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Jaxon Powers hat alles, was man als Sänger erreichen kann: Er bekommt einen Award nach dem anderen verliehen und ist auf der ganzen Welt bekannt. Sogar der tyrannische Diktator des weit entfernten Landes Vasnytsia ist ein großer Fan von ihm. Als Jaxon von dem amerikanischen Außenministerium dazu überredet wird, zur Verbesserung der diplomatischen Beziehungen in Vasnytsia aufzutreten, ahnt er noch nicht, dass er dadurch zu einer Spielfigur in einem viel größeren politischen Plan wird. Begleitet wird er von Reid, der ihm als Bodyguard und Übersetzer zur Seite gestellt wird. Während sich Jaxon und Reid im Laufe ihrer Reise unerwartet näherkommen, spitzt sich die Lage weiter zu und plötzlich sitzen die beiden Männer bei geschlossenen Grenzen in der Fremde fest – und können sich nur aufeinander verlassen, um es lebend wieder nach Hause zu schaffen. Band 56 der BELOVED-Romantikreihe. Buch ist in sich abgeschlossen.
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Seitenzahl: 276
Deutsche Erstausgabe (ePub) Dezember 2021
Für die Originalausgabe:
© 2018 by Kim Fielding
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»The Spy's Love Song«
Originalverlag:
Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2019 by Cursed Verlag, Inh. Julia Schwenk
beloved ist ein Imprint des Cursed Verlags
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock; AdobeStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Druckerei: CPI Deutschland
Lektorat: Katherina Ushachov
ISBN-13: 978-3-95823-923-4
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www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen von Susanne Scholze
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Klappentext:
Jaxon Powers hat alles, was man als Sänger erreichen kann: Er bekommt einen Award nach dem anderen verliehen und ist auf der ganzen Welt bekannt. Sogar der tyrannische Diktator des weit entfernten Landes Vasnytsia ist ein großer Fan von ihm. Als Jaxon von dem amerikanischen Außenministerium dazu überredet wird, zur Verbesserung der diplomatischen Beziehungen in Vasnytsia aufzutreten, ahnt er noch nicht, dass er dadurch zu einer Spielfigur in einem viel größeren politischen Plan wird. Begleitet wird er von Reid, der ihm als Bodyguard und Übersetzer zur Seite gestellt wird. Während sich Jaxon und Reid im Laufe ihrer Reise unerwartet näherkommen, spitzt sich die Lage weiter zu und plötzlich sitzen die beiden Männer bei geschlossenen Grenzen in der Fremde fest – und können sich nur aufeinander verlassen, um es lebend wieder nach Hause zu schaffen.
Ein nackter junger Mann lag mit dem Rücken auf dem Billardtisch und schnarchte leise. Sein Gesicht war mit Lippenstift verschmiert, aber Jaxon konnte nicht sagen, ob er von dem Jungen selbst stammte oder vom Mund einer anderen Person dort verteilt worden war. Der Junge schien es bequemer zu haben als der andere junge Mann – dieser trug ein Sporthemd mit Leopardenmuster –, der sich auf den harten Fliesen unter dem Billardtisch zusammengerollt hatte und im Schlaf zuckte.
Falls Jaxon ihre Namen gesagt worden waren, erinnerte er sich nicht an sie. Genauso wenig wie er sich an die Namen der Leute erinnern konnte, die im Wohnzimmer und in den Schlafzimmern herumlagen, oder an den Namen der hübschen Frau auf dem Sessel in der Bibliothek. Es war ihm egal, wie sie hießen. Im Moment wollte er nur wissen, wo er eine gottverdammte Toilette finden konnte. In dieser bombastischen Suite musste es doch mehrere geben, oder? Aber alles, was er schaffte, war eine schlaftrunkene Runde durch toilettenlose Räume.
Er hatte sich schon fast dazu entschlossen, in einen großen Blumentopf mit einem Ficus zu pinkeln, als ein adretter Herr in einem gut geschnittenen Anzug auftauchte. »Kann ich Ihnen helfen, Mr. Powers?« Sein Tonfall ließ darauf schließen, dass er es gewohnt war, mit Leuten zu tun zu haben, deren Gehirn nicht voll funktionsfähig war.
»Toilette?«
»Gleich hier entlang.«
Der Name des Mannes war Roger Diggs. Daran erinnerte Jaxon sich. Er war der zur Suite gehörende Butler. Während Diggs ihm durch die Küche voran ging – deren glänzende Ablageflächen mit leeren Flaschen und Takeout-Behältern übersät waren –, fragte sich Jaxon, wie es wohl wäre, als Hotelangestellter zu arbeiten. Vielleicht gar nicht so schlecht. Diggs sah fröhlich genug aus, er zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er die Dreiergruppe entdeckte, die auf dem Boden vor dem überdimensionierten Kühlschrank ein Nickerchen machte.
Jaxon hatte das riesige Badezimmer für sich allein. Er fühlte sich besser, nachdem er seine Blase entleert und sich kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, auch wenn er es sorgfältig vermied, in die Spiegel zu schauen. Immer, wenn er nüchtern und ausgeruht war und sich die Zeit nahm, sich zu rasieren und seine lockigen Haare zu stylen, sah er ziemlich gut aus für einen Kerl, der vor kurzem 37 geworden war. Heute Morgen allerdings – wenn es denn noch Morgen war – sah er wahrscheinlich aus wie ein Statist in einem Zombiefilm.
Diggs wartete geduldig vor dem Badezimmer. »Ihr Handy hat geklingelt, Mr. Powers. Mehrfach.«
»Geklingelt oder ein Lied gespielt?«
»Ein Lied gespielt.« Diggs' Mundwinkel zuckten. »Eins von The Notorious B.I.G., glaube ich.«
Oh Scheiße. Jaxon rieb sich über das Gesicht. »Können Sie mir sagen, wo –«
»Ich habe Ihr Handy hier. Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich mir die Freiheit genommen habe.« Diggs zog es aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es ihm.
Gerade als Jaxon das Handy entgegennahm, begann es Mo Money Mo Problems zu schmettern, eine Melodie, die ihm fast so vertraut war wie seine eigenen Songs. Anstatt den Anruf anzunehmen, starrte Jaxon finster auf das Display, bis die Musik verstummte.
»Vielleicht«, setzte Diggs ruhig an, »möchten Sie Ihr Gespräch draußen auf der Terrasse führen? Es ist ein ungewöhnlich warmer Tag. Ich kann Ihnen Kaffee und ein leichtes Frühstück bringen.«
Jaxons Magen rebellierte. »Okay. Ja zum Kaffee, aber aufs Essen verzichte ich.«
»Nicht einmal etwas Toast?«
Nachdem er sich mit seinen Innereien beraten hatte, nickte Jaxon vorsichtig. »Trocken.«
»Ausgezeichnet. Folgen Sie mir, bitte.«
Sie gingen wieder durch die Küche, in die Bibliothek und eine Treppe hinauf, die zu einem weiteren Stockwerk voller Bücher führte. Dann zog Diggs zu Jaxons Überraschung an einem der Regale. Die versteckte Tür führte auf eine große Terrasse, die aussah, als wäre sie aus einem mediterranen Palast hierher verpflanzt worden. Vor dem Panorama der Skyline von San Francisco plätscherte fröhlich ein gekachelter Springbrunnen. Jaxon blinzelte in den Himmel. »Die Sonne scheint.«
»Wenn sie zu hell ist, kann ich –«
»Schon okay.« Vielleicht würde das Licht ihm helfen, einen klaren Kopf zu bekommen. Er ließ sich auf einen der Terrassenstühle fallen. »Der Kaffee wäre jetzt toll.«
»Kommt sofort. Was ist mit Ihren Gästen?« Diggs stockte nicht einmal, bevor er Gäste sagte. Der Mann verdiente einen Orden.
»Schaffen Sie sie bitte raus. Ich bezahle für ihre Uber oder was auch immer. Nur…« Jaxon wedelte vage mit der Hand.
»Selbstverständlich.«
Jaxon blieb mit seinem Handy und dem Blick auf die Transamerica Pyramid zurück. Diggs hatte recht gehabt, was das Wetter betraf. Obwohl Jaxon nur die Jeans und das T-Shirt von letzter Nacht trug, war die Temperatur angenehm – eine Seltenheit für Anfang Juni in San Francisco, aber erfreulich. Es war Jahre her, dass er tagsüber draußen Zeit verbracht hatte, und seine Haut saugte die Wärme begierig auf. Vielleicht litt er an Vitamin-D-Mangel.
Obwohl das Telefon wieder dudelte, legte Jaxon es auf den Tisch und wartete. Der Stuhl war nicht so bequem, wie er gehofft hatte. Für 20 Riesen pro Nacht sollte man meinen, das Hotel könnte sich Outdoor-Möbel mit gepolsterten Armlehnen leisten. Jaxon überlegte, Diggs darum zu bitten, etwas Besseres aufzutreiben, verwarf den Gedanken dann aber wieder. Diggs hatte wahrscheinlich auch so schon alle Hände voll zu tun.
Wie aufs Stichwort erschien der Butler mit einem übergroßen Porzellanbecher und einem dazu passenden Teller, und stellte beides auf dem Tisch neben Jaxon ab. »Weder Sahne noch Zucker, richtig?«
»Ja. Danke.« Der Kaffee roch wunderbar, wie ein Zaubertrank, der garantiert heilen würde, was ihn plagte, und auf dem Teller lagen vier mit gelben und orangen Blütenblättern garnierte Dreiecke aus Weizentoast.
»Ihre Gäste sind gegangen. Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«
»Nein. Danke.«
»In Ordnung. Schicken Sie einfach eine Nachricht, wenn Sie etwas brauchen.« Diggs neigte den Kopf, bevor er wieder hinein ging.
Jaxon schaffte es, die Hälfte der Toasts zu essen, und auch wenn der Kaffee kein magisches Heilmittel war, half er ihm doch, sich menschlicher zu fühlen. Gerade, als er sich zu entscheiden versuchte, ob er Diggs schreiben und um Nachschub bitten sollte, ging das verdammte Telefon wieder los. Dieses Mal ging Jaxon ran.
»Hi, Buzz.«
»Einen wunderschönen guten Morgen, Dornröschen.« Wie immer klang er unangemessen fröhlich, als wäre das Leben eine einzige große Feier, komplett mit Luftballons und Konfetti. Buzz Baker war der Mann, der Jaxon Powers' Karriere managte. Und, zu einem großen Teil, auch Jaxons Leben. Deshalb war Jaxon momentan in San Francisco, während Buzz in L.A. war – Jaxon hatte es satt, gemanagt zu werden.
»Was?« Jaxon wusste, dass er launisch klang, aber er konnte nicht anders.
»Wie gefällt dir das Hotel?«
»Keine Ahnung. Es ist okay. Aber ich denke, ich will woanders hin. Irgendwo, wo es ruhig ist.« Er war sich nicht sicher, wohin. Es schien, als würde er, egal wo er hinging – in die Wüste, aufs Land, winzige tropische Inseln, Berghütten –, ein Gefolge um sich sammeln. Er wachte morgens auf und fand hübsche Unbekannte vor, die auf Billardtische sabberten oder ihn aus dem Whirlpool angrinsten. Früher fand er sie auch in seinem Bett vor, obwohl das seltener vorkam, seit er besser darin geworden war, nein danke zu sagen.
»Sicher, sicher. Gib mir ein paar Stunden, und ich lass mir was einfallen. Was denkst du über das Leben an Bord eines Schiffes?«
Jaxon seufzte. »Ich weiß es nicht.«
»Ich schau mal, was sich machen lässt. Aber das ist nicht der Grund für meinen Anruf. Heute Abend musst du bleiben, wo du bist, und dich ausschlafen. Wir haben morgen Früh um neun ein Meeting in deinem Hotel.«
»Ein Meeting? Warum?«
»Um über einen super-aufregenden Gig zu sprechen.«
Jaxon legte den Kopf in den Nacken und stöhnte. »Nein. Ich will im Moment nicht einmal über eine weitere Tournee nachdenken. Ich bin noch lange nicht so weit, das nächste Album aufzunehmen, und –«
»Keine Tournee, Babe. Nur ein Auftritt, aber es ist ein Kracher. Etwas Besonderes.«
»Verrätst du mir die Details?«
»Klar doch, Schatzi. Morgen um neun. Im Moment möchte ich, dass du dich etwas ausruhst, vielleicht ein bisschen arbeitest. Mach einen Spaziergang durch Frisco!«
»Niemand nennt es tatsächlich so, Buzz.« Niemand außer Touristen aus Indiana.
Buzz lachte nur. »Iss Muschelsuppe in einer Sauerteigschüssel. Fahr mit dem Cablecar. Kauf dir in Chinatown Rückenkratzer und Papierlaternen als Souvenirs. Tu so, als wärst du kein zynischer Scheißkerl.«
Als Buzz sich weigerte, über etwas anderes zu reden als darüber, wo man in San Francisco essen gehen konnte, beendete Jaxon das Gespräch. Er machte sich auf die Suche nach einer Dusche – und begegnete auf dem Weg dorthin niemandem außer Diggs und einigen Hausangestellten – und später nach dem Schlafzimmer, in dem seine Kleidung lag. Er musste Buzz sagen, dass er aufhören sollte, so lächerlich große Suiten zu buchen.
Angezogen, und sich mehr oder weniger menschlich fühlend, folgte Jaxon Buzz' Rat und ging spazieren. Er hatte nicht die Energie, joggen zu gehen. Es war ein herrlicher Tag in einer wunderschönen Stadt, die Bucht funkelte wie ein Juwel und eine leichte Brise trug ihm das Geräusch eines Cablecars zu. Aber trotz der Strickmütze, die Jaxons berühmte rote Locken verdeckte, erkannten die Leute ihn. Und weil man in San Francisco nicht so sehr an Berühmtheiten gewöhnt war wie in L.A. und New York, starrten die Leute ihn an und zeigten auf ihn. Sie machten Fotos mit ihren Handys. Und etliche von ihnen hielten ihn auf, um nach Autogrammen oder Selfies zu fragen.
Er versuchte, liebenswürdig mit seinen Fans umzugehen; das tat er wirklich. Zum einen konnte er sich noch an die Aufregung erinnern, die er verspürt hatte, als er als Teenager seinen Idolen persönlich begegnet war. Zum anderen wäre er ohne diese Fans nicht in der Lage, sich die obszön teuren Hotelsuiten zu leisten. Er würde immer noch in einer kleinen Stadt in den Sandhills von Nebraska festsitzen, vielleicht wie sein Vater Versicherungen an Farmer und Rancher verkaufen, oder an der Seite seiner Mutter Haare schneiden und stylen. Er war seinen Fans dankbar – aber sie machten es fast unmöglich, einen einfachen Spaziergang zu genießen.
Nach nur ein paar Blocks gab Jaxon auf und kehrte zum Hotel zurück. Er überlegte, ob er vielleicht nach Marin oder nach Big Sur fahren sollte, entschied aber, dass er nicht in einem Auto eingepfercht sein wollte, nur mit sich selbst als Gesellschaft.
Diggs traf ihn in der Suite. »Kann ich Ihnen etwas bringen, Sir?«
»Nein. Nun, ja. Kennen Sie ein Lokal, wo man gute Pizza bekommt?«
»Natürlich, mehrere.« Diggs lächelte. »Mein Lieblingsrestaurant ist in North Beach.«
»Könnten Sie mir heute Abend gegen 19 Uhr Eine bringen lassen? Nichts Ausgefallenes – nur Salami. Und ein anständiges Bier dazu?«
»Selbstverständlich.«
»Danke.«
Ein Flügel dominierte einen Teil des Wohnzimmers. Jaxon setzte sich auf die Bank und begann zu spielen. Er war kein besonders guter Pianist – seine Vorzüge lagen im Gitarrenspiel und seiner Stimme –, aber es war eine Schande, das Klavier zu ignorieren, wenn es schon bereitstand. Er spielte ein paar seiner eigenen Songs, summte mit, sang aber nicht, und experimentierte dann mit einigen neuen Liedern. Er hatte bereits etliche für das nächste Album komponiert, aber er brauchte noch ein paar mehr, und ihm fiel nicht wirklich etwas ein, mit dem er zufrieden wäre. Alles fühlte sich wie ein Aufguss dessen an, was er ein Jahrzehnt zuvor komponiert hatte. Vielleicht brauchte er eine neue Muse.
Er spielte stundenlang, ohne, dass etwas Brauchbares dabei herauskam. Dann brachte Diggs ihm zwei Sixpacks mit Bieren verschiedener Kleinbrauereien und diese Pizza – die so lecker war, wie er versprochen hatte – und Jaxon aß allein an einem Esstisch, an dem 20 Leute Platz gefunden hätten.
Obwohl er genug trank, dass er einen anständigen Schwips hatte, ging er nicht in einen Club, machte keine Anstalten, Fremde um sich zu versammeln, die scharf darauf waren, mit einem Rockstar zu feiern. Stattdessen lag er in einer riesigen Badewanne und sah sich Vertigo an, wobei er genug Bier trank, um nicht nüchtern zu werden. Es war noch früh, als er sich wahllos ein Schlafzimmer aussuchte, sich auf die Matratze fallen ließ und einschlief.
»Haferbrei.« Jaxon hob den Löffel und ließ den Klecks zurück in die Schüssel plumpsen.
»Das ist ein sehr guter Haferbrei«, sagte Diggs. »Aber ich kann Ihnen auch etwas anderes bringen, wenn Ihnen das lieber ist.«
Jaxon war um acht Uhr morgens aufgewacht, einer absolut unchristlichen Zeit, und hatte schnell geduscht, bevor er sich mit Kaffee und Frühstück auf der Terrasse niedergelassen hatte. Der für San Francisco typische Nebel hüllte die Stadt ein, daher trug er einen Hoodie und seine Wollmütze. Trotz der Kälte war die gespenstische Aussicht ansprechend. Beim Frühstück war er sich allerdings nicht so sicher.
»Wohnen Sie hier im Hotel?«, fragte er.
Diggs lachte leise. »Nein, ich habe ein Appartement in Oakland. Aber das Hotel stellt mir manchmal vorübergehend ein Quartier zur Verfügung, wenn ich mit besonderen Kunden zu tun habe.«
»Sie meinen, wenn Sie sich mit Nervensägen wie mir herumschlagen müssen.«
»Das trifft auf Sie nun wirklich nicht zu.«
»Ich habe gesehen, wie es hier gestern Morgen aussah, Mann. Es war eine einzige Sauerei.«
Diggs zuckte mit den Schultern. »Ließ sich leicht reinigen. Glauben Sie mir, ich habe schon mit vielen schwierigen Gästen gearbeitet. Sie gehören nicht dazu.«
»Ich schätze, ich muss mich etwas mehr anstrengen«, scherzte Jaxon. »Ich möchte meinen Ruf nicht ruinieren.«
»Wenn Sie möchten, erzähle ich allen, dass Sie mich mit Ihren ständigen Forderungen und Ihrer wilden Art völlig fertiggemacht haben«, erwiderte Diggs.
Früher einmal hätte Jaxon ihn auf genau diese Weise fertiggemacht. Er wäre – ebenfalls nackt – neben dem nackten Mann auf dem Billardtisch aufgewacht und, anstatt die Gäste vor die Tür setzen zu lassen, hätte er die Party mit mehr Alkohol, mehr Essen, mehr Drogen und mehr Sex fortgesetzt. Ein paar Tage später wäre er dann in das nächste Hotel in der nächsten Stadt weitergezogen und hätte Buzz für den Schaden, den er hinterlassen hatte, aufkommen lassen. Aber hier saß er jetzt, schon vor neun Uhr wach, trug saubere Kleidung und aß Haferbrei.
»Haben Sie Familie?«, fragte Jaxon. Dann zuckte er zusammen. »Tut mir leid. Das geht mich nichts an.«
»Es macht mir nichts aus. Ich habe mich vor Jahren scheiden lassen, aber ich habe einen Sohn, er besucht die Stanford University. Biomedizinische Informatik. Er macht sich sehr gut.«
»Wow, das ist großartig. Herzlichen Glückwunsch. Aber Sie haben nicht noch einmal geheiratet?« Als würde er die neugierigen Fragen wiedergutmachen wollen, schluckte Jaxon einen Löffel Haferbrei hinunter. Er schmeckte tatsächlich nicht schlecht.
Diggs war wie immer nicht aus der Ruhe zu bringen, er lächelte und schüttelte den Kopf. »Ich bin mit meinem Job verheiratet. Es ist eine glückliche Verbindung.«
»Wirklich? Der Umgang mit verwöhnten reichen Arschlöchern geht Ihnen nicht auf die Nerven?«
»Ich habe einige der faszinierendsten Menschen der Welt kennengelernt und ihr kompliziertes Leben ein bisschen leichter gemacht. Das finde ich bereichernd.«
Bevor Jaxon eine weitere Frage stellen konnte, klingelte sein Handy, und er warf einen Blick auf das Display. Es war Buzz. Sei in 15 Minuten fertig.
Jaxon begann eine klugscheißerische Antwort zu tippen, löschte sie wieder und schickte einfach einen erhobenen Daumen. Er war sauer auf Buzz, weil er wegen dieses Meetings so geheimnisvoll tat, aber er wusste, dass er es verdient hatte. Er war nicht gerade ein einfacher Klient gewesen. Und sicher, Buzz verdiente eine Menge Geld an ihm, aber Buzz arbeitete verdammt hart dafür.
15 Minuten später ließ Diggs Jaxon wissen, dass seine Gäste in der Hotellobby angekommen waren. »Kaffee für alle?«, fragte er.
»Ja, ich denke schon. Ähm, in der Bibliothek.« Wenn er sich wie ein Erwachsener verhalten sollte, schien dieser Raum der angemessenste Ort für ein Meeting zu sein.
»Sehr gern.«
Die Bibliothek war ein runder Raum, und Jaxon ging an der Wand entlang im Kreis herum, als er Buzz' vertraute Stimme hörte. Einen Moment später trat Buzz ein, begleitet von einer Frau und zwei Männern in schlichten Anzügen. Buzz trug ebenfalls einen Anzug, aber seiner war karmesinrot, dazu ein kanariengelbes Seidenhemd und passende gelbe Schuhe.
Er stellte sie einander kurz vor. Die Frau, schlank und um die 50, war Diana Chiu, und ihre Körpersprache ließ vermuten, dass sie das Sagen hatte. Clark Durant war ein unscheinbarer Mann, der aussah, als wäre er mit einem Taschenrechner in der Hand geboren worden. Und Reid Stanfill raubte Jaxon den Atem. Er war groß, muskulös, mit kantigem Kinn, kurzgeschnittenem dunklem Haar und bernsteinfarbenen Augen, die sich wie Laserstrahlen auf Jaxon fixierten.
Chiu und Durant lächelten, als sie Jaxon die Hand schüttelten, aber Stanfill nicht. Und er versuchte auch nicht, seine Männlichkeit zu beweisen, indem er Jaxons Hand zu Brei zerquetschte, vielleicht weil er wusste, dass Jaxon diese Hand zum Gitarrespielen brauchte.
Diggs rollte einen Servierwagen herein, auf dem sich eine Kaffeekanne und ein Milchkännchen aus Sterlingsilber befanden, außerdem Tassen und Untertassen aus feinstem Porzellan und eine schwindelerregende Auswahl an Süßungsmitteln. »Schicken Sie einfach eine Nachricht, wenn Sie etwas brauchen, Sir«, sagte er zu Jaxon, bevor er sich würdevoll zurückzog.
Stanfill schnaubte leise – und sah nicht im Entferntesten beschämt aus, als Jaxon ihm einen bösen Blick zuwarf.
Buzz hielt Smalltalk, während er einschenkte. Jaxon war kein bisschen überrascht, dass Stanfill seinen Kaffee schwarz und ohne Zucker trank. Als alle anderen Platz nahmen, stellte sich Stanfill wie ein Wächter in die Nähe der Bibliothekstüren. Die Porzellantasse sah in seinen großen Händen winzig aus. Jaxon setzte sich hinter den großen Schreibtisch, der ihm das Gefühl vermittelte, ein Industriekapitän zu sein und nicht ein Kerl, der sang und Gitarre spielte.
»Also«, sagte er laut und unterbrach eine Unterhaltung über das Wetter. »Was ist das für ein Gig?« Wenn es denn überhaupt einen Gig gab. Keiner dieser Leute sah wie ein Promoter aus. Zu seiner Überraschung hätte Stanfill beinahe gelächelt. Offenbar begrüßte er eine direkte Ansage. Punkt für ihn.
Chiu war diejenige, die ihm antwortete. »Mr. Powers, wir –«
»Jaxon.«
Sie nickte. »Dann also Jaxon. Ich arbeite für das State Department. Ich habe die Gelegenheit, Sie einzuladen –«
Jaxon stellte seine Tasse so vehement ab, dass Kaffee auf den Schreibtisch schwappte. »Nein. Auf keinen Fall lasse ich mich wie ein dressierter Affe vor dem Präsidenten vorführen.« Um die Aussage zu unterstreichen, verschränkte er die Arme.
»Darum wollte ich Sie nicht bitten. Das State Department ist für auswärtige Angelegenheiten zuständig.« Sie mochte vielleicht versuchen, nicht herablassend rüberzukommen, aber es gelang ihr nicht so ganz.
»Oh«, sagte Jaxon. Das hätte er wohl wissen müssen, aber während des Großteils des Politikunterrichts an der Highschool war er entweder bekifft gewesen, oder hatte in Gedanken Songs komponiert. Tatsächlich hatte er auf diese Weise so gut wie alle Unterrichtsstunden an der Highschool verbracht. »Entschuldigung. Fahren Sie fort.«
Sie beugte sich auf ihrem Stuhl vor. »Was wissen Sie über Vasnytsia?«
»Ähm, das ist ein Land, richtig? Vielleicht irgendwo zwischen all den Ländern, die auf -stan enden?«
»Etwas weiter westlich, aber die Richtung stimmt. Es liegt in Osteuropa.«
»Okay.« Jaxon hatte viele Konzerte in Europa gegeben, aber dort nicht. Zumindest glaubte er das. Auf einigen Tourneen waren die Länder quasi miteinander verschmolzen, vor allem damals, als er einen großen Teil der Zeit, die er nicht auf der Bühne stand, damit verbracht hatte, Party zu machen.
Sie wandte sich an den kleineren ihrer Begleiter. »Clark, könntest du ihm eine kurze Einführung geben?«
Clark musste eines dieser Grundschulkinder gewesen sein, die es liebten, aufgerufen zu werden. Jetzt straffte er die Schultern und richtete seine Krawatte. »Während der Zeit der Sowjetunion war Vasnytsia ein unabhängiges Land. Es gehörte nicht zur UdSSR, aber es war kommunistisch. Es hatte weniger als vier Millionen Einwohner, und da es keinen Zugang zum Meer hatte, stützte sich seine Wirtschaft hauptsächlich auf Landwirtschaft und einige Industriezweige. Es wurde von einem Diktator regiert, der es hervorragend verstand, sowohl den Westen als auch Moskau für sich einzunehmen. Er erhielt Waffen und Waren von beiden Seiten. Dann fiel der Eiserne Vorhang, und –«
»Wird das abgefragt?«, unterbrach ihn Jaxon. »Soll ich mir Notizen machen? Ooh! Kann ich mir Extrapunkte verdienen?« Dann tat ihm sein Ausbruch leid, weil Durant so enttäuscht aussah. Chius Miene blieb ausdruckslos – wahrscheinlich war sie eine gute Pokerspielerin – und Buzz verdrehte die Augen. Stanfill hingegen zog die Brauen zusammen und seine Lippen zuckten.
»Darf ich fortfahren?«, fragte Durant nach einer kurzen Pause.
»Ja. Verzeihung. Machen Sie weiter.«
Erneut wurde die Krawatte zurechtgerückt. »Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, befürchtete Vasnytsias Herrscher, dass eine ähnliche demokratische Revolution auch sein Land erreichen würde. Er verstärkte die Militärpolizei und riegelte die Grenzen ab, während er den Zugang der Bürger zu den Medien streng kontrollierte. Und er ging hart gegen Andersdenkende vor. Wir... können keine Details preisgeben« – er schaute Chiu an, als würde er um Erlaubnis bitten – »aber ich kann Ihnen sagen, dass jeder, der sich gegen das Regime aussprach, brutal behandelt wurde.«
Jaxon schob seine Tasse weg. »Das klingt ja allerliebst.«
»Der Diktator starb vor ein paar Jahren und sein Sohn, ein Mann namens Bogdan Talmirov, hat seinen Platz eingenommen. Er nennt sich selbst Premierminister und behauptet, Wahlen abzuhalten, aber beim letzten Mal hat er 98 Prozent der Stimmen erhalten.«
»Scheint ein sehr beliebter Mann zu sein.«
»Unwahrscheinlich«, sagte Durant. »Er verbietet nach wie vor den Zugang zum Internet und zu allen Medien, die nicht staatlich oder vom Staat anerkannt sind. Er lässt kaum einmal Bürger ausreisen, und nur sehr wenige Ausländer dürfen einreisen. Diejenigen, die er hineinlässt, werden ständig von durch die Regierung gestellten Reiseleitern begleitet. Er geht immer noch hart gegen jede Opposition vor. Und wahrscheinlich hortet er immer noch Waffen, nur, dass er jetzt Russland gegen den Westen ausspielt.«
Durant verstummte, als würde er auf Jaxons Fragen warten. Jaxon sah Stanfill an und stellte erfreut fest, dass der große Mann genauso ungeduldig aussah, wie Jaxon sich fühlte. Gott, der Mann war heiß. Er verbrachte wahrscheinlich viel Zeit im Fitnessstudio. Und trotz seiner breiten Schultern und der schmalen Taille saß sein Anzug perfekt. Maßgeschneidert. Keine Designerklamotten, wie Jaxon sie trug, und ganz sicher nicht so auffällig wie Buzz' Outfits, aber von guter Qualität. Schade, dass er eine Anzugsjacke trug, denn diese Hose umschmeichelte wahrscheinlich einen festen Hintern wie –
»Jaxon?« Das war Chiu, ihr Tonfall war scharf.
»Hören Sie, ich weiß die Lektion in Geschichte oder Geografie oder was auch immer zu schätzen, aber was hat das alles mit mir zu tun?«
Sie lächelte. »Es hat sich herausgestellt, dass Premierminister Talmirov ein Fan von Ihnen ist.«
»Ich dachte, in seinem Land sind äußere Einflüsse nicht erlaubt.«
»Nicht für normale Menschen. Talmirov kann auf alles zugreifen, wonach auch immer ihm ist.«
»Ja, logisch. Na gut. Ich werde ihm ein Autogramm schicken.« Obwohl Jaxon schnippisch reagierte, war er ein wenig beunruhigt, zu erfahren, dass ein Despot seine Musik liebte. Nicht, dass Jaxon irgendeine Kontrolle darüber gehabt hätte. Verdammt, er hatte Millionen von Fans; einige von ihnen waren zweifellos Drecksäcke. Jaxons Lieder ermutigten allerdings nicht dazu, sich wie Abschaum zu verhalten. Sie handelten fast alle von den üblichen Dingen – Liebe und Sex. Hauptsächlich Sex.
Chiu stellte ihre leere Tasse samt Untertasse auf dem kleinen Tisch neben ihr ab. »Talmirov hat darum gebeten, dass Sie zwei besondere Konzerte in der Hauptstadt Starograd geben. Es ist eine einzigartige Gelegenheit – das erste Mal, dass er jemanden aus dem Ausland einlädt.«
»Mhm.« Jaxon legte den Kopf in den Nacken und starrte die gewölbte Decke der Bibliothek an, die ein Gemälde mit Sternbildern zierte. Das war eine ziemlich coole Idee. Wenn er das nächste Mal eine Wohnung kaufte, würde er die Decke im Schlafzimmer bemalen lassen. Vielleicht mit kleinen glitzernden Lichtern als Sternen. Nach einem Moment wandte er sich wieder an Chiu. »Sie werden mein Bedauern übermitteln müssen. Ich bin im Moment nicht auf Tournee.«
»Die Entschädigung wird beträchtlich sein.«
»Mache ich den Eindruck, als bräuchte ich mehr Geld? Sprechen Sie mit Ihren Kumpels bei der Steuerbehörde. Die werden Ihnen sagen, dass mein Einkommen so, wie es ist, ganz zufriedenstellend ist.«
Zum ersten Mal geriet ihre Fassung ins Wanken. Allerdings nur für einen Moment. »Dann tun Sie es für Ihr Land. Sie haben die Möglichkeit, einen echten Beitrag zu leisten.«
»Indem ich ein paar Lieder singe?«
Offenbar war es für Durant – Mr. Erläuterung in Person – an der Zeit, sich einzumischen. »Unsere Beziehung zu Vasnytsia ist bestenfalls angespannt. Und das ist problematisch, denn das Land ist zwar klein, liegt aber strategisch günstig. Wenn sie sich völlig von uns abwenden, geben sie Russland eine bessere Chance, nun ja, Unruhe zu stiften. Wie auf der Krim. Aber wenn wir unsere Beziehungen zu Vasnytsia stärken können, wird sich unsere Position vis-à-vis Russland verbessern.«
Der Typ hatte vis-à-vis in einem Satz verwendet. Wow.
Jaxon versuchte einen Weg zu finden, abzulehnen, ohne wie ein Arschloch zu klingen. Aber dann trat Stanfill einen Schritt näher und sprach zum ersten Mal, seit sie einander vorgestellt worden waren. »In Vasnytsia leben vier Millionen Menschen. Wenn das hier gut läuft, tragen Sie dazu bei, ihr Leben zu verbessern.«
»Und mache die Welt sicherer durch Wahrheit, Gerechtigkeit und den American Way?«
Stanfill verzog keine Miene. »So in etwa.«
»Nur indem ich ein paar Lieder singe? Ach, kommen Sie. Selbst ich bin nicht eingebildet genug, zu glauben, dass meine Musik so besonders ist.«
»Es dreht sich nicht um die Musik an sich. Es geht darum, dass Sie unser Land repräsentieren. Wenn wir Talmirov damit entgegenkommen – wenn Sie ihm entgegenkommen – sieht er uns vielleicht alle in einem besseren Licht. Er könnte sich mehr uns zuwenden als Moskau.«
»Das klingt wenig überzeugend.«
Stanfill zuckte mit den breiten Schultern. »Es ist ein kleiner Schritt. Manchmal müssen große Veränderungen klein anfangen.«
Jaxons Stuhl schrammte über die Fliesen, als er ihn nach hinten schob. Er wandte sich von seinen Besuchern ab und einem Bücherregal zu, strich über die Buchrücken. Die Bände umfassten unterschiedliche Themen und sahen aus, als wären sie oft gelesen worden. Er fragte sich, wer sie ausgesucht hatte. Diggs vielleicht? Oder hatte ein Hotelangestellter sie einfach wahllos in Antiquariaten und bei Bibliotheksverkäufen zusammengesammelt?
Niemand unterbrach seine Gedanken. Vielleicht hätte er sich mächtig fühlen sollen, dass er all diese Leute warten ließ. Aber alles, was er fühlte, war Erschöpfung. Er sehnte sich plötzlich nach einer winzigen Hütte mit einem großen Bett und ohne Handyempfang. Er würde auf dem Balkon sitzen und auf einer Gitarre für Vögel und Rehe spielen.
»Ich mach's«, sagte er leise.
Als er sich umdrehte und die Erleichterung auf Stanfills Gesicht sah, war er immerhin ein bisschen froh über seine Entscheidung.
Es folgte ein lebhaftes Gespräch zwischen Buzz, Chiu und Durant. Stanfill blieb stumm und starrte Jaxon an, und Jaxon starrte zurück. Er achtete nicht darauf, was die anderen sagten; Buzz konnte ihn später über die wichtigen Details aufklären. Stattdessen dachte er darüber nach, wie es wohl wäre, Stanfill auszuziehen, diese großen Hände auf seiner Haut zu spüren. Würden sich die kurzgeschnittenen Haare weich oder stachelig anfühlen? Würde Stanfill nach Eau de Cologne riechen?
Jaxon hatte den Eindruck, dass Stanfill genau wusste, was ihm durch den Kopf ging. Aber das gut aussehende Gesicht blieb ausdruckslos, und die Hitze in den Augen hätte von Ärger oder Entrüstung herrühren können.
Schließlich hatte Jaxon genug. »Hör mal«, sagte er und unterbrach Buzz mitten im Satz, »du kannst das auch ohne mich regeln. Du weißt, was ich mag. Cabrera und seine Band haben mich bei meiner letzten Tournee gut unterstützt, also frag nach, ob sie verfügbar sind. Und ich brauche kein ganzes Gefolge, wenn es nur zwei Shows sind, also –«
»Sie verstehen nicht«, unterbrach ihn Chiu.
»Was verstehe ich nicht?«
Buzz klopfte Jaxon auf die Schulter. »Dieser Premierminister lässt niemanden in sein Land, nur dich und einen Assistenten. Seine Leute werden dich dort unterstützen. Aber mach dir keine Sorgen, Kleiner. Es ist nur für ein paar Tage. Rein und wieder raus, es wird laufen wie geschmiert, flutschen wie Butter.«
»Oder Gleitmittel«, murmelte Jaxon. »Na schön. Solange ich nicht mit dir ein Schlafzimmer teilen muss. Du schnarchst.«
»Ich komme nicht mit, Jax. Du brauchst jemanden, der die dortige Sprache spricht, und das bin nicht ich.«
»Aber wer...?«
Wie aufs Stichwort trat Stanfill vor. »Ich.«
Scheiße.
Buzz schickte ihm per Kurier Bücher über Vasnytsia, aber Jaxon ließ sie in der Bibliothek der Suite zurück, zusammen mit einem Umschlag, auf dem Diggs' Name stand. Der darin enthaltene Scheck würde einen großen Teil der College-Kosten für Diggs Junior decken. Jaxon packte seine Gitarre und ein paar Klamotten ein und flog zum Privatanwesen eines Tech-Milliardärs auf Hawaii, wo er eine Woche damit verbrachte, im Sand zu sitzen und sich mit einem der Top-Schauspieler im Bett zu wälzen.
Jaxon und Chris hatten schon seit Jahren immer wieder kurze Affären, aber sie waren sich einig, dass sie nie etwas anderes als Fickfreunde sein würden. Chris war nicht geoutet und hatte vor, es auch zu bleiben, solange er weiterhin Rollen als Action-Held bekam. Früher war es Jaxon egal gewesen. Er hatte Spaß mit Chris, mehr nicht. Diesmal jedoch verließ Jaxon Hawaii unzufrieden, als hätten die Tage dort ein wenig an ihm genagt.
Die folgenden Wochen verbrachte er in einer recht bescheidenen Wohnung an der Upper East Side in New York City. Er ließ nicht zu, dass Buzz Personal einstellte, das sich um ihn kümmerte, vor allem, weil er die Einsamkeit inmitten der Menschenmassen suchte. Er ließ sich den Großteil seiner Mahlzeiten liefern und sah sich viele alte Filme an, und aus irgendeinem Grund ertappte er sich dabei, dass er viele alte Johnny Cash-Melodien spielte. Er ging auf ein paar Partys, aber ansonsten blieb er nüchtern. Es war schön zu wissen, dass er es konnte.
Er flog nach Washington, D.C., und bestieg einen großen Privatjet. Stanfill war bereits an Bord und wartete auf ihn. Offenbar waren sie die einzigen Passagiere.
»Ich hoffe, meine Steuergelder werden nicht hierfür verwendet«, sagte Jaxon, während er sich auf einem der dick gepolsterten Sitze anschnallte.
Stanfill blickte nicht von seinem Telefon auf. »Vasnytsianische Steuergelder.«
Eine lächelnde junge Frau brachte Getränke – Scotch für Jaxon und Eiswasser für Stanfill – und erklärte ihnen einiges zur Ausstattung des Flugzeugs. Dann gab sie ihnen die obligatorischen Sicherheitshinweise, bevor sie anmutig im Cockpit verschwand.
Stanfill schwieg und konzentrierte sich auf sein Handy, während das Flugzeug zur Startbahn rollte und abhob. Jaxon hätte sich mit seinem eigenen Telefon oder mit den Filmen und dem Wi-Fi auf dem Großbildschirm in der Kabine unterhalten können. Aber er fand es interessanter, Stanfill zu mustern, der erneut einen gut geschnittenen Anzug trug. Sein Haar sah frisch gestutzt aus, seine Wangen waren glattrasiert, und obwohl seine Anzugjacke wahrscheinlich im geschickt getarnten Kleiderschrank des Flugzeugs hing, hatte er seine Krawatte nicht abgenommen.
»Für wen arbeiten Sie?«, fragte Jaxon laut.
»Für die Regierung.«
»Ja, aber für welchen Teil der Regierung? Was ist Ihr eigentlicher Job?«
Stanfill runzelte die Stirn. »Ich bin Ihr Assistent.« Okay, das bedeutete, dass Jaxon anfangen konnte, als Reid von ihm zu denken.
»Da du mein Assistent bist, kannst du mir Nachschub besorgen.« Jaxon wackelte mit seinem leeren Glas. »Und ein paar Erdnüsse.«
»Du kannst dich selbst bedienen. Oder die Flugbegleiterin rufen.«
»Aber du bist mein Assistent. Das heißt, es ist dein Job, mir zu helfen.«