Es geschah auf Schloss Erlenbach - Irene von Velden - E-Book

Es geschah auf Schloss Erlenbach E-Book

Irene von Velden

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Sie zittert an allen Gliedern, aber sie bemerkt es nicht einmal, wie sie da ganz hinten im Schlosspark von Weiden hockt und vor sich hin starrt. Die grauen, sonst so unbeschwert wirkenden Augen sind dunkel vor Angst und Schmerz, und ihre roten Lippen zucken, ohne dass sie eine Ahnung davon hat. Ihr kleines Herz zittert, und eine innere Stimme wird immer lauter in ihr. Das ist das Ende, Gisa, sagt diese innere Stimme hart, Papa findet keinen Ausweg mehr. Die Sache um Gut Weiden steht schlechter als schlecht. Und du, Gisa, wirst eine Stellung annehmen müssen, vielleicht bei einer reichen, eingebildeten Frau, und du wirst zusehen müssen, dass du dir dein Geld selbst verdienst. Und Papa? Der wird allenfalls eine Stellung als Verwalter annehmen können. »Nein«, murmelt Gisa mit von Tränen erstickter Stimme, »nein, das kann doch nicht Wahrheit werden! Irgendeinen Ausweg aus diesem Elend muss es doch noch geben.« Aber so sehr sie auch überlegt, sie findet keinen. Sie weiß nicht, wie sie Papa Weiden helfen soll, sie sieht wie eine Vision zum Greifen nahe die Gläubiger auf dem Schlosshof versammelt. Sie sieht irgendeinen dicken, kleinen Mann als Auktionator auf einem Podest stehen, mit einem Hammer in der Hand, der unbarmherzig über das Schicksal von Schloss und Gut Weiden entscheidet. In einer traurigen Prozession werden die Tiere, die edlen Reitpferde, am Auktionstisch vorübergeführt, und unbarmherzig entscheidet der kleine Hammer über das, was mit diesen edlen Reitpferden werden soll. Sie schlägt die schlanken, feinen Hände vor das Gesicht und bleibt minutenlang regungslos sitzen, während sie sich verzweifelt anstrengt, irgendetwas zu finden, was ihr als hilfreicher Ausweg erscheinen könnte. Aber sie kann überlegen und sich quälen, soviel sie will – es will und will ihr nichts einfallen, das die Lage von Gut Weiden auch nur um ein Jota verbessern könnte. Baron Weiden war sehr blass, aber er wirkte auch äußerst beherrscht, als er Gisa zu sich bitten ließ. »Ich habe mit dir zu reden, mein Kind«, sagte er müde und ließ seine Blicke auf ihrem reinen, zarten Gesicht liegen, und dann verzerrte sich seine Miene sekundenlang, als bereitete es ihm unerträgliche Pein, seinem einzigen Kind das zu sagen, was ja einmal gesagt werden musste.

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Fürstenkrone – 241 –

Es geschah auf Schloss Erlenbach

…doch sein Herz gehörte einer anderen

Irene von Velden

Sie zittert an allen Gliedern, aber sie bemerkt es nicht einmal, wie sie da ganz hinten im Schlosspark von Weiden hockt und vor sich hin starrt.

Die grauen, sonst so unbeschwert wirkenden Augen sind dunkel vor Angst und Schmerz, und ihre roten Lippen zucken, ohne dass sie eine Ahnung davon hat. Ihr kleines Herz zittert, und eine innere Stimme wird immer lauter in ihr.

Das ist das Ende, Gisa, sagt diese innere Stimme hart, Papa findet keinen Ausweg mehr. Die Sache um Gut Weiden steht schlechter als schlecht. Und du, Gisa, wirst eine Stellung annehmen müssen, vielleicht bei einer reichen, eingebildeten Frau, und du wirst zusehen müssen, dass du dir dein Geld selbst verdienst. Und Papa? Der wird allenfalls eine Stellung als Verwalter annehmen können.

»Nein«, murmelt Gisa mit von Tränen erstickter Stimme, »nein, das kann doch nicht Wahrheit werden! Irgendeinen Ausweg aus diesem Elend muss es doch noch geben.«

Aber so sehr sie auch überlegt, sie findet keinen. Sie weiß nicht, wie sie Papa Weiden helfen soll, sie sieht wie eine Vision zum Greifen nahe die Gläubiger auf dem Schlosshof versammelt. Sie sieht irgendeinen dicken, kleinen Mann als Auktionator auf einem Podest stehen, mit einem Hammer in der Hand, der unbarmherzig über das Schicksal von Schloss und Gut Weiden entscheidet. In einer traurigen Prozession werden die Tiere, die edlen Reitpferde, am Auktionstisch vorübergeführt, und unbarmherzig entscheidet der kleine Hammer über das, was mit diesen edlen Reitpferden werden soll.

Sie schlägt die schlanken, feinen Hände vor das Gesicht und bleibt minutenlang regungslos sitzen, während sie sich verzweifelt anstrengt, irgendetwas zu finden, was ihr als hilfreicher Ausweg erscheinen könnte. Aber sie kann überlegen und sich quälen, soviel sie will – es will und will ihr nichts einfallen, das die Lage von Gut Weiden auch nur um ein Jota verbessern könnte.

Während sie so dasitzt, fallen ihr die Worte des Vaters wieder ein …

Baron Weiden war sehr blass, aber er wirkte auch äußerst beherrscht, als er Gisa zu sich bitten ließ.

»Ich habe mit dir zu reden, mein Kind«, sagte er müde und ließ seine Blicke auf ihrem reinen, zarten Gesicht liegen, und dann verzerrte sich seine Miene sekundenlang, als bereitete es ihm unerträgliche Pein, seinem einzigen Kind das zu sagen, was ja einmal gesagt werden musste.

»Gisa, bisher habe ich noch nicht über meine Sorgen zu dir gesprochen, aber nun habe ich eingesehen, dass ich es dir sagen muss, denn schließlich bist du mein einziges Kind und giltst bisher überall als reiche Erbin.«

»Aber das ist mir ganz gleichgültig, Papa.« Gisa lächelte freundlich und drückte einen zärtlichen Kuss auf die Wange des ernsten Mannes.

»Es steht sehr schlecht um Gut Weiden, Gisa, ich müsste eigentlich sagen, dass es aussichtslos um das Gut bestellt ist, obwohl ich mir in den letzten Wochen in schlaflosen Nächten den Kopf zerbrochen habe, was ich tun soll. Ich habe Geld aufnehmen müssen, immer mehr Geld, und ich kann es nicht zurückzahlen, weil sich anscheinend alles gegen mich verschworen hat. Die Ernte war schlechter als seit Jahrzehnten, und das Geld ist knapper, als es jemals auf Gut Weiden gewesen ist. Ja, ich muss dir ehrlich gestehen, dass ich nichts mehr weiß, was uns retten soll.«

»Aber das kann doch nicht möglich sein, Papa! Ich werde arbeiten wie die Magd. Wir werden uns einschränken und jeden Cent zehnmal herumdrehen, ehe wir ihn ausgeben. Wir werden es schon schaffen, Papa, ganz sicher, wir müssen nur mit Vertrauen an die Sache herangehen, nicht wahr?«

»Ach was«, Baron Weiden winkte müde ab, »glaubst du nicht, Kind, dass ich mir das nicht auch schon überlegt habe? Nein, es geht nicht. Wir brauchen neue Maschinen, wir müssen Vieh kaufen, Leute einstellen zur Ernte, und das alles kostet Geld. Es würde zehn Jahre dauern, bis ich diese Ausgaben einigermaßen überwunden habe. Aber ich habe eben nicht das Kapital, das ich investieren müsste, Gisa.«

»Dann – dann glaubst du also, Papa, dass es keine Rettung mehr gibt?«, fragte Gisa verzweifelt und erschüttert.

»Nein, ich glaube es nicht, ich weiß bestimmt, dass uns nichts anderes übrigbleibt, als von Weiden fortzugehen. Seit Jahrhunderten ist das Gut im Familienbesitz, aber noch keinem der Besitzer ist es so schlecht ergangen wie uns, Gisa.«

»Ich werde überlegen, vielleicht fällt mir etwas ein«, murmelte sie und stand auf. Sie hatte das Gefühl, es nicht mehr länger ertragen zu können, dieses sorgenzerfurchte Gesicht des Vaters und die brüchige hoffnungslose Stimme, mit der er zu ihr sprach.

Aber auch ihr fiel nichts mehr ein, was die letzte Rettung hätte bedeuten können.

*

Während die kleine Gisa von Weiden verzweifelt schluchzend im hintersten Winkel des etwas verwilderten Schlossparks hockt, nähert sich ein eleganter Wagen der Einfahrt zu Schloss Weiden, fährt durch die breite, nicht sehr gepflegt wirkende Allee und hält mit leichtem Ruck vor dem hohen Portal.

Aus diesem Wagen steigt ein schlanker, hochgewachsener Mann mit etwas strengen Gesichtszügen. Er nickt dem Diener, der ihn empfängt, zu und sagt dann mit einer angenehm klingenden Stimme:

»Würden Sie mich bitte dem Herrn Baron melden? Ich hätte mit ihm zu reden.«

»Sehr wohl, Herr Graf«, sagt der Diener und bietet ihm Platz in der Halle.

Guido von Erlenbach lässt sich aufatmend nieder und starrt auf seine eleganten Schuhe hinab. Dabei vergisst er aber nicht, einen schnellen Blick durch die Halle schweifen zu lassen. Dann nickt er, als sei er sehr zufrieden. Und als der Diener zurückkommt, um ihm zu bedeuten, dass der Herr Baron ihn zu sprechen wünsche, nickt er wieder und erhebt sich, um sich mit elastischen, ausgreifenden Schritten auf die offene Tür zuzubewegen.

Sein Gesicht verzieht sich nicht, es zuckt kein Muskel darin, als er dem Baron die Hand drückt und sich mit leichtem Neigen des ausdrucksvollen Kopfes in den angebotenen Sessel gleiten lässt.

»Es ist eine – nun, sagen wir einmal – sehr delikate Angelegenheit, Baron Weiden, die mich zu Ihnen führt«, geht er gleich auf den Kern der Sache, die ihn augenscheinlich nach Weiden geführt hat, zu.

»Bitte, sprechen Sie, Graf Erlenbach«, sagt Baron Weiden müde und denkt:

Es ist schon alles gleichgültig. Auf eine unangenehme Sache mehr oder weniger kommt es jetzt wahrlich nicht an. Delikate Sachen sind meist unangenehm – vielleicht sind sie es immer. Mir ist es egal.

»Ich habe Ihre Tochter kennengelernt, und ich möchte sie zu meiner Frau nehmen.« Guido von Erlenbachs Miene verzieht sich immer noch nicht. Er sieht den Hausherrn ernst an.

Baron Weiden kann sich so schnell nicht von seinem Erstaunen erholen. Er starrt Guido von Erlenbach sekundenlang sprachlos an, um dann zu stammeln:

»Ja – aber – davon hat Gisa mir noch nichts erzählt, Graf. Sie sehen, ich bin völlig überrascht. Sind Sie sich denn schon einig?«

»Nein, natürlich nicht.« Guido verneigt sich knapp. »Wie stellen Sie sich zu meiner Absicht, Baron Weiden?«

»Ich weiß nicht, aber eigentlich möchte ich das wohl meiner Tochter am liebsten überlassen, Graf. Ich werde mit ihr reden. Und – verzeihen Sie, aber das ist alles so seltsam, ich hatte keine Ahnung davon, dass Sie Gisa kennen.«

»Ich habe sie schon oft beobachtet, wenn sie mit draußen war, und es hat mir sehr gefallen, dass sie immer mit angepackt hat, wenn es notwendig wurde. Ja, Baron Weiden, ich glaube, ich liebe Ihre Tochter.«

»Und Gisa? Wenn Gisa Sie nun nicht liebt, Graf von Erlenbach? Was soll ich dann tun?«

»Sie wird mich liebenlernen, denke ich«, erklärt Guido stolz und wirft den Kopf in den Nacken.

»So! Ja, ich weiß nicht so recht, aber ich denke, es ist besser, wenn ich mit Gisa erst einmal spreche, wie? Ich – hm, es fällt mir sehr schwer, davon zu reden, Graf Erlenbach, aber ich fühle mich verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, dass Gut Weiden nicht mehr lange zu halten ist. Es weiß noch niemand außer Gisa davon, und ich möchte auch nicht …«

»Im Falle einer Heirat würde ich Ihnen das Gut erhalten, Baron, das bietet keinerlei Schwierigkeiten«, sagt Guido streng und erhebt sich.

Es bleibt Baron Weiden nichts anderes übrig, als das Gleiche zu tun. Sehr nachdenklich begleitet er seinen seltsamen Gast hinaus und sitzt auch lange Zeit danach noch nachdenklich in seinem Sessel. Was wird Gisa dazu sagen, denkt er unablässig, was wird das Mädel dazu sagen?

Wird sie ihn nehmen? Wird sie ja sagen zu diesem mehr als seltsamen Heiratsantrag?

Als Gisa mit verweintem Gesicht heimkommt, lässt sie der Baron sogleich bitten, in sein Arbeitszimmer zu kommen. Erstaunt gehorcht sie, und es wird ihr beklommen zumute, als sie das nachdenkliche Gesicht des Vaters sieht. Schüchtern lässt sie sich in einem Sessel nieder und faltet die Hände im Schoß.

»Papa«, sagt sie leise, »Papa, du hast mich rufen lassen, nicht wahr?«

»Ja, Kind, es ist nur … Kennst du eigentlich Guido von Erlenbach?«, fragt er sichtlich nervös und betrachtet sie aufmerksam. Aber nichts als Staunen über diese unerwartete Frage ist darin zu lesen.

»Graf Erlenbach von Gut Erlenbach?«, fragt Gisa leichthin. »Natürlich, jeder kennt ihn.«

»Er war heute bei mir, Gisa«, sagt Weiden nachdenklich.

»Er war hier, bei uns? Ja, und was hat er gewollt, Papa? Will er uns vielleicht helfen?« Sie springt auf und legt geschwind die kleine Hand auf die Schulter des Barons und neigt sich ihm gespannt zu.

»Das auch, aber das war nicht das Wichtigste seines Besuches.«

»Aber was hat er denn nur gewollt, Papa?«, will Gisa energischer wissen.

»Er kam, um mich um deine Hand zu bitten, Kind«, murmelt Baron Weiden und wagt kaum, seine junge Tochter anzusehen.

»Erlenbach kam, um um meine Hand zu bitten, Papa? Soll das ein Scherz sein?«, stößt Gisa bestürzt hervor.

»Nein. Er sagt, dass du ihn schon liebenlernen würdest und er dich zur Frau nehmen will. Ich habe ihm gesagt, dass du die letzte Entscheidung darüber zu treffen hättest.«

»Ich soll Graf Erlenbachs Frau werden?«, fragt Gisa mehr erschrocken als erstaunt. »Ja, mein Gott, wie kommt er denn dazu? Ich soll in das Spukschloss ziehen und darin leben bis an mein Ende? Papa, was soll ich denn tun?«

Zwei klare Augen schauen vertrauend in das Gesicht des Vaters. Aber er schüttelt den Kopf und sieht sein Kind an, als sei er allein dafür verantwortlich zu machen, dass das Leben nicht immer in so glücklichen Bahnen verläuft, wie man sich das wohl wünschen mag.

»Das wirst du ganz allein entscheiden müssen, Gisa«, sagt er schwer und irgendwie auch wütend auf das unbarmherzige Schicksal, das es ihm anscheinend nicht zu vergönnen scheint, in Ruhe und Glück mit seinem einzigen Kind zu leben.

»Du bist alt genug, und du musst wissen, wie du dir dein Leben einrichtest, nicht wahr? Denke an nichts anderes als an dich, Gisa, dann ist es immer richtig, was du tust.«

»Aber so etwas kann man doch nicht im Handumdrehen entscheiden«, bricht es aus der jungen Baronesse hervor, »ich kann doch nicht so einfach ja oder nein sagen, Papa. Du musst das doch mit mir besprechen, nicht wahr?«

»Ich wüsste wirklich nicht, was wir da miteinander zu besprechen hätten, Gisa. Ich habe dir mitgeteilt, dass Erlenbach hier gewesen ist, um mich um deine Hand zu bitten. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Die letzte Entscheidung liegt bei dir.«

»Ja, aber ich kann doch nicht, Papa, ich liebe ihn ja gar nicht«, sagt Gisa verwirrt und sieht in das ernste, vergrämte Gesicht des Vaters, dessen Augen in Güte auf ihr ruhen.

»Er hat viel Geld«, murmelt sie dann wie zu sich selbst und hebt plötzlich den Kopf, um ihn anzuschauen, »es wäre für ihn eine Kleinigkeit, unser Gut wieder fit zu machen, nicht wahr? Ich glaube, ich werde …«

»Du wirst überlegen, Kleines, du wirst das Für und Wider abwägen und dich dann entscheiden.«

*

Während sich Gisa von Weiden quält, um eine Entscheidung zu treffen, reitet Guido von Erlenbach auf dem Erlenbacher Schlosshof los. Auch er will hinaus, obwohl man seinem Gesicht nicht ansieht, dass er mindestens ein wenig erregt ist.

Ich liebe sie, diese kleine, zierliche Gisa Weiden, denkt er, ich liebe sie, und ich wüsste nicht, warum sie nicht meine Frau werden sollte. Ich vermag ihr alles zu bieten, alles, was ihr Herz überhaupt begehren kann. Nun, sie wird sich für mich entscheiden, niemals aber gegen mich, denn sie weiß bestimmt, dass es um Weiden sehr schlecht steht, dass aber ich in der Lage sein werde, Gut Weiden vor dem Ruin zu retten. Das alles wird sie sich durch den Kopf gehen lassen.

Und außerdem, jede Frau wäre froh, wenn sie mich zu einer Heirat bewegen könnte – jede. Auch Gisa von Weiden wird glücklich sein, dass sie meine Frau werden kann.

Und trotzdem hat er plötzlich keine Freude mehr am Reiten. Er wendet das Pferd hart auf der Hinterhand und reitet nach Erlenbach zurück.

Seine Miene drückt keinerlei Gemütsbewegungen aus, als er das Pferd dem Stalljungen übergibt und um das Schloss herumgeht, um über die Terrasse in das geräumige Wohnzimmer der alten Gräfin gelangen zu können.

»Nun, Guido?«, fragt die Gräfin und richtet ihre schönen Augen liebevoll auf den Sohn, als wolle sie ihn mit diesem Blick streicheln.

»Ich wusste gar nicht, dass du von deiner Ausfahrt schon zurück bist.«

»Mama, interessiert es dich eigentlich gar nicht, wohin ich heute Morgen gefahren bin?«, will er wissen und neigt sich über ihre feine weiße Hand.

»Doch«, antwortet die Gräfin leichthin und lächelt. »Ich bin sogar sehr neugierig, mein Junge. Und weil ich eine alte Frau bin, wirst du mir das sicherlich verzeihen.«

»Natürlich, aber ich hätte es dir ohnehin schon gesagt, Mama. Ich bin nämlich auf – na ja, ich bin also heute Morgen auf Brautschau gewesen.«

»Auf was bist du gewesen, Guido? Auf Brautschau?«, fragt die Gräfin und wirft ihrem Sohn einen erstaunten Blick zu.

»Ja, Mama, ich war auf Brautschau. Findest du das so absonderlich?«

»Nein, eigentlich nicht, aber es kommt mir so plötzlich. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll und dann – weiß eigentlich sie schon davon?«

»Wer, meine zukünftige Braut? Nein, natürlich habe ich mich erst einmal an ihren Vater gewandt, und ich glaube nicht, dass sie mich abweisen wird. Sie ist noch sehr jung, sie wird mich liebenlernen, und ich glaube auch, dass sie sich noch formen lassen wird, so wie ich sie gern haben möchte.«

»Glaubst du denn, Guido, dass das richtig sein wird? Du fragst nicht nach dem Charakter eines Menschen, du sprichst allein davon, dass du ihn umformen möchtest. Nein, das ist nicht richtig, mein Junge. Schau, du weißt ja gar nicht, ob du den Charakter hast, den deine zukünftige Frau in dir sucht. Könnte es nicht sein, dass sie auch die Absicht hat, dich umzuformen?«

»Nein«, sagt er hart, »nein, ich werde mich niemals formen lassen, am allerwenigsten aber von einer Frau, Mama, glaube mir. Ich weiß, dass sich alle Frauen glücklich schätzen würden, wenn ich die Absicht hätte, sie zur Frau zu nehmen.«

»Das würde ich aber nicht mit einer derartigen Sicherheit behaupten, Guido«, widerspricht die alte Dame energischer, als man es ihr zugetraut hat. »Es gibt auch Frauen, die dich bestimmt nicht gern nehmen. Wenn ich eine junge Frau wäre, und ich würde dich gut kennen, Guido, dann würde ich dich niemals heiraten wollen.«

»Und warum nicht, Mama?«, fragt er lauernd und eiskalt, denn er ist doch ein wenig in seiner männlichen Eitelkeit gekränkt. »Ich sehe nichts, das einer Frau missfallen könnte.«

»Dafür sehe aber ich umso mehr, Junge. Du bist viel zu selbstsicher, du bist viel zu überzeugt von dir selbst, und es gibt Frauen, die das nicht vertragen können.«

»Aber Baronesse Weiden wird es vertragen. Ich weiß, dass sie mich heiratet, ich weiß es ganz sicher. Sie wird mir morgen sagen, dass sie mich haben will, und dann wird Hochzeit gefeiert. Außerdem wird es auch allerhöchste Zeit dafür, denn du weißt, Mama, dass ich in einem halben Jahr verheiratet sein muss, wenn ich Erlenbach behalten will.«

»Ja, natürlich, aber ich hätte an deiner Stelle ganz offen mit der Baronesse gesprochen. Ich kenne sie zufällig, und ich weiß, dass sie ein sauberes, klares Mädchen ist. Du hast sie in eine Zwickmühle gebracht, Guido, glaube es mir.«

»Pass auf, Mama, ich habe ihrem Vater nur einen geschäftlichen Vorschlag gemacht. Er hat mir gestanden, dass er Gut Weiden nicht mehr zu halten vermag, wenn nicht ein Wunder geschieht. Und da habe ich ihm erklärt, dass ich selbstverständlich dafür Sorge trage, dass das Gut im Familienbesitz verbleiben kann. Eine Hand wäscht die andere, Mama, da kannst du wirklich nichts weiter darüber sagen.«

»Das mag alles gut und richtig sein, Guido – unter Männern, meine ich. Aber die Liebe, mein Junge, die ist kein Geschäft. Liebe ist etwas so Großes und Heiliges, dass man damit kein – nun, sagen wir ruhig einmal – Schindluder treiben darf. Sie muss langsam wachsen, und man muss auch Opfer dafür bringen.«

»Nun, Baronesse Gisa hat ja jetzt Gelegenheit, ein Opfer zu bringen. Sie bringt ihrer Kinderliebe ein Opfer, und ich bringe der Liebe zu Erlenbach ein Opfer. Ich verstehe nicht, Mama, dass du mir in dieser Beziehung kein Verständnis entgegenbringen kannst. Du liebst Erlenbach doch auch, und du würdest bestimmt mit bitterem Herzen fortgehen, wenn ich nicht zurzeit verheiratet bin. Es ist an mir, jetzt endlich die Sicherheit unseres Besitzes zu gewährleisten. Und ich habe mich entschlossen, das auch zu tun.«

»Darf ich dir einen anderen Vorschlag machen, Guido?«, fragt die Gräfin nun leise und sieht ihren großen, stattlichen Jungen bittend an.

Da nickt er, greift nach den zierlichen Händen der alten Dame und drückt einen Kuss darauf.

»Aber natürlich, Mama, du weißt, dass ich deine Vorschläge bisher fast ausnahmslos akzeptiert habe. Und du wirst mir auch jetzt wieder einen vernünftigen Vorschlag machen, wie ich dich kenne.«

»Danke.« Sie lächelt und fährt dann geschwind fort: »Meiner Ansicht nach bist du dazu verpflichtet, Gisa von Weiden reinen Wein einzuschenken, warum du plötzlich heiraten willst und wieso du das alles so geschäftsmäßig machst.«