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Waldröschen oder Die Rächerjagd rund um die Erde (später auch: Das Waldröschen oder die Verfolgung rund um die Erde) ist der erste von fünf Kolportageromanen von Karl May, erschienen zwischen zwischen 1882 und 1884 in 109 Fortsetzungen. Dies ist Band 5.
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Seitenzahl: 538
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Ein Gardeleutnant
Karl May
Inhalt:
Karl May – Biografie und Bibliografie
Ein Gardeleutnant
1. Kapitel.
2. Kapitel.
3. Kapitel.
4. Kapitel.
5. Kapitel.
6. Kapitel.
7. Kapitel.
8. Kapitel.
9. Kapitel.
10. Kapitel.
11. Kapitel.
12. Kapitel.
13. Kapitel.
14. Kapitel.
15. Kapitel.
16. Kapitel.
17. Kapitel.
18. Kapitel.
19. Kapitel.
20. Kapitel.
21. Kapitel.
22. Kapitel.
23. Kapitel.
24. Kapitel.
25. Kapitel.
26. Kapitel.
27. Kapitel.
28. Kapitel.
29. Kapitel.
30. Kapitel.
31. Kapitel.
32. Kapitel.
33. Kapitel.
34. Kapitel.
35. Kapitel.
36. Kapitel.
37. Kapitel.
Ein Gardeleutnant, Karl May
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849609573
Am 25. Februar 1842 wird Karl May wird als fünftes Kind des Webers Heinrich May und dessen Ehefrau Wilhelmine (geb. Weise) in Ernstthal (Sachsen) geboren. Obwohl er kurz nach seiner Geburt erblindet wird er im Alter von 5 Jahren von der Krankheit geheilt. Bereits mit 14 Jahren beginnt er eine Ausbildung zum Volksschullehrer, die er 1861 besteht. Noch im gleichen Jahr verliert May seinen Arbeitsplatz als Lehrer wegen wiederholten Diebstahls. Ab 1863 wird es ihm verboten zu unterrichten.
Von 1865 bis 1869 wird May immer wieder straffällig und muss von 1870 bis 1874 ins Gefängnis. Danach beginnt May zu schreiben und in "Der Deutsche Hausschatz" erscheinen erste Erzählungen: "Reiseabenteuer in Kurdistan", "Die Todeskaravane" oder "Stambul". Seine Romane erfahren immer mehr Zuspruch und 1893 erscheint die Winnetou-Reihe. Bis 1898 veröffentlicht May über 30 Bände mit immer steigender Auflage.
Erst 1899 unternimmt May erstmals eine Reise in den Orient, 1908 sieht er zum ersten Mal die Vereinigten Staaten. Alles was er geschrieben hatte war pure Fiktion! Er stirbt am 30. März 1912 an einem Herzschlag.
Zu seinen wichtigsten Werken zählen Durch die Wüste und Harem (1892) ,Durchs wilde Kurdistan (1892), Von Bagdad nach Stambul (1892), In den Schluchten des Balkan (1892), Durch das Land der Skipetaren (1892), Der Schut (1892), Winnetou I (1893), Winnetou II (1893), Winnetou III (1893), Orangen und Datteln (1893), Am Stillen Ozean (1894), Am Rio de la Plata (1894), In den Cordilleren (1894), Old Surehand I (1894), Old Surehand II (1895), Im Lande des Mahdi I (1896), Im Lande des Mahdi II (1896), Im Lande des Mahdi III (1896), Old Surehand III (1897), Satan und Ischariot I (1896) ,Satan und Ischariot II (1897), Satan und Ischariot III (1897), Auf fremden Pfaden (1897), „Weihnacht!“ (1897), Im Reiche des silbernen Löwen I (1898), Im Reiche des silbernen Löwen II (1898), Am Jenseits (1899), Der Sohn des Bärenjägers (1887), Der Geist des Llano estakato (1888), Der blaurote Methusalem (1888), Die Sklavenkarawane (1889/90), Der Schatz im Silbersee (1890/91), Das Vermächtnis des Inka (1891/92), Der Ölprinz (1893/94) und Der schwarze Mustang (1896/97).
Das Leben gleicht dem Meer, dessen ruhelose Wogen sich ewig neu gebären. Millionen und Abermillionen wechselvoller Gestalten tauchen aus den Fluten auf, um für die Dauer eines kurzen Lebensaugenblickes auf der Oberfläche zu erscheinen und dann wieder zu verschwinden – für immer? Wer weiß es? Am Gestade steht der Beobachter und richtet tausend Fragen an das Schicksal, aber kein Wort tönt an sein Ohr. Das Geschick spricht und antwortet nicht mit Worten, sondern in Taten, die Entwicklung schreitet unaufhaltsam weiter, und der Sterbliche sieht sich verurteilt, in fast machtloser Geduld die Geburt der ersehnten Ereignisse abzuwarten. Keine Stunde, keine Minute, kein Augenblick läßt sich verfrühen, und keine Tat bringt eher Früchte, als es von den ewigen Gesetzen vorgeschrieben wurde.
Oft steht der Mensch vor einer scheinbar folgenschweren Begebenheit, aber Tage und Jahre verrinnen, und es scheint, als ob die vorhandenen Ursachen ihre Triebkraft verloren hätten. Es ist, als ob das Vergangene wirkungslos sei, als ob die geheimen Federn des Lebensmechanismus ihre Spannung verloren hätten. Kein Laut ist zu hören, keine Tat, kein Erfolg zu sehen, und der schwache Mensch möchte fast an der Gerechtigkeit der Vorsehung zweifeln. Aber die Gerechtigkeit geht rücksichtslos ihren gewaltigen und unerforschten Weg, und gerade dann, wenn man es am wenigsten denkt, greift sie mit zermalmender Faust in die Ereignisse ein, und man erkennt mit staunender Bewunderung, daß tief am Grund des Meeres sich Fäden gesponnen haben, die nun an die Oberfläche treten, um sich zum Knoten zu schürzen, den zu lösen nun in die Macht des Menschen gegeben ist.
So war es auch mit den Schicksalen, deren Fäden in Schloß Rheinswalden zusammenliefen. Es vergingen Monate und Jahre, ohne daß man von den teuren Personen, die hinaus in die weite Welt gegangen waren, etwas hörte. Sie waren und blieben verschollen. Man mußte schließlich annehmen, daß sie zugrunde gegangen seien, und dies brachte eine tiefe, aufrichtige Trauer über den Kreis der Bewohner von Rheinswalden.
Als alle, auch die eingehendsten Nachforschungen vergeblich blieben, sah man sich gezwungen, sich in das Unvermeidliche zu fügen. Der Schmerz war groß und konnte nur durch die wie Balsam wirkende Zeit gemildert werden. Es breitete sich über die Gesichter der Zug einer stillen Entsagung, man klagte nicht mehr, aber man bewahrte den Verschollenen ein tief in der Seele lebendes Angedenken und hütete sich zu gestehen, daß die Hoffnung doch noch nicht ganz und gar verschwunden sei.
So vergingen sechzehn volle, lange Jahre, bevor die Reihe der Begebenheiten, die jetzt abgeschlossen gewesen schien, endlich eine Fortsetzung nahm.
*
In einem der feinsten Etablissements Berlins, das nicht weit vom Tiergarten gelegen war und ausschließlich von Offizieren und höchstens noch von hochgestellten Zivilbeamten frequentiert wurde, saßen eines Morgens eine Anzahl junger Leute beisammen, die, nach ihren Uniformen zu schließen, den verschiedensten Truppengattungen angehörten. Sie hatten sich zu einem jener feinen Frühstücke zusammengefunden, bei denen das Kuvert oft auf einige Hundert Mark zu stehen kommt, und schienen von dem genossenen Wein bereits in eine sehr angeheiterte Stimmung versetzt zu sein.
Dieses Frühstück war die Folge einer Wette.
Leutnant von Ravenow, der bei den Gardehusaren stand, besaß ein ungeheures Vermögen, war als der hübscheste und flotteste Offizier bekannt und freute sich einer solchen Beliebtheit bei den Damen, daß er sich rühmte, niemals einen Korb bekommen zu haben. Nun hatte sich vor einiger Zeit ein russischer Knjas – Fürst – in Berlin niedergelassen, dessen Tochter eine seltene Schönheit war und deshalb von der jungen Herrenwelt vielfach umworben wurde. Sie schien diese Bewerbungen gar nicht zu bemerken und wies jede Annäherung so stolz und nachdrücklich zurück, daß sie allgemein für eine erklärte Männerfeindin gehalten wurde. Auch Leutnant von Golzen, der bei den Kürassieren von der Garde stand, hatte sich eine öffentliche und darum höchst fatale Zurückweisung geholt und war infolgedessen von seinen Kameraden ausgelacht worden. Der fleißigste Lacher war von Ravenow gewesen, und um sich zu rächen, hatte von Golzen ihm angeboten, um ein solennes Frühstück zu wetten, daß auch er sich einen Korb holen werde. Ravenow hatte die Wette sofort angenommen und – gewonnen, denn er ging seit einigen Tagen in Gesellschaft der Russin aus, und es war erwiesen, daß sie ihm ihre Zuneigung widmete.
Heute nun hatte Golzen die Wette zu bezahlen, und die Kameraden sorgten in ausgelassener Weise dafür, daß zu dem Schaden auch der Spott nicht fehlte.
»Ja, Golzen, es geht dir gerade wie mir!« schnarrte ein langer, spindeldürrer Hauptmann, der die Schützenuniform trug. »Uns beiden bleibt Hymens Gunst versagt, aus welchem Grund, das mag der Teufel wissen!« – »Pah!« lachte der Angeredete. »Bei dir ist es sehr leicht erklärlich, daß du kein Glück bei den Damen hast. Wer dich heiratet, hätte drei Meilen Knochensammlung zu machen, und das ist eine Arbeit, die man wohl einem Präparateur, nicht aber einer Dame zumuten darf. Was aber mich betrifft, so fühle ich meinen Stolz nicht im mindesten verwundet. Ich habe zwar meine Wette verloren, doch nicht um eines Korbes willen, sondern weil Ravenow keinen erhalten hat. Ich bin überzeugt daß er auch seine Meisterin finden wird, die ihn zur Retirade zwingt« – »Ich?« fragte Ravenow. »Wo denkst du hin! Ich bin bereit, eine jede Wette einzugehen, daß ich überall siege.« – »Oho!« klang es im Kreis. – »Ja«, wiederholte er. »Eine jede Wette und ein jedes Mädchen. Auf Ehre!«
Er schlug sich mit der Hand an die Stelle, an der der Griff seines abgelegten Degens zu finden gewesen sein würde, und blickte sich auffordernd im Kreis um. Seine geröteten Wangen bewiesen, daß er dem Wein nicht mäßig zugesprochen hatte, und so mochte es kommen, daß er seine Erfahrungen höher anschlug, als er durfte. Golzen erhob warnend den Finger und sagte:
»Nimm dich in acht Alter, sonst nehme ich dich beim Wort!« – »Tue es!« rief Ravenow. »Nimmst du mich nicht beim Wort, so erkläre ich, daß du dich scheust ein zweites Frühstück zu bezahlen!«
In den Augen Golzens blitzte es auf. Er fuhr empor und fragte:
»Jede Wette gehst du ein?« – »Jede«, lautete die schnelle übermütige Antwort. – »Jedes Mädchen?« – »Jedes. Punktum.« – »Nun wohl! Ich setze meinen Fuchs gegen deinen Araber...« – »Donnerwetter!« rief da Ravenow. »Das ist verteufelt ungleich, aber ich darf nicht zurück. Angenommen also. Welches Mädchen?«
Ein zynisches Lächeln breitete sich um die Lippen Golzens, und er antwortete:
»Ein Mädchen von der Straße; dasjenige, das ich dir unter den jetzt Vorübergehenden bezeichne.«
Ein lautes Gelächter erscholl im Kreis, und einer der Anwesenden meinte:
»Bravo! Golzen will seinen Fuchs opfern, damit Ravenow sich den großen Ruhm erwirbt, irgendeine Nähmamsell oder eine zweifelhafte Ladennymphe erobert zu haben. Das ist göttlich!« – »Halt, ich lege mein Veto ein!« meinte Ravenow. »Ich habe zwar gesagt, jedes Mädchen, aber man wird mir wenigstens die Beschränkung erlauben, daß es keine Dirne zu sein braucht; das ist man meiner Ehre schuldig. Muß es partout eine von den Passantinnen sein, so bedinge ich mir aus, daß nur unter denen gewählt werde, die vorüberfahren, nicht aber gehen.« – »Angenommen!« stimmte Golzen bei. »Ich mache dir sogar die Konzession, daß ich nicht einmal die Inhaberin einer Droschke bezeichnen werde.« – »Ich danke dir!« nickte Ravenow befriedigt. »Wieviel Zeit gibst du mir zur Eroberung der Feste?« – »Fünf Tage von heute an.« – »Einverstanden! Mag also der Tanz beginnen, Zeit habe ich!«
Ravenow erhob sich von seinem Platz und schnallte sich den Degen um. Man bemerkte es kaum, daß die Geister des Weines in ihm rumorten, und wer ihn so dastehen sah mit dem pfiffig selbstbewußten Ausdruck seines hübschen Gesichts, der zweifelte nicht daran, daß es ihm nicht allzu schwer sein werde, seine Vorzüge zur Geltung zu bringen. Die Herren Offiziere sind von der Damenwelt zu sehr verwöhnt, als daß sie sich für überwindlich halten sollten.
Von diesem Augenblick an herrschte eine große Spannung in dem Zimmer.
Die Herren standen an den Fenstern und beobachteten die Insassen der vorüberfahrenden Wagen. Welche der Damen, die vorüberrollten, würde Golzen wählen? Eine solche Wette war noch nie dagewesen. »Interessant! Famos! Unglaublich! Außerordentlich! Verwegen! Grandios! Pyramidal!« Das waren die einzelnen Ausrufe, mit denen man der Spannung Luft zu machen suchte, bis ein kleiner Füsilierleutnant ein anderes Wort ausstieß, indem er näher an das Fenster trat und rief:
»Ah, herrlich! Eine wirkliche Schönheit!« – »Wer? Wo?« ertönte die Frage. »Dort an der Ecke, die Equipage mit den Trakehnern«, antwortete er. – »Ah, bei Gott, du hast recht!« rief ein zweiter. »Wer mag das sein?«
Die bezeichnete Equipage kam im Schritt herangerollt. Im Fond des Wagens saß neben einer ältlichen Dame ein junges Mädchen von soeben erst erblühter Schönheit, die fast unbeschreiblich zu nennen war. Ihr Gesichtchen war von der zarten Röte der Jugend überhaucht, ihr volles, schönes Haar fiel in zwei starken, langen Zöpfen auf den Sitz herab und wand sich von da wie eine weiche, liebkosende Schlange über den Schoß hinüber und wieder herüber. Ihre Züge waren so rein, so kindlich, so ahnungslos, und doch lag in ihren tiefen, dunklen Augen ein Licht, das jedem annähernden Schritt versengend entgegendrohte. So viel man von der Gestalt sehen konnte, hatte sie den Schritt vom Kind zur Jungfrau getan, aber diese trotz ihrer Zartheit so kräftigen Formen mußten zur Entfaltung einer königlichen Schönheit geeignet sein. Wenn diese Jungfrau sich vom Sitz erhob, so mußte sie sich ganz sicher in einer imponierenden Höhe präsentieren.
»Herrlich! Unvergleichlich! Wer ist sie? Unbekannt! Eine Venus! Nein, eine Diana! Vielmehr eine Minerva!«
So rief es rund im Kreis. Golzen, der Gardekürassier, drehte sich um, zeigte auf die Equipage und rief:
»Ravenow, diese hier!« – »Ah, einverstanden, ganz und gar einverstanden!« rief dieser in einem beinahe jubelnden Ton.
Dann zupfte er sich die Uniform zurecht, warf einen Blick in den Spiegel, nahm den Degen unter den Arm und eilte hinaus.
»Ein Glückspilz, auf Ehre!« schnarrte der lange Hauptmann, indem er ihm neidisch nachblickte. »Ich bin doch begierig, wie er es anfangen wird!« – »Pah, er wird ihnen per Droschke nachfahren, um zunächst ihre Adresse zu erfahren«, meinte einer der Herren.
Golzen lachte kühl und antwortete:
»Und dabei einen Tag versäumen. Nein, er wird Sorge tragen, mit ihnen bereits heute in ein Gespräch zu kommen.« – »Wie wird er dies anfangen?« – »Das laßt seine Sorge sein. Er hat in diesem Punkt Erfahrung genug, und um einen Araber zu retten, strengt man schon seine Erfindungsgabe an.« – »Ah, er nimmt wirklich eine Droschke und fährt ihnen nach. Wer doch dabeisein könnte!«
Ravenow hatte wirklich einen Fiaker genommen, der an der nahe liegenden Haltestation sehr leicht zu haben war, und gebot dem Kutscher, die Equipage, die von zwei Trakehnern gezogen wurde, zu verfolgen. Die zwei Fuhrwerke bogen nach dem Tiergarten ein, und es wurde ersichtlich, daß die Besitzerinnen der Equipage eine Spazierfahrt durch den letzteren beabsichtigten.
Als man eine sehr wenig belebte Allee erreichte, befahl der Leutnant dem Kutscher, die Equipage zu überholen, griff aber vorher in die Tasche, um ihn zu bezahlen. Als die Droschke an den Damen vorüberrollte, bog er sich seitwärts nach ihnen hin, machte ein sehr überraschtes Gesicht und grüßte in einer Weise, als ob er Bekannten begegne, winkte dem Kutscher der Equipage zu halten und sprang zu gleicher Zeit aus seinem Wagen, der sofort umlenkte und zurückkehrte. Die Equipage hielt.
»Weiter!« gebot er, und während sie sich wieder in Bewegung setzte, hatte er bereits den Schlag geöffnet und stieg ohne Umstände ein, um sich hier mit einem vor Freude strahlenden Gesicht auf den Sitz niederzulassen und ganz so zu tun, als ob er die erstaunten, ja indignierten Mienen der beiden Damen gar nicht bemerke. Dann streckte er dem Mädchen beide Hände entgegen und rief mit außerordentlich gut gespieltem Enthusiasmus:
»Paula, ist's möglich? Welch ein Zusammentreffen! Sie sind in Berlin? Warum haben Sie mir nicht vorher geschrieben?« – »Mein Herr, Sie scheinen uns zu verkennen!« sagte die ältere Dame mit einem sehr ernsten Gesicht.
Ravenow markierte eine Miene, die teils Überraschung ausdrückte, teils die Vermutung aussprach, daß man mit ihm scherzen wolle, und antwortete:
»Ah, gnädige Frau, Verzeihung! Wie es scheint, habe ich allerdings noch nicht die Ehre, von Ihnen gekannt zu sein, Paula jedoch wird diesen Umstand gern beseitigen.« Und sich zu der jungen Dame wendend, bat er: »Bitte, Fräulein, haben Sie die Güte, mich dieser Dame vorzustellen!«
Aus den tiefen, ernsten Augen des Mädchens fiel ein forschender, scharfer Blick auf ihn, und er hörte eine Stimme, goldig und wohltuend, wie der sympathische Klang eines Glöckchens:
»Dies ist mir unmöglich, denn ich kenne Sie nicht. Wer sind Sie?«
Da fuhr er mit dem Ausdruck der höchsten Befremdung zurück und sagte:
»Wie, Sie verleugnen mich, Paula? Womit habe ich das verdient? Ah, ich vergesse, daß Sie immer gern ein wenig zu scherzen belieben!«
Wieder traf ihn ein forschender Blick, aber finsterer als vorher, und als sie antwortete, sprach sich eine so stolze, hoheitsvolle Zurückweisung in dem Ton aus, daß er sich ganz überrascht fühlte.
»Ich scherze nie mit Personen, die ich nicht kenne oder nicht zu kennen wünsche, mein Herr. Ich hoffe, daß es nichts anderes ist, als eine mir allerdings fatale Ähnlichkeit, die Sie veranlaßt, unseren Wagen so ohne alle weiteren Umstände zu überfallen, und bitte Sie, sich zu legitimieren!«
Es gelang ihm sehr gut, die höchste Bestürzung zu forcieren, und mit ebenso gut simulierter Hastigkeit antwortete en
»Ah, wirklich? Mein Gott, sollte ich mich denn wirklich täuschen! Aber dann wäre ja diese Ähnlichkeit eine so frappante, wie ich sie nie und nimmermehr für möglich gehalten hätte. Doch das Rätsel muß sich ja gleich lösen.« Und mit einer doppelten Verbeugung gegen die beiden Damen fügte er hinzu: »Mein Name ist Hugo von Ravenow, Graf Hugo von Ravenow, Leutnant bei den Gardehusaren Seiner Majestät.« – »So bestätigt es sich, daß wir Sie nicht kennen«, sagte das Mädchen. »Mein Name ist Rosa Sternau, und diese Dame ist meine Großmama.« – »Rosa Sternau?« fragte er scheinbar ganz erschrocken. »Ist dies denn wirklich möglich? Sie sehen mich ganz und gar erschreckt, auf Ehre, meine Damen! Ich bin allerdings das Opfer einer ganz außerordentlichen, ganz unglaublichen Ähnlichkeit und ersuche Sie dringend, mir zu verzeihen!« – »Wenn es sich wirklich um eine solche Ähnlichkeit handelt, so müssen wir allerdings verzeihen«, entgegnete Rosa, aber in ihrem Ton sowohl, als auch in dem Blick ihres prächtigen Auges sprachen sich deutliche Zweifel aus. »Darf ich Sie um die Mitteilung ersuchen, wer meine Doppelgängerin ist?« – »Gewiß, gewiß, Fräulein Sternau! Es ist meine Cousine Marsfelden.« – »Marsfelden?« fragte Rosa, indem ein eigentümlicher Blick von ihr hinüber zu ihrer Großmutter glitt. »Marsfelden ist ein adliger Name. Wo befindet sich diese Cousine, die also Paula von Marsfelden heißt?«
Das Gesicht des Leutnants klärte sich auf. Er vermutete aus der an ihn gerichteten Frage, daß die Dame bereit sei, auf ein Gespräch mit ihm einzugehen, und dies war es ja gerade, was er beabsichtigt hatte. Er glaubte überhaupt, leichtes Spiel zu haben. Die Damen hießen einfach Sternau, waren also bürgerlich, und welches Mädchen aus diesem gewöhnlichen Stand wäre nicht ganz glücklich, einen Gardeleutnant kennenzulernen, der noch dazu ein Graf war. Er vermutete nicht im geringsten eine Verfänglichkeit in der Frage Rosas und antwortete darum höchst unbefangen:
»Ja, Paula von Marsfelden. Sie ist am Hof der Großherzogin von Hessen-Darmstadt. Da sie von der Großherzogin bevorzugt wird und immer in ihrer Nähe ist, wunderte ich mich außerordentlich, sie hier in Berlin zu sehen. Ich muß ihr wirklich heute gleich schreiben, daß es in unserer Residenz ein so schönes und bewundernswertes Ebenbild von ihr gibt«
Es lag ein höchst fatales, beleidigendes Lächeln um den kleinen Mund des Mädchens, als es jetzt antwortete:
»Ich ersuche Sie, sich diese Mühe zu ersparen!« – »Warum, mein Fräulein?« – »Weil ich selbst Fräulein von Marsfelden davon benachrichtigen werde.« – »Sie selbst? Aus welchem Grund?« – »Weil diese Dame meine Freundin ist. Ich teile Ihnen, allerdings fast überflüssigerweise, mit, daß auch ich die Ehre habe, von der Großherzogin bevorzugt zu werden, wie Sie sich auszudrücken beliebten.« – »Ah!«
Diese Silbe klang fast wie ein Ruf des Schrecks. Ravenow sah ein, daß er, wenn auch nicht das ganze Spiel, so doch den Hauptzug verloren geben müsse. Dieses bürgerliche Mädchen hatte Zutritt am großherzoglichen Hof? Dieses Mädchen kannte jene Dame, deren Namen er genannt hatte, nur weil ihm gerade kein anderer eingefallen war? Paula von Marsfelden war mit ihm nicht im geringsten verwandt, er hatte sie nur seine Cousine genannt, um einen Grund für die unverfrorene Beschlagnahme der Equipage zu haben.
»Sie erschrecken?« sagte Rosa mit stolzer Kälte. »Ich habe mich also in Ihnen nicht getäuscht. Mein Herr, Sie sind zwar Graf und Offizier, aber nichtsdestoweniger ein Lügner, ja geradezu ein Bube, ein sehr frecher Bube!« – »Fräulein!« brauste er auf. – Leutnant!« entgegnete sie mit tiefster Verachtung. – »Wären Sie ein Mann, so müßten Sie mir sofort Satisfaktion geben, bei Gott und meiner Ehre! Kann ich für eine Ähnlichkeit, die der einzige Grund meines Irrtums ist?«
Jetzt wollte Frau Sternau in höchster Entrüstung das Wort ergreifen, doch Rosa bat sie durch eine Handbewegung zu schweigen und übernahm die Antwort selbst. Man hätte einem jungen Mädchen, wie sie war, kaum die schlagfertige Schärfe zutrauen mögen, mit der sie entgegnete:
»Schweigen Sie! Wäre ich ein Mann, so würde ich mich nur mit satisfaktionsfähigen Herren schlagen. Ob Sie bei Ihrer Ehre schwören dürfen, bezweifle ich, denn Ihr Benehmen dokumentiert einen vollständigen Mangel allen Ehrgefühls. Und was die Ähnlichkeit betrifft, auf die Sie sich zu stützen suchen, so ist sie eine große Unwahrheit. Fräulein von Marsfelden ist mir ebensowenig ähnlich, wie Sie sich mit einem Ehrenmann vergleichen lassen. Sie haben einfach ein wohlfeiles Abenteuer gesucht; Sie haben es gefunden, wenn auch in anderer Weise, als Sie es dachten. Sie sehen jedenfalls ein, daß Ihre mehr als zweifelhafte Rolle ausgespielt ist, und darum ersuche ich Sie, uns zu verlassen!«
Das war eine Abfertigung, wie der Leutnant noch keine erfahren hatte, aber er war ein Lebemann, der nicht gewillt war, sich auf diese Weise den Laufpaß geben zu lassen. Sollte er gleich am Anfang des Abenteuers seine Wette verloren geben? Nein, dazu war ihm sein Pferd zu kostbar. Und es gab ja in dieser Verzweiflung Ressourcen, die ihm die Hoffnung gaben, das Spiel zu gewinnen. Er nahm also eine möglichst zerknirschte Miene an und entgegnete:
»Nun wohl, gnädiges Fräulein, ich muß Urnen teilweise recht geben. Ich befinde mich in einer Lage, die mir keine Wahl läßt, ich sehe mich gezwungen, Ihnen die Wahrheit zu bekennen, selbst auf die Gefahr hin, den größten Fehler zu begehen und Ihren gegenwärtigen Zorn noch zu vergrößern.« – »Zorn«, lächelte Rosa überlegen. »Nein, von Zorn ist keine Rede. Erzürnen könnte mich nur ein ebenbürtiger Charakter. Sie haben sich nicht meinen Zorn, sondern nur meine Verachtung erworben. Ich begreife nicht, was Sie mir noch zu sagen haben könnten, ich verzichte auf jede weitere Mitteilung und ersuche Sie abermals, den Wagen zu verlassen!« – »Nein und abermals nein!« entgegnete er dringend. »Sie müssen meine Verteidigung hören!« – »Müssen! Ah! Wir werden ja sehen, ob ich muß!«
Ihr Auge blickte suchend die Allee entlang, während der Leutnant fortfuhr:
»Die Wahrheit ist die, daß ich Ihnen schon wochenlang folge, seit ich Sie hier zum ersten Male gesehen habe. Ihr Anblick hat mein Herz mit Gefühlen ...«
Da wurde er von einem Lachen unterbrochen, das sich so golden hell von ihren rosigen Lippen Bahn brach, daß er diese Lippen sofort und tausendmal hätte küssen mögen. Er fühlte, daß er hier in großer Gefahr sei, die Rollen zu verwechseln und selbst gefangen zu werden.
»Sie folgen mir bereits wochenlang?« fragte sie. – »Ja, auf Ehre, meine Gnädige!« beteuerte er. – »Hier in Berlin?« – »Allerdings«, antwortete er, bereits etwas kleinlauter. – »Und Sie sagen, daß Sie mir die Wahrheit gestehen wollen?« – »Die reine, aufrichtige Wahrheit, ich schwöre es!«
Bei dieser Versicherung legte er die Hand aufs Herz; sie bemerkte es nicht, sie sah nur, daß da vorn in der Allee ein Schutzmann postiert war, und das hatte sie längst bereits gewünscht »Nun, so will ich Ihnen sagen«, entgegnete sie, »daß Sie abermals lügen. Ich war noch nie in Berlin und befinde mich erst seit gestern hier. Sie sind ein renitenter und unverbesserlicher Mensch. Ich bedauere die Armee, die so unglücklich ist, Sie Kamerad nennen zu müssen, und befehle Ihnen nun wirklich zum letzten Male, unseren Wagen zu verlassen.« – »Ich werde nicht eher gehen, als bis ich mich gerechtfertigt habe, und wollen Sie mich nicht hören, so werde ich bleiben, um Ihre Wohnung zu erfahren und Sie dort aufsuchen, um mich zu verteidigen.«
Da blitzte ihr Auge auf, und mit der höchsten Geringschätzung in Miene und Ton sagte sie:
»Ah, Sie denken, daß zwei Damen zu schwach sind, sich zu verteidigen? Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen. Johann, halte an!«
Der Kutscher gehorchte. Der Wagen hielt an der Stelle, wo sich der Schutzmann befand, doch konnte der Leutnant, da er mit dem Rücken vorwärts saß, den Polizisten nicht sehen. Er lehnte sich nachlässig in den Sitz zurück und beschloß, va banque zu spielen. Wenn das Mädchen die Equipage zehnmal halten ließ, er wollte dennoch auf seinem Posten bleiben.
»Schutzmann, bitte, treten Sie einmal etwas näher!« rief Rosa.
Da drehte sich der Leutnant schnell um; und als er den Näherkommenden sah, erriet er die Absicht des Mädchens und konnte die Röte der Verlegenheit nicht verbergen, die sich über sein erschrockenes Gesicht breitete. Er öffnete bereits den Mund, um durch irgendeine geistesgegenwärtige Bemerkung der Gefahr die Spitze zu nehmen, aber Rosa kam ihm zuvor.
»Schutzmann«, sagte sie, »dieser Mensch hat uns im Wagen überfallen und ist nicht wieder hinwegzubringen. Helfen Sie uns!«
Der Polizist warf einen erstaunten Blick auf den Offizier. Dieser erkannte, daß er sich nur durch einen schleunigen Rückzug vor unangenehmen Weiterungen bewahren könne. Er stieg schnell aus und sagte nur:
»Die Dame scherzt nur, aber ich werde dafür sorgen, daß sie ernster wird.«
Damit schritt er drohenden Blickes davon.
»So sind wir befreit. Ich danke Ihnen!«
Mit diesen an den Schutzmann gerichteten Worten winkte sie dem Kutscher, die unterbrochene Fahrt fortzusetzen, und der Polizist blieb allein zurück, ohne sich den Vorgang ganz erklären zu können.
Der Leutnant fühlte sich gedemütigt wie noch nie in seinem Leben. Er knirschte vor Wut Dieser Backfisch sollte ihm diese Abfertigung entgelten! Da erblickte er eine leere Droschke, die ihm entgegenkam. Er wandte sich sofort wieder um, ließ sie herankommen, stieg ein und befahl dem Rosselenker, der Equipage zu folgen, die in der Feme noch zu erkennen war. Er wollte um jeden Preis erfahren, wo die Damen wohnten.
Die Fahrt ging durch einen großen Teil des Tiergartens und dann in die Stadt zurück. Die Equipage hielt in einer der belebtesten Straßen vor einem palastähnlichen Gebäude. Die Damen stiegen aus, empfangen von einem livrierten Lakaien, und die Equipage fuhr in den Torweg ein. Ravenow hatte genug gesehen. Er bemerkte vis-à-vis dem Haus eine Restauration, wo er seine Erkundigungen einzuziehen beschloß.
Nun ließ er sich nach seiner Wohnung fahren, legte da seine Uniform ab und einen einfachen Zivilanzug an und suchte das Schenklokal auf, sicher, daß man ihn von dem gegenüberliegenden Haus aus nicht erkennen werde.
Der Weinrausch war ihm schnell genug vergangen, so daß er es recht gut wagen konnte, einige Glas Bier zu trinken, um zu erfahren, was er gern wissen wollte. Leider aber befand sich der Wirt ganz allein in dem Lokal, und dieser schien ein mürrischer, verschlossener und wortkarger Mann zu sein, so daß Ravenow es vorzog, auf eine bessere Gelegenheit zu warten.
Seine Geduld sollte auf eine nicht zu lange Probe gestellt werden, denn er sah einen Mann drüben aus dem Haus treten, der über die Straße herüber und in das Schenklokal kam. Derselbe bestellte sich ein Glas Bier, nahm ein Zeitungsblatt, legte es aber bald wieder weg und blickte sich im Zimmer um, als suche er eine bessere Unterhaltung als diejenige, die ihm die Zeitung bieten konnte.
Diese Gelegenheit ergriff der Leutnant Er vermutete aus der ganzen Haltung des Mannes, daß derselbe Soldat gewesen sei, und beschloß, ihn als Kameraden zu behandeln. So begann er also ein Gespräch mit ihm, und es dauerte nicht lange, so saßen die beiden beisammen und sprachen von Krieg und Frieden und allem, was auf der Bierbank Gesprächsthema zu sein pflegt
»Hören Sie«, meinte endlich der Leutnant, »nach dem, wie Sie sich ausdrücken, scheinen Sie beim Militär gewesen zu sein.« –
»Das will ich meinen, ich war Unteroffizier«, lautete die Antwort. – »Ah, ich bin auch Unteroffizier!« – »Sie?« fragte der andere, indem er die zarten Hände und die ganze Gestalt seines Gegenübers erst jetzt sorgfältig musterte. »Hm! Warum tragen Sie keine Uniform?« – »Ich bin beurlaubt.« – »So! Hm! Und was sind Sie denn sonst?«
Man hörte dem Ton seiner Stimme an, daß er nicht so recht an den Unteroffizier glaubte. Ravenow trug zwar Zivil, aber der Offizier war ihm dennoch auf tausend Schritt anzusehen.
»Kaufmann«, antwortete er. »Wie heißen Sie?« – »Mein Name ist Ludwig, nämlich Ludwig Straubenberger dahier.« – »Wohnen Sie in Berlin?« – »Das versteht sich. Ich wohne da drüben im Palais des Herzogs von Olsunna.« – »Ah, dieses Palais gehört einem Herzog?« – »Ja, einem spanischen, er hat es erst vor kurzer Zeit gekauft.« – »Hat er viel Dienerschaft?« – »Hm, nicht sehr übermäßig.« – »Heißt vielleicht einer seiner Beamten Sternau?«
Ludwig, der alte Jägerbursche, wurde aufmerksam. Er war ein einfacher Naturmensch, aber mit dem Scharfsinn dieser Art von Leuten erriet er sofort, daß er ausgehorcht werden solle. Die vergangenen Ereignisse, die mit dem Namen Sternau zusammenhingen, waren derart, daß man vorsichtig sein mußte. Dieser Mann, der sich für einen Unteroffizier ausgab, schien mehr zu sein, und da Ludwig bereits von dem Kutscher erfahren hatte, was im Tiergarten geschehen war, so nahm er sich vor, sich nicht überlisten zu lassen.
»Sternau?« sagte er. »Ja.« – »Was ist der Mann?« – »Kutscher.« – »Alle Teufel, Kutscher. Hat er eine Frau und eine Tochter?« – »Das versteht sich dahier.« – »Sind es die beiden Frauen, die vorhin im Tiergarten spazierenfuhren?« – »Ja.« – »Aber die sahen doch wahrhaftig nicht wie die Frau und die Tochter eines Kutschers aus.« – »Warum nicht? Der Herzog bezahlt seine Leute so gut, daß ihre Weiber und Töchter schon Parade machen können. Übrigens sind sie nicht, was man so nennt, spazierengefahren dahier. Der Sternau sollte die neuen Trakehner einfahren, und da es egal ist, ob der Wagen leer geht oder nicht, so hat er eben seine beiden Weibsen mitgenommen.« – »Donnerwetter! Ja, grob wie Fuhrmannsweiber waren sie!« entfuhr es dem Leutnant. – »Ah, grob sind sie gewesen? Haben Sie das gehört dahier?«
Bei dieser Frage blickte Ludwig den Leutnant mit einem unendlich pfiffigen Ausdruck in das Gesicht. Dieser sah ein, daß er eine große Unvorsichtigkeit begangen habe, und versuchte einzulenken:
»Ja, etwas habe ich gehört. Ich war im Tiergarten. Gerade vor mir hielt eine Kutsche, ein Offizier mußte aussteigen und wurde von den beiden Frauen auf das maliziöseste beschämt« – »So! Hm! Und woher wissen Sie, daß diese Frauen Sternau heißen, he?« – »Sie nannten dem Schutzmann, der dabeistand, ihren Namen.« – »Und wie kommen Sie nun sogleich hierher und fragen mich nach ihnen?« – »Der reine Zufall!« – »Zufall, schön! Da nehmen Sie sich ja in acht daß hier diese meine Hand nicht vielleicht an Ihre Backen klatscht natürlich auch bloß aus reinem Zufall!« – »Oho, was soll das heißen?« – »Das soll heißen, daß sich der Ludwig Straubenberger nicht für einen Narren halten läßt. Sie hätten mir ganz das Aussehen eines Unteroffiziers dahier! Sie sind jedenfalls der Leutnant selber, der Luftikus, dem die ›Fuhrmannsweiber‹ so hübsch heimgeleuchtet haben. Nun kommen Sie hierher, um zu spionieren und die Gelegenheit weiter zu verfolgen. Aber davon lassen Sie ab, denn Sie tragen doch weiter nichts davon, als einen tüchtigen Buckel voll Prügel dahier. In Beziehung auf Keile bin ich gleich bei der Hand, das merken Sie sich! Jetzt gehe ich fort, in fünf Minuten komme ich wieder, ich bringe den Kutscher mit und noch einige andere, die sich gern ein Gaudium machen. Werden Sie von dem Kutscher erkannt so gerben wir Ihnen Ihr Leutnantsleder, bis es Löcher kriegt Damit Punktum und adieu dahier!«
Nach dieser kräftigen Rede erhob sich der biedere Straubenberger, bezahlte sein Bier und ging. Er war kaum drüben im Torweg verschwunden, so verließ auch Ravenow das Lokal. Er hatte nicht die mindeste Lust, sich mit dieser Art von Leuten in einen Faustkampf einzulassen, und fluchte ingrimmig in sich hinein, daß sich heute alles gegen ihn verschworen zu haben schien. Daß Ludwig ihn bezüglich der beiden Frauen ganz und gar falsch berichtet hatte, ahnte er nicht.
Mittlerweile war die Zeit gekommen, in der die unverheirateten Offiziere sich im Kasino zu versammeln pflegten, um zu dinieren. Ravenow stellte sich auch ein. Unter den Anwesenden war bereits von seiner Wette gesprochen worden, und so wurde er mit hundert Fragen begrüßt Er suchte die Beantwortung derselben zu umgehen, als man ihm aber keine Ruhe ließ und ihn aufforderte, sein Abenteuer zu erzählen, meinte er:
»Was soll ich weiter darüber sagen? Ich habe zwar volle fünf Tage Zeit, aber die Wette ist bereits gewonnen.« – »Beweise es, so bezahle ich sie bereits heute!« erklärte Golzen, der auch mit zugegen war. – »Beweisen?« lachte Ravenow zynisch. »Was gibt es hier zu beweisen? Man wird mir doch wohl zutrauen, die Tochter eines Kutschers zu besiegen.« – »Eines Kutschers?« fragte Golzen erstaunt. »Unmöglich!« – »Pah! Ihr Vater heißt Sternau und ist der Kutscher des Herzogs von Olsunna.« – »Das kann ich nicht glauben. Diese Dame kann unmöglich die Tochter eines Kutschers sein.« – »So gehe und überzeuge dich.« – »Das werde ich allerdings tun. Eine solche Schönheit ist es wert, daß man sich nach ihr erkundigt. Übrigens hast du Beweise zu bringen, daß du bei ihre reüssiert hast. Ich werde den Fuchs natürlich nicht ohne Beweise von mir geben.« – »Pah, so schenke ich ihn dir! Man kann nicht von mir verlangen, daß ich mich mit einem Kutschermädchen öffentlich zeige, nur um zu beweisen, daß sie mich mit ihrer hohen Zuneigung beglückt.« – »Es handelt sich um eine Wette, also um einen Gewinn oder Verlust, nicht aber um ein Geschenk. Ich muß dich wirklich bitten, den Beweis zu liefern, in welcher Weise du das tust, ist lediglich deine Sache. Eine bloße Versicherung kann keine Wette endgültig entscheiden. Was meinen Sie, Kapitän? Sie sind hier fremd und also über den Parteien.«
Diese Frage war an einen langen, hageren Mann gerichtet, der mit am Tisch saß. Er trug zwar Zivil, war aber als Kapitän Parkert von der US-Marine in die Räume des Kasinos eingeführt worden. Er mochte bereits über sechzig zählen, hatte ein echtes Yankeegesicht und ließ verlauten, daß er vom Kongreß gesandt sei, um Einsicht in die Marineverhältnisse Deutschlands zu nehmen. Er war dem Gespräch erst mit Gleichgültigkeit gefolgt, hatte aber gelauscht, als er die Namen Olsunna und Sternau hörte. Eben wollte er antworten, als sich die Tür öffnete und ein Oberleutnant der Gardehusaren eintrat, der das Abzeichen des Adjutanten trug. Er hatte ein etwas echauffiertes Aussehen und warf seine Kopfbedeckung mit einer Miene auf den Stuhl, die deutlich zeigte, daß er sich in einer höchst verdrießlichen Stimmung befinde.
»Holla, Branden, was ist's?« fragte einer der Anwesenden. »Hat es etwa beim Alten eine Nase gegeben?« – »Das und noch anderes«, antwortete der Mann mit einem Fluch. – »Alle Teufel, also doch eine Nase! Weshalb?« – »Das Regiment reitet zu kurz, hat überhaupt keine schneidigen Offiziere mehr, so meinte der Oberst. Ich soll das den Herren privatim mitteilen, damit es ihnen nicht später öffentlich vor der Front gesagt werden muß.«
Damit warf er sich auf seinen Sitz, ergriff das erste beste Weinglas und stürzte es hinab.
»Keine schneidigen Offiziere mehr! Hölle und Teufel! Darf man uns so kommen! Das lassen wir nicht auf uns sitzen!«
So und ähnlich rief es rund im Kreis. Man fühlte sich allgemein empört über die private Nase, die nächstens vor der Front verlängert werden sollte. Der Adjutant nickte, stieß abermals einen Fluch aus und fügte hinzu:
»Wenn man da oben eine solche Meinung von uns hat, so ist es nicht zu verwundern, daß das Gardeoffizierskorps jetzt aus den obskursten Elementen recroutiert wird. Ich habe einen neuen Kameraden anzumelden.« – »Ah! Für die Gardehusaren? An des verstorbenen von Wiersbicky Stelle? Wer ist es?« – »Ein hessendarmstädtischer Linienleutnant« – »Alle Teufel! Einer von der Linie unter die Husaren! Und die Gardekavallerie?« – »Zweiundzwanzig Jahre alt« – »Unmöglich! Noch dazu aus Hessen! Der Henker hole die neuen Verhältnisse!« – »Und den Namen müßt ihr hören, den Namen!« – »Wie heißt er?« – »Helmers.« – »Helmers?« fragte Ravenow. »Kenne keine Familie Helmers, auf Ehre, von Helmers, hm, kenne wahrhaftig keine!« –»Ja, wenn es noch ein ›von Helmers‹ wäre«, meinte der Adjutant erbost. »Der Kerl heißt eben einfach Helmers.«
Da fuhren alle von ihren Sitzen empor.
»Ein Bürgerlicher? Nicht von Adel?« fragte es durcheinander.
Der Adjutant nickte.
»Ja, es scheint weit zu kommen mit der Gardekavallerie«, sagte er. »Wenn mir der Grimm in den Kopf steigt, so fordere ich meinen Abschied. Ich dachte, mich rührte der schönste Nervenschlag, als ich das Nationale dieses neuen sogenannten Kameraden einzutragen hatte. Der Kerl heißt Helmers, ist zweiundzwanzig Jahre alt, diente in der Darmstädter Linie und hat einen Vater, der Pächter eines kleinen Vorwerks bei Mainz ist und nebenbei auf irgendeinem alten Kahn als Steuermann funktioniert. Vermögen gibt es ganz und gar nicht, aber eine Protektion seitens des Großherzogs von Hessen scheint vorhanden zu sein. Der Major flucht über diesen Streich, den man uns spielt, der Oberst flucht, der General flucht, alle Exzellenzen fluchen, aber alles Fluchen hilft nichts, denn der neue Leutnant ist uns von hoher Seite her beschert worden. Man muß ihn nehmen und dulden.« – »Nehmen, aber keineswegs dulden!« rief Graf Ravenow. »Wenigstens was mich betrifft, so dulde ich keinen Bauern- oder Schifferjungen neben mir. Der Kerl muß aus dem Regiment hinausignoriert werden.« – »Allerdings, hinausignoriert, das sind wir einander schuldig«, stimmte ein anderer bei, und alle gaben ihm recht.
Man glaubt nicht, wie exklusiv der Korpsgeist bei der Kavallerie ist und bei der Gardekavallerie noch viel mehr. Dort hält ein jeder Offizier sich als zur Elite gehörig. Man unterscheidet sogar zwischen einem Ahnen mehr oder weniger, und darum war es leicht erklärlich, daß der Eintritt von Kurt Helmers eine ebenso tiefe wie allgemeine Entrüstung hervorrief. Man einigte sich wirklich zu dem festen, ausgesprochenen Entschluß, ihn aus dem Regiment hinaus zu maßregeln.
Dabei blieb es, ohne daß man beachtete, mit welchem Interesse der amerikanische Kapitän dem Lauf der Unterhaltung folgte. Zwar gab er sich Mühe, die außerordentliche Teilnahme, die er hegte, zu verbergen, aber trotz seines verschleierten Auges hätte man doch die Blitze bemerken können, die es zuweilen unter den dichten, buschigen Lidern hervorschoß.
»Und wann wird man diesen Phönix von einem Gardehusarenleutnant zu sehen bekommen?« fragte einer der Herren. – »Bereits heute«, antwortete der Adjutant. »Er hat heute seine Antrittsvisite zu machen, wird sich im Lauf des Nachmittags beim Obersten vorstellen, und dann werde ich wohl die Ehre haben, ihn des Abends hier den Kameraden zu präsentieren.« – »So erscheinen wir heute nicht«, meinte Ravenow. – »Warum nicht, lieber Ravenow? Es würde dies zu nichts führen, denn die Stunde kommt doch, in der wir gezwungen sind, Stellung gegen ihn zu nehmen. Besser ist es auf jeden Fall, wir versammeln uns hier vollzählig und zeigen ihm sofort offen, was er von uns zu erwarten hat.«
Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen, und so zog sich gegen den jungen Ankömmling ein Gewitter herauf, von dem er keine Ahnung hatte.
Kurt befand sich in Berlin. Der Herzog von Olsunna hatte Gründe gefunden, seine Einsamkeit auf Schloß Rheinswalden zuweilen zu unterbrechen, und sich darum in Berlin das Palais gekauft, um einige Wochen hier zuzubringen. Er befand sich seit einer Woche zum ersten Male in der Residenz, begleitet von seiner Gemahlin, der früheren Frau Sternau. Gestern war Otto von Rodenstein mit seiner Frau, der Tochter des Herzogs, angekommen, und beide hatten Röschen mitgebracht! Erst heute morgen war es Kurt Helmers möglich gewesen, von Darmstadt nach Berlin zu kommen. Er war kurz vorher im Palais abgestiegen, ehe die Herzogin mit Röschen von ihrer Spazierfahrt zurückgekehrt war.
Wir werden baldigst erfahren, wie sich das Leben der so befreundeten Familien in Rheinswalden gebildet hatte, und müssen nur erwähnen, daß Kurt sehr oft zu militärischen Reisen attachiert worden war und seit einigen Jahren Röschen gar nicht gesehen hatte. Er war erst seit einigen Tagen aus der Türkei zurückgekehrt und hatte, von dienstlichen Pflichten zurückgehalten, noch nicht einmal Zeit gefunden, nach Rheinswalden zu kommen. Und als er dann die Mutter und seinen alten Hauptmann von Rodenstein besuchte, hörte er, daß Röschen bereits nach Berlin abgereist sei.
Jetzt stand er in seinem Zimmer im Palais des Herzogs und legte die Paradeuniform an, um seine dienstlichen Besuche zu beginnen. Der Husarenanzug stand ihm ausgezeichnet Aus dem vielversprechenden Knaben war ein prächtiger junger Mann geworden. Zwar besaß seine Gestalt keine allzu große Ausdehnung in die Länge oder Breite, aber man sah es den kraftvollen Formen an, daß seine Muskeln und Nerven sich in einer ungewöhnlichen Schulung befunden hatten. Von dem tiefgebräunten unteren Teil seines Gesichtes stach die hohe, breite, elfenbeinweiße Stirn in eigentümlicher, aber keineswegs unschöner Weise ab, und wenn seine Oberlippe auch erst nur den Anflug eines Bärtchens zeigte, so lag über seinen Zügen doch ein hoher, männlicher Ernst ausgebreitet der ganz geeignet war, vor dem jugendlichen Offizier Respekt einzuflößen. Wer in seine offenen, intelligenten Augen blickte, kam sicherlich zu der Überzeugung, daß er keinen gewöhnlichen Durchschnittsmenschen, sondern einen Jüngling vor sich habe, der alle Eigenschaften besaß, als Mann Ungewöhnliches zu leisten.
Da rollte die Equipage vor das Tor. Kurt trat an das Fenster, um einen Blick hinauszuwerfen, aber er konnte nur noch den Schatten der im Eingang verschwindenden Damen erkennen.
»Röschen«, sagte er, indem ein glückliches Lächeln sich über seine Züge breitete. »Ah, wie lange habe ich sie nicht gesehen! Eine ganze Ewigkeit! Sie steht in dem Alter, in dem man sich in Wochen mehr verändert als in Jahren. Wie werde ich sie sehen? Ich muß doch sogleich hinab!«
Er stieg die Treppe hinab in den Salon, in dem sich der Herzog befand, um die beiden Damen bei ihrer Rückkehr zu empfangen. Hier im freien Raum des Zimmers, wo Röschens Erscheinung noch viel mehr zur Geltung kommen konnte als im engen Wagen, machte sie allerdings noch einen ganz anderen Eindruck. Sternau, ihr Vater, war ja eine hohe, mächtige, männlich schöne Gestalt gewesen, und Rosa de Rodriganda, ihre Mutter, hatte sich in Beziehung auf Reiz und Schönheit getrost mit jeder anderen messen können. So war es also zu erwarten gewesen, daß die Tochter dieser beiden die vorzüglichen Eigenschaften ihrer Eltern in sich vereinigen werde. Und wirklich war die nordischblonde Erscheinung Sternaus und die südlich-dunkle Persönlichkeit Rosas in Röschen zu einer Gestaltung zusammengeflossen, deren fast wunderbarer Zauber jedes Herz gefangennehmen mußte, Sie war das verkörperte Bild einer Juno, einer Hebe und einer Kleopatra zu gleicher Zeit.
Kurt blieb entzückt am Eingang stehen. Zwar hatte er gedacht, daß sie sich sehr zu ihrem Vorteil entwickeln werde, aber jetzt war es ihm, als sei dieses Wesen von einer Strahlenkrone umleuchtet, von deren Glanz sein Auge geblendet wurde. Sie hatte sich nach ihm umgedreht und ihn sofort erkannt.
»Das ist ja Kurt, unser guter Kurt!« rief sie, indem sie auf ihn zueilte und ihm beide Hände zur Begrüßung entgegenstreckte.
Er versuchte den gewaltigen Eindruck, unter dem sein Herz jetzt erbebte, zu bemeistern, verbeugte sich tief vor ihr, nahm eines ihrer kleinen Händchen und führte es leise an die Lippen. Zu sprechen vermochte er in diesem Moment noch kein Wort. Das Zittern seiner Stimme hätte ihn verraten.
Sie blickte erstaunt auf ihn, zog die feingezeichneten Brauen ein wenig in die Höhe und sagte:
»So fremd und förmlich! Kennt der Herr Leutnant mich nicht mehr?« – »Sie nicht mehr kennen?« fragte er, indem er sich mächtig zusammennahm. »Eher würde ich mich selbst nicht mehr kennen, Hoheit.« – »Hoheit!« rief sie, dann schlug sie die Händchen zusammen und stieß jenes goldene Lachen aus, das man nur aus ihrem Mund so rein, so entzückend zu hören vermochte. »Ah, Sie erinnern sich wohl plötzlich des Umstandes, daß Mama eine Gräfin de Rodriganda war?« – »Allerdings«, antwortete er, ziemlich verlegen. – »Und daß Papa Sternau jedenfalls der Sohn des Herzogs von Olsunna ist?« – »Auch das, Prinzeß!« – »Oh, nun gar Prinzeß?« lachte sie. »Kurt, warum haben Sie früher nicht an diese Verhältnisse gedacht? Ich bin Röschen gewesen, und Sie waren Kurt, so war es, und so bleibt es hoffentlich! Oder ist der Herr Leutnant stolz geworden, seit man ihn zu den Gardehusaren versetzt hat, wie ich höre?«
Erst jetzt betrachtete sie ihn genauer. Das schelmische Lächeln, das bisher zwei allerliebste Grübchen in ihre Wangen gegraben hatte, verschwand und machte einer feinen Röte Platz. Diese war die unmittelbare Folge des unwillkürlichen Gedankens, daß dieser kleine Kurt doch eine ausgezeichnete Erscheinung geworden sei.
Jetzt hatte er seine Aufwallung bemeistert. Mit einem treuen, leuchtenden Blick ergriff er ihre Hände, und in seinen Augen glänzte es feucht, als er im Ton des Glückes sagte:
»Ich danke Ihnen, Röschen! Ich bin noch ganz der Alte, voller Bereitwilligkeit, für Sie durch tausend Feuer zu gehen oder mich um Ihretwillen mit einer ganzen Armee von Feinden zu schlagen.« – »Ja, so waren Sie stets als Knabe; Sie haben sich immer für das mutwillige, undankbare Röschen aufgeopfert. Jetzt aber bin ich hoffentlich verständiger und weniger anspruchsvoll geworden. Ich werde Sie wohl nicht durchs Feuer jagen und auch nicht einer ganzen Armee von Feinden gegenüberstellen, obgleich ich wohl gerade heute Veranlassung hätte, Ihnen als meinem treuen Ritter das Schwert in die Hand zu drücken.« –»Ah, ist's möglich, Röschen? Hat man Sie beleidigt?« fragte er mit blitzenden Augen. – »Ein wenig«, antwortete sie.
Jetzt griff auch der Herzog in das Gespräch ein, indem er sich rasch erkundigte:
»Beleidigt bist du worden? Von wem, mein Kind?« – »Von einem Leutnant von Ravenow. Er steht bei den Gardehusaren, gerade wie unser Kurt. Ich habe diese infame Attacke übrigens sehr siegreich zurückgeschlagen, wie ich glaube; nicht wahr, Großmama?«
»Ja, allerdings«, antwortete die frühere Frau Sternau und jetzige Herzogin von Olsunna. »Ich habe wirklich kaum geglaubt, daß dieses liebe Kind gleich bei seinem ersten Schritt in die Welt eine solche Schlagfertigkeit entwickelt.«
»Ich bin höchst wißbegierig«, meinte der Herzog. »Erzählt doch bitte einmal!«
Man nahm Platz, und nun berichtete die Herzogin den Hergang der Sache. Olsunna bewahrte seine Ruhe, aber Kurt rückte erregt auf seinem Sessel hin und her. Als die Berichterstatterin geendet hatte, rief er aufspringend:
»Bei Gott, das ist stark! Dieser Mensch muß vor meine Klinge!«
Der Herzog wehrte mit einer Handbewegung ab und sagte ernst: »Das nicht, lieber Kurt! Du würdest dir gleich bei deinem Eintritt in das Offizierskorps die Kameraden zu Feinden machen. Ich selbst werde diese Angelegenheit in die Hand nehmen und mir Genugtuung verschaffen.« – »Genugtuung? Sie werden sie nicht erhalten. Dieser Ravenow wird sich erfolgreich damit entschuldigen, daß er die Damen nicht gekannt hat.« – »Das ist möglich. Er konnte sie allerdings für gewöhnliche Frauen halten, da ich es unterließ, an meinem Wagen ein Wappen anzubringen. Doch ist es dann immer noch Zeit, mit der Waffe einzutreten. Ich bin außer Übung gekommen, aber ich werde, will's Gott, doch noch so viel Gewandtheit besitzen, um diesen Leutnant selbst bestrafen zu können.« – »Das werde ich auf keinen Fall zugeben, Hoheit«, meinte Kurt. »Sie waren lange krank, und wenn Sie sich auch während der letzten Jahre wieder erholt haben, so gehört eine solche Angelegenheit doch in jüngere Hände. Und was die Kameraden betrifft, so bin ich bereits gewarnt worden, daß man bei meinem Eintritt wahrscheinlich Front gegen mich machen werde. Es herrscht bei der Garde ja bekanntlich der Modus, bürgerliche Offiziere totzuschweigen oder lahm zu malträtieren. Eine Forderung gegen diesen Ravenow wird mir also nicht mehr Feinde erwecken, als ich außerdem auch bereits finden würde.« – »Darüber läßt sich später sprechen«, meinte der Herzog begütigend. »Deine letzten Worte aber erinnern mich daran, daß die Stunde fast da ist, in der du beim Kriegsminister zu erscheinen hast. Du bist bei ihm gut akkreditiert, hast dich ja durch deine bisherigen Leistungen selbst bestens empfohlen und wirst also einen freundlichen Empfang finden. Ich wünsche, daß dies bei deiner heutigen Tournee überall der Fall sein mag.«
Damit war die Angelegenheit einstweilen erledigt, und Kurt verabschiedete sich, um die vorgeschriebenen Besuche bei seinen Vorgesetzten zu machen. Im stillen gelobte er sich aber, keinem der Offiziere die leiseste Trübung seiner Ehre zu gestatten und insbesondere diesem Ravenow bei erster, bester Gelegenheit auf die Finger zu klopfen.
Es wurde nun für ihn ein hübsches, einspänniges Kabriolett bereitgehalten, das er bestieg, um die anstrengende Arbeit des sich Vorstellens schnell zu vollenden. Kurt fuhr zunächst zum Kriegsminister, denn er hatte den Befehl erhalten, sich bei demselben vorzustellen, was sonst bei jungen Offizieren, die nur an ihren Regimentskommandeur gewiesen sind, nicht der Fall ist. Dieser Umstand bewies ihm, daß man Gründe habe, mit ihm eine für ihn höchst ehrenvolle Ausnahme zu machen. Und eine ganz außerordentliche Bevorzugung war es, daß er nicht zu warten brauchte, sondern sogleich vorgelassen wurde, obgleich im Vorzimmer zahlreiche Personen auf Audienz warteten und es neidisch bemerkten, daß dieser junge Mann den Vortritt erhielt.
Der Minister empfing ihn freundlich, überflog seine Erscheinung mit einem befriedigten Lächeln und sagte:
»Sie sind noch jung, Herr Leutnant, außerordentlich jung, aber Sie wurden mir empfohlen, und ich bin geneigt, diese Empfehlung zu berücksichtigen. Sie haben trotz Ihrer Jugend die militärischen Institutionen mehrerer Teile des Auslandes eingehend studiert und kennengelernt, ich habe Ihre bezüglichen Arbeiten gelesen und kann meinen Beifall nicht versagen. Ich meine, daß Ihr Talent zu guten Hoffnungen berechtigt, und so habe ich den Entschluß gefaßt, Sie im großen Generalstab zu beschäftigen, sobald Sie unser Gardekorps kennengelernt haben. Ich verhehle Ihnen nicht, daß Sie auf Schwierigkeiten stoßen werden, die sich auf die Tradition dieses Korps stützen mögen, ich ersuche Sie, diese Schwierigkeiten so weit zu ignorieren, als es Ihre Offiziersehre möglich macht. Man wird Ihnen kalt und zurückweisend begegnen, und darum habe ich einige Zeilen verfaßt, die Sie Ihrem Obersten überreichen sollen. Es ist das eine Ausnahme, die den Zweck hat, Ihnen die ersten Schritte zu erleichtern. Gehen Sie mit Gott und lassen Sie mich recht bald erfahren, daß Sie in Ihrem neuen Kreis an Ihrer Stelle sind, obgleich Sie nicht das Glück haben, den exklusiven Kreisen unseres Adels anzugehören.«
Er gab Kurt ein versiegeltes und an den Obersten adressiertes Kuvert und machte mit wohlwollender Miene das Zeichen der Entlassung, nachdem er ihn aufmerksam gemacht hatte, sich zunächst auch dem Divisions- und dann dem Brigadekommandeur vorzustellen.
Dieser Anfang war sehr ermutigend, leider aber zeigte sich die Fortsetzung als viel weniger erfreulich. Der Divisionsgeneral ließ sagen, daß er nicht zu Hause sei, trotzdem Kurt ihn am Fenster bemerkt hatte, und der Brigadier empfing ihn zwar, aber mit einem sehr finsteren Gesicht.
»Sie heißen Helmers?« fragte er. – »Zu Befehl, Exzellenz.« – »Weiter nichts? Sie haben kein ›Von‹ vor Ihrem Namen?« – »Nein«, antwortete Kurt ruhig. – »So kann ich nicht begreifen, wie man Sie zur Garde versetzen kann!«
Das war eine direkte, rücksichtslose Malice, und darum antwortete Kurt:
»Vielleicht begreift es Seine Exzellenz der Herr Kriegsminister. Ich kenne übrigens kein adliges Geschlecht, dessen Ahne ein ›Von‹ vor dem Namen gehabt hätte. Sollte die jetzige Generation der Geschlechter wirklich höher zu achten sein als der bürgerlich Geborene, so bin ich wenigstens dem Ahnen vollständig ebenbürtig, und das genügt mir.«
Eine solche Zurechtweisung war dem Reitergeneral noch nie geworden. Er kniff die Augen zusammen und versetzte mit scharfer Stimme:
»Wie? Was? Antworten wollen Sie? Ah, das muß man sich merken! Sie sind entlassen. Gehen Sie!«
Kurt salutierte und ging. Sein Weg führte ihn zum Obersten. Hier mußte er fast eine Stunde lang antichambrieren, obgleich sich kein Mensch im Vorzimmer befand. Endlich wurde er eingelassen. Der Oberst saß am Pult und drehte ihm in nachlässiger Weise den Rücken zu. An einem Seitentisch schrieb Branden, der Adjutant. Dieser letztere warf einen einzigen kalten Blick auf den Eintretenden und schrieb dann weiter.
Es vergingen einige Minuten, ohne daß es schien, als ob Kurts Eintritt bemerkt worden sei. Da hustete er laut und vernehmlich, vielleicht auch ein wenig maliziös, und nun drehte sich der Oberst langsam um.
»Wer hustet da? Ah, es ist jemand hier! Wer sind Sie?« – »Leutnant Helmers, zu Ihrem Befehl, Herr Oberst.«
Da erhob sich der Regimentskommandeur, setzte das Monokel ein und betrachtete den Leutnant mit eisigem Blick. Als er an dem Äußeren desselben nicht das geringste auszusetzen fand, meinte er:
»Also eingetroffen! Melden Sie Ihre Wohnung auf der Adjutantur. Ich muß Ihnen sagen, daß man bei der Garde anspruchsvoll ist. Kennen Sie die Herren Offiziere bereits?« – »Nein.« – »Hm! Werden Sie im Kasino speisen?« – »Ich wohne und esse bei Bekannten.« – »Ah so! Hm! Da weiß ich nun allerdings nicht, wie man Sie mit den Herren bekannt machen soll!«
Kurt verstand, was man meinte, doch antwortete er in höflichem Ton:
»Ich glaube es ist Brauch, daß stets die Herren Adjutanten es übernehmen, die Bekanntmachung der Kameraden untereinander zu vermitteln. Ich weiß nicht, ob ich annehmen muß, daß bei der Garde ein anderer Modus gebräuchlich ist.«
Der Oberst räusperte sich sehr vernehmlich und antwortete:
»Sie können doch nicht verlangen, daß man beim Gardekorps, welches die Elite des Adels in sich vereinigt, eine so – gelinde gesagt – bürgerliche Gepflogenheit akzeptiert – einem der infolge seiner Geburt außerhalb dieses Kreises steht, ist es nicht leicht in denselben einzudringen. Ein vernünftiger Gärtner wird niemals der gemeinen Kartoffel einen Platz anweisen neben der vornehmen Kamelie oder Rose...« – »Und doch bringt diese ›gemeine‹ Kartoffel vielen Millionen Heil und Segen, während Rose und Kamelie nur für das Auge oder die – Nase sind«, fiel Kurt schnell ein. »Ich bin überzeugt, daß selbst die vom Herrn Oberst erwähnte Elite des Adels eine geschmorte Rose oder Kamelie für ein Unding hält, während die so ordinäre Kartoffel längst den vornehmen Kreis, von dem ich soeben hörte, siegreich gesprengt hat.«
Der Oberst kniff das Monokel fester ein, warf einen höchst erstaunten Blick auf den Sprecher und sagte in scharfem Ton:
»Herr Leutnant, ich bin nicht gewöhnt, mich unterbrechen zu lassen; merken Sie sich das gefälligst!« Und sich zum Adjutanten wendend, fragte er: »Mein lieber Branden, werden Sie dieser Tage das Kasino besuchen?« – »Ich bezweifle es«, antwortete dieser kühl und ohne von seiner Schreiberei aufzublicken. Und mit noch größerer Kälte meinte nun der Oberst zu Kurt: »Sie hören es, Leutnant. Es wird Ihrem eigenen Ermessen anheimgestellt bleiben, sich auf irgendeine Weise den Herren Offizieren zu nähern.«
Kurt nickte sehr gleichgültig und sagte:
»Ich sehe mich gezwungen, den einzigen Weg zu gehen, den man mir offengelassen hat. Aber ebenso, wie der Herr Oberst gewöhnt ist, sich nicht unterbrechen zu lassen, was ich mir merken soll, so habe ich auch meine Gewohnheiten, und zu diesen gehört, daß ich meinen Weg gehe, ohne mich hindern oder gar aufhalten zu lassen, was man sich gefälligst auch merken möge! Darf ich fragen, wann ich mich zur Verfügung zu stellen habe?«
Bei dieser kühnen Entgegnung hatte sich der Adjutant langsam erhoben; er maß den Sprecher mit einem Blick, in welchem das feindseligste Erstaunen zu lesen war. Das Gesicht des Obersten zeigte sich vom Zorn tief gerötet, doch beherrschte er sich und sagte in gebieterischem Ton:
»Was kümmern uns Ihre Gewohnheiten! Melden Sie sich morgen Punkt neun Uhr vor der Front zum Dienst. Jetzt sind Sie entlassen!«
Da zog Kurt das Schreiben hervor, überreichte es mit einer dienstlichen Abschiedsbewegung und sagte:
»Zu Befehl, Herr Oberst! Zuvor aber diese Zeilen, die ich von Seiner Exzellenz den Befehl habe, zu überreichen.«
Er drehte sich um und verließ sporenklirrend das Zimmer. Der Oberst hielt das Kuvert in der Hand, doch sein Auge ruhte auf dem Adjutanten.
»Ein renitenter Kerl«, meinte er zornig. – »Man wird ihm seine Kartoffeln unter die Nase reiben«, antwortete dieser. – »Ich kann nicht begreifen, daß die Exzellenz ihm eine dienstliche Zufertigung anvertraut! Oder sollte der Inhalt privater Natur sein? Will sehen!«
Er öffnete und las:
»Herr Oberst!
Überbringer ist von kompetenter Seite warm empfohlen. Ich erwarte, daß dies von seinen Kameraden ebenso berücksichtigt werde, wie ich bereit bin, nach Prüfung seiner Fähigkeiten dieselben anzuerkennen. Ich wünsche nicht, daß seine bürgerliche Abstammung ihn um das freundliche Willkommen bringe, das er erwarten wird.«
Der Oberst stand, als er dies gelesen hatte, mit geöffnetem Mund da.
»Alle Teufel!« rief er. »Das ist ja geradezu eine Empfehlung! Und noch dazu vom Minister selbst, eigenhändig geschrieben und adressiert! Aber es kann mir nicht einfallen, eine solche Bresche in unseren aristokratischen Zirkel sprengen zu lassen. Hier hört selbst die Macht eines Ministers auf. Und dieser Helmers ist mit seinem widerstrebenden Auftreten nicht der Mann, dem zuliebe man unsere alten und wohlberechtigten Regeln umstürzen möchte.«
Kurt fuhr zum Major, bei dem gerade er zu dieser Zeit der Gegenstand des Gesprächs war. Der Rittmeister befand sich mit seiner Frau bei Majors, und außerdem gab es da noch einen jungen Leutnant, der ein Verwandter des letzteren war. Er war heute beim Abschluß der Wette und auch während des Diners zugegen gewesen, hatte sich jedoch dabei sehr schweigsam verhalten und erzählte jetzt den Vorgesetzten und ihren beiden Damen den Vorgang. Dabei kam natürlich die Rede auch auf den neuen, bürgerlichen Kameraden, dessen Eintritt in das Regiment der Adjutant verkündigt hatte. Sowohl der Major als auch der Rittmeister schlossen sich dem allgemeinen Beschluß, Helmers abweisend zu behandeln, an, aber der Leutnant sagte mit ruhiger Freimütigkeit:
»Man sollte einen solchen Beschluß doch nicht fassen, ohne den Kameraden zuvor kennengelernt zu haben. Er ist zwar bürgerlich, aber das schließt ja doch nicht aus, ein Ehrenmann zu sein. In diesem Fall muß er sich fürchterlich beleidigt fühlen, er wird mit aller Gewalt provoziert, und es ist nicht abzusehen, welche Händel da entstehen können.« – »Pah, Sie sind zu weichherzig, mein lieber Platen«, meinte der Major. »Das ist ein Jugendfehler. In zehn Jahren werden Sie ähnliche Fälle sicher ganz anders beurteilen. Es drängt sich keine Krähe ungestraft in den Kreis der Falken und Adler ein. Plebs bleibt Plebs, ich kenne das. Dieser Eindringling wird mir heute jedenfalls seine Antrittsvisite machen, und er soll sofort merken, was er von uns zu erwarten hat.«
Bereits während dieser Worte hatte sich das Rollen eines leichten Wagens hören lassen. Jetzt öffnete sich die Tür, und der Diener meldete den Leutnant Helmers.
»Ah, lupus in fabula!« sagte der Rittmeister, indem er sein Gesicht in strenge Falten legte.
»Eintreten!« befahl der Major, indem er kampfbereit den Schnurrbart strich, sich aber keinen Zoll hoch vom Sitz erhob.
Kurt trat ein. Er sah die finsteren Blicke der beiden Offiziere und die zusammengekniffenen, hochmütigen Augen der Damen; es war ihm nicht zweifelhaft, welcher Empfang ihn auch hier erwartete. Er stellte sich in dienstliche Positur und harrte, bis man ihn anreden werde.
»Wer sind Sie?« fragte der Major schroff. – »Leutnant Helmers, Herr Major. Ich hörte, daß Ihr Diener Ihnen diesen Namen bereits nannte.«
Mit diesen Worten parierte Kurt den ersten Hieb. Der Major schien dies nicht zu beachten und fuhr fort:
»Sie waren bereits beim Oberst?« – »Zu dienen!« – »Haben Sie Ihre Instruktionen wegen Ihres Eintrittes von ihm empfangen?« – »Allerdings.« – »So habe ich nichts hinzuzufügen. Sie mögen abtreten!«
Er hatte nicht die geringste Miene gemacht, sich zu erheben, der Rittmeister ebensowenig; nur Leutnant Platen war aufgestanden und hatte Kurt mit kameradschaftlicher Freundlichkeit zugenickt. Dieser wandte sich nicht, um das Zimmer zu verlassen, wie erwartet worden war, sondern er ließ seinen Blick über die Herren schweifen und sagte höflich, aber ernst:
»Ich bemerke hier die Abzeichen meiner Schwadron, Herr Major, und bitte um die Güte, mich den Herren vorzustellen. Dann werde ich Ihrem Befehl, ›abzutreten‹, sofort Folge leisten.« – »Die Herren haben Ihren Namen bereits gehört, er ist ja kurz genug, um nicht so schnell vergessen zu werden«, antwortete der Major geringschätzig. »Rittmeister von Codmer und Leutnant von Platen.« – »Danke!« sagte Kurt gleichmütig. »Jetzt kann ich ›abtreten‹, obgleich man sich dieses Ausdruckes nur bei Rekruten, nicht aber bei Offizieren zu bedienen pflegt.«
Im nächsten Augenblick hatte er das Zimmer verlassen. Der Rittmeister sah den Major an und sagte:
»Ein frecher Mensch, auf Ehre!« – »Mir das zu bieten!« rief der Angeredete zornig. – »Pack, bürgerliches Pack! Ohne Anstand und Bildung, wie es ja auch nicht anders zu erwarten war!« beklagte sich eine der Damen. – »Hm, der Herr Kamerad scheint Schneid zu haben«, wagte der Leutnant zu bemerken. »Man muß vorsichtig mit ihm sein. Ich finde ihn gar nicht übel – elegant, schöne Haltung, famoses Gesicht. Wenn er mit dem Säbel ebenso schlagfertig ist wie mit der Zunge, so wird er bald von sich reden machen.« – »Das soll ihm wohl nicht einfallen!« rief der Major. »Man wird ihn darauf aufmerksam machen, daß Duellanten auf die Festung geschickt werden. Ich hoffe, Ihr gutes Herz wird Ihnen keinen Streich spielen, bester Platen.« – »Mein gutes Herz wird nie etwas von mir fordern, was sich nicht mit meiner Ehre verträgt«, antwortete der Leutnant etwas zweideutig.
Die Erscheinung und das ganze Auftreten Kurts hatten ihn sympathisch berührt, und er fühlte, daß er diesem neuen Kameraden nicht in ungerechter Feindseligkeit gegenübertreten könne.
Kurt kehrte nach Hause zurück, wo er dem Herzog erzählen mußte, wie er von den Herren empfangen worden war. Als er seinen Bericht beendet hatte, zuckte Olsunna die Achsel und meinte lächelnd: