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Zwischen Vikram Sandeep, dem Leiter des Waisenhauses Dar-as-Salam, und Raja Sharma aus Shivapur entwickelt sich eine unerwartete, brüderliche Freundschaft. Auch die Heimkinder, allen voran Moussa, schließen Raja in ihr Herz. Als Vikram einige Monate später in Srinagar angeschossen und lebensgefährlich verletzt wird, fliegt Raja erneut nach Kashmir, um Sameera und den Kindern beizustehen. Bald gerät auch er in die Mühlen alter Feindschaften und Konflikte. In der Kashmir-Saga erzählen Simone Dorra und Ingrid Zellner in sieben Bänden die Geschichte zweier in Freundschaft eng verbundener Familien in Indien und Kashmir. Sie erstreckt sich über vier Jahrzehnte und berichtet von großen Gefühlen, von spannenden Abenteuern, von Terror und Liebe in einem durch anhaltende Konflikte geschundenen Land.
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Seitenzahl: 669
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www.tredition.de
Simone Dorra / Ingrid Zellner
Ein Geschenkder Götter
Roman
Band III der Kashmir-Saga
www.tredition.de
© 2018 Simone Dorra / Ingrid Zellner
Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg
Umschlaggestaltung: Kai S. Dorra
Coverfoto: oBebee/Shutterstock.com
Ornament: iStock.com/AnnaPoguliaeva
www.kashmirsaga.de
www.simonedorra.de
www.ingrid-zellner.de
ISBN
Paperback:
978-3-7469-6840-7
e-Book:
978-3-7469-6841-4
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig.
Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
»Freundschaft ist ein Geschenk der Götterund die kostbarste Gabe für den Menschen.«
Benjamin Disraeli
Ein Personenverzeichnis und ein Glossar befinden sicham Ende des Buches.
Vorspiel
Morgensonne
Das nächtliche Dunkel über Kashmir wich langsam den Vorboten eines neuen Tages. Ein schwaches Lichtband am Himmel ließ die gewaltigen Berggipfel rund um Srinagar als schwarze, schroffe Konturen aus den Schatten der Nacht hervortreten. Bald würden die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg in das kleine Seitental hinein finden, zu dem alten, langgestreckten Holzhaus, dessen Bewohner zu dieser frühen Stunde alle noch schliefen. Alle – bis auf einen.
Auf den Treppenstufen, die von der Veranda auf den Rasen hinabführten, saß, in eine Decke eingehüllt, Raja Sharma.
Es war noch völlig dunkel gewesen, als er aufgewacht war. Was ihn nicht weiter verwundert hatte; Schlafstörungen gehörten seit Jahren zu seinem Alltag. Zudem war der vorangegangene Tag für ihn voller neuer Eindrücke und unerwarteter Überraschungen gewesen – und am Ende dann auch noch ordentlich aufwühlend. Insofern war es erstaunlich, dass er überhaupt ein wenig Schlaf gefunden hatte… aber der war nun vorüber, und bevor er sich den Rest der Nacht über hellwach in seinem Bett herumwälzte, war es besser, aufzustehen und sich mit irgendetwas zu beschäftigen. Da er in diesem Haus fremd und nur zu Gast war, bot sich dafür am ehesten an, ins Freie zu gehen und dort den Morgen zu erwarten. Das tat er daheim in Shivapur oft und gern, wenn der Schlaf ihn mied; und wie dort genoss er nun auch hier die Ruhe, die schrankenlose Weite um ihn herum und das wundervolle, kostbare Gefühl der Freiheit.
Während der blasse Saum hinter den Berggipfeln allmählich heller wurde, versuchte er, seine Erinnerungen an den Vortag zu sortieren. Er war am späten Vormittag am Sheikh-ul-Alam-Flughafen von Srinagar eingetroffen, zusammen mit Soham Valera, dem besten Freund seines Sohnes Surya. Während Soham zu einem Familienbesuch nach Tengpur weiterreiste, hatte Raja vorgehabt, sich einfach nur ein wenig in dem Ort und der Umgebung umzusehen und sich damit einen Kindheitstraum zu erfüllen – denn seit er in dem dicken Lexikon, das von klein auf seine Lieblingslektüre gewesen war, das Kapitel über Kashmir verschlungen hatte, war es sein großer Wunsch gewesen, diesen Himmel auf Erden einmal mit eigenen Augen zu sehen. Er wollte inmitten der hohen, majestätischen Berge des Himalaya stehen und am Ufer des Dal-Sees, die Hazratbal Masjid und die wunderbaren Mogulgärten in Srinagar bewundern und reinen, kalten Schnee unter seinen Fingern spüren.
Bislang war dieser Traum unerfüllt geblieben. Gewisse Umstände in seiner Vergangenheit hatten ihn fast sein ganzes Leben lang daran gehindert, auch nur ansatzweise über den Tellerrand seiner Heimat rund um Pune in Maharashtra hinauszublicken. Umso mehr genoss er nun jede Minute hier – auch wenn die Tatsache, dass seine geliebte Frau Sita nicht bei ihm war, seine Freude ein wenig trübte. Sie hatte eigentlich mitkommen wollen, aber dann hatte ihre Schwiegertochter Kajri sich bei einem Sturz den Arm übel gestaucht und war, vor allem als Mutter von vier kleinen Kindern, für jede helfende Hand dankbar gewesen. Sie braucht mich an diesem Wochenende dringender als du, hatte Sita gesagt, als sie ihn bat, ihren Flug zu stornieren. Aber das soll dich nicht davon abhalten, Soham zu begleiten und ein paar schöne Stunden da oben zu verbringen. Es ist ja ohnehin nur ein Abstecher, und Kashmir läuft uns ja nicht davon, oder?
Raja lächelte in sich hinein. Sita war wunderbar, das größte Glück seines Lebens… und selbstverständlich würde er irgendwann zusammen mit ihr und ihrer gemeinsamen kleinen Tochter Rani hierher zurückkommen. Dann würden sie sich ganz viel Zeit nehmen, mindestens eine Woche… sie würden sich auf einem der prächtigen Hausboote auf dem Dal-See einquartieren und den Himmel auf Erden uneingeschränkt genießen. Gut, vielleicht nicht ganz uneingeschränkt – denn leider traf man hier an allen Ecken und Enden auf Patrouillen, Stacheldraht und Soldaten. Aber der Schönheit der Landschaft und der Freundlichkeit der Menschen tat das keinen Abbruch.
Und er hatte die Gastfreundschaft der Kashmiris kennenlernen dürfen. In reichem Maße.
Seine Erinnerung schweifte zurück zu dem Augenblick am Vortag, als er in der Altstadt von Srinagar ein Café verlassen hatte und sein Blick auf einen alten, zerbeulten Kleinbus am Straßenrand gefallen war, der von einer Horde aufgeregter und wild durcheinanderredender Kinder in verschiedenen Schuluniformen umwimmelt wurde. Offenbar war dort irgendetwas nicht in Ordnung, und als er näher herantrat, um nachzusehen, drang zwischen all den Kinderstimmen eine dunkle, etwas bärbeißig klingende Stimme an sein Ohr… nein, ich muss erst den Reifen wechseln, bevor… ja, Anjali, ich weiß, dass du Hunger hast, aber… Yussuf, bitte, nicht mit dem Wagenheber spielen, ich brauch den zum… was ist, Maryam? Nein, ich hab kein Wasser dabei, ich konnte ja nicht wissen, dass wir… Yussuf, lass den Schraubenschlüssel da… jetzt geht doch mal aus dem Weg, sonst wird das nie was…
In diesem Moment stellte Raja fest, dass der arme Mann einem leidtun und auch hier eine helfende Hand sicher nicht schaden konnte. Sein Hilfsangebot wurde zwar seltsamerweise nicht sofort dankend angenommen, aber nach einigem Hin und Her ließ der sichtlich misstrauische Busfahrer ihn schließlich doch mit anpacken. Während des Reifenwechsels erfuhr Raja, dass alle diese Kinder in einem Waisenhaus lebten, das etwas außerhalb von Srinagar lag und Dar-as-Salam hieß, das Haus des Friedens… und dass der Fahrer, der sich ihm als Vikram Sandeep vorstellte, der Leiter dieses Waisenhauses war. Während er noch überlegte, ob er diesem Heim zum Abschied noch etwas Gutes tun konnte, in Form einer Spende vielleicht, überfielen die Kinder plötzlich den Mann, den sie Vikram baba nannten, mit der spontanen Bitte, Raja mitzunehmen und bei ihnen im Dar-as-Salam übernachten zu lassen. Und als Sandeep ihn daraufhin tatsächlich einlud, mitzukommen, zögerte Raja keine Sekunde. Er hatte sowieso noch keine Unterkunft für die Nacht, ganz abgesehen davon, dass dieses Heim ihn mittlerweile ernsthaft interessierte, ebenso wie der Mann, der es leitete.
Dass der Tag damit enden würde, dass er bis in die späte Nacht hinein zusammen mit Vikram Sandeep an einem Lagerfeuer hinter dem Dar-as-Salam saß und dem Mann, den er bis vor wenigen Stunden noch nicht einmal gekannt hatte, seine Lebensgeschichte erzählte – damit hätte er allerdings niemals gerechnet.
Raja atmete tief durch. Sein Blick schweifte nach Osten, wo der Lichtsaum über den Berggipfeln mittlerweile in einem rötlichen Orangeton aufglühte, als flackerte jenes Lagerfeuer vor seinen Augen noch einmal lodernd empor.
Wie war es zu dieser Beichte gekommen? Völlig unerwartet und wie aus heiterem Himmel hatte Sandeep ihm plötzlich auf den Kopf zugesagt, dass er im Gefängnis gewesen war. Nach wie vor war Raja schleierhaft, wie sein Gastgeber darauf gekommen war, aber was immer er gesagt oder getan haben mochte, das den Mann zu dieser Schlussfolgerung kommen ließ – sie war richtig, furchtbar und gnadenlos richtig: Raja hatte gesessen, fünfundzwanzig Jahre lang, zu lebenslänglicher Haft verurteilt wegen Vergewaltigung und Mord… und unschuldig. Was sich leider erst herausgestellt hatte, nachdem er vor fünf Jahren wegen guter Führung begnadigt und freigelassen worden war.
Er hatte keinen Sinn darin gesehen, Vikram Sandeep etwas vorzulügen. Und auf seltsame Weise hatte es ihm sogar gutgetan, sich diesem Mann zu öffnen… zumal da Vikram ihm bald zu verstehen gab, dass er ihm seine ziemlich verrückte Geschichte rund um seine zu Unrecht verbüßte Gefängnishaft und seinen anschließenden Kampf zurück ins Leben und in den Kreis seiner Familie glaubte und bereit war, ihm die Hand zur Freundschaft zu reichen.
Vikram. Ein Mann, der ihm auch jetzt noch Rätsel aufgab. Schätzungsweise Mitte fünfzig, also etwas älter als Raja selbst; groß, kräftig, mit graumeliertem Haar und Vollbart und insgesamt auf den ersten Blick ein etwas kauziger Typ, dem es völlig egal zu sein schien, wie er herumlief. Dass mit ihm aber definitiv nicht zu spaßen war, war Raja sofort klargeworden – noch bevor er erfahren hatte, dass der Mann mit den auffallenden lohbraunen Löwenaugen fünfundzwanzig Jahre lang als Agent für die indische Abwehr gearbeitet hatte, noch dazu ›im Feld‹. Kein Wunder, dass er Rajas Gefängnisvergangenheit bereits zehn Meilen gegen den Wind gewittert hatte. Was mochte einen erfahrenen Haudegen wie ihn dazu bewogen haben, die Waffe aus der Hand zu legen und sich in einem Waisenhaus für traumatisierte Kinder eine neue Lebensaufgabe zu suchen? Raja gestand sich ein, dass die Antwort auf diese Frage ihn brennend interessierte, doch vermutlich war diese Antwort mit sehr persönlichen und einschneidenden Erlebnissen in Vikrams Leben verbunden. Und so wie er seinen Gastgeber einschätzte, war dieser, im Gegensatz zu Raja selbst, nicht so ohne weiteres bereit, allzu Intimes mit jemandem zu teilen, den er gerade einmal einen halben Tag lang kannte.
Wobei, um der Wahrheit die Ehre zu geben – auch Raja hatte, bei aller Offenheit, Vikram nicht alles über sich erzählt. Wie denn auch. Gewisse Dinge teilte man nun einmal nicht… weder sofort noch nach Jahren, und erst recht nicht mit jedem. Nicht einmal mit Menschen, denen man vertraute wie sonst niemandem auf der Welt.
Er dachte an Sita, die jetzt zuhause in Shivapur vielleicht gerade aufstand, um das Frühstück für ihre Enkelkinder und für Rani zuzubereiten. Er dachte an ihr wunderschönes Lächeln, ihre melodische Stimme und an ihre so sanften wie starken Hände, die ihn trösteten und hielten, wenn die Jahre des Elends ihn heimsuchten und peinigten.
Er verbarg das Gesicht in den Händen.
Sita. Meine Liebe. Meri chandni. Nicht einmal du weißt von meinen schlimmsten Erinnerungen an die Zeit im Gefängnis. Auch wenn ich heutzutage ebenfalls in einem Haus des Friedens lebe, mit wunderbaren Menschen und herrlichen Kindern darin, so wie hier – in gewisser Weise bin ich wie scheinbar mein Gastgeber auch: gut und zufrieden im Hier und Jetzt angekommen, aber mit einer Vergangenheit, an die ich niemanden heranlasse. Niemanden. Nicht einmal dich.
Nein. Vikrams Vergangenheit ging ihn überhaupt nichts an – und wenn, dann nur das, was Vikram ihm freiwillig zu offenbaren bereit war. Er ermahnte sich, in seinem Umgang mit ihm weiterhin sehr vorsichtig zu sein und sich jegliche Nachfragen zu verkneifen. Der Mann war ihm viel zu sympathisch, als dass er es riskieren würde, die Freundschaft aufs Spiel zu setzen, die da an dem Lagerfeuer so behutsam ihren Anfang genommen hatte. Ganz zu schweigen von den Kindern, die hier lebten und die er im Handumdrehen ins Herz geschlossen hatte. Raja ließ die Hände sinken und lächelte versonnen beim Gedanken an die muntere Schar, der er seine Einladung in das Dar-as-Salam verdankte; stundenlang hatte er am Vortag mit ihnen gespielt, gesungen und geredet, und es hatte ihm ebenso viel Spaß gemacht wie ihnen offensichtlich auch.
Sein Lächeln erlosch.
Nie wäre er auf den Gedanken gekommen, dass jedes einzelne von diesen Kindern eine grauenvolle Vergangenheit mit sich herumschleppte, bedingt durch den Kashmirkonflikt, über den er, wie er sich beschämt eingestand, verdammt wenig wusste. Als der Himmel auf Erden Ende der 1980er Jahre zur Hölle geworden war, hatte er bereits seit ein paar Jahren im Gefängnis gesessen und dort nur sporadische Einzelheiten mitbekommen von der Separatistenrevolte und dem bewaffneten Aufstand gegen Indien, der Kashmir auf Dauer in eine Militärzone und ein hochexplosives Pulverfass verwandelte. Er musste seine Wissenslücken unbedingt schließen, sobald er wieder zuhause war, und zwar gründlich.
Vorerst konnte er nicht mehr tun als innerlich den Hut zu ziehen vor dem, was Vikram, dessen Frau Sameera und viele unermüdliche freiwillige Helfer und Freunde der beiden hier leisteten. Sameera… bei ihr rätselte er noch immer über ihre Herkunft; Vikram hatte zwar erwähnt, dass ihre Heimat Irland war, aber ihre mandelförmigen dunklen Augen wirkten asiatisch, und ihr Hindi war absolut akzentfrei. Ein Elternteil stammte also wohl eher von hier, vielleicht aus den nordindischen Bergregionen. Und dem anderen verdankte sie ihre irischen Wurzeln, ihr im Sonnenlicht beinahe kupferrot schimmerndes Haar und ihr Englisch, das so ganz anders klang als das Englisch, das Raja üblicherweise in Indien zu hören bekam. Vermutlich war sie in Irland aufgewachsen oder hatte zumindest dort studiert. Und dann war sie als Traumatherapeutin für die Hilfsorganisation Medical Relief Worldwide nach Kashmir gekommen und hatte hier ihre Liebe und ihre Bestimmung gefunden. Nachdem sie zuvor erst einmal gründlich zwischen die Fronten geraten war. Rajas Gesicht verdüsterte sich, als er an den Anblick der kleinen, kreisrunden Brandnarben auf ihren Armen dachte und an Vikrams Erzählung, wie es dazu gekommen war. Was für eine bestialische Grausamkeit, eine Frau derart zu foltern! Raja trug selbst einige solche Narben an seinem Körper und wusste nur zu gut, welche Schmerzen glühende Zigaretten verursachten.
Aber andererseits: Was für einen Mut hatte diese Frau bewiesen, trotz dieses furchtbaren Erlebnisses nach Kashmir zurückzukehren – und zu bleiben! Offenbar steckte in ihr nicht nur reichlich Liebe und Wärme, sondern auch sehr viel Kraft. Genauso wie in Sita. Er versuchte, sich seine Frau und Sameera zusammen vorzustellen und stellte fest, dass dieses Bild ihm gefiel. Ganz bestimmt würden die beiden sich gut verstehen. So wie Vikram und er… nun ja, soweit man bei ihnen tatsächlich schon von Verstehen reden konnte. Lagerfeuergespräche hin oder her, noch kannten sie sich keine vierundzwanzig Stunden.
Erste Sonnenstrahlen fanden den Weg über die Berggipfel und schickten ihr Licht auf die Reise. Raja richtete sich hoch auf, prägte sich das Bild um ihn herum genau ein: die reich geschnitzten Säulen der Veranda, das helle, im Alter sachte nachgedunkelte Holz, aus dem das ganze langgestreckte Haus erbaut worden war… die Stimmung, die Atmosphäre, die leisen Geräusche der erwachenden Natur. Diese Erinnerung würde er mitnehmen, wenn er sich nachher verabschiedete, zusammen mit der an die Bewohner des Hauses und an alles, was er hier erlebt hatte. Er war dankbar für diesen Tag und würde seinen Aufenthalt im Dar-as-Salam niemals vergessen.
Und auch wenn er sich auf die Heimkehr zu seiner Familie freute – ein wenig bedauerte er es trotzdem, dass ihm nicht mehr Zeit blieb, um Vikram Sandeep noch besser kennenzulernen. Diesen Mann würde er gerne seinen Freund nennen. Nicht einfach nur so beim Zuprosten am Lagerfeuer. Sondern richtig.
Kapitel 1
Frühstück imDar-as-Salam
Wenig später erspähte Raja von seinem Verandastufenplatz aus Zobeida Ali Khan, die Köchin des Dar-as-Salam, die er am Vortag beim gemeinsamen Zubereiten des Abendessens kennengelernt hatte und die nun mit einer riesigen Schüssel unter dem Arm zum Dienstantritt erschien. Er erhob sich und begrüßte sie mit einem freundlichen »Namaste«; sie erwiderte den Gruß mit einem respektvollen »Salaam, Sharma sahab« und versprach ihm, als Erstes gleich einen Chai für ihn anzusetzen. Woraufhin Raja dankbar die gefalteten Hände erhob und sie anlächelte – ein Lächeln, das sie flüchtig und verlegen erwiderte, bevor sie durch die blaue Tür im Haus verschwand.
Eine Weile genoss Raja noch den frischen, kühlen Morgen; dann ging er ins Haus, faltete die Decke sorgfältig zusammen und legte sie in der kleinen Gästekammer, die man ihm zugewiesen hatte, auf das Bett. Im Badezimmer vollzog er eine kurze Katzenwäsche, um die offenbar noch immer schlafenden Kinder nicht zu stören; danach zog er sich an und begab sich in die Küche, wo es bereits verheißungsvoll nach heißem Gewürztee duftete.
»Hmmm – mir scheint, ich komme gerade richtig«, stellte er fest.
»Ja, der Chai ist fertig«, erwiderte Zobeida. »Wollen Sie auch schon Frühstück haben?«
»Nein, mit dem Frühstück würde ich gerne warten, bis noch mehr Bewohner des Hauses wach geworden sind«, beschloss Raja. »Ein Glas Chai würde mich im Moment schon restlos glücklich machen.«
»Bitte sehr.« Zobeida reichte ihm ein gefülltes Glas. »Setzen Sie sich doch!«
»Danke.« Raja ließ sich mit seinem Chaiglas an dem großen Küchentisch nieder. »Möchten Sie mir nicht Gesellschaft leisten? Oder haben Sie keine Zeit? Ich kann Ihnen bei den Vorbereitungen für das Frühstück auch gerne zur Hand gehen.«
»Oh… das ist nicht nötig.« Sie goss sich ebenfalls einen Chai ein.
»Na dann!« Raja probierte den Chai und lächelte. »Sehr gut. Extra viel Kardamom, nicht wahr? Woher wussten Sie, dass ich ihn so am liebsten habe?«
Zobeida errötete, entspannte sich aber auch zusehends und setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber. »Sameera didi tut viel weniger hinein, aber ich mag ihn auch so. Und morgens kann ich ihn machen, wie ich will – sie trinkt nach dem Aufstehen immer Kaffee.«
»Wer trinkt Kaffee?«
Raja wandte den Kopf. In der Küchentür stand Sameera Sandeep und lächelte ihn freundlich an. Sie trug Jeans und eine leichte, weiße Baumwollbluse mit aufgerollten Ärmeln. Raja registrierte es mit Erleichterung. Gestern hatte ihr Kameez die Narben noch verborgen; offenbar war die Maskerade jetzt vorbei. Zobeida merkte es auch; ihre Augen weiteten sich überrascht, aber sie sagte nichts.
»Bis jetzt noch niemand«, antwortete Raja und erhob sich. »Guten Morgen, Sameera! Sagen Sie jetzt bitte nicht, dass ich Sie geweckt habe!«
»Keine Sorge. Das ist mein Sonntagsritual – ich koche Kaffee, setze mich an den Tisch und tue eine luxuriöse Viertelstunde lang gar nichts, bevor die Lawine wieder über mich hereinbricht. Und Zobeida darf sich genau diese Viertelstunde lang einbilden, dass sie viel fleißiger ist als ich.« Sie lachte, ein sehr fröhliches, spitzbübisches Glucksen. »Was natürlich stimmt. Sie schuftet wie ein Pferd.«
»Wären Sie denn lieber allein?«, fragte Raja rasch. »Ich kann meinen Chai auch draußen auf der Veranda trinken.«
»Um Gottes willen, sind Sie immer so höflich? Erstens muss ich den Kaffee sowieso erst noch kochen, und zweitens habe ich nicht die geringste Absicht, Sie zu vertreiben. Es sei denn, Sie brauchen nach dem Tag mit unserem Rudel ein bisschen Erholung.« Sie ging zu der Kaffeemaschine hinüber, die neben dem vorsintflutlichen Kühlschrank auf der Arbeitsfläche stand, holte eine Dose aus dem Schrank und löffelte Pulver in den Filter. Dann goss sie Wasser zu, schaltete die Maschine ein und drehte sich wieder zu ihm um. »Wie schön – Sie sind noch da. Dann sind Sie offensichtlich hart im Nehmen.«
»Langjährige Erfahrung«, schmunzelte Raja. »Wenn auch nicht in Zusammenhang mit einer Kinderbande wie der Ihren. Meine eigene Bande zuhause ist noch nicht ganz so zahlreich und entschieden jünger. Gestern habe ich einen Einblick bekommen, was mir in ein paar Jahren blüht.« Ein glückliches Lächeln glitt über sein Gesicht. »Und ich kann es kaum erwarten.«
Sie setzte sich zu ihm an den Tisch und musterte ihn auf dieselbe analytische Weise, die ihm am Tag zuvor schon aufgefallen war. »Das glaube ich Ihnen aufs Wort.«
»Ich muss Ihnen sowieso noch für den gestrigen Tag danken«, sagte Raja; jetzt wurde er wieder ernst. »Nicht nur für das, was ich mit Ihren Kindern erleben durfte, sondern überhaupt. Dieses Haus kennenzulernen, und Sie, und Vikram – das war diese Reise nach Kashmir absolut wert. Ich werde diesen Tag niemals vergessen.«
Sameeras Gesicht wurde sanft.
»Wir auch nicht. Und ich hoffe sehr, dass das nicht Ihr letzter Besuch bei uns war. Die Kashmiris sind ein gastfreundliches Volk, und jemanden zu beherbergen, den man gernhat, macht die Sache umso leichter. – Schauen Sie doch nicht so verlegen drein! Sie mit unseren Kindern zu sehen war ein ziemlich einmaliges Erlebnis… dich, meine ich. Wenn es dir recht ist. Du bist hier jederzeit willkommen.«
Raja schluckte. »Danke. Damit rennst du bei mir offene Türen ein – ich würde nämlich sehr gerne wiederkommen. Aber ich konnte mich ja schlecht selber einladen, deshalb… ganz ehrlich, ich war mir bis eben noch nicht sicher, ob das heute nicht womöglich ein Abschied für immer wird.«
»Nein, auf keinen Fall. Jedenfalls soweit wir es in der Hand haben«, antwortete Sameera. »Hier in Kashmir haben wir uns daran gewöhnt, dass sich Abschiede nicht immer vermeiden lassen – auch die, mit denen man nicht rechnet. Aber deswegen bemühen wir uns umso mehr, uns über die Begegnungen und Freundschaften zu freuen, die uns geschenkt werden. Komm auf jeden Fall wieder! Und deine Familie bringst du mit.«
»Vorsicht!«, warnte Raja mit einem heiteren Funkeln in den Augen. »Du weißt nicht, worauf du dich einlässt. Wir sind nämlich auch ein ziemlich großer Klan. Aber keine Sorge – wenn, dann werde ich erst mal sicher nur mit meiner Frau und meiner Tochter herkommen.«
Er holte sein iPhone hervor, suchte nach dem Familienfoto, das er am Vorabend bereits Vikram gezeigt hatte, und reichte es zu Sameera hinüber.
»Hier, neben mir – das ist Sita, mit unserer kleinen Rani auf dem Schoß.«
Sie nahm das iPhone entgegen und betrachtete das Bild. »Was für eine schöne Frau – und was für ein reizendes Kind! Wie alt ist die Kleine denn?«
»Dreieinhalb. Im November wird sie vier.«
In diesem Moment stand Zobeida, die das Gespräch aufmerksam verfolgt hatte, abrupt auf.
»Dein Kaffee ist fertig, didi. Milch und Zucker, wie immer?«
»Ja, natürlich.«
Wortlos ging Zobeida zu der Kaffeemaschine. Gleich darauf stellte sie eine große, dampfende Tasse vor Sameera auf den Tisch.
»Entschuldigt ihr mich bitte?« Zobeidas Stirn war gerunzelt und ihr Gesicht ein wenig starr. »Alef holt mich gleich ab. Leila hat frisches Gemüse für uns, und ich hab ihr versprochen, ich suche heute so bald wie möglich aus, was wir brauchen.«
»Schon gut.« Sameera sprach sehr behutsam; Raja begriff, dass hier gerade etwas Dramatisches vorgefallen sein musste, auch wenn er keine Ahnung hatte, was. »Bist du in einer Stunde wieder da? Sonst fange ich mit dem Frühstück an – ich bin sicher, Raja wird mir gerne helfen. Nicht wahr, Raja?«
»Selbstverständlich«, sagte Raja sofort.
Zobeida nickte ihnen zu und war im nächsten Moment zur Tür hinaus. Eine Weile blieb es in der Küche sehr still.
»Hab ich etwas Falsches gesagt?«, erkundigte sich Raja vorsichtig.
»Nein, nein«, wehrte Sameera ab. »Ich habe bloß nicht rechtzeitig geschaltet. Du musst wissen, Zobeida hatte einen Sohn. Er verschwand mit neun Jahren, und sie wusste lange nicht, was mit ihm passiert war. Inzwischen haben wir erfahren, dass der Junge tot ist – und auch, wie er starb. Es… er… das würde jetzt vielleicht zu weit führen, aber wie auch immer – die Geschichte ist lang und hässlich, und traurig obendrein. Und ihr Mann, der ein gütiger Mensch war und für sie alles getan hätte, hat es irgendwann nicht mehr ausgehalten. Er hatte sie zur Therapie geschickt, zu einem Kollegen von mir, und es ging ihr langsam besser. Ihm leider nicht – er nahm sich das Leben.«
»Hay Baghwan«, murmelte Raja betroffen. »Und dann komme ich mit meinem Familienfoto daher.«
»Du kannst doch nichts dafür.« Sameera trank einen Schluck Kaffee. »Um die Wahrheit zu sagen: Damals dachte ich, es wäre meine Schuld. Vikram hat es gemerkt – zum Glück! –, und er hat mir klargemacht, dass wir niemals ganz unter die Oberfläche eines Menschen sehen können. Es sei denn, derjenige lässt es zu. Und Khan sahab hat es nicht zugelassen… er hat mir gar keine Chance gegeben, ihm zu helfen.« Sie seufzte. »Was Zobeida angeht – eigentlich hat sie sich ganz gut erholt. Von dem Verlust ihres Mannes, und von dem ihres Sohnes auch. Sie hat die Kinder in diesem Haus, denen sie eine Ersatzmutter und Ersatztante sein darf. So wie ich.«
»Ein doppeltes Glück für die Kinder also«, sagte Raja. »Wie schön für Zobeida, dass sie diese Möglichkeit für ein neues Leben bekommen hat.« Er schwieg eine Weile, dann fügte er hinzu: »Und übrigens hat Vikram recht, wenn er sagt, dass man niemals ganz in einen Menschen hineinschauen kann, wenn er es nicht zulässt. Das kenne ich. Auch wenn das für andere schwer zu akzeptieren ist.«
»Sehr wahr.« Sameera zog eine Grimasse. »Wenn du eine Therapeutin in den Wahnsinn treiben willst, musst du nur eines tun: den Mund halten. Meine Profession lebt davon, dass Menschen über das reden wollen, was sie umtreibt.«
Sie warf noch einmal einen Blick auf das Foto und gab ihm das iPhone zurück.
»Erzähl mir von Rani.«
»Sie fällt auf neben meinen beiden großen Jungs, was?«, sagte Raja, die Augen liebevoll auf das Bild gerichtet. »Ja, sie ist ein… ein spätes Glück, das ich in diesem Leben nicht mehr erwartet hatte. Ich habe… Vikram hat dir gestern doch erzählt, dass ich im Gefängnis war?«
Sameera nickte.
»Ich hab in all den Jahren oft versucht, mir vorzustellen, wie es ist, Kinder zu haben«, fuhr Raja fort. »Sita und ich, wir… wir haben von einer großen Familie geträumt, mit ganz vielen Kindern. Aber dann – ja, dann habe ich genau wie ihr lernen müssen, dass es Abschiede gibt, mit denen man nicht rechnet. Abschiede, die dich von allem trennen, was dir je etwas bedeutet hat. Danach habe ich fünfundzwanzig Jahre lang mit der Überzeugung gelebt, dass ich niemals eine Familie haben werde. Von wegen! Nach meiner Freilassung habe ich als Erstes zwei erwachsene Söhne auf einen Schlag bekommen.«
»Die beiden auf deinem Familienfoto?«
»Ja. Und der eine, Surya, ist sogar tatsächlich mein leiblicher Sohn. Sita und ich hatten vor meiner Verhaftung noch eine Nacht miteinander verbracht… und ich hatte in all den Jahren im Knast keine Ahnung, dass diese Nacht Folgen gehabt hat. Sita hatte zwischenzeitlich meinen jüngeren Bruder Anil geheiratet; aus dieser Ehe stammt Sumair. Ein Prachtjunge, genau wie mein Surya; ich betrachte beide als meine Söhne. Erst recht, seit… seit Anil nicht mehr am Leben ist.«
»Das tut mir leid.« Sameera sah ihn mitfühlend an. »Dass dein Bruder tot ist, meine ich.«
Raja nickte. »Er fehlt uns sehr. Anfangs waren Sita und ich der Ansicht, dass wir unter diesen Umständen an eine Ehe nicht einmal denken durften. Dass wir heute trotzdem verheiratet sind, verdanken wir unseren beiden großzügigen Söhnen. Und dass ich es jetzt außerdem erleben darf, Vater zu sein… ich meine, eines meiner Kinder tatsächlich vom ersten Augenblick an aufwachsen zu sehen, das… ich…«
Die Stimme versagte ihm; Tränen stiegen ihm in die Augen, und er wandte sich ab.
»Das ist ein Geschenk«, hörte er Sameera sachte erwidern. »Ein großes… genau wie die Tatsache, dass du deine Sita nach all dieser Zeit doch noch bekommen hast.« Ein Taschentuch erschien in seinem Blickfeld. »Ich bin sehr froh für dich.«
Dankbar griff Raja nach dem Taschentuch, wischte sich die Tränen ab und sah Sameera an.
»Danke. Ich freue mich jetzt schon darauf, dir Sita und meine kleine Prinzessin irgendwann vorstellen zu können. Ich bin sicher, ihr werdet euch mögen.«
Er warf einen letzten, zärtlichen Blick auf das Bild, bevor er das iPhone wieder einsteckte.
»Wollen wir Frühstück machen?« Sameera stand auf und warf einen Blick in die große Schüssel. »Ah, schön, Zobeida hat den Naan-Teig mitgebracht, den sie mir versprochen hat. Im Kühlschrank stehen ein paar Dips… und weißt du was? Wir könnten Pfannkuchen backen! Die gibt es unter der Woche nie, weil uns die Zeit dafür fehlt.«
»Kein Problem«, versicherte Raja und erhob sich ebenfalls. »Die mache ich.«
»Wunderbar!« Sameeras Augen blitzten fröhlich. »Ich muss dich allerdings warnen: Wenn wir die Bande heute damit verwöhnen, dann darfst du gleich nächste Woche wiederkommen.«
»Du ahnst nicht, wie gern ich das täte«, erwiderte Raja lachend. »Aber ich fürchte, dann würden zuhause meine Kinder und Enkel protestieren, wenn der babuji und daada schon wieder von der Bildfläche verschwindet. Apropos, da fällt mir ein – hast du eine Idee, wo ich noch ein paar Mitbringsel für die kleinen Racker auftreiben könnte? Ich wollte schon gestern danach suchen, aber dazu kam es dann ja nicht mehr, und ich weiß nicht, was der Flughafen so alles bereithält. Und ganz mit leeren Händen brauche ich gar nicht erst nach Hause zu kommen. Zu meiner Frau sowieso nicht.« Er zwinkerte Sameera zu.
»Es gibt einen schwimmenden Markt auf dem Dal-See – allerdings nur früh am Morgen«, meinte sie. »Dafür findest du aber jede Menge reizender Läden in der Altstadt von Srinagar. Viele davon haben täglich geöffnet, wegen der Touristen. Seit es hier nicht mehr ganz so häufig ›kracht‹, kommen wieder mehr davon in das Tal. Was hältst du davon, wenn du nachher mit Vikram in die Stadt fährst und dich dort umschaust? Dann kann er dich anschließend gleich zum Flughafen bringen.«
»Klingt gut.«
Sie stellte ihm eine Schüssel, zwei Packungen Mehl, Zucker und einen Korb voller Eier hin. »Ich knete den Teig für das Naan noch mal durch. Die Pfannen sind unten im Herd.« –––
Eine halbe Stunde später erschien Vikram Sandeep in der Küche. Raja, der gerade geschickt einen Pfannkuchen auf einen hohen Stapel weiterer Pfannkuchen gleiten ließ, wechselte einen schnellen Blick mit ihm; offenbar irritierte es den Hausherrn nicht im Geringsten, dass sein Gast sich hier in der Küche breitmachte. Erleichtert wünschte Raja ihm einen guten Morgen, während er zugleich den Pfannkuchen mit etwas flüssigem Ghee beträufelte und mit Zucker bestreute. Gleichzeitig schob Sameera ein Blech voller Naan-Brote in den Ofen; dann gab sie ihrem Mann einen liebevollen Kuss und schenkte ihm einen Kaffee ein. Vikram nahm sichtlich zufrieden am Küchentisch Platz, ließ sich gerne eine Kostprobe von Rajas Pfannkuchen servieren und war mit den Plänen für den Rest des Tages sofort einverstanden.
Als der Teig aufgebraucht, der Kaffee ausgetrunken und das Brot fertig war, war Zobeida noch immer nicht wieder zurück. Also machte Vikram sich auf den Weg in die diversen Kinderzimmer, um das Luxusfrühstück anzukündigen, und Sameera fing an, den Tisch zu decken. Raja, der die Schüsseln und Pfannen abgespült und jetzt nichts mehr zu tun hatte, lehnte an der Steinspüle und schaute ihr dabei zu, von einem seltsamen Gefühl des Friedens erfüllt. Er sah, wie die Sonne auf ihre Haut schien und das unregelmäßige Muster der Narben rötlich aufschimmern ließ.
Später wusste er nie genau, warum er das getan hatte, was er als Nächstes tat. Aber was immer ihn auch dazu brachte – er ging zu Sameera hinüber, streckte die Hand aus und legte sie leicht auf ihren Unterarm. Sameera hielt inne, und ihre Augen begegneten sich.
»Wie hältst du das aus?«, fragte er leise. »Wie erträgst du die Erinnerung daran?«
Sie sah ihn an, und für eine sekundenlange Ewigkeit blickte er durch das hindurch, was Sameera Sandeep die Welt rings um sie her sehen ließ, bis in den innersten Kern dessen, was sie war. Er sah das ganze Ausmaß der grauenvollen Demütigung, der Angst und der entsetzlichen Qual, die sie ertragen und überstanden hatte. Und er sah den Willen, weiterzukämpfen, ein Band aus Stahl, unzerbrechlich und leuchtend, das sie mit dem Mann verband, den sie liebte, und das eine der Quellen war, aus denen sich ihre Kraft speiste.
Sameera ihrerseits sah den Schmerz eines Menschen, dem das Schicksal den Boden unter den Füßen weggezogen hatte. Sie sah bitteren Kummer und unerträglichen Verlust, aus dem eine geduldige Stärke erwachsen war, die trotz aller Schläge nicht mehr versiegen würde. Er ist wie ein Baum, dachte sie staunend, ein tief verwurzelter Baum, der allen, die sich in seiner Nähe aufhalten, Schatten spendet.
»Ich ertrage es, weil ich die Chance bekommen habe, weiterzuleben.« Ihre Stimme war sehr ruhig. »Weil der Mensch, der mir am wichtigsten ist, mir Tag für Tag das Gefühl gibt, vollständig und wertvoll zu sein – auch dann, wenn ich mich schwach und verkrüppelt fühle. Selbst wenn dieser Mensch nicht alle meine Schmerzen kennt… aber er trägt sie mit. Und mich auch.«
Sie umschloss sein Gesicht mit den Händen; unwillkürlich neigte er den Kopf und spürte, wie ihre Lippen flüchtig seine Stirn streiften.
»Aber das weißt du doch, Raja Sharma«, sagte sie. »Weil es dir nämlich genauso geht.«
Er sah auf, atmete tief durch, nahm wortlos und sanft ihre Hand in die seine und küsste sie.
Ein leises, tiefes Räuspern kam von der Tür her. Sie wandten beide den Kopf und sahen Vikram auf der Schwelle stehen; wie lange er schon dort stand und wie viel von ihrem Gespräch er mitbekommen hatte, wussten sie nicht, aber er lächelte.
»Ich wollte euch nur sagen, dass die Kinder gleich hier sind«, sagte er. »Danke für das Frühstück – das dürft ihr gern öfter machen!«
***
Bei diesem Frühstück genoss Raja noch einmal in vollen Zügen die warmherzige Atmosphäre des Dar-as-Salam. Die Kinder machten sich mit Begeisterung über seine Pfannkuchen her, und das allgemeine Staunen war groß, als Sameera ihnen verriet, wem sie diese Leckerei diesmal zu verdanken hatten.
»Wieso kannst du eigentlich so gut kochen?«, fragte Anjali Raja neugierig und hielt ihm zugleich ihren Teller für einen weiteren Pfannkuchen hin.
Ein Lächeln spielte um Rajas Mundwinkel, als er sie bediente. »Weißt du, meine Eltern sind früh gestorben. Und ich hatte noch einen kleinen Bruder, um den ich mich kümmern musste. Da blieb mir gar nichts anderes übrig, als kochen zu lernen. Und irgendwann hat es angefangen, mir richtig Spaß zu machen. Hier, lass es dir schmecken!«
Er reichte Anjali ihren Teller. Maryam, die neben ihr saß, hatte ihm aufmerksam zugehört; nun stellte sie mit ernster Miene fest: »Dann bist du also auch eine Waise.«
Betroffen hielt Raja in seiner Bewegung inne. Aber auch die Kinder um ihn herum hörten plötzlich auf zu essen und sahen ihn fragend an.
Er blickte in die Runde, sah die leicht alarmierten Gesichter von Sameera und Vikram und vergewisserte sich, dass Zobeida, die inzwischen wieder zurückgekommen war, sich gerade nicht in dem Raum befand.
»Ja«, erwiderte er dann ruhig. »Aber zum Glück bin ich trotzdem nicht allein. Ich habe eine Frau und Kinder, ich habe sogar schon Enkelkinder – ich habe eine Familie. Genau wie ihr, auch wenn es nicht eure leibliche Familie ist. Jeder Mensch, den wir lieben, kann Familie für uns sein – ein Bruder, eine Schwester, vielleicht sogar Vater oder Mutter. Ich habe das schon ein paarmal erlebt. Und das wünsche ich auch euch von ganzem Herzen.«
Es war still geworden – bis Moussa, der den Platz neben Raja ergattert hatte, plötzlich zaghaft die Hand auf seinen Arm legte.
»Bist du dann jetzt auch so was wie unser Bruder, Raja?«
Raja schluckte. Er wandte sich Moussa zu, und der Blick der großen, dunklen Augen des Jungen traf ihn mitten ins Herz. Auch die anderen Kinder sahen ihn gespannt an.
»Das wäre ich sehr gerne«, antwortete er. »Aber ihr wisst, dass ich nicht hierbleiben kann. Meine Frau und meine Kinder warten auf mich; ich fahre nachher wieder zurück zu ihnen. Und ich möchte euch nicht enttäuschen. Ich meine, was ist das für ein Bruder, der nur mal kurz vorbeischaut und dann gleich wieder geht?«
»Aber du kommst doch wieder?«, fragte Firouzé; es klang beinahe ängstlich.
Raja nickte ihr zu. »Darauf kannst du dich verlassen, Firouzé.«
»Toll!« Die Kleine strahlte, sprang auf, rannte um den Tisch zu Raja und schlang ihm die Arme um den Hals. »Dann singen wir wieder Kuch Kuch Hota Hai zusammen, ja?«
»Machen wir«, versprach Raja augenzwinkernd. »Und ich lern bis dahin auch noch ein paar andere Songtexte. Am besten, du schreibst mir eine Wunschliste!«
Damit war der Bann gebrochen; alle schwatzten wieder wild und fröhlich durcheinander, und eine lebhafte Debatte über Lieblings-Filmsongs begann. Rajas Blick fiel auf Moussa, der ihn immer noch abwartend anschaute. Er nahm die Hand des Jungen und sah ihm in die Augen.
»Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst, Moussa. Versprochen.«
Zum ersten Mal lächelte Moussa ihn offen an. Dann machte er sich sichtlich zufrieden über den Rest seines Pfannkuchens her.
***
Bald darauf war alles für Rajas Abreise bereit. Vikram hatte den Jeep vorgefahren, und Raja hatte seinen Rucksack darin verstaut. Nun galt es, Abschied zu nehmen; sämtliche Kinder standen vor dem Haus versammelt, und Raja musste ein ums andere Mal versprechen, nicht zu lange mit einem zweiten Besuch zu warten.
»Und irgendwann besucht ihr dann auch mal uns in Shivapur, ja?«, bat er.
»Mit der ganzen Belegschaft?«, fragte Sameera amüsiert.
»Kein Problem, wir bringen euch schon unter«, lachte Raja. »Notfalls schlagen wir ein Zeltlager im Garten auf.«
»Klingt verlockend«, sagte Sameera. »Und wie gesagt, du und deine Familie, ihr seid hier jederzeit herzlich willkommen. Wir freuen uns schon auf euch.«
»Danke. Und bis dahin bleiben wir auf jeden Fall in Kontakt«, versicherte Raja. Er hatte Vikram und Sameera seine Visitenkarte übergeben und im Gegenzug die Handynummern der beiden sowie Mailadresse und Anschrift des Dar-as-Salam in seinem iPhone abgespeichert.
»Unbedingt«, erwiderte Sameera. »Also dann – gute Reise, und grüß deine Familie von uns allen.«
»Mach ich«, versprach Raja. Er verabschiedete sich von Zobeida und wandte sich noch einmal den Kindern zu. In diesem Augenblick trat plötzlich Ibrahim einen Schritt nach vorne und hielt Raja einen kleinen, in ein buntbesticktes Tuch eingewickelten Gegenstand entgegen.
»Für dich«, sagte er leise.
Überrascht nahm Raja Ibrahims Geschenk entgegen und betastete es. Eine Ahnung stieg in ihm hoch, als er sich an die kleinen, selbstgeschnitzten Kunstwerke erinnerte, die Ibrahim ihm am Tag zuvor in seinem Zimmer gezeigt hatte. Schnell wickelte er das Päckchen aus und fand seine Ahnung bestätigt: Es war die hölzerne Taube, die er besonders bewundert hatte.
»Ibrahim…«, sagte er überwältigt. »Was für ein wunderschönes Andenken an das Haus des Friedens!«
Dann fiel sein Blick auf das hübsche Tuch, in dem die Taube verpackt gewesen war, und fragend sah er in die Runde.
»Das hab ich gemacht«, meldete sich Zeenath. »Ich dachte… vielleicht freut sich deine Frau darüber?«
Raja spürte, wie ihm die Kehle eng wurde. »Sie wird überglücklich darüber sein, das weiß ich ganz sicher.«
Er zögerte. Unter normalen Umständen hätte er Zeenath und Ibrahim für die beiden Geschenke jetzt herzlich umarmt, und die übrigen Kinder auch – aber er hatte keineswegs vergessen, was Sameera ihm am Vortag über die traumatischen ersten Lebensjahre dieser Kinder erzählt hatte, und er war sich nicht sicher, wie sie auf eine solche vertrauliche Geste reagieren würden.
Also öffnete er die Arme nur ganz leicht in Richtung Ibrahim, wie ein stummes Angebot – und sofort machte der Junge einen Schritt auf ihn zu und schloss die Distanz zwischen ihnen. Auch die anderen Kinder kamen nun zu ihm. Einige schmiegten sich nur kurz an ihn, andere hielten ihn länger umschlungen. Er stellte fest, dass er ein paar Tränen wegblinzeln musste. Das Gefühl, dass offensichtlich ein Band zwischen ihm und dem Dar-as-Salam entstanden war, machte ihn sehr glücklich.
Behutsam wickelte er schließlich die hölzerne Taube wieder in das Tuch ein und schloss zum Abschluss auch noch Sameera in die Arme.
»Vielen Dank, Sameera«, sagte er leise. »Für alles.«
»Ich habe zu danken, Raja«, erwiderte sie und sah ihn lächelnd an. »Es war schön, dich kennenzulernen.«
Raja nickte. Er ließ sie los, straffte die Schultern und holte tief Luft.
»Also dann – auf Wiedersehen!«
Er drückte das kostbare Abschiedsgeschenk an sein Herz, während er mit der anderen Hand noch einmal allen zuwinkte; dann stieg er in den Jeep. Vikram saß bereits hinter dem Steuer und ließ den Motor an.
»Fertig?«, fragte er mit einem Seitenblick auf Raja.
»Fahr los«, antwortete Raja mit merkwürdig belegter Stimme. »Bevor ich am Ende wieder aussteige.«
Vikram lächelte leise und gab Gas.
Kapitel 2
Marktbummel
Der Jeep rumpelte aus dem Taleinschnitt und die Straße hinunter. Nach zwanzig Minuten Fahrt hatte Raja seine Stimme noch immer nicht wiedergefunden; Vikram musterte ihn aus den Augenwinkeln und beschloss, ihn erst einmal in Ruhe zu lassen. Sie hatten noch ein paar Stunden vor sich, ehe er ihn am Sheikh-ul-Alam-Flughafen abliefern musste, und es würde sicher noch die eine oder andere Gelegenheit zu einem Gespräch geben.
Aber dann war es doch Raja, der zuerst etwas sagte.
»Deine Frau hat mir erzählt, dass die Kinder schwere Schicksale hinter sich haben«, meinte er unvermittelt. »Aber bei euch sind sie ganz offensichtlich sehr glücklich. Es sieht aus, als wären sie an einem Ort angekommen, wo sie sich wohl und zuhause fühlen.«
»Das war der Sinn dahinter«, gab Vikram zurück und steuerte den Jeep auf eine Brücke, die über einen rasch dahinströmenden Gebirgsfluss führte. »Deswegen habe ich vor vier Jahren das Dar-as-Salam überhaupt erst aufgemacht. Damit so viele Kinder bei mir ein Heim finden, wie ich sie unterbringen und verkraften kann. Ich wünschte, es wären mehr, aber wir sind am Ende unserer Kapazität angelangt.«
»Finanziell?«, fragte Raja. »Entschuldige meine Neugier, aber das muss euch doch viel Geld kosten. Und die Fördertöpfe für private Einrichtungen sind sicher nicht gerade üppig gesät.«
Vikram schüttelte den Kopf. »Geld ist nicht das Problem – nicht mehr. Als ich anfing, hatte ich nur die zusammengesparten Rücklagen aus fünfundzwanzig Jahren Arbeit für die indische Regierung und eine winzige Pension. Obendrein kam ich als Hindu in ein Land, das zu achtundneunzig Prozent von Muslimen bewohnt wird, und hatte die Absicht, muslimische Waisenkinder großzuziehen. Die Behörden haben mich anfangs für verrückt erklärt und mir geraten, wieder zu verschwinden. Aber ich hab mich nicht abschrecken lassen. Zum Glück hab ich Freunde gewonnen, die mir weiterhalfen, indem sie Stiftungen auftaten, die willens waren, mich zu unterstützen. Trotzdem musste ich mich die erste Zeit ziemlich nach der Decke strecken.«
Raja zog die Augenbrauen hoch.
»Was ist dann passiert? Ist irgendein Erbonkel an Altersschwäche gestorben?«
»Kein Erbonkel.« Vikrams Mundwinkel kräuselten sich zu einem ironischen Grinsen. »Man könnte sagen, ich habe reich geheiratet.«
»Nein!« Raja starrte ihn an. »Sameera?«
»Ganz genau.« Mittlerweile fuhren sie am Dal-See entlang. Es herrschte wunderbares Frühsommerwetter, und zahlreiche Shikaras waren auf dem Wasser unterwegs. »Du musst wissen, meine Frau ist in Europa aufgewachsen, in Irland. Ihr Vater kam aus Dublin, und er lernte ihre Mutter Bodhi auf der Universität kennen, wo sie beide Medizin studierten. Bodhi stammte aus Ladakh. Deswegen ist Sameera nicht nur mit Englisch, sondern auch mit Hindi und Urdu aufgewachsen.«
»Leben ihre Eltern noch?«
»Nein – leider. Sameera erbte von ihnen ein schönes, altes Stadthaus in Dublin, hatte aber kaum jemals die Zeit, wirklich darin zu wohnen. Sie hat dir doch erzählt, dass sie für Medical Relief Worldwide gearbeitet hat?«
»Ja, hat sie.«
»Deswegen war sie nur selten dort, und das Haus bedeutete ihr nicht viel. Als sie beschloss, endgültig nach Kashmir zurückzukehren – und zu mir –, hat sie es an eine gute Freundin verkauft. Für sehr viel Geld. Das hab ich allerdings erst erfahren, nachdem ich sie geheiratet hatte.«
Raja musterte ihn mit unverhohlener Neugier. »Hätte es denn etwas geändert, wenn du es vorher erfahren hättest?«
»Keine Ahnung.« Vikram schnaubte leise in sich hinein. »Vielleicht hätte mein Dickkopf mir noch Ärger gemacht – aber der von Sameera hat sich als stärker herausgestellt. Jetzt ist sie es, die für die Instandhaltung des Hauses aufkommt, und sie zahlt die Schulgelder der Kinder. Aus den Zinsen.«
»Deine Frau ist in vielerlei Hinsicht ein großzügiger Mensch«, sagte Raja nachdenklich. »Heute Morgen hat sie… ich meine, ich weiß nicht, ob du…« Er stockte, errötete leicht und sah verlegen auf seine Hände hinunter.
Vikram erbarmte sich. »Sie hat dir etwas von dem geschenkt, was uns im Dar-as-Salam alle am Laufen hält, und mich am allermeisten. Sie hat dich in ihr Herz sehen lassen, und sie hat dir von ihrem Mut und ihrer Kraft abgegeben. Du darfst dir etwas darauf einbilden – so nahe lässt sie nur sehr wenige Menschen an sich heran. Aber sie wusste, was du nötig hast; das ist eine ihrer größten Fähigkeiten. Und falls du dich nicht traust, danach zu fragen: Ja, ich habe gehört, was sie zu dir gesagt hat. Das hat nicht nur dir gutgetan, sondern mir auch.«
Verwundert runzelte Raja die Stirn. »Wieso?«
Vikram zögerte. »Weil… na ja, weil ich manchmal nicht sicher bin, wer hier wen trägt. Manchmal glaube ich, sie hätte anderes und mehr haben können, als bei einem alten Ex-Agenten und seinen zehn Waisenkindern in einem maroden Haus in Kashmir zu landen.«
»Das ist Blödsinn«, konterte Raja so prompt wie respektlos. »Vikram, glaub mir eines: Sameera betet den Boden an, über den du gehst. Das sieht jeder, der nicht hoffnungslos blind ist, innerhalb der ersten fünf Minuten. Und mir ist noch nie eine Frau begegnet, die so offensichtlich da ist, wo sie sein möchte.« Er lächelte. »Außer meiner Sita vielleicht, die mich ebenfalls trägt. Genauso wie sie mich erträgt, nebenbei bemerkt.«
»Schön gesagt.« Vikram stellte fest, dass er sich unwillkürlich entspannte. Sameera war offensichtlich nicht die einzige, die stets zur rechten Zeit die rechten Worte fand.
»Also…« Er ließ den Wagen am Straßenrand ausrollen. »Was willst du denn nun alles einkaufen? Ich kenne einen Juwelier hier ganz in der Nähe, der macht wunderbaren Silberschmuck, falls das etwas für deine Frau ist. Oder ich kann dich auf den Markt an der Jamia Masjid bringen. Der findet zum Glück auch sonntags statt, und da gibt es wirklich alles, was du dir vorstellen kannst.«
Er grinste Raja an.
»Alis Café ist auch ganz in der Nähe – da wo du gestern den Mandelkuchen gekauft hast. Nur für den Fall, dass du nach dem Frühstück von eben noch einmal Hunger bekommst.«
***
Kurz darauf betraten die beiden einen winzigen Laden in der Altstadt von Srinagar, der aussah, als hätte er seine besten Zeiten hinter sich und eine Renovierung dringend nötig. Der äußere Anschein war jedoch trügerisch, denn das Sortiment an handgefertigten Silberschmuckstücken, das der von Vikram empfohlene Juwelier Ismael Kabuli hier anbot, war erlesen und ausgesprochen schön. Raja war mehr als angetan und suchte schnell und mit sicherem Blick eine reichhaltige Sammlung an Ohrringen und Armreifen aus, die mit verschiedenen Steinen besetzt waren.
»So«, meinte er, als er die vor ihm liegende Auswahl durchzählte. »Damit müsste ich für die Damen in meiner Familie eingedeckt sein. Für die Herren werde ich dann wohl eher auf dem Markt fündig.« Er warf Vikram einen verlegenen Seitenblick zu. »Falls du bis dahin lieber in das Café oder sonst wohin gehst… ich weiß ja nicht, wie viel Spaß du daran hast, über Märkte zu schlendern.«
»Mehr Spaß, als du vielleicht glaubst«, erwiderte Vikram gut gelaunt. »Früher hatte ich kein Geld dafür, und jetzt hab ich normalerweise keine Zeit. Außerdem trifft sich das mit deinem Souvenir-Bummel ganz gut; ich muss nämlich einige der Brettspiele im Haus des Friedens ersetzen. Die sind nach vier Jahren inzwischen ganz schön mitgenommen.«
»Na dann«, meinte Raja, ließ sich von dem Juwelier den Gesamtpreis nennen und bezahlte, ohne zu handeln. »Okay, wenn du hier sonst nichts mehr brauchst, dann können wir losziehen.«
»Bereit, wenn du es bist. Schmuck bekommt meine Frau erst wieder an unserem Hochzeitstag – und der ist im Oktober.« Vikram grinste, warf dem Juwelier eine kurze Bemerkung auf Kashmiri zu und ging Raja voran hinaus ins Freie.
»Ich frag dich besser nicht, was du dem Mann gerade gesagt hast«, schmunzelte Raja. »Vermutlich irgendwas über verrückte Touristen aus dem Süden oder so.«
»Ich hab ihn für seine Weisheit gepriesen, dass er den unverschämt großzügigen Hindustani nicht übers Ohr gehauen hat, mera dost«, meinte Vikram. »Schließlich möchte er, dass ich wiederkomme. Er hat meine Eheringe geschmiedet, und seine Enkeltochter war bei Sameera in der Therapie. Da wäre es unklug gewesen, dir einen Wucherpreis für den Schmuck abzunehmen – obwohl der wirklich sein Geld wert ist, sogar wenn du noch ein bisschen mehr hättest zahlen müssen. Kabuli ist ein echter Künstler, und seine Familie hat diesen Laden schon seit vier Generationen.«
»Ich finde auch, dass der Schmuck sein Geld wert ist«, stimmte Raja ihm zu. »Deshalb habe ich gar nicht erst gehandelt. Ich weiß genau, dass meine Damen zu Hause hell entzückt sein werden über diese Schätze, und dann ist es mir egal, wie viel sie mich kosten.« Er stockte kurz und fügte dann hinzu: »Ich meine, ich hab’s dir gestern ja erzählt – mir ging’s bis vor wenigen Jahren noch ähnlich wie dir vor deiner Heirat mit Sameera. Nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis war ich finanziell alles andere als auf Rosen gebettet; ich konnte mir kaum meinen täglichen Chai leisten, und Geschenke für meine Familie musste ich mir buchstäblich vom Mund absparen. Bis ich dann dank Kunal Malhotra und seinem Testament plötzlich über nahezu unbegrenzte Geldmittel verfügt habe. Und nun genieße ich es einfach rundum, wenn ich anderen damit eine Freude machen kann.«
Um Vikrams Mund zuckte es. »Dann bist also du derjenige mit dem Erbonkel.«
»Gewissermaßen«, lachte Raja. »Das heißt, du kannst dich mit Sita zusammentun; in unserem Fall ist sie es, die reich geheiratet hat. Und wage es jetzt ja nicht, zu fragen, ob sie mich ohne mein Geld womöglich nicht genommen hätte!«
Vikram schnaubte belustigt. »Nein… es wird schon dein hübsches Gesicht gewesen sein. Genau wie bei mir. Zum Markt geht es übrigens da lang.«
Einträchtig grinsend steuerten beide nun auf den Markt an der Jamia Masjid zu. Vikram hatte nicht zu viel versprochen; die Auswahl war riesig, und fasziniert ließ Raja die Blicke schweifen. An einem Stand mit feinen Schals aus Kashmirwolle blieb er stehen. »Wie findest du die?«
»Schön«, meinte Vikram, nahm seinen Arm und lotste ihn rasch von dem Stand weg auf einen anderen zu. »Aber überteuert, und die Qualität ist nicht halb so gut, wie sie sein sollte. Hier« – er blieb vor einem überdachten Tisch stehen, auf dem Kashmirschals in allen Farben des Regenbogens ausgestellt waren – »hier solltest du dich umsehen. Der Händler bekommt seine Ware direkt aus den Webereien in Ladakh, und sie ist jede einzelne Rupie wert.«
»Wohl dem, der einen Experten bei sich hat«, lächelte Raja. »Danke, mera dost.«
Er grüßte den Händler freundlich, suchte dann ebenso schnell und sicher wie in dem Juweliergeschäft einen kleinen Stapel verschiedenfarbiger Schals zusammen und bezahlte. Der Händler packte ihm die Schals in eine bunte Stofftasche; Raja nahm sie dankend entgegen, verabschiedete sich und ließ im Weitergehen das Schmuckpäckchen zu den Schals in die Tasche gleiten. »So, die Erwachsenen sind versorgt. Hast du jetzt auch noch einen Stammhändler für deine Brettspiele?«
»Hassan Harabi«, antwortete Vikram wie aus der Pistole geschossen. »Sein jüngster Sohn geht in dieselbe Klasse wie Moussa. Schon sein Urgroßvater hat Spiele geschnitzt, und die Schachbretter sind wunderschön.«
»Dann nichts wie hin!« Rajas Augen leuchteten vor Unternehmungslust.
»Zum Thema Moussa…« Vikram machte eine Pause, während er Raja an einer Reihe Stände entlangführte. »Ich hab gehört, was du beim Frühstück zu ihm gesagt hast. Dass du immer für ihn da bist, wenn er dich braucht.«
»Das war auch ganz ernst gemeint«, erwiderte Raja sofort. »Ich meine, das war nicht bloß Gerede.«
»Ist mir schon klar«, entgegnete Vikram. »Aber du solltest vielleicht das eine oder andere über ihn wissen, damit dir klar ist, womit du es zu tun hast.«
Raja blieb stehen und musterte Vikram nachdenklich. »Bist du sicher? Ich meine, ich möchte nicht, dass… dass ich hier Dinge höre, von denen Moussa vielleicht nicht will, dass jemand sie erfährt. Nicht dass er das Gefühl bekommt, dass sein Vertrauen missbraucht wird.«
Vikram lächelte; er betrachtete Raja mit ruhigem Respekt.
»Das ehrt dich. Aber wenn du nicht Bescheid weißt, dann gerätst du bei dem Jungen in ein Minenfeld. Er ist seit drei Jahren bei mir und hat großartige Fortschritte gemacht, aber da gibt es ein paar… Sollbruchstellen. Und die solltest du kennen.«
»Na gut – wenn du überzeugt bist, dass ich darüber Bescheid wissen soll und darf, dann vertraue ich dir und deinem Urteil«, erwiderte Raja. »Wollen wir ein Stück beiseite gehen, damit nicht jeder Marktbesucher uns zuhören kann?«
»Gute Idee.«
Vikram lotste Raja aus dem Marktgewimmel in eine stille Gasse, die unmittelbar an der Seitenmauer der Moschee entlangführte. Dort lehnte er sich an die Wand und atmete tief durch.
»Ich muss dir nicht alles sagen; vielleicht möchte der Junge dir eines Tages gern selbst etwas von dem erzählen, was er erlebt hat. Aber als er vor drei Jahren zu mir kam, war er stumm. Und er ist stumm geblieben, auch als Sameera anfing, mit ihm zu arbeiten – soweit er es zuließ, jedenfalls. Er hat sie geliebt und sehr an ihr gehangen, aber gesprochen hat er ironischerweise erst, als sie nicht mehr da war; nach ihrer Entführungsgeschichte war sie ja nach Irland zurückgekehrt. In der Zeit hat Zobeida angefangen, bei uns zu arbeiten, und als Moussa sie in unserer Küche unvermutet zu Gesicht bekam… da hab ich zum ersten Mal seine Stimme gehört.«
Er schloss die Augen, als er sich an diesen Moment erinnerte.
»Auf diese Weise haben wir erfahren, dass er von den Lashkar-i-Toiba entführt worden war – einer Terror-Organisation, die von Pakistan aus operiert und Kindersoldaten für ihr schmutziges Handwerk benutzt. Und in dem Camp, in das man ihn verschleppt hatte, ist er Mahmoud begegnet, Zobeidas Sohn. Das mit ihm hast du ja heute früh mitbekommen; Sameera hat es mir gesagt, während du danach deine Sachen zusammengepackt hast.«
»Ja, das stimmt«, bestätigte Raja. »Heißt das, Zobeida hat ihren Sohn durch diese Terror-Organisation verloren?«
»Genau das. Das ist Tausenden von Eltern hier in dieser Provinz passiert, und es passiert noch immer. Aber Mahmoud… er wollte nach Hause. Er wollte mit Moussa zusammen aus dem Camp flüchten. Als Moussa nicht den Mut dazu aufbrachte, hat er es allein versucht – und wurde erwischt. Daraufhin haben sie ihn vor den Augen aller Kinder erschossen, um ein Exempel zu statuieren – und Moussa ist verstummt. Er konnte nicht mehr sprechen, bis er Zobeida von dem Foto wiedererkannte, das Mahmoud bei sich getragen hatte. Verstehst du jetzt, warum ich dich bitte, vorsichtig mit ihm zu sein?«
Raja war leichenblass geworden. Er lehnte sich gegen die Mauer, schloss die Augen und sagte kein Wort. Vikram wartete ruhig und ließ ihm Zeit, das Gehörte zu verarbeiten.
Schließlich sah Raja ihn wieder an. »Hay Baghwan«, murmelte er. »Jetzt wird mir einiges klar… und ja, ich verstehe, warum du mir das unbedingt erzählen wolltest.«
»Wir wissen nicht, wie er selbst entkommen ist. Wir wissen nicht, wie lange er auf der Flucht war und wo er sich aufgehalten hat, bevor ich ihn in einer Klinik in Baramulla gefunden habe. Er spricht nicht darüber. Das, mein Freund, ist die dunkle Seite des Paradieses. Und ich wollte nicht, dass du unvermutet darüberstolperst.« Er lächelte schwach. »Wer weiß… vielleicht sagt er es dir eines Tages. Er hat deine Nähe gesucht, und er mag dich sehr. Das ist für einen Jungen, der so scheu ist, ein gewaltiger Schritt.«
»Vielleicht hat er gespürt, dass auch ich einmal ein Gefangener war«, erwiderte Raja leise.
»Vielleicht. Ich habe dir das nicht erzählt, damit du dir Sorgen machst. Ich möchte dir nur helfen, zu verstehen, wie er tickt. Er ist ein wunderbares Kind. Sameera liebt ihn von meinen Schützlingen vielleicht am meisten. Als sie zurückkam zu mir, da hat er das erste Mal mit ihr gesprochen. Und sie…« Er schwieg. Dann stieß er sich von der Wand ab und versetzte Raja einen leichten Schlag auf die Schulter. »Komm – wir gehen zu Hassan Harabi, Brettspiele kaufen.«
»Einen Moment noch«, bat Raja und hielt ihn zurück. Er suchte sichtlich nach Worten, dann ergriff er mit einem Mal Vikrams Hände und drückte sie. »Ich möchte dir danken, mein Freund – für das Vertrauen, das du mir geschenkt hast, gestern Abend schon, und jetzt… und überhaupt, für alles! Ich mache das lieber gleich, weil wir nachher vielleicht keine Zeit mehr dazu haben, und weil es mir ein Bedürfnis ist, dir das zu sagen. Es waren zwei wunderbare Tage bei euch, sie waren absolut bereichernd für mich, und ich bin unsagbar froh, dass ich wiederkommen darf. Danke, Vikram.«
Vikram musterte ihn. Er erinnerte sich daran, wie sehr die unvermutete Begegnung mit diesem Mann am Tag zuvor ihn anfangs irritiert hatte. Und mittlerweile war er regelrecht froh darüber. So froh wie lange nicht mehr.
Er räusperte sich.
»Weißt du was, Raja Sharma? Du redest zu viel. Und jetzt sollten wir uns auf den Weg machen, sonst stehst du nachher mit einem vollgestopften Rucksack voller Mitbringsel auf dem Flughafen und deine Maschine ist weg.«
»Solange ihr mir dann noch einmal Asyl gewährt…«, erwiderte Raja gelassen. »Okay, wo ist dieser Hassan?«
»Vierzig Meter nördliche Richtung«, antwortete Vikram ebenso gelassen. »Ach, und Raja?«
»Ja, Vikram?«
»Gern geschehen. Und ich danke dir auch.«
Rajas Augen leuchteten; dann grinste er plötzlich breit. »Kein Wort mehr als nötig. Ich sehe schon, ich kann von dir noch so einiges lernen, mein Freund.«
»Reichlich«, versetzte Vikram. »Zum Beispiel, wie man ein Backgammon-Brett aus abgelagertem Rosenholz von einem aus gefärbter Kiefer unterscheidet. Ich bin ein Born des Wissens.«
Er zwinkerte ihm zu und führte ihn dann zielsicher wieder in die Menge der Marktbesucher hinein.
***
Gegen drei Uhr nachmittags erreichten sie den Flughafen. Raja hatte auch an dem Stand mit den Brettspielen noch einmal ordentlich für seine Kinder und Enkel zugeschlagen und war danach beladen gewesen wie ein Maulesel, weil seine Ausbeute die Kapazitäten des Tagesrucksacks, mit dem er nach Kashmir gekommen war, bei weitem überstieg. Kurzerhand hatte Vikram ihm daraufhin an einem der Stände einen Koffer gekauft, in dem sich die ganze Ladung unterbringen ließ. Den würde Raja zwar nun als Gepäck aufgeben und vorher womöglich gründlich durchsuchen lassen müssen, aber das war, wie er gleichmütig feststellte, die Sache absolut wert.
Außerdem unternahm Vikram nun noch einmal den ebenso heldenhaften wie vergeblichen Versuch, dagegen zu protestieren, dass Raja ein Schachspiel, drei Backgammon-Bretter, ein Halma- und ein Mühlespiel zusätzlich gekauft hatte und unbeugsam darauf bestand, sie dem Dar-as-Salam zu stiften.
»Nichts da. Ich werde den Teufel tun und das ganze Zeug auch noch mitnehmen«, wehrte Raja mit einem verschmitzten Grinsen ab. »Am Ende muss ich dann noch Übergepäck zahlen, und was mich das kostet… Nein, die nimmst du jetzt schön brav mit ins Dar-as-Salam. Außerdem hast du in dieser Sache sowieso nichts zu melden; schließlich sind die Spiele für die Kinder und nicht für dich. Bas.«
Vikram öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder. Und dann trat er auf Raja zu und legte ihm die Hände auf die Schultern.
»Mir hast du schon genug geschenkt«, sagte er ruhig. »Und nichts davon kann man mit Geld bezahlen. Geh mit dem Segen aller Götter, Raja Sharma. Ich bin froh, dass sie dich hergebracht haben, und ich hoffe, du kommst bald wieder. Khuda hafiz, mera dost.«
»Khuda hafiz.« Raja erwiderte die freundschaftliche Geste. »Mögen die Götter dich und alle, die du liebst, schützen – damit das Dar-as-Salam seinen Namen auf ewig zu Recht trägt.«
Vikram ließ ihn los und trat zurück. Dann sah er zu, wie Raja mitsamt Koffer und Rucksack die Eingangshalle des Flughafens betrat. Er wartete, bis er ihn nicht mehr sehen konnte, dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging. Merkwürdig, dachte er, während er den Jeep aufschloss und sich hinter das Steuer setzte, er hinterlässt eine Leere, von der ich gestern noch nicht einmal gewusst habe, dass sie existiert. Er wird mir fehlen.
***
Als Vikram wieder zuhause ankam, ging es schon auf halb fünf zu. Er war am Stadtrand in eine besonders gründliche Militärkontrolle geraten und fragte sich nun mit mehr als nur einem Hauch Sarkasmus, ob es wohl an seinem neuen Freund und dessen ungewöhnlich positiver Ausstrahlung gelegen hatte, dass ihm die elende Filzerei mit vorgehaltener Waffe bislang an diesem Tag erspart geblieben war. Wenn ja, dann war die Schonfrist jetzt offensichtlich vorüber.
Seine Stimmung hellte sich erst wieder ein wenig auf, als er die Kinder begrüßt hatte und in sein privates Wohnzimmer im ersten Stock kam. Sameera saß an dem Laptop, den sie sich vor einem halben Jahr geleistet hatte, und betrachtete Fotos aus einem Ordner mit Aufnahmen, die Moussa gemacht hatte. Er hatte zu seinem Geburtstag im letzten Oktober eine hochwertige Digitalkamera von ihr bekommen und konnte inzwischen ausgezeichnet damit umgehen.
Vikram trat neben sie und schaute ihr über die Schulter. Das Bild, das sie gerade aufgerufen hatte, kannte er; Moussa hatte es eines Abends kurz nach ihrer Hochzeit aufgenommen. Sie saßen beide an der Feuerstelle unter dem Chenarbaum hinter dem Haus, in warme Jacken gekleidet und Becher mit dampfendem Chai in den Händen. Vor ihnen schlugen rotgoldene Flammen in die Höhe und ließen ihre Gesichter aufleuchten. In dem Moment, den Moussa spontan eingefangen hatte, sahen sie sich an… zwei Menschen, die nach einer langen, mühseligen Reise endlich zueinandergefunden hatten und ihr Glück sichtlich noch nicht ganz fassen konnten. Ein gerahmter Ausdruck dieses Fotos stand auf Sameeras Schreibtisch in der Klinik.
»Wie schön«, sagte er sanft. »Was ist denn der Anlass, meri jaan?«
»Wir haben überhaupt nicht fotografiert, während Raja hier war«, erwiderte Sameera. »Und vielleicht würde seine Familie sich über ein paar Bilder von uns und den Kindern freuen – damit sie wissen, wie es im Dar-as-Salam aussieht. Deswegen stelle ich jetzt ein paar besonders gelungene Aufnahmen zusammen und schicke sie ihm per Mail.«
»Gute Idee.« Er zögerte. »Sameera… darf ich dich etwas fragen?«
Sie drehte sich um und schaute zu ihm hoch, ein Lächeln in den Augen. »Du darfst mich alles fragen, Liebster. Wie immer.«
»Und dir überlassen, ob du antwortest.« Er seufzte.