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Ein paar Wochen sind vergangen, seitdem Dylan seine große Liebe Chris gerettet hat, doch ihre Beziehung zueinander bleibt für beide weiterhin eine Herausforderung. Dazu kommt, dass Dylans Haus von einem Geist heimgesucht wird und das Auftauchen von Chris' Vater alte Erinnerungen aufwühlt. Bei dem Versuch, den Geist wieder loszuwerden, bringen sich Dylan und Chris jedoch in höchste Lebensgefahr, der nicht einmal Dylans Wolf gewachsen ist… Buch 2 der »Good Bones«-Reihe.
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Seitenzahl: 381
Deutsche Erstausgabe (ePub) Juni 2016
Für die Originalausgabe:
© 2013 by Kim Fielding
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Buried Bones«
Originalverlag:
Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2016 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
ISBN ePub: 978-3-95823-583-0
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Klappentext:
Ein paar Wochen sind vergangen, seitdem Dylan seine große Liebe Chris gerettet hat, doch ihre Beziehung zueinander bleibt für beide weiterhin eine Herausforderung. Dazu kommt, dass Dylans Haus von einem Geist heimgesucht wird und das Auftauchen von Chris‘ Vater alte Erinnerungen aufwühlt. Bei dem Versuch, den Geist wieder loszuwerden, bringen sich Dylan und Chris jedoch in höchste Lebensgefahr, der nicht einmal Dylans Wolf gewachsen ist…
Aus dem Englischen
von Uta Stanek
Für Dennis.
Cheerleader, Buchhalter und Fan: Was könnte ich mir mehr als Ehemann wünschen?
Wütend schrubbte Dylan über die Wand im Gästezimmer, als hätte die schmutzige gelbe Farbe ihn persönlich beleidigt. Sein Blick war finster, seine Haare hingen ihm in Strähnen ins Gesicht. Er machte den Eindruck, als würde er liebend gerne etwas töten wollen.
Chris legte den Spachtel beiseite, mit dem er den Rand der Blumentapete abgelöst hatte, und trat näher an Dylan heran. »Kumpel. Du musst nicht jedes Molekül dieser Fingerabdrücke beseitigen. Du wirst ja sowieso drüber streichen.«
»Die Farbe wird nicht richtig decken, wenn die Wand nicht sauber ist.«
»Klar doch. Falls nötig, können wir ein paar Extraschichten auftragen.«
Dylan machte sich nicht mal die Mühe ihn anzusehen. »Ich will es ordentlich machen.«
»Wie du meinst.« Chris ging noch ein paar Schritte weiter, sodass er nah genug war, um Dylan zu berühren. Er tat es jedoch nicht. Stattdessen stand er am vorhanglosen Fenster und sah auf die Reihe Silberpappeln hinunter, die Dylans Grundstück von seinem eigenen trennte. Es war der 1. Juli, also versperrten Blätter seine Sicht größtenteils. Aber zwischen den Bäumen war eine kleine Lücke – eine oder zwei Pappeln waren umgestürzt oder vielleicht irgendwann mal abgeholzt worden – und dadurch erhaschte er einen Blick auf seine hässliche hintere Veranda. Wie üblich war sie mit leeren Flaschen und Dosen zugemüllt. Vielleicht würde er sich demnächst mal Dylans Pick-up ausleihen und eine Ladung davon zum Recyclinghof bringen. Wahrscheinlich war genug Leergut vorhanden, um die gesamte Ladefläche zu füllen.
Es war kein überwältigender Ausblick, auch nicht mit den Vögeln, die weit über ihnen kreisten, oder den Blättern, die leicht im Wind raschelten.
Dylans Schlafzimmer, das Masterschlafzimmer, besaß eine bessere Aussicht. Es befand sich im vorderen Teil des Hauses über dem Wohnzimmer und zeigte auf ein weites Weizenfeld mit grünen Hügeln im Hintergrund hinaus.
»Du hättest wirklich zuerst dein Zimmer renovieren sollen«, sagte Chris, den Blick weiterhin nach draußen gerichtet.
»Das wird ein größeres Unterfangen. Wir müssen eine Wand komplett rausreißen, abgesehen davon ist der Fußboden dort unter dem Teppich das reinste Desaster. In der Zwischenzeit müssen wir irgendwo anders schlafen und hier drin kann ich das nicht guten Gewissens tun, solange das Zimmer nicht halbwegs bewohnbar aussieht.«
Dylans Tonfall war barsch, dennoch konnte sich Chris ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Wir hatte Dylan gesagt. Wir müssen irgendwo anders schlafen. Die Grundlage ihrer Beziehung schien gefestigt zu sein – Gott, mittlerweile konnte sich Chris ein Leben ohne Dylan kaum noch vorstellen –, aber das Gerüst war noch etwas wackelig. Tja, das passierte nun mal, wenn ein hinterwäldlerischer Bauerntölpel wie Chris versuchte, was mit einem Stadtkind wie Dylan mit seinem tollen Uniabschluss und extravaganten Job anzufangen. Und wenn ein Kerl dann noch herausfand, dass der Mann, mit dem er monatelang Seite an Seite gearbeitet und gefickt hatte – der Mann, der mehr oder weniger sein Herz gestohlen hatte –, ein gottverdammter Werwolf war. Neulich hatte Dylans Schwägerin angedeutet, dass Chris und Dylan eine Paartherapie ausprobieren sollten, aber Chris war ziemlich sicher, dass kein Seelenklempner der Welt darauf vorbereitet war, einem Paar Ratschläge zu erteilen, was sie tun sollten, wenn einem von ihnen einmal im Monat ein Pelz wuchs.
Dylan fluchte leise, bückte sich und nahm das Reinigungsmittel zur Hand. Er sprühte eine großzügige Menge auf die Wand. Inzwischen musste er die halbe Flasche aufgebraucht haben. Dann fing er wieder mit vollem Körpereinsatz zu schrubben an.
Möglicherweise hätte Chris ihm helfen können, aber er kam zu dem Schluss, dass die Fingerabdrücke Dylans eigene verdammte Angelegenheit waren. Chris hätte sie einfach überstrichen. Allerdings musste er zugeben, dass sie ein wenig unheimlich waren. Sie gehörten zu seinem Urgroßonkel Frank, der sein ganzes Leben in diesem Haus verbracht hatte. Und der hier sogar vor sieben oder acht Jahren an einem Aneurysma gestorben war. Na ja, eigentlich war er nicht direkt im Haus gestorben, sondern draußen mitten auf der Kiesstraße. Auf seinem Weg nach Gott weiß wohin war der Alte einfach umgekippt.
Eigentlich hätte Chris derjenige sein müssen, der ihn gefunden hätte, wenn er das nächste Mal seine eigene kleine Bruchbude nebenan verlassen hätte, nur hatte Chris die ganze Nacht lang getrunken und war auf seiner schäbigen, alten Couch ohnmächtig geworden. So war es der Mann gewesen, der Chris' Felder pachtete, der über den Körper gestolpert war. Der arme, alte Bill Gorman hatte nur ein paar Samen einsäen wollen und wäre stattdessen beinahe über eine Leiche gefallen.
Doch bevor Onkel Frank gestorben war, hatte er viel Zeit damit verbracht, durch dasselbe Schlafzimmerfenster im ersten Stock zu spähen, durch das Chris nun schaute. Durch die Bäume hatte er immer Chris' Haus angestarrt. Hin und wieder hatte Chris einen Blick auf das blasse, verschwommene Gesicht des Alten am Fenster erhascht. Hatte ihm immer eine Scheißangst eingejagt.
Aber jetzt lächelte Chris bei der Erinnerung daran, wie er Dylan das erste Mal gesehen hatte – nämlich an genau diesem Fenster und in Gedanken darüber versunken, ob er das Grundstück kaufen sollte oder nicht. Und bei dieser Gelegenheit hatte er Chris zugesehen, wie er gerade von seiner Veranda gepinkelt hatte.
»Ich mach Abendessen«, verkündete Chris.
Seufzend versuchte Dylan, sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen. Sie fielen augenblicklich zurück. »Ja, okay. Ich bin hier sowieso fast fertig. Heute kommen wir eh nicht mehr zum Streichen.«
»Die Wand ist morgen auch noch da.«
»Ich weiß.« Dylan richtete sich auf und rollte die Schultern ein wenig, als würden sie jucken. Chris griff danach und kratzte Dylans oberen Rücken. Würde besser ohne das verschwitzte T-Shirt im Weg funktionieren, aber Dylan schien es trotzdem zu genießen. »Danke, Chris. Vielleicht gehe ich duschen, während du kochst.«
Chris wackelte mit den Augenbrauen, was vergeudete Liebesmüh war, da Dylan nicht in seine Richtung sah. »Könnt dir Gesellschaft leisten.«
»Nee. Wird schon spät.«
Chris sah aus dem Fenster zur Sonne, die immer noch hoch am Himmel stand, und zuckte die Schultern. »Was auch immer. Schätze, dann werd ich wohl einfach an den Herd gehen.«
Dylan wirbelte herum, ließ den Lappen in seiner Hand fallen, packte Chris um die Taille und zog ihn dicht an sich. »Ich mag's ohnehin lieber, wenn du so riechst«, sagte er und schnüffelte an Chris' Ohr und seinem Hals.
Chris' Herz schlug ein wenig schneller. »Stinkend?«
»Mhmm. Männlich.« Jetzt leckte Dylan tatsächlich über Chris' Haut, was Chris erschauern ließ. »Salzig und etwas herb. Und du schmeckst wie das Bier, das du zum Mittag hattest, und nach Zigarettenrauch und… und Putz und Ahornsirup und Schmierfett von dem Motor, über dem du heute Morgen geflucht hast.«
»Hmm«, sagte Chris, wobei er zu verbergen versuchte, wie zufrieden ihn Dylans Worte machten. Denn vor Dylan hatte sich niemand je die Mühe gemacht, an ihm zu schnuppern – na ja, okay, vielleicht war der Teil ein wenig seltsam –, und niemand hatte ihm besondere Beachtung geschenkt. Aber Dylan nahm ihn wirklich wahr und er konnte Chris' kompletten Tag mit einem einzigen Atemzug von ihm ablesen.
Chris versetzte Dylans Hintern einen so kräftigen Klaps, dass Dylan ein kleines Jaulen ausstieß. »Abendessen«, sagte Chris. »Es sei denn, du willst lieber hier und jetzt rummachen.« Was keine schlechte Idee war, wenn er so darüber nachdachte. Er griff nach Dylans knackigem Hintern und kniff hinein.
Aber Dylan schob ihn sanft von sich. »Es wird spät«, wiederholte er.
»Wusste nicht, dass wir 'nen verdammten Terminplan haben«, murmelte Chris, aber er hatte sich bereits in Richtung Tür aufgemacht. Er war tatsächlich ein wenig hungrig.
Dylans Küche war ein Prachtstück, als wäre sie einem Hochglanzmagazin entsprungen. Noch immer war Chris milde überrascht, dass er überhaupt an so einem protzigen Ort geduldet wurde, geschweige denn, dass man ihm die Herrschaft darüber überließ. Nicht, dass Dylan besonders viel Verwendung für seinen eigenen, kostspieligen Herd und das teure Kochgeschirr hatte. Soweit Chris es beurteilen konnte, war Dylan dazu imstande, Sandwiches, Suppen und alles Mögliche für die Mikrowelle zuzubereiten, aber das war's dann auch. Es war ein Wunder, dass er damit bisher überlebt hatte.
Gestern waren sie nach Scappoose gefahren, um Farbe und Zubehör zu kaufen, und wo sie schon mal dabei gewesen waren, hatten sie auch gleich ihre Vorräte aufgefüllt. Deshalb verfügte Chris nun über einige saftige T-Bone-Steaks, mehrere Maiskolben und die Zutaten für einen anständigen Salat. Wenn das Wetter so warm blieb, würden sie schon bald Tomaten aus ihrem eigenen Garten haben. Chris würde sie mit frischem Basilikum und Dylans lächerlich überteuertem, aber köstlichem Olivenöl besprenkeln. Aber heute Abend gab es Salat und zum Nachtisch Pfirsiche und Himbeeren. Etwas Eiscreme würde super dazu passen.
Chris pfiff leise vor sich hin, als er einen großen Topf mit Wasser füllte und auf den Herd stellte, das Gemüse wusch und den Kopfsalat zerpflückte, bevor er ihn in eine blaue Keramikschüssel gab. Er kochte gerne. Das meiste hatte er aus reiner Notwendigkeit gelernt, weil seine Mutter für gewöhnlich zu besoffen gewesen war, um daran zu denken, ihn überhaupt zu versorgen. Bestenfalls hatte sie ein paar Ritz-Cracker und Scheiblettenkäse in seine Richtung geworfen oder ein Glas Erdnussbutter in seinen Schoß plumpsen lassen.
Manchmal hatte sich Chris bei seinen Großeltern aufgehalten, aber nachdem seine Oma gestorben war, brachte sein Opa nicht viel mehr als verkohlte Burger, verbrannten Grillkäse, halbrohe Grillhähnchen oder leicht erhitzte Dosenbohnen auf Toast zustande. Selbst als Kind hatte Chris Kochsendungen verfolgt und eifrig versucht alles nachzukochen. Er war nicht gerade Julia Child, aber er verhungerte auch nicht.
Er schälte den Mais und stellte die Butter auf den Küchentisch, damit sie weich wurde. Das Wasser begann, leicht zu brodeln, kochte jedoch noch nicht. Schnell zerkleinerte er ein paar Champignons, eine rote Paprika sowie ein Ei, das er heute Morgen hart gekocht hatte, ehe er alles zum Kopfsalat gab und die große Schüssel neben die Butter stellte.
Die Bratpfanne war eine ziemlich gute aus Gusseisen. Sie war praktisch unberührt gewesen, als Chris Dylans Küche übernommen hatte, aber inzwischen war sie ordentlich eingebrannt. Übertrumpfte auf alle Fälle die billige Teflonpfanne, die in einem von Chris' Spanplattenschränken lauerte.
Während ein kleiner Schuss Öl in der Pfanne erhitzte, würzte Chris die Steaks mit frisch gemahlenem Pfeffer und Meersalz. Er war nicht überzeugt, dass Meersalz anders schmeckte als das herkömmliche Zeug aus der Dose, aber natürlich besaß Dylan keine gewöhnlichen Gewürze. Scheiße, der Pfeffer war wahrscheinlich vom Freiland, Fairtrade, Bio und nicht genetisch verändert.
Schnaubend warf Chris das Fleisch in die Pfanne. Es brutzelte köstlich.
»Meins bitte rare.«
Chris zuckte ein wenig zusammen; er hatte nicht gehört, wie Dylan die Küche betreten hatte. »Kann dir das Ding auch gleich roh servieren«, sagte Chris und sah über die Schulter.
»Das würde ich auch essen.« Dylans Haare waren feucht und leicht nach hinten gestrichen. Die Locken hatten noch keine Gelegenheit gehabt wieder durchzukommen. Er trug ein orangefarbenes T-Shirt, auf dem der Blechmann abgedruckt war. Das T-Shirt saß straff genug, um seine kräftigen, aber keinesfalls übertriebenen Muskeln und seinen flachen Bauch zu präsentieren. Auch seine Jeans waren eng anliegend. Chris leckte sich über die Lippen.
»Schmeckt angebraten besser«, sagte Chris und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu.
»Vermutlich.«
Chris hörte, wie der Kühlschrank geöffnet und wieder geschlossen wurde, gefolgt von einem leisen Ploppen, als Dylan eine Bierflasche öffnete. Dann seufzte Dylan schwer und sank auf einen der Küchenstühle. Chris wusste nicht, was seinem Partner zu schaffen machte, hatte jedoch noch nicht genug Mut angesammelt, um ihn zu fragen.
Sobald die Steaks scharf angebraten waren, stellte Chris die Pfanne in den vorgeheizten Ofen. Anschließend ließ er den Mais in das kochende Wasser fallen: plop plop. Ein oder zwei Tropfen erwischten ihn an der Hand, aber er ignorierte das winzige Brennen. Er holte zwei Teller aus dem Schrank. »Wir brauchen Messer und Gabeln«, knurrte er.
»Ja, okay.« Dylan kämpfte sich mit einem weiteren Seufzen in die Höhe und trottete herüber. Als er an Chris vorbeikam, hielt er inne und für eine Sekunde war Chris sicher, dass Dylan ihn berühren würde, aber dann ging er weiter zur Besteckschublade.
Keiner von ihnen sagte ein Wort, als Chris das Essen servierte und sich Dylan gegenüber niederließ. Das Steak war dennoch wirklich verdammt gut. Dylan schlang seins beinahe schneller runter, als Chris gucken konnte, schmierte ungefähr die Hälfte der Butter auf seinen Mais und nagte eifrig den Kolben ab. Erst als der Mais vertilgt war, schenkte er Chris ein kleines Lächeln. Dylans Lippen glänzten von der Butter und an seinem Kinn prangte ein Fettfleck, wo mal sein Soul Patch gewesen war. Chris wollte ihn weglecken.
»Das war fantastisch, Chris. Danke.«
Chris sehnte sich nach einer Zigarette – er war ein wenig verunsichert –, aber Dylan erlaubte keine im Haus. Stattdessen stocherte er mit der Gabel in seinem Salat herum. »War nur Fleisch.«
»Es war gutes Fleisch. Alles, was du kochst, schmeckt hervorragend.« Dylan wischte sich den Mund mit einer Papierserviette ab – eine Schande, wie Chris fand – und sprang auf die Füße. Er trug sein Geschirr zur Spüle und stellte es hinein, was Chris annehmen ließ, dass er gleich mit dem Abwasch beginnen würde. So war der Deal: Chris kochte, Dylan machte sauber.
Aber Dylan drehte das Wasser nicht auf. Stattdessen verharrte er einen Moment lang dort, während sein Oberkörper zuckte und er mit den Fingern auf die Granitfläche trommelte. Nun war er es, der aus dem Fenster starrte. Dieses zeigte auf den Rasen samt Unkraut übersätem Beet hinaus, woraus ihr Garten bestand, vorbei an ein paar kleinen Außengebäuden zu dem Hügel voller Brombeersträucher, der zu seinem Teich führte. Die Beeren würden bald reif sein.
»Ich muss am Freitag ins Büro«, sagte Dylan zum Fenster. »Stender hat ein neues Projekt für mich.«
»Deshalb bist du so gereizt? Du hast Schiss, dass du nicht hinkriegst, was er dir diesmal vor die Nase setzt?«
»Nein. Ich meine, ja, wahrscheinlich stresst mich das ein wenig.«
»Komm schon, Dyl. Er hat sich vor Freude über das Haus, das du für die Futon-Königinnen entworfen hast, praktisch in die Hose gemacht, und du hast selbst gesagt, dass die Leute bei dir Schlange stehen. Da wird er dich wohl nicht in die Wüste schicken.« Chris schob die leere Salatschüssel weg und starrte Dylans breiten Rücken an.
»Ich weiß. Es ist nur… keine Ahnung. Jetzt hat jeder so hohe Erwartungen an mich und ich muss ihnen gerecht werden.«
»Und das wirst du.«
Dylan zuckte die Schultern. »Hoffentlich.« Er fuhr herum, um Chris anzusehen. »Willst du Freitag mit in die Stadt kommen? Ich könnte dich für ein paar Stunden bei einer Buchhandlung oder so absetzen. Und wir könnten zusammen mittagessen. Matty wird mich umbringen, wenn sie dich nicht bald kennenlernt.«
Also war Dylan endlich gewillt, ihn jemandem außerhalb seiner direkten Familie vorzustellen.
Chris grinste. Er hatte schon einige Geschichten über Dylans Kollegin gehört und sich gefragt, ob sein Partner ihm jemals mehr Öffentlichkeit zugestehen würde. »Mir war nicht klar, dass Matty so angsteinflößend ist.«
»Sie misst keine 1,60 Meter und schafft keine Treppe ohne großes Ächzen und Keuchen. Aber wenn ich sie richtig sauer mache, vergiftet sie vielleicht meinen Kaffee.«
»Klingt nach jemandem, den ich kennenlernen muss.«
»Dann begleite mich am Freitag.«
»Okay«, sagte Chris, auch wenn ihn die Vorstellung ein wenig nervös machte. Wie Dylan war Matty Architektin. Wahrscheinlich war sie ziemlich klug und cool. Außerdem war sie eine von Dylans wenigen Freunden. Was, wenn sie Chris hasste?
Dylan nickte und sah dann aus dem Fenster. »Gut. Aber, ähm, jetzt musst du nach Hause gehen.«
Chris fühlte sich, als hätte er einen Schlag in den Bauch bekommen. So schnell ging es, erneut zurückgewiesen zu werden. Weggeworfen. Er öffnete den Mund, um etwas Bissiges zu erwidern, aber dann bemerkte er Dylans Gesichtsausdruck. Dylan sah nicht wie ein Kerl aus, der sich seines nervtötenden Fickkumpels entledigen wollte – er wirkte ängstlich und besorgt. Zappelig.
»Vollmond heut' Nacht, stimmt's?«, fragte Chris leise.
»Ja.«
»'tschuldige. War mir nicht klar.«
»Warum sollte es auch? Außer für Astrologen und mich spielt es keine große Rolle.«
Chris stand auf und durchquerte die Küche. Erst unmittelbar vor Dylan blieb er stehen, so dicht, dass er Dylans Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. »Aber jetzt spielt es auch für mich eine Rolle.«
Dylan wirkte eher gequält als erleichtert. Er fuhr sich mit den Fingern durch seine Haare, die sich im trockenen Zustand wieder in ungezähmte Locken verwandelt hatten. Seine Finger geboten dem Chaos nicht im Geringsten Einhalt.
»Du musst nach Hause gehen, Chris. Und deine Tür abschließen. Ich weiß, dass das… Andy nicht abgehalten hat… Verdammt. Vielleicht hätten wir dir eine Waffe kaufen sollen.«
»Mit Silberkugeln?«
»Ich habe… Ich bin nicht sicher, ob dieser Mythos wahr ist.«
Chris schüttelte den Kopf. »Und selbst wenn, denkst du ernsthaft, ich würd dich abknallen?«
»Wenn ich Jagd auf dich mache.«
»Wirst du nicht.«
»Das kannst du nicht wissen…« Dylan biss sich auf die Unterlippe. »Wenn ich mich verwandle, bin ich ein Wolf, Chris. Ein echter Wolf. Ich denke nicht wie ein Mensch. Ich bin ein Jäger. Ich will Dinge jagen und schon ein leichter Hunger genügt, um sie töten zu wollen. Ich brenne darauf zu spüren, wie mein Kiefer sich tief in ihr Fleisch gräbt, und ich will ihr Blut von meiner Schnauze lecken.«
»Ja, hab's kapiert, Kumpel.« Ein Hauch von Verärgerung hatte sich in Chris' Stimme geschlichen. »Du bist nicht Fifi, der Pudel – du bist der große, böse Wolf. Ich hab gesehen, zu was du fähig bist, erinnerst du dich? Ich war dabei, als du den anderen Wolf getötet hast. Du hast ihn in Stücke gerissen, verdammt noch mal.«
»Dann verstehst du ja, warum du dich in Sicherheit bringen musst.«
»Ich bin in Sicherheit!«, rief Chris, woraufhin Dylan leicht zusammenzuckte. »Du warst mitten in meinem Wohnzimmer und hättest mich noch leichter als Andy zerfetzen können. Aber das hast du nicht. Stattdessen hast du mich vor ihm gerettet. Und in den Monaten davor, bevor ich überhaupt wusste, was du bist, hast du nie auch nur versucht mir wehzutun.«
»Aber ich könnte es!«
»Du könntest, aber du würdest es nicht tun.«
Jetzt hob Dylan seine Stimme. »Es braucht nur einen Biss, weißt du das? Ich müsste dich nicht mal töten. Nur ein kleines, gottverdammtes Zwicken und… und dann bist du wie ich.« Sein Blick war qualvoll. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich dich auch in ein Monster verwandle.«
Chris schloss die Augen und versuchte, seine nächsten Worte wohlbedacht zu formulieren. Dann sah er Dylan an und legte seine Hände auf Dylans verkrampfte Schultern. »Du bist kein Monster, Dyl. Du hast… okay, du hast da so ein kleines, monatlich wiederkehrendes Problem und keine Midol-Produkte dieser Welt können etwas daran ändern. Aber du hast mich beschützt. Mir wurde… mir wurde zuvor schon wehgetan. Manchmal von Leuten, die eigentlich auf mich hätten aufpassen müssen.« Er schluckte und zwang sich fortzufahren. Er sprach nicht über diesen Teil seiner Vergangenheit, dachte verdammt noch mal nicht einmal darüber nach – aber in diesem Augenblick war es wichtig. »Das waren ganz gewöhnliche Menschen und sie haben mir wehgetan, aber du nicht. Nie. Ich vertrau dir, Dylan.«
Er hob eine Hand, um die Narbe weit oben an Dylans Stirn nachzuzeichnen, die Narbe, die sonst von seinen Haaren verdeckt wurde, aber von der Chris wusste, dass sie da war. Eine der Narben, die Dylan zurückbehalten hatte, als er Chris vor Andy, dem Werwolf, gerettet hatte. »Ich vertraue dir«, wiederholte Chris.
Dylan sah aus, als versuchte er, nicht loszuheulen. Scheiße, Chris spürte, dass er versuchte, nicht zu heulen, und das machte ihn wütend. Dieses Rumgeheule war nicht so sein Ding. Er hatte es im Alter von fünfzehn nicht getan, als seine Mutter an Krebs gestorben war, und er würde auch jetzt nicht damit anfangen.
Also sah er Dylan stattdessen finster an. »Pass auf. Ich versuch alles, damit diese Sache zwischen uns funktioniert. Das tun wir beide. Aber dafür musst du aufhören, auszuflippen und mich alle achtundzwanzig Tage wegzuschicken, und ich muss sehen, womit ich's zu tun hab. Alles, mein ich. Hab damals nicht wirklich viel zu sehen gekriegt, nur 'ne Menge Blut, Fangzähne und Fell. Ich will dich mit meinen eigenen Augen sehen. Das muss ich.« Und das meinte er genauso, denn er war ziemlich sicher, dass alles den Bach runtergehen würde, wenn sie diese Angelegenheit nicht klärten. Geheimnisse konnten gute Dinge zerstören.
Nach einem Moment des Grübelns kam Dylan offenbar zu demselben Schluss. »Okay«, sagte er. »Nächsten Monat. Wir besorgen dir eine Waffe und, keine Ahnung, vielleicht machen wir uns mal wegen der Silberkugeln schlau –«
»Diesen Monat. Heute Nacht.« Chris verschränkte die Arme vor der Brust und setzte seinen stursten Gesichtsausdruck auf, der deutlich seine Entschlossenheit widerspiegelte. Er würde sich nicht vom Fleck rühren. Wenn Dylan ihn nicht hier haben wollte, würde er ihn packen und verdammt noch mal tragen müssen. Wahrscheinlich war er stark genug, um es auf einen Versuch ankommen zu lassen, aber Chris würde nicht kampflos klein beigeben.
»Nein. Ich fühle… Irgendwas fühlt sich diesen Monat ziemlich seltsam an. Keine Ahnung, warum. Aber es ist wie – ich weiß nicht. Ein unheimliches Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Ich kann es beinahe aus den Augenwinkeln sehen, aber ich bekomme es nicht zu fassen.«
»Woher willst du wissen, dass du dich nächsten Monat nicht noch seltsamer fühlst? Das läuft alles nur in deinem Kopf ab, Dyl. Du bist bloß ein normaler Durchschnittswerwolf. Daran ist nichts ungewöhnlich.«
»Du bist unmöglich«, sagte Dylan, während seine Schultern ein wenig nach unten sackten.
Chris grinste triumphierend.
Obwohl es Chris' Idee gewesen war dazubleiben, während sich Dylan in einen Wolf verwandelte, zweifelte er das Ganze im Augenblick ernsthaft an. Aber er würde Dylan nichts von seinen Bedenken erzählen. Auf keinen Fall. Stattdessen witzelte Chris harmlos herum, während Dylan den Abwasch erledigte, und ging dann nach draußen in den Garten. Die Dämmerung war noch nicht ganz hereingebrochen, obwohl die Sonne bereits hinter den nahen Hügeln verschwunden war, und die Luft war immer noch angenehm warm. Er schüttelte eine Zigarette aus der Packung, die er in seiner Hemdtasche aufbewahrte, schnipste das blaue Plastikfeuerzeug an und nahm einen tiefen Zug. In letzter Zeit hatte Dylan ihm böse Blicke wegen seiner Raucherei zugeworfen. Die Gewissheit, dass er jemandem genug bedeutete, dass er sich darüber beschwerte, machte Chris glücklich.
Doch das Nikotin konnte seine Nerven nicht beruhigen. In weniger als einer halben Stunde würde die Sonne tatsächlich untergegangen sein und Chris würde seinen Partner dabei beobachten, wie er sich in einen Wolf verwandelte.
Verdammte Scheiße. Die Welt war ein verrückter Ort.
Er zündete sich eine zweite Zigarette an und rauchte gedankenversunken. Bis vor Kurzem war seine Welt überschaubar gewesen. Er war nicht dumm – ungebildet, ja, aber nicht dumm. Er las viel, sah fern und hörte Radio. Fürs Internet hatte er nicht viel übrig und sich gar nicht erst damit herumgequält. Aber er wusste, dass es auf der Welt verschiedene Sorten von Menschen gab, mit allen nur erdenklichen Eigenartigkeiten. Er hatte nur nicht besonders viel mit ihnen zu tun gehabt, da er sein eigenes Fleckchen Erde vorzog, wo er zwar nicht wichtig oder respektiert sein mochte, aber wo er eine ziemlich genaue Vorstellung darüber hatte, von wo der nächste Schlag kommen würde. Lieber das bekannte Übel wählen, nicht wahr?
Nur dass sich jetzt herausstellte, dass das Leben sogar noch außergewöhnlicher war, als er je erwartet hatte. Werwölfe existierten tatsächlich. Genau wie Männer… na ja, jedenfalls ein Mann, der Chris für mehr als nur einen schnellen Fick wollte. Ein Mann, der klug, nett und höllisch sexy war. Der ein guter Freund sein und – das größte Wunder überhaupt – sich in Chris verlieben konnte. Der sein eigenes Leben riskieren würde, um Chris zu retten.
Das alles brachte Chris ins Grübeln, welche anderen Überraschungen das Universum möglicherweise noch für ihn bereithielt.
Er nahm einen letzten Zug, trat die Kippe unter seinem Hacken aus und ging wieder rein.
Unfähig, ruhig stehen zu bleiben, tigerte Dylan in der Küche auf und ab. Seine Augen waren geweitet, sein Atem ging schnell und seine Muskeln zuckten unkontrolliert. Er erinnerte Chris an jemanden auf Meth – keine sehr schöne Erinnerung.
»Geh nach Hause, Chris. Ich mein's ernst.«
»Nein.«
Dylan reagierte mit resignierter Verzweiflung. Er blieb lange genug stehen, um sich mit den Händen übers Gesicht zu fahren. »Das ist eine wirklich beschissene Idee.«
»Vielleicht.« Chris hatte in seinem Leben nach vielen beschissenen Ideen gehandelt. Manche hatten ihm eine ganze Menge Scheiße eingebrockt. Aber andere – wie zum Beispiel den scharfen, aber absolut nicht in sein Beuteschema passenden Kerl anzugraben, der gerade erst nebenan eingezogen war – hatten sich als höllisch gute Entscheidung herausgestellt. Chris würde sich nicht von seiner Stelle neben dem Durchgang, der von der Küche zum Flur führte, bewegen.
Dylan knurrte und stampfte trotz seiner nackten Füße lautstark durch das Zimmer. Er riss eine Schublade auf und zog sein größtes Messer hervor: ein sechsundvierzig Zentimeter langes Sashimi-Messer, das er scheinbar in dem Irrglauben erworben hatte, irgendwann mal Sushi zu machen. »Dann nimm wenigstens das hier«, sagte er und hastete auf Chris zu.
Etwas beunruhigt von der Art, wie Dylan mit der Klinge herumfuchtelte, wich Chris an die Wand zurück. »Ich brauch keine Waffe«, sagte er.
»Nimm es trotzdem.« Dylan streckte ihm das Messer entgegen, glücklicherweise mit dem Griff voran.
Chris wog das Messer in seiner Hand ab. »Ich soll dich also filetieren, wenn dir in den Sinn kommt, dass du mich lieber fressen willst? Weil ich nämlich gesehen hab, wie du den anderen Wolf fertiggemacht hast. Ich denk nicht, dass ein halber Meter spitzes Metall dich großartig aufgehalten hätte.«
»Ich fühle mich besser, wenn du es hast.«
»Wie du meinst.«
Dylan nickte und streifte sein orangefarbenes T-Shirt ab. Er faltete es ordentlich zusammen und legte es auf die Anrichte.
»Was hast du vor, wenn du dich erst mal… verwandelt hast?«, fragte Chris. »Den Mond anheulen?«
»Ich laufe. Nehme Gerüche auf. Jage. Ich jage, Chris. Und töte.« Er sah mehr als ein bisschen wild aus und seine Stimme schien etwas rauer als sonst zu sein.
»Opa ist gerne jagen gegangen. Hat mich ein paar Mal mitgenommen. Hab nie was getötet, aber einmal hab ich gesehen, wie er einen Hirsch erlegt hat.«
»Ich habe auch schon Wild getötet. Hasen. Waschbären. Einmal habe ich einen Fisch erwischt. Ich benutze meine Zähne, kein Gewehr. Ich kann mich so mühelos durch den Oberschenkelknochen eines Hirschs kauen, wie du an einem von Kays Zuckerplätzchen knabberst.«
Chris nickte, wobei er seinen Gesichtsausdruck neutral hielt. Es war seltsam, seinen Partner solche Worte sagen zu hören. Derselbe Mann, der Decemberists hörte, während er auf Instagram postete, der ein solch zärtlicher Liebhaber sein konnte, dass Chris ihn manchmal drängen musste, etwas rauer zu sein – und doch stand er jetzt hier in seiner extravaganten Küche und wirkte gierig und erregt bei der bloßen Vorstellung an Verstümmelungen.
Die Situation war Chris ein wenig unheimlich, aber irgendwie war sie auch aufregend. Als würde er in Schokolade beißen und entdecken, dass die Mitte aus flüssigen Peperoni bestand.
»Wie weit läufst du?«, fragte Chris.
»Weit. Mehrere Kilometer. Ich bin die ganze Nacht unterwegs.« Dylan knöpfte seine Jeans auf, zog den Reißverschluss herunter und streifte sie ab. Er trug graue Pants, unter der die Umrisse seines Penis und der Hoden deutlich sichtbar waren. Er fuhr die Narben nach, die sich über seinen Bauch rankten, schien mit den Gedanken jedoch weit weg zu sein. Die Narben sahen aus, als wären sie schon Jahre anstatt Monate alt. Chris gefielen sie. Wenn sie im Bett waren, leckte er gerne darüber, um die Einkerbungen auf seiner Zunge zu spüren. Ein Andenken an das Opfer, das Dylan gebracht hatte, um ihn zu retten.
»Gut«, sagte Chris. »Ich werd heut Nacht in deinem Bett schlafen.« In letzter Zeit verbrachte er jede Nacht dort. Es war viel besser als sein eigenes.
»'kay«, antwortete Dylan etwas abwesend. Er stieg aus seiner Unterhose und bot einen so prachtvollen Anblick, dass es Chris den Atem verschlug. In der Küche war es nicht besonders heiß, aber auf Dylans Haut hatte sich ein leichter Schweißfilm gebildet. Die Haare auf seiner Brust – normalerweise spärlich und hell – schienen dichter und dunkler geworden zu sein und seine Finger zogen sich ununterbrochen zu einer Faust zusammen, als wäre er ein Boxer, der sich für seinen Kampf bereit machte.
»Ist es dort draußen gefährlich?«, fragte Chris leise. »Für dich, meine ich.«
»Nicht wirklich. Ich bleibe im staatlichen Waldgebiet. Ich denke nicht, dass Jäger ein Problem sind. Ich halte mich von den Straßen fern und habe keine natürlichen Feinde. Ich stehe am oberen Ende der Nahrungskette.« Er grinste, na ja, wölfisch.
Aber dann wurde sein Gesichtsausdruck wieder ernst. »Hör zu. Wenn ich… mich verwandle… tut es weh. Und zwar sehr. Also werde ich wahrscheinlich ein wenig schreien. Aber irgendwie ist es… ein guter Schmerz, weil ich es so verzweifelt will. Und genauso schnell ist es wieder vorbei.«
»Wie ein schneller Fick, wenn man so verdammt geil ist, dass man sich nicht mit viel Vorspiel rumschlagen will.«
Dylan sah ein wenig skeptisch aus. »Vermutlich. Nur… komm mir nicht zu nah, okay? Es sieht vermutlich ziemlich ekelig aus, aber mir geht's gut.«
»Kapiert.«
Danach standen sie einfach nur schweigend da, abgesehen von Dylans geräuschvollen Atemzügen. Apropos, Chris atmete ebenfalls schwer und sein Herz hämmerte. Er bemerkte, dass sich sein Griff um das Messer schmerzhaft verstärkt hatte, und er zwang sich, seine Hand zu entspannen. Er überlegte gerade, zum Kühlschrank zu gehen und sich ein Bier zu holen, als Dylan aufkeuchte.
Während Chris mit einer Mischung aus Angst und Faszination wie angewurzelt dastand, begann sich Dylans Körper zu verändern. Chris kam es vor, als würde er dabei zusehen, wie ein Lehmklumpen neu geformt wurde, nur dass da keine riesigen Hände waren, die an Dylan herumhantierten, und er sehr viel lauter stöhnte als jeder Lehmklumpen. Seine Lippen verzerrten sich zu einer Grimasse und seine Zähne wurden länger, schärfer. Seine Gelenke verdrehten sich. Er fiel auf alle viere, aber zuvor konnte Chris einen Blick auf Dylans steinharten Schwanz erhaschen.
»Schätze, es muss wirklich ein verdammt guter Schmerz sein«, murmelte Chris.
Dylan schenkte ihm nicht die geringste Aufmerksamkeit. Er sah auch nicht länger wie Dylan aus. Die Haare auf seinem Kopf hatten sich über Gesicht, Schultern, Rücken und Gesäß ausgebreitet. Und während sie weiterhin wuchsen, verschwanden die Locken und die einzelnen Härchen wechselten in ein lohfarbenes Graubraun, das am Bauch und um die Schnauze heller war. Denn inzwischen besaß Dylan eine Schnauze, seine Lippen und Nase waren von einem glänzenden Schwarz. Seine spitz zulaufenden Ohren befanden sich aufrecht oben an seinem Kopf und zuckten leicht in Chris' Richtung, als er ein leises Geräusch ausstieß. Breite, pelzige Tatzen hatten Dylans Hände und Füße ersetzt.
Noch auffälliger war sein Schwanz, der aus seiner Rückseite gesprossen war. Er war buschig und mit Schwarz durchzogen.
Und Dylans Augen. Normalerweise bestanden sie aus einem warmen Bernsteinton um die Pupille und aus einem bläulichen Flaschengrün zum Rand hin. Jetzt waren sie gelb. Aber beim ersten Mal, als Chris Dylan als Wolf gesehen – damals war Dylan halbtot und mit seinem eigenen sowie Andys Blut besudelt gewesen – und Dylan den Kopf in seine Richtung gedreht hatte, um ihn anzusehen, hatte Chris etwas Vertrautes in diesen Augen gesehen. Er konnte nicht sagen, was genau, ganz sicher nicht damals, aber auch jetzt nicht. Dennoch hatte er etwas in dem Blick wiedererkannt, sodass er nicht halb so schockiert gewesen war, wie er hätte sein sollen, als der Wolf zusammengebrochen und sich in seinen Lover zurückverwandelt hatte – nackt und in Fetzen gerissen. Jetzt sah er erneut in Dylans Wolfsaugen und obwohl Chris extrem wachsam war, hatte er keine Angst.
Der Wolf streckte sich wie ein Hund nach einem langen Nickerchen, dann hob er den Kopf und schnüffelte in der Luft. Er tapste zum Herd hinüber, wo Dylans Säuberungsaktion möglicherweise ein paar Spritzer Bratensoße entgangen waren, und leckte sich mit seiner sehr langen, pinken Zunge über die Lefzen. Vielleicht hätte Chris ein zusätzliches Steak kaufen sollen.
Der Wolf schüttelte sich von der Nasen- bis zur Schwanzspitze. Er war ein wunderschönes Tier, mit dichtem Fell, langen Beinen und ausgeprägten Muskeln. Wenn es ein Werwolf Westminster-Wettbewerb geben würde, hätte er den ersten Preis abgeräumt. Dann schien ihm Chris aufzufallen, der sich noch immer gegen die Wand drückte, das blöde Messer in der Hand. Der Wolf sah nicht mal entfernt nach einem Haustier aus, als er herüberschlenderte.
»Äh, hi, Dylan«, sagte Chris mit leiser Stimme. Er war nicht zu Tode erschrocken, aber auch nicht gerade die Ruhe selbst. Er wusste, dass der Wolf wahrscheinlich seinen rasenden Herzschlag hören und den Schweiß, der ihm den Kragen hinunterlief, riechen konnte.
Der Wolf schien weder bedrohlich noch aufgebracht zu sein. Er kam näher – so nah, dass Chris sich zusammenreißen musste, nicht durch das dichte Fell an seinen Schultern zu streicheln – und schnüffelte an Chris' Schuhen. Dann stieß er seine Nase gegen die Hand ohne Messer und schnupperte geräuschvoll. Seine Nase war kalt und feucht. Das bedeutete, dass er gesund war, richtig?
Seine Ohren zuckten leicht nach vorne und sein erhobener Schwanz wedelte langsam hin und her. Chris beschloss, dass Zurückhaltung die beste Taktik war: Seine Schultern sackten ein wenig nach unten und er senkte den Blick, um so unterwürfig wie möglich zu erscheinen. »Das heißt nicht, dass du mich rumkommandieren kannst, wenn du ein Mensch bist. Und du versuchst besser nicht, mein Bein zu rammeln.«
Der Wolf stieß einen seltsamen, schnaubenden Laut aus, schien jedoch nicht verärgert zu sein. Und dann tat er etwas, das Chris so sehr erschreckte, dass ihm das Messer klappernd aus der Hand fiel: Der Wolf stellte sich auf seine Hinterläufe und legte die Vorderpfoten auf Chris' Schultern. Er war nicht so groß oder so schwer wie der menschliche Dylan, aber er war trotzdem ziemlich riesig. Und, Himmel, was für große Zähne er hatte! Sein Schwanz schwang immer noch anmutig hin und her. Dylan steckte irgendwo da drin, tief in diesen wilden Augen.
Mit einem weiteren Schnauben stieß sich der Wolf ab und landete wieder auf allen vieren. Er wandte sich der Hintertür zu – Dylan hatte Chris zuvor angewiesen, sie offen zu lassen – und verschwand nach draußen in die Dunkelheit.
Chris rutschte an der Wand entlang nach unten. Die Messerklinge hatte eine kleine Kerbe in den Fußboden geschlagen; Dylan würde angefressen sein.
»Heilige Scheiße«, sagte Chris in den leeren Raum hinein. Sein Partner hatte sich gerade in einen Wolf verwandelt.
An diesem Abend versuchte Chris, sich irgendwie zu beschäftigen. Er lief zu seinem Haus rüber – wobei er vorgab, die Dunkelheit nicht nach Anzeichen eines Wolfs abzusuchen – und durchstöberte sein vollgestopftes Bücherregal. Als sein Blick auf seine abgegriffene Ausgabe von Der Ruf der Wildnis fiel, bekam er einen Lachanfall, der leicht hysterisch klang. Stattdessen wählte er ein Buch von John Grisham.
Zurück in Dylans Wohnzimmer, wo er es sich in dem wirklich bequemen Ledersessel gemütlich gemacht hatte, den Dylan ihm stets überließ, konnte sich Chris nicht auf die Handlung konzentrieren. Wen zum Teufel interessierten schon Anwälte?
Dunkel erinnerte sich Chris an seine Mutter, die über einen verdammten Anwalt geschimpft hatte, als Chris noch sehr klein gewesen und sein Vater endgültig abgehauen war. Und dann hatte sich Chris selbst mit Anwälten herumschlagen müssen, nachdem sein Opa gestorben war. Als Onkel Frank gestorben war, hatte es sogar ein noch größeres juristisches Hickhack gegeben – lange Schreiben auf offiziell aussehenden Briefbögen waren in seinem Briefkasten gelandet. Frank hatte das Haus und das ziemlich nutzlose Ackerland irgendwelchen entfernten Verwandten vermacht und aus irgendeinem Grund hatten die Urenkel dritten Grades befürchtet, dass Chris das Testament anfechten würde. Sie hatten ihm etwas Bargeld angeboten, damit er die Füße stillhielt.
Chris war versucht gewesen, das Testament vor Gericht zu bringen und ihnen zu sagen, dass sie ihn alle mal kreuzweise konnten – einfach nur aus Streitlust –, aber damals war er knapp bei Kasse gewesen, also hatte er ihren Papierkram unterschrieben. Angesichts der Tatsache, dass er nebenan wohnte, war er ein wenig in Sorge gewesen, was sie mit dem Grundstück anstellen würden, aber wie sich herausgestellt hatte, hatten sie keine besonderen Pläne dafür gehabt. Das Land war jahrelang unbewohnt gewesen, bis Dylan gekommen war und es sich unter den Nagel gerissen hatte.
Dylan. Chris fragte sich, was er wohl gerade tat. Hatte er schon was erlegt? Vage war er sich bewusst, dass es echte Wölfe in Oregon gab – die 24/7-Art, nicht die Einmal-im-Monat-Ausgabe –, aber er hatte keine Ahnung, ob sie auch hier lebten. Was, wenn Dylan einigen davon über den Weg lief?
Chris gab es auf, den Roman lesen zu wollen, warf ihn auf den Beistelltisch und erhob sich, um zum Fenster zu gehen. Außer der Spiegelung des Wohnzimmers konnte er nichts erkennen, aber da draußen gab es sowieso nicht viel zu sehen, abgesehen von den entfernten Hügeln und den Weizenfeldern, die er an Bill Gorman verpachtete. Vielleicht einen oder zwei Kojoten – die kamen ziemlich regelmäßig vorbei –, aber sehr wahrscheinlich keine herumstromernden Wölfe. Dennoch wurde er das unheimliche Gefühl nicht los, dass ihn jemand beobachtete, also löschte er die Lichter, sodass das Wohnzimmer nur noch vom Vollmond erhellt wurde.
Er schlenderte in die Küche und überlegte, sich eventuell ein Bier zu holen. Als er jedoch vor dem offenen Kühlschrank stand, starrte er den Inhalt bloß an, ohne ihn wirklich zu sehen, während er der Frage nachhing, wie der nächtliche Wald für einen Wolf wohl roch.
Dylan besaß einen alten Fernseher, hatte sich jedoch nie die Mühe gemacht ihn aufzustellen. Wahrscheinlich stand er irgendwo unten im Keller, zusammen mit den Möbeln der Großmutter seiner Schwägerin, einem Haufen Werkzeuge und übrigem Heimwerkerzubehör, das sie momentan nicht benötigten, sowie einigen Kisten voller Schul- und Uniunterlagen und Familienschätzen, von denen Dylan sich nicht trennen konnte. Wenn Chris und Dylan die Glotze anwerfen wollten, latschten sie zu Chris' Haus rüber und quetschten sich zusammen auf sein lausiges Sofa. Doch heute Nacht war Chris nicht danach, ganz allein in seinem eigenen Haus zu sein.
Dylans Laptop stand auf dem Zeichentisch im anderen Zimmer im Erdgeschoss, in dem Zimmer, das er neuerdings sein Arbeitszimmer nannte. Chris überlegte ihn hochzufahren – Dylan hatte ihm sein Passwort schon vor Wochen anvertraut.
Er konnte förmlich vor sich sehen, was Wikipedia über Wölfe zu sagen hatte. Oder vielleicht schaute er sich ein paar Pornos an. Aber sobald er sich hingesetzt hatte, überkam ihn wieder dieses Kribbeln im Nacken, als würde ihn jemand anstarren. Das tat natürlich niemand, trotzdem ließ er das mit dem Internet bleiben und kehrte stattdessen in die Küche zurück.
Schließlich backte er ein Brot. Das mochte er, weil das Kneten rein körperliche Arbeit war – Dylans ausgeklügeltes Rührgerät ignorierte er völlig – und weil es so verflucht köstlich roch, während es im Ofen war. Einer der besten Gerüche auf der Welt, neben Kaffee, Speck und Benzin. Selbstgemachtes Brot schmeckte auch sehr viel besser als alles, was man im Laden kaufen konnte. Na ja, außer vielleicht in einer von Portlands großkotzigen Bäckereien, in denen sie sich mit solchen Sachen wie althergebrachter Bäckerskunst und mit Mühlsteinen gemahlenem Mehl brüsteten, aber Portland war eine Stunde entfernt.
Sobald das Brot so weit abgekühlt war, um es schneiden zu können, beschmierte er eine dicke Scheibe mit Butter. Es schmeckte ausgezeichnet. Das dreckige Geschirr ließ er stehen, damit Dylan sich morgen darum kümmern konnte, bedachte die sorgfältig gefalteten Klamotten auf der Anrichte mit einem nachdenklichen Blick und seufzte. Als er seinen Kopf zur Hintertür hinausstreckte, hörte er nichts außer im Wind raschelnden Blättern. Er stapfte nach oben, nachdem er dafür gesorgt hatte, dass die Tür einen Spaltbreit offen stand.
Das Masterbad hatten er und Dylan bereits renoviert. Sie hatten eine Duschkabine eingebaut, die groß genug für zwei war, doch heute Nacht erregte die Badewanne Chris' Aufmerksamkeit. In seinem Haus gab es keine Badewanne, nur eine schäbige Duschkabine aus Plastik. Dylans Wanne war ein riesiges Teil mit Löwenfüßen, wahrscheinlich ein ursprünglicher Bestandteil des Hauses. Dylan hatte dafür bezahlt, dass sie neu lackiert wurde; jetzt schimmerte sie makellos weiß und verführerisch.
Ein Korb mit Badeölen und -salzen stand in greifbarer Nähe – eins der Kreativprojekte von Dylans Schwägerin, von dem sowohl Dylan als auch Chris steif und fest behaupteten, dass es viel zu mädchenhaft für sie war, obwohl sie es insgeheim genossen.
Chris drehte den Wasserhahn auf, wartete, bis sich das Wasser erwärmt hatte, und schloss dann den Abfluss, bevor er einen ordentlichen Spritzer von Kays Zitronenöl hinzugab. »Mit Vitamin E und Mandelöl!«, hatte sie glücklich verkündet. »Um eurer Haut Feuchtigkeit zu spenden.«
Die Männer hatten vor sich hin gegrummelt, aber die Wahrheit war, dass sich das Zeug ziemlich gut anfühlte. Außerdem gefiel es Dylan besonders, ihn anschließend überall zu lecken, wenn Chris darin gebadet hatte.
Nicht, dass er ihn heute Nacht ablecken würde.
Chris ließ sich einweichen, bis sich seine Haut runzlig anfühlte und das Wasser abgekühlt war. Die ganze Zeit dachte er an Dylan. War besorgt. Machte sich Gedanken. Plötzlich glaubte er, ein Geräusch gehört zu haben, das ihn aus seiner Träumerei riss. »Dylan?«, rief er.
Keine Antwort.
Chris stieg aus der Wanne und trocknete sich mit einem von Dylans biologisch angebauten Bambushandtüchern ab. »Ich bin doch kein gottverdammter Panda«, brummte er Dylan gerne zu, aber tatsächlich fühlten sich die Handtücher sehr viel weicher an als alles, was Chris besaß.
Normalerweise schlief Chris nackt, egal ob in Dylans oder in seinem eigenen Bett. Aber aus irgendeinem Grund hatte Chris das Gefühl, heute Nacht etwas anziehen zu müssen. Er wühlte sich durch Dylans Kommodenschubladen, bis er eine karierte Faulenzerhose aus Flanell entdeckte. Er krabbelte in Dylans großes, bequemes Bett und schaltete das Licht aus. Die Laken rochen nach Dylan und Sex und Chris überlegte, sich einen runterzuholen, tat es jedoch nicht. Überraschend schnell schlief er ein.
Irgendwann später, als sich die Matratze bewegte, wachte er auf. Zunächst war er ein wenig desorientiert, dann beunruhigt, als er heftiges Keuchen hörte und fühlte, wie etwas Schweres über seine Beine stieg.
»Dyl?«
Der Wolf tapste zur leeren Seite neben Chris, drehte sich zwei- oder dreimal im Kreis und legte sich dann hin. Selbst Chris' menschliche Nase konnte Dreck und Kiefernharz an ihm wahrnehmen, vermischt mit dem schwachen Geruch nach nassem Hund. Sehr langsam und sehr vorsichtig näherte sich Chris mit einer Hand, bis sich seine Finger in weiches, warmes Fell gruben. Der Wolf stieß ein geräuschvolles, zufriedenes Seufzen aus.
»Nacht, Dyl«, sagte Chris lächelnd und schlief kurz darauf wieder ein.
Der Duft nach gebratenem Speck weckte Dylan, und er fühlte sich wie ausgehungert. Er lag zusammengerollt auf seiner Tagesdecke, allerdings war eine zusätzliche Decke über seinem nackten Körper ausgebreitet worden. Der Geruch nach Wald und Blut ließ ihn die Nase rümpfen, als er vorsichtig aus dem Bett stieg und sich streckte. Er hatte ein paar kleine Kratzer auf seinem Oberkörper – wahrscheinlich wieder diese verdammten Brombeersträucher –, aber er fühlte sich großartig. Das tat er immer nach einem guten Lauf. Das Bettzeug hatte allerdings wieder mal eine Wäsche nötig.
»Endlich wach, Dornröschen?« Chris' Stimme schallte die Stufen empor und den Flur entlang bis ins Schlafzimmer. Er musste gebrüllt haben. Anstatt zurückzuschreien, stampfte Dylan ein paar Mal mit dem Fuß auf.
Wahrscheinlich sollte er erst duschen gehen, aber das Frühstück roch zu verführerisch. Er bemerkte seine Lieblingsfaulenzerhose, die in eine Ecke geworfen worden war, lächelte leicht und stieg hinein. Sie roch nach Chris. Er hielt sich nicht mit einem T-Shirt oder Socken auf; der Morgen war bereits ziemlich warm und um die Zeit seiner Verwandlung neigte sein Körper dazu, übermäßige Hitze zu produzieren.
In Boxershorts stand Chris vor dem Herd und trug das Shirt von gestern: ein altes, schwarzes Teil mit ZZ Top-Logo, das fast komplett verblasst war.
»Hast du den ganzen Speck gebraten?«, fragte Dylan, als er auf ihn zuging.
»Da ist noch 'ne Packung im Kühlschrank.«
Dylan drückte Chris' Schulter kurz, bevor er zum Kühlschrank ging und die Plastikverpackung herausholte. Er riss sie mit den Zähnen auf und schob sich ein paar Scheiben rohes Fleisch in den Mund.
»Das ist ekelhaft, Kumpel.«
Nachdem er gekaut und geschluckt hatte, zuckte Dylan die Schultern. »Manchmal ist mir danach. Letzte Nacht habe ich mein Essen auch nicht gebraten.«
Chris blickte argwöhnisch drein. »Was hast du gegessen?«
»Opossum.«
»Bäh.«
Wieder zuckte Dylan nur die Schultern und aß noch etwas Speck. Er hätte sich liebend gerne auf größere Beute gestürzt, wie etwa den Elch, den er in den Wäldern hatte wittern können, aber wahrscheinlich konnte er ihn allein eh nicht erlegen.
Chris schüttelte den Kopf. »Auf dem Tisch steht Toast, falls dir der Sinn nach etwas Zivilisiertem steht. Und ich wollt Rührei machen.«