Aber als sie sich an den Gedanken gewöhnt hat, eine reiche Frau zu sein, nimmt sie sich vor, sich ein eigenes Heim zu schaffen. Sie unternimmt auch gleich die notwendigen Schritte. Dr. Kramer, der sich mit jedem Tag als ein guter, treuer Freund und Ratgeber erweist, muß ihr einen Architekten bestellen. Es wird ein Zimmer in den Werken frei gemacht, und dort hält Janine eine lange Beratung ab. Ein Haus, denkt sie immer wieder mit leuchtenden Augen, ich möchte ein eigenes Haus haben. Und dann werde ich mich auch wohl fühlen können.
Erich von Osten, der sehr genau weiß, daß seine Frau im Hotel wohnt, hat sich noch nicht um sie gekümmert. Aber jetzt, als er hört, daß der junge Architekt nach ihr fragt, beschließt er, zu warten und herauszubekommen, was Janines Pläne für die Zukunft sind.
Hoch aufgerichtet und mit einem gleichgültigen Gesicht geht er dem Mann nach und schüttelt den Kopf, als der in einem kleinen Privatbüro verschwindet. Seine Neugierde wird so groß, daß er sich nicht lange besinnt und ohne anzuklopfen das Zimmer betritt. Er prallt zurück, als er Janine erkennt, die mit roten Wangen und leuchtenden Augen über die Pläne gebeugt steht. Bei seinem Eintreten blickt sie auf. Nichts in ihrem Gesicht deutet darauf hin, daß sie erstaunt oder gar erschrocken ist. Gar nichts. Sie nickt ihm nur zu und erklärt ruhig und höflich:
»Einen Moment, lieber Erich, ich bin gleich fertig, dann habe ich Zeit für dich!«
Als der junge Architekt sich verabschiedet hat, richtet sich Janine auf und sieht ihn fragend an.
»So, Erich«, sie lächelt kühl, »jetzt bin ich für dich da.«
»Das ist reizend, ich danke dir für deine Großmut, liebe Janine, daß du tatsächlich auch einmal für mich da bist. Ich weiß diese Gunst wirklich zu schätzen«, höhnt er zornig.
»Bist du gekommen, um dich aufzuregen, Erich?« will sie wissen, und der Ausdruck in ihren Augen wird unvermittelt ungeduldig und eiskalt. »Dann muß ich dir leider sagen, daß ich keine Zeit habe. Ich habe Pläne, die ich in die Wirklichkeit umsetzen möchte, und ich habe keine Lust, mich aufhalten zu lassen mit irgendwelchen Vorwürfen, die noch dazu keinesfalls berechtigt sind.«
»So, findest du? Meine Frau reist nach dem ersten Tag unserer Ehe ab. Meine Frau zieht nicht zu ihrem Gatten, sondern sie nimmt Wohnung in einem Hotel. Und dann – meine Frau läßt sich ein Haus bauen, und auch darüber hat sie ihren Gatten nicht orientiert.«
»Warum erregt dich denn das?« Der Blick der schönen Grauaugen ist maßlos erstaunt. »Ich verstehe wirklich nicht, wieso dich das in eine derartige Wut versetzen kann.«
»Das fragst du noch?« ruft er zornig aus, »ich bin schließlich dein Gatte, Janine, und ich möchte dich herzlich bitten, das nicht immer wieder zu vergessen!«
»Ich vergesse es nicht, jeden Tag fällt es mir wieder ein«, murmelt sie, und dann wirft sie stolz den Kopf in den Nacken.
»Ich wußte nicht, daß du mich aus Geschäftsinteresse heiraten wolltest, Erich. Das haben wir lang und breit besprochen. Meine Illusionen mußte ich also wohl oder übel zu Grabe tragen. Und nun bin ich eben aufgewacht, Erich. Ich habe mich darauf besonnen, daß ich meinem Vater etwas schuldig bin. Und jetzt werde ich beweisen, daß ich nicht ganz so unselbständig bin, wie ihr alle wohl angenommen habt.«
»Wie soll ich das verstehen, Janine?«
»Ganz einfach«, sie lächelt jetzt freundlich, »ich werde mir ein Haus bauen, ich werde da wohnen, und ich werde mir einen Pflichtenkreis schaffen, damit ich vergessen kann, daß man versuchte, mich reinzulegen.«
»Du bist ungerecht und störrisch wie ein junges Füllen, Janine, und ich hoffe, daß es mir mit der Zeit gelingen wird, dich zur Vernunft zu bringen. Allmählich nimmt deine mir unverständliche Selbständigkeit Ausmaße an, die schon peinlich zu werden beginnen.«
»Ich bin jederzeit bereit, die Konsequenzen zu ziehen, Erich.«
»Darf man vielleicht erfahren, wie du das jetzt wieder gemeint hast, Janine?« fragt Erich höhnisch. »Soll ich das dahingehend verstehen, daß du dich von mir trennen willst?«
»Ja!«
Ganz ruhig und leidenschaftslos sagt sie das, aber Erich von Osten zuckt doch zusammen, als habe ihn ein schmerzhafter Peitschenhieb getroffen.
»Ich hoffe«, stößt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »daß du dir nicht ganz klar bist über die Tragweite deines Entschlusses, meine liebe Janine. Ich werde niemals in eine Trennung einwilligen, niemals, verstehst du?«
»Ja«, erwidert sie freundlich, »ich würde dich auch verstehen, Erich, wenn du weniger laut reden wolltest. Ich werde aber keinen einzigen Millimeter von meinem einmal eingeschlagenen Weg abweichen, kapiert? Ich will wissen, ob ich tatsächlich ein Menschenkind bin, das sich gefallen lassen muß, wie man es hin und her schiebt, ganz so, wie es für den augenblicklichen Geschäftsgang eben notwendig ist.«
»Du leidest an einer fixen Idee, mein Kind.« Er lacht höhnisch auf und erhebt sich schnell, beugt sich über den Schreibtisch, an dem sie sitzt, und zischt ihr verächtlich zu: »Ich bin mit ganz anderen Dingen fertig geworden, und ich glaube, daß ich auch dazu fähig bin, mit einer störrischen, eigensinnigen kleinen Frau fertig zu werden.«
»Also eine Kampfansage«, stellt sie ruhig und sachlich fest.
»Meinetwegen nenne es auch so«, murmelt er böse, »wir werden ja sehen, wer am Ende der Besiegte ist.«
»Ich hoffe und wünsche, daß nicht ich es sein werde«, gibt sie freundlich zurück.
Erich von Osten verneigt sich. Er hat das Gefühl, eine beschämende Niederlage erlitten zu haben, und das macht ihn noch zorniger und wütender, als er es war, bevor er mit Janine gesprochen hat. Ich muß sie geschäftlich vernichten, wenn ich Macht über sie gewinnen will, denkt er, während er hinauseilt, um zu Friedrich zur Linden zu fahren und ihm Bericht zu erstatten.
*
Janine sitzt nachdenklich in ihrem kleinen, schmucklosen Büro in den Chemie-Werken. Sie denkt an den Fremden und weiß nicht, wo sie ihn suchen soll. Ich möchte einmal mit ihm über das alles sprechen, denkt sie. Eigentlich wäre ich froh, wenn ich ihm erzählen könnte, daß ich die Vollmacht nicht gegeben habe. Und ich möchte nur zu gern wissen, ob er zustimmen würde.
Natürlich würde er mir sagen, daß ich es recht gemacht habe, denkt sie dann und wirft den Kopf in den Nacken. Es ist bitter, daß ich völlig allein dastehe und mich gegen zwei gewiefte und erfahrene Geschäftsleute behaupten muß. Aber ich werde nicht kampflos untergehen, nimmt sie sich vor. Ich werde ihnen beweisen, daß ich sie durchschaue, und ich werde ihnen weiterhin beweisen, daß ich fähig bin, mein Kapital nutzbringend anzulegen, ohne daß der Onkel mich berät. Ich weiß nicht, vielleicht bin ich ungerecht und gegen Onkel Friedrich eingenommen, aber ich sollte nicht mehr so viel auf seine Ratschläge hören – ganz egal, ob sie gut gemeint sind oder nicht. Ich will alles allein machen, es soll mir keiner dabei helfen – höchstens dieser Fremde, zu dem ich vollstes Vertrauen habe.
*
Reginald Forster hat sein Domizil in der Stadt aufgeschlagen. Lange hat er gewartet mit der Verwirklichung seiner Absichten. Aber jetzt will er endlich, daß die Mitaktionäre der Chemie-Werke ihn kennenlernen. Er kennt sie alle sehr gut, und er glaubt auch zu wissen, daß er die Hauptaktionärin der Familie zur Linden genau genug kennt, um ein vernichtendes Urteil über sie zu fällen.
Habe ich sie nicht gewarnt? Noch am Vortag ihrer Hochzeit? Habe ich mich nicht unsagbar beeilt, noch früh genug nach zur Linden zu kommen? Aber sie ließ mich stehen wie einen lästigen Eindringling. Sie hat mir keinen Glauben geschenkt. Sie mußte wenigstens nachdenklich werden und überlegen, was mich zu einer solchen Anschuldigung veranlaßt hätte. Aber sie wollte nicht, sie hat nichts wissen wollen, und sie hat mich behandelt wie einen Bettler, dem man nichts geben will.
An diesem strahlenden Sommermorgen ruft er in den Chemie-Werken an und spricht lange mit Kramer. Er verlangt, daß seine Mitaktionäre ihm Gelegenheit geben, ihn kennenzulernen.
Friedrich zur Linden bekommt die alarmierende Nachricht, daß der Hauptaktionär endlich eingetroffen sei, als erster. Unruhig ruft er Erich von Osten an und erzählt ihm, daß es jetzt ernst werde und man Janine zwingen müsse, sich wenigstens ohne die ersehnte Vollmacht mit ihnen zusammenzutun.
So kommt es, daß Janine auch einen Telefonanruf in ihrem Hotel bekommt. Friedrich zur Linden ist von einer nie gekannten Höflichkeit seiner Nichte gegenüber, als er erklärt, sie habe sich am nächsten Tag bei ihm auf Schloß zur Linden einzufinden, daß der Mitaktionär endlich die Absicht habe, in Erscheinung zu treten. Es sei wohl ratsam, einige Stunden früher als dieser Mensch einzutreffen, damit man die notwendigen geschäftlichen Belange vorher durchsprechen könne und man eine einheitliche, nicht niederzureißende Mauer gegen jede Neuerung, die sich als unvorteilhaft erweisen müsse, bilden könne.
Janines Antwort ist ruhig und sachlich.
»Ich werde pünktlich eintreffen, Onkel Friedrich. Ich werde mir alles anhören, aber ich glaube nicht, daß ich mir schon ein Urteil bilden kann. Ich werde feststellen, was dieser Herr vorzubringen hat. Warum aber sollen wir uns ihm gegenüber von Anfang an feindlich einstellen? Ich denke, es ist fairer, wenn wir ihn erst einmal kennenlernen, denn wir wissen ja gar nicht, was für ein Mensch er ist.«
»Ich habe auch noch andere Dinge mit dir zu besprechen, Janine, die rein privater und familiärer Art sind«, sagt der Senior der Familie. Da weiß Janine, daß sie sich auf einen Kampf einstellen muß, auf einen Kampf, den der Onkel und Erich von Osten gemeinsam gegen sie zu führen gewillt sind.
Sie stimmt zu und ist den ganzen Tag über sehr nachdenklich. Etwas wie Furcht will sich in ihrem Herzen breitmachen, und sie hat immer wieder von neuem das Gefühl, als käme etwas auf sie zu, dem sie unbedingt ausweichen müsse, wenn sie sich nicht verlieren möchte. Ja, Janine hat plötzlich eine Ahnung davon, daß der Onkel und auch der Gatte als erstes an das Geld denken, und daß es ihnen völlig gleichgültig ist, was aus ihr – Janine – wird, wenn sie sich nicht mit allen Dingen, die der Onkel und Erich planen, bereit erklären wird.
Aber ich werde nicht gegen meine Überzeugung handeln, nimmt sie sich vor. Ich werde immer den geraden Weg beschreiten, damit ich dem Fremden, falls ich ihn wieder einmal sehen sollte, in die Augen schauen und ihm sagen kann, daß ich ihm Unrecht tat, als ich ihm nicht glaubte. Und ich werde ihm erzählen, daß ich Erich die Vollmacht nicht gegeben habe.
Vielleicht wird er mir dann helfen, alles zu lernen, was ich noch nicht weiß, denn ich weiß nur das eine, daß ich ohne Doktor Kramer und ohne Hilfe von Fachleuten niemals das Richtige tun werde.
*
Janine ist ruhig und beherrscht, als sie am nächsten Tag zur verabredeten Stunde erscheint und sich mit
Erich, der sie böse mustert und auch wieder ungeheuer begehrenswert findet, und mit dem Onkel auf die breite, sonnenüberflutete Terrasse setzt, um den Tee mit ihnen einzunehmen.
Ein Außenstehender würde glauben, daß sie sich im schönsten Einvernehmen miteinander befinden müßten. Aber Janine weiß, daß alles nur Tünche ist: die Höflichkeit des Onkels und die versteckte Anbetung des Gatten. Alles Tünche, alles nur Mittel zum Zweck, um an die begehrte Vollmacht herankommen zu können.
»Dieser Reginald Forster wird also in einer Stunde hier eintreffen«, beginnt Friedrich zur Linden gleich auf den Kernpunkt der Sache zuzusteuern. »Ich habe mich ein wenig über ihn orientiert, soweit das überhaupt möglich war in der kurzen Zeit. Er kommt aus Amerika, soll dort drüben sehr große, ertragreiche Besitzungen haben und an vielen Zweigen der Großindustrie maßgeblich beteiligt sein. Und wenn er nicht von vornherein auf unserer Seite steht, dann werden wir einen schweren Stand haben, uns behaupten zu können. Aber du, Janine, bist im Augenblick unsere Rettung.«
»Ich?« Janine sieht erstaunt von einem zum anderen, und dann lächelt sie unsicher. »Ich verstehe nicht, wieso ausgerechnet ich eure Rettung sein sollte, Onkel…«
»Weil du mit deinen dreißig Prozent Beteiligung eine Vormachtstellung darstellst. Unsere gemeinsamen zwanzig Prozent bilden die Ergänzung dazu, Janine. Wir haben gemeinsam die Aktienmehrheit und können uns ihm gegenüber also behaupten. Ich jedenfalls lehne für meine Person alle Neuerungen, die den Chemie-Werken nur schaden könnten, ab. Damit ihr gleich Bescheid wißt.«
»Ich bin ganz deiner Meinung«, pflichtet ihm Erich von Osten spontan bei. Janine sagt noch gar nichts. Sie rührt nur nachdenklich in ihrer Tasse.
»Und du, Janine?« will der Onkel ungeduldig wissen.
»Ach, ich möchte mich noch vorläufig meiner Stimme enthalten. Ich weiß noch nicht, wie ich mich verhalten werde.«
»Wieso? Du spielst doch wohl hoffentlich nicht mit dem absurden Gedanken, deine Familie und die Werke an einen Amerikaner zu verraten, der nichts weiter im Sinn hat, als die Werke voll und ganz in seinen Besitz zu bringen?«
»Ich weiß es noch nicht. Jedenfalls kann von einem Verrat wohl kaum die Rede sein, Onkel Friedrich. Ich muß diesen Menschen erst einmal kennenlernen, bevor ich mich entscheide. Wir wissen doch noch gar nichts von ihm, keiner von uns kennt ihn. Wir haben also die Pflicht, uns ihm gegenüber neutral zu verhalten und erst einmal anzuhören, welche Vorschläge er mitbringt. Ich kenne mich nicht sehr gut aus im Geschäftsleben, aber das eine weiß ich: In Amerika ist man weiter als hier, und wenn ich sehe, daß er amerikanische Neuerungen, die unser Werk verträgt, einführen will, dann werde ich ihm zustimmen.«
»Und daß deine Dividenden dann geringer werden, daran scheinst du nicht zu denken, wie?« fährt Erich von Osten auf.
»Nein, allerdings, Erich, daran denke ich nicht. Ich würde es auch nicht recht finden, wenn wir nur an die Dividenden denken und deshalb jede Erleichterung für die Belegschaft, für das Werk überhaupt abweisen würden.«
»Nun, wir werden sehen. Ich gebe jedenfalls der Hoffnung Ausdruck, mein liebes Kind, daß du zuerst auf den Rat von zwei erfahrenen Geschäftsleuten hörst, ehe du dich von einem Menschen, den du ja gar nicht kennst, beeinflussen läßt.«
»Ich habe eigentlich von mir selbst kaum den Eindruck, daß ich leicht zu beeinflussen bin«, Janine lächelt und zerbricht ihren kleinen Kuchen.
In diesem Moment hören sie, wie ein Wagen vorfährt, und sie sehen sich gespannt an. Nur Janine trinkt in aller Seelenruhe ihren Tee und läßt sich ihre Spannung kaum anmerken.
Der Diener meldet Reginald Forster, und der Onkel läßt den Herrn auf die Terrasse bitten.
Janine, die ihre Tasse gerade zum Mund führt, setzt sie klirrend wieder hin, als sie sieht, wer dieser Reginald Forster ist. Mit großen Grauaugen schaut sie auf den hochgewachsenen, breitschultrigen braungebrannten Mann, der gelassen auf die Terrasse tritt und als erstes sie begrüßt.
»Sie?« stammelt sie überrascht. »Sie also sind Mr. Reginald Forster? Das hätte ich nicht gedacht.«
»Sie glaubten sicher, einen alten Herrn hinter mir suchen zu müssen, gnädige Frau, nicht wahr?« Er lacht voller Spott. Da schweigt Janine gekränkt. Er ist es, aber er ist es doch wieder nicht, denkt sie fast traurig. Er ist ganz anders. Das ist nicht mehr der Fremde, dem ich alles Vertrauen entgegengebracht habe. Nein, wahrlich nicht.
»Mir scheint, du hast die Bekanntschaft Mr. Forsters schon gemacht, Liebling, ohne uns davon zu erzählen, wie?« Erich von Osten lächelt unbehaglich, denn dieser Forster kommt ihm bekannt vor.
»Ja«, antwortet Janine kalt, »aber ich wußte nicht, daß er unser Mitaktionär ist.«
»Ich hatte auch noch keine Gelegenheit, das der gnädigen Frau zu erklären, denn unsere Bekanntschaft war so kurz, daß wir uns nicht darüber haben unterhalten können.«
Nein, denkt Janine bitter, nein, das hast du mir nicht gesagt, aber du kanntest Erich nur allzu gut. Und deshalb muß ich dir noch dankbar sein, obwohl es mir sehr weh tut, daß ausgerechnet du der Mann bist, der von Onkel Friedrich und Erich als Feind angesehen wird.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen, Mr. Forster?« fragt der Onkel mit bestrickender Liebenswürdigkeit.
Reginald Forster hat ein undeutbares Lächeln um die Lippen, als er der Aufforderung folgt und sich von Janine den Tee eingießen läßt.
Das Gespräch schleppt sich mühsam dahin, bis sich Reginald schließlich aufrichtet und Erich von Osten, Reginald und Janine forschend ansieht.
»Sicherlich wollen Sie wissen, ob ich irgend etwas Neues vorhabe mit den Chemie-Werken, meine Herrschaften, oder? Ich weiß es noch nicht. Ich bin auch nur mit der Absicht hergekommen, Sie alle kennenzulernen. Sie, gnädige Frau, haben doch sicher Ihrem Gatten Ihre Vollmachten gegeben, nicht wahr?«
»Nein«, erwidert Janine kühl, »ich verwalte mein Vermögen selbst. Mein Mann das seine.«
»So, das habe ich nicht gewußt.«
Reginald sieht sehr erstaunt drein. Aber dann läßt er das Thema wieder fallen und meint lächelnd:
»Würden Sie sich denn meinen Neuerungswünschen gegenüber ablehnend verhalten? Ich meine, wir sollten von Anbeginn uns klar sein über unsere Vorstellungen. Ich habe vor, mir den Bestrieb genauestens anzusehen, und wenn ich feststelle, daß etwas nicht rationell genug ist, möchte ich es gern ändern.«
»Wir wissen noch nicht, wie wir uns Ihnen gegenüber verhalten sollen«, erklärt Erich von Osten kühl, »wir müssen erst erfahren, was Sie vorhaben. Daß wir alles ändern werden, kommt nicht in Frage. Nicht wahr, Janine, ich habe da auch deine Zustimmung?« wendet er sich an Janine, die still dasitzt und nur zuhört.
Jetzt aber, da sie unmittelbar angesprochen wird, hebt sie den Kopf und sieht Reginald groß an.
»Wenn Sie mir klarmachen, Mr. Reginald, daß das, was Sie eventuell ändern wollen, für die Arbeiter und die Werke besser ist, werden Sie meiner Zustimmung gewiß sein. Ich gebe ehrlich zu, daß ich nicht sehr viel Ahnung von dieser Art Geschäften habe. Aber ich möchte Erfahrungen erwerben. Und ich möchte, daß Sie uns allen immer Ihre Gründe sagen. Vielleicht werde ich es dann leichter verstehen, Mr. Forster.«
Für einen Augenblick wird seine Miene freundlich. Seine blauen Augen leuchten sekundenlang auf, und seine Blicke sinken tief in die ihren ein, so daß sich eine Blutwelle über das schöne Gesicht ergießt.
»Ich werde immer bemüht sein, gnädige Frau, Ihnen zu raten und auch zu helfen, wenn es notwendig sein sollte.«
»Das wird wohl kaum jemals der Fall sein, Mr. Forster, denn meine Frau wird hoffentlich nicht so geschmacklos sein, mich, ihren Gatten, zu übergehen. Ich werde meine Frau stets unparteiisch beraten.«
»So?« Reginald sieht Erich von Osten scharf an und zieht eine Augenbraue in die Höhe.
Janine lächelt und denkt: Er ist doch der Fremde, wie er war, als er mich warnte. Ich freue mich darüber. Vielleicht kann er mir ein richtiger Freund werden. Ich könnte so notwendig einen aufrechten Freund gebrauchen, denn Erich wird nur seine eigenen Interessen vertreten, ebenso wie der Onkel, und sie werden vielleicht auch den Versuch machen, mich gewaltsam auf ihre Seite zu ziehen. Aber solange ich klar alles übersehen kann, werde ich mich für das Recht entscheiden, für das Gute und Schöne und nicht nur für das Geld.
»Ja, ich werde meine Frau selbstverständlich beraten, denn leider besitzt Janine nicht die erforderlichen Kenntnisse, die man eben haben muß, wenn man ein solches Vermögen sinnvoll anwenden will. Aber dazu bin ich ja da. Ich werde meine Frau schon richtig beraten.«
Reginald sieht, daß Janines Gesicht ernst wird. Sehr kühl ist der Blick, den sie dem Gatten zuwirft, und dann lächelt sie. Es ist ein undeutbares Lächeln. Auch Reginald, der als Mann seine Erfahrungen mit Frauen gesammelt hat, weiß nicht, was dieses Lächeln zu bedeuten hat. Soviel aber weiß er – sehr glücklich ist die kleine Janine zur Linden also nicht mit diesem Erich von Osten. Warum aber hat sie ihn dann geheiratet? Es gibt ihm einen Stich, wenn er sieht, mit welchem Ausdruck satter Zufriedenheit Erich auf die zarte, kleine Frau schaut, die seinen Namen trägt, und von der er doch verschmäht wird. Aber das weiß Reginald Forster nicht, er weiß auch nicht, daß Janine nicht mal eine häusliche Gemeinschaft mit ihrem Gatten führt.
*
Die Besprechungen mit ihrem Architekten sind immer wieder Lichtblicke für Janine. Sie freut sich unbändig auf das kleine Haus, in dem sie ganz allein wohnen wird, in dem sie tun und lassen darf, was sie will, weil da kein Mensch ist, der sie stört und Dinge von ihr verlangt, die sie verabscheut und ablehnt.
Ohne jemand zu fragen, ohne mit jemandem gesprochen zu haben, kaufte Janine am Stadtrand ein Baugelände. Es war sehr teuer, aber sie weiß, daß man für den inneren Frieden auch bezahlen muß.
Die Bauarbeiten haben begonnen, und jeden Tag fährt Janine hinaus und sieht zu, wie die Arbeiten vorangehen.
Auch an diesem strahlenden Sommermorgen steht Janine mit glänzenden Augen da und schaut den Arbeitern zu, die mit ihrem Haus beschäftigt sind. Janine vergißt alles um sich her. Sie vergißt, daß sie sich nach Ruhe und Geborgenheit sehnt, sie vergißt, daß sie Pläne hat, die sie verwirklichen will. Sie sieht nur im Geiste das Haus, etwas zurückliegend, eingebettet in Grün, in Blumen und zwischen den Bäumen, die jetzt blühen und deren Blätter sich in einem kaum spürbaren Wind bewegen.
Janine sieht auch nicht den großen, schweren Wagen, der anhält. Sie achtet nicht auf den schlanken, kräftigen braungebrannten Mann, der aussteigt und überrascht auf sie zukommt.
»Habe ich mich also doch nicht geirrt, gnädige Frau, als ich glaubte, Sie hier zu sehen«, meint Reginald lächelnd.
Janine wendet sich ihm zu. Nein, sie ist gar nicht erstaunt, daß er hier steht. Im Geiste hat sie hier schon oft mit ihm gestanden, ihm alles erklärt und gezeigt.
Vielleicht ist sie sich gar nicht einmal so sehr bewußt, daß es doch zumindest ungewöhnlich ist, ihn so plötzlich vor sich zu sehen.
Sie schüttelt den Kopf.
»Ich bin jeden Tag hier«, sagt sie unbefangen, »ich freue mich immer wieder aufs neue, daß mein Haus gebaut wird, und jeden Tag sind sie schon ein Stückchen weiter.«
Er weiß nichts zu erwidern und ärgert sich, daß er dieser mädchenhaften Frau gegenüber so unsicher ist.
»Glauben Sie, daß es bald fertig ist?« fragt sie dann und sieht ihn an.
»Oh«, erwidert er freundlich und weiß nicht, woher der Schmerz kommt, der ihn plötzlich im Herzen quält, »ich bin sicher, daß Sie schon Weihnachten mit Ihrem Gatten hier verleben werden.«
Janine sieht ihn aus großen, ernsten Augen an.
»Ich lebe nicht mit ihm zusammen«, sagt sie dann, als sei es selbstverständlich, daß sie ihm das erzählt, »ich werde allein in diesem Haus wohnen.«
Er staunt nicht schlecht. Der Schmerz ist plötzlich verschwunden.
»Wird er Ihnen denn das gestatten?« fragt er interessiert.
»Ich habe ihn noch nicht um seine Erlaubnis gefragt, und ich glaube auch nicht, daß ich das jemals tun werde«, entgegnet sie.
»Aber Sie sind doch so jung verheiratet«, entfährt es ihm, und er starrt sie immer verblüffter an.
»Ja«, sie nickt und starrt auf das Fundament des Hauses, in dem sie einmal wohnen wird, »ja, das ist wahr. Aber ich habe erkannt, daß ich nicht mit ihm leben kann.«
»Und trotzdem haben Sie ihn geheiratet?«
»Ja, trotzdem. Ich glaubte ihn zu lieben. Und dann kamen Sie und nahmen mir meine Illusionen, Herr Forster. Ich habe Ihnen nicht geglaubt, weil ich nicht glauben wollte. Aber dann habe ich es aus seinem eigenen Mund gehört, daß alles Wahrheit war, was Sie mir am Vorabend der Hochzeit sagten, Mr. Forster. Ich habe ihn trotzdem geheiratet, weil ich Onkel Friedrich nicht diesem großen Skandal aussetzen wollte. Aber ich glaube, wenn ich es noch einmal entscheiden müßte, so würde ich es nicht mehr tun.«
»Dann bin ich also schuld daran, daß Ihre Ehe nicht das hielt, was Sie sich von ihr versprochen haben«, murmelt er und sieht sie mit einem Blick an, der sie ganz glücklich macht, obwohl eigentlich nichts da ist, was diese Empfindung rechtfertigen könnte.
»Nein, das dürfen Sie nicht denken, Mr. Forster«, erklärt sie eifrig, »gewiß war ich Ihnen sehr böse, weil ich glaubte, daß er – ja, daß es andere Gründe gebe, die Sie mir das alles sagen ließen. Ich wußte noch nicht, welch ein Mensch Sie sind. Aber ich – ja, das, was ich kurz darauf aus Erichs eigenem Mund hören mußte, traf mich gar nicht mal so unvorbereitet. Ihre Warnung wollte ich in den Wind schlagen, ich hatte es mir vorgenommen. Aber dennoch hat mich das alles nicht vernichtet.«
Sie sieht ihn ernsthaft an und lächelt dann plötzlich. Sie reicht ihm die kleine Hand und sagt:
»Ich habe immer darauf gehofft, Sie noch einmal zu sehen, Mr. Forster, ich wollte Ihnen danken. Sie haben mich vor sehr viel Kummer bewahrt.«
Er ergreift ihre Hand und drückt sie warm. Dann gibt er sie kopfschüttelnd frei und sagt:
»Sie sind ein seltsames Menschenkind. Wenn man Sie zum ersten Mal sieht, dann ist man felsenfest davon überzeugt, daß Sie hilflos und zart sind, daß Sie einfach Schutz brauchen. Aber daß Sie von einer solchen gesunden Energie erfüllt sind, das hat man Ihnen sicherlich nicht zugetraut.«
»Ich bin nicht mal so energisch, wie es vielleicht den Anschein hat«, erwidert sie leise. »Ich bin auch sehr hilflos und allein. Ich weiß von so vielen Dingen nichts und möchte so schrecklich gern alles recht machen. Aber es hat mir noch kein Mensch geholfen. Ich habe vor ihm furchtbare Angst, wissen Sie.«
Sie nennt keinen Namen, aber Reginald weiß doch, daß sie keinen anderen als Erich von Osten meint.
»Angst?« echot er und sieht sie erstaunt an. Aber dann schüttelt er energisch den Kopf und sagt fast wütend: »Vor ihm muß man keine Angst haben, er ist ein Feigling. Er ist immer schon ein Feigling gewesen.«
»Aber Sie kennen ihn doch gar nicht«, wirft sie ein.
»Doch«, sagt er, »doch, ich kenne ihn, ich habe einmal sehr unter ihm leiden müssen.«
Sie erwidert nichts, sondern starrt ihn nur verblüfft an.
Da nickt er ihr zu und fragt: »Wollen Sie mit mir fahren? Ich glaube, es gibt noch eine Menge zu besprechen zwischen uns.«
Janine erklärt sich einverstanden. Noch einen letzten Blick auf das halbfertige Haus, und dann steigt sie zu ihm in den Wagen.
*
Sie schweigen auf der Fahrt zu seiner Wohnung. Aber als sie dann endlich vor einem langgestreckten Gebäude anhalten, atmet Janine tief durch.
»Kommen Sie!« Reginald lächelt ihr zu. Janine würde sicher sehr stolz sein, wenn sie wüßte, daß sie seit Jahren die erste Frau ist, die ein solches Lächeln von ihm geschenkt bekommt.
Sie blickt mit wachen Augen in die Runde. Jagdtrophäen, seltsame Urnen und Schädel von seltenen Tieren in der Halle.
»Das stammt von meinen Reisen«, erklärt er kurz und führt sie in ein großes, mit hellen Möbeln ausgestattetes Wohnzimmer. Janine läßt sich in einen der tiefen weichen Sessel fallen und sieht ihn mit großen, fragenden Grauaugen an.
Er nickt ihr zu.
»Sie sind der erste Mensch, Janine zur Linden, dem ich mein Leben erzähle. Ich habe es noch niemandem anvertraut.«
»Ich werde es nicht weitererzählen«, verspricht sie wie ein Kind, das verspricht, folgsam und brav zu sein.
Da lächelt er wieder.
»Mein richtiger Name ist eigentlich Heiner Barrenberg. Ich wuchs mit Erich von Osten zusammen auf. Schon als Kind verstanden wir uns nicht sonderlich. Ich war immer ehrlich zu ihm, aber er dankte mir das mit Verschlagenheit. Und immer wieder fiel ich auf ihn herein. Meiner einzigen Schwester, Giselle, an der ich mit abgöttischer Liebe hing, ging es ebenso. Sie liebte ihn. Erich von Osten schien ihre Liebe zu erwidern. Sie waren sehr glücklich. Aber eines Tages kam Giselle verstört heim. Auf meine Fragen und meine Sorgen sagte sie nur, es sei alles aus zwischen ihr und Erich. Er habe ihr gesagt, daß man nicht gleich an eine Heirat denken müsse, wenn man sich liebe. Er sei leider gezwungen, nach einer reichen Frau Ausschau zu halten.
Giselle bekam ein schweres Nervenfieber. In ihren Phantasien schrie sie immer nach Erich. Ich ritt nach Osten, um ihn zu bitten, zu ihr zu kommen.
Aber Erich lachte und sagte, er habe keine Zeit, den Launen eines dummen, kleinen Landgänschens zu gehorchen. Ich schlug ihm ins Gesicht und ritt zurück.
Giselle hatte keinen Lebenswillen mehr. Sie gab sich selbst den Tod. Da verließ ich Barrenberg. Ich flog nach Amerika. Es ging mir sehr schlecht, denn ich hatte Barrenberg nicht verkauft, weil ich es halten wollte. Eines Tages, als ich krank lag, lernte ich einen Menschen kennen, der die Güte selbst war. Er nahm mich mit zu sich. Ihm erzählte ich alles. Er gab mir einen Job in seinem großen Betrieb. Es war Henry Forster.