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Die Kiste sollte eine Großvater-Uhr für Mrs. Collins enthalten - doch sie enthielt den toten Mr. Collins! Pastor Buell, Amateur-Detektiv aus Leidenschaft, geht der Sache nach - und gerät in Gefahr, noch schrecklicher zu enden als der Tote in der Kiste...
Der Roman Ein Toter frei Haus der US-amerikanischen Kriminal-Schriftstellerin Margaret Scherf (* 01. April 1908 in Fairmont, West Virginia; † 12. März 1979 in Kalispell, Montana) erschien erstmals im Jahr 1959; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1970.
Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
MARGARET SCHERF
Ein Toter drei Haus
Roman
Signum-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
EIN TOTER FREI HAUS
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Die Kiste sollte eine Großvater-Uhr für Mrs. Collins enthalten - doch sie enthielt den toten Mr. Collins! Pastor Buell, Amateur-Detektiv aus Leidenschaft, geht der Sache nach - und gerät in Gefahr, noch schrecklicher zu enden als der Tote in der Kiste...
Der Roman Ein Toter frei Haus der US-amerikanischen Kriminal-Schriftstellerin Margaret Scherf (* 01. April 1908 in Fairmont, West Virginia; † 12. März 1979 in Kalispell, Montana)erschien erstmals im Jahr 1959; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1970.
Der Signum-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur.
Martin Buell entstieg dem Dreiundzwanzig-Uhr-Zug und holte erstmal tief Luft. Es war eine milde Sommernacht, und da niemand gekommen war, um ihn zu begrüßen, beglückwünschte er sich selbst zu seiner Rückkehr nach Farrington. Seine Pfarrgemeinde erwartete ihn zwar frühestens in einer Woche, aber Martin Buell hatte es in Kalifornien nicht länger ausgehalten.
Er nahm seine alte Reisetasche, ging über den Bahnhofsplatz und die Hauptstraße entlang und war froh, wieder in seiner altgewohnten Umgebung zu sein. Hier war das Leben weniger hektisch als in Kalifornien, die Leute rannten nicht ständig zum Psychiater, es gab keine heftigen Grundsatzdiskussionen und ein Mord war auch schon lange nicht mehr passiert.
Die Tagung über die Krise innerhalb der Jugend hatte sich Tag für Tag zäh dahingeschleppt. Die einzigen Lichtblicke waren die kurzen Mahlzeiten gewesen. Irgendwann würde auch diese Konferenz vermutlich zu Ende gehen; allerdings ohne Martin Buell. Täglich und stündlich gab es Krisen auf der Welt, und Martin hatte nicht die Absicht, sich um jede einzelne zu kümmern. Wenn man einmal damit anfing, kam man in Teufelsküche.
Martin bog beschwingten Schrittes in die Sycamore Street ein, dachte an die Würde seines Amtes und freute sich auf sein eigenes bequemes Bett. Das Pfarrhaus lag völlig im Dunkeln. Erst als er näherkam, erkannte er, dass das vertraute Gebäude nicht mehr existierte.
Das alte Haus hatte einem modernen Bungalow Platz gemacht, der beinahe nur aus Fenstern zu bestehen schien. Schon bevor er nach Kalifornien abgereist war, hatte es um das Pfarrhaus einige Aufregung gegeben. Es sollte abgerissen und durch einen hübschen modernen Neubau ersetzt werden, an dem natürlich einige Geschäftsleute der Gemeinde gut verdienen würden. Carmichael zum Beispiel hatte einen alten Heizkessel, den er gern loswerden wollte, und der, wie er wiederholt auf Kirchenratssitzungen behauptet hatte, leicht auf Gas umzustellen war. Möglicherweise steckte Carmichael hinter der ganzen Sache.
Natürlich hatten seine Schäfchen genau gewusst, dass sie ihren Plan nur während seiner Abwesenheit ausführen konnten, überlegte Martin wütend. Er hatte schließlich keinen Zweifel daran gelassen, dass er die alte Pfarrei jeder modernen Wohnung vorzog.
Und wo war seine Haushälterin? Warum hatte Mrs. Beekman ihn nicht über die Vorgänge in Farrington unterrichtet? Dr. Cole, der erste Kirchenvorstand, auf den Martin sich sonst verlassen konnte, Verbrachte natürlich ausgerechnet jetzt seinen Urlaub in Neu-England. Parker, der zweite Vorstand, war ein Waschlappen.
Martin ging über einen Bretterweg zur Haustür, die nicht verschlossen war, und betrat das Wohnzimmer. Tür und Decke waren so niedrig, dass ihm dabei fast der Hut vom Kopf gestoßen wurde, und dank der riesigen Fenster gab es keine Ecke im Raum, in der man vor den Blicken der Neugierigen sicher gewesen wäre.
Martin machte kehrt, und lief zu seinem Nachbarn, Henry Beaver, hinüber. Er nahm erst den Finger von der Klingel als ihm dieser im Schlafanzug öffnete.
»Was habt ihr mit meinem Pfarrhaus gemacht?«, erkundigte sich Martin ohne weitere Einleitung.
»Hallo, Buell!« Henry gähnte.
»Wo ist mein Haus? Wo ist mein Hund?«, knurrte Martin.
Die, Antwort auf die letzte Frage erübrigte sich, denn in diesem Augenblick raste Bascomb, Martins Jagdhund, hinter Henry Beaver laut bellend die Treppe herunter und warf Martin vor Wiedersehensfreude beinahe um.
»Er scheint Sie zu kennen«, bemerkte Henry und gähnte erneut.
Martin zwängte sich an ihm vorbei ins Haus. »Ich werde hier schlafen!« verkündete er bestimmt. »Haben Sie zufällig noch was zu essen im Haus?«
»Einen Monat lang habe ich das verdammte Vieh durchgefüttert, und jetzt kommen Sie auch noch«, beklagte sich Henry. »Warum sind Sie eigentlich schon zurück? Das wird Ihrer Gemeinde sicher gar nicht gefallen.«
»Glaubst du vielleicht, mir passt, was hier vorgefallen ist?«
»Einer tickenden Bombe wendet man niemals den Rücken zu«, belehrte ihn Henry Beaver. »Wie war’s in Kalifornien?«
»Sehr kultiviert und absolut keimfrei. Die Kalifornier halten viel von Sauberkeit. Beim Anblick von Hühnerdreck würden sie in Ohnmacht fallen«, knurrte Martin.
Henry Beaver nahm einen halben Himbeerkuchen aus dem Kühlschrank, schob ihn zum Wärmen in den Backofen, setzte Kaffeewasser auf und begann zu berichten: »Natürlich war ich bei der entscheidenden Kirchenratssitzung nicht dabei und weiß nur, was sich die Leute darüber erzählen.« Henry Beavers Informationen waren allerdings immer äußerst zuverlässig und vollständig, denn als Installateur kam er viel herum. »Collins hat den Leuten die Sache schmackhaft gemacht, und sie sind ihm alle auf den Leim gegangen.«
»Moment mal, Henry. Welche Kirchenratssitzung meinst du?«, erkundigte sich Martin. »Sie konnten doch ohne mich keine Sitzung abhalten.«
Henry kicherte. »Meinen Sie wirklich, Buell? Auf alle Fälle hat sie stattgefunden und es ging dabei um harte Geschäfte. Barry Collins hatte ein paar Fertighäuser zu viel auf Lager, die er gern loswerden wollte, und witterte die günstige Gelegenheit. Er brauchte Ihren Kirchenrat nur zu überreden, ihnen eines davon abzunehmen, und dort steht es nun.« Henry berichtete weiter, dass einige Gemeindemitglieder in seinem Namen gegen das Vorhaben protestiert hatten, da sie wussten, dass ihr Pfarrer lieber in seiner alten Wohnung bleiben würde. Sie waren jedoch von den gerissenen Geschäftsleuten im Kirchenrat überstimmt worden, die sich die Möglichkeit, billig zu einem neuen Pfarrhaus zu kommen, nicht entgehen lassen wollten.
»Und was ist aus meinen Möbeln geworden?«, erkundigte sich Martin.
»Keine Ahnung. Soviel ich weiß, hat sich Hattie Ihrer Bücher und Papiere angenommen. In letzter Zeit hat bei ihr das Licht immer bis Mitternacht gebrannt. Ihre Briefe müssen vermutlich sehr interessant gewesen sein, Buell.«
Hattie Kettlehorn wohnte genau gegenüber dem Pfarrhaus und war eines der aktivsten und zugleich unbequemsten Mitglieder der Kirchengemeinde Christi. Sie hatte ein strenges Auge auf Martin und erteilte ihm ständig ungefragt Ratschläge. Bei der Vorstellung, Hattie könnte seine sämtlichen Briefe und Aufzeichnungen gelesen haben, sah Martin Rot.
»Sobald ich von der Sache Wind bekommen hatte, bin ich hinübergegangen und habe wenigstens Ihren Whisky bei mir in Sicherheit gebracht«, fuhr Henry fort und deutete auf den Schrank über dem Spülbecken.
»Und wo war Mrs. Beekman während der ganzen Zeit?«, fragte Martin.
»Ach, das wissen Sie nicht? Mrs. Beekmans Nichte in Cut Bank bekam ein Baby, und sie ist zu ihr gefahren, um die Familie solange zu versorgen.«
»Einer von euch hätte mir wenigstens einen Tip geben können, was mich hier erwartet«, brummte Martin vorwurfsvoll.
»Der Kirchenrat wollte, dass es eine Überraschung wird.« Henry grinste. »War es eine?«
Am nächsten Morgen kamen weitere Einzelheiten des Verrats an Pfarrer Martin Buell ans Licht. Die Damen der Frauenvereinigung hatten beschlossen, dass Martins alte Möbel nicht in das neue Haus passen würden, und es sich zur Aufgabe gemacht, eine moderne Einrichtung für ihn auszusuchen. Natürlich waren die Damen nicht allein auf diese Idee gekommen. Barry Collins hatte wieder einmal etwas nachgeholfen, indem er ihnen beim örtlichen Möbelgeschäft, an dem er beteiligt war, einen verlockenden Rabatt für den Kauf eingeräumt hatte. Das Bargeld dazu erbrachte der Verkauf von Martins alten Möbeln. Sein Bett hatten die Damen allerdings vorsichtshalber behalten.
Diese Informationen erhielt Martin von Hattie, die unerklärlicherweise erfahren haben musste, dass Pfarrer Buell bei Henry Beaver übernachtet hatte, und schon in aller Herrgottsfrühe dort erschienen war.
»Wo ist mein Bett?«, erkundigte sich Martin gezwungen ruhig.
»Im Schuppen bei den McCoys«, antwortete Hattie. »Ich hätte es selbstverständlich auch bei mir untergestellt, aber Helen bestand darauf, es zu sich zu nehmen. Helen kann manchmal schrecklich eigensinnig sein.«
Das war für Martin nichts Neues. Die sonst sanfte Helen hatte ihm gegenüber immer eine eiserne und unerschütterliche Loyalität bewiesen, vor der selbst Hattie die Segel strich. Ihre Bemühungen, Martin als Ehemann zu gewinnen, hatte Helen McCoy inzwischen vermutlich auf den Rat ihrer klugen Mutter, die spürte, dass Pfarrer Buell Witwer bleiben wollte, aufgegeben. Mrs. McCoy war eine ehemalige Methodistin, die gegenwärtig keiner Religionsgemeinschaft angehörte. Dadurch hatte sie in kirchlichen Dingen ein sehr eigenwilliges, unabhängiges Urteil, das Martin amüsierte und schätzte. Wenn er irgendwo die Wahrheit über die Vorgänge um den Bau des neuen Pfarrhauses erfahren würde, dann nur bei Mrs. McCoy.
Martin holte seinen roten Sportwagen aus der neuen Garage und fuhr zum Haus der McCoys in der Helena Avenue. Helen versetzte gerade den Rasensprenger und hätte ihn vor Aufregung über sein plötzliches Erscheinen beinahe nassgespritzt.
Sie gingen zusammen auf die Veranda, wo Mrs. McCoy gerade Erbsen schälte. »Na, Pfarrer Buell«, begrüßte sie ihn, »wie gefällt Ihnen Ihr neues Pfarrhaus?«
»Fragen Sie mich lieber nicht«, seufzte Martin. »Hattie erzählte mir, dass Sie wenigstens noch mein Bett gerettet haben. Dafür bin ich Ihnen wirklich sehr dankbar. Ich hasse es, in fremden Betten schlafen zu müssen, und an mein altes Bett hatte ich mich gerade so schön gewöhnt.«
Helen senkte plötzlich unsicher den Blick. »Ich glaube nicht, dass wir das Bett behalten haben, in dem Sie geschlafen haben, Pfarrer Buell.«
»Was soll das heißen?«, fragte Martin verständnislos.
»Es ist das antike Bett oben aus Ihrem Gästezimmer. Alle dachten, dass Sie das wertvolle Stück sicher behalten wollten«, erklärte Helen kleinlaut.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!« Martin war sprachlos.
Es erschien ihm unfassbar, dass die Damen von allen seinen Möbeln ausgerechnet dieses schrecklich unbequeme Bettgestell gerettet hatten, das ihm jahrelang als Folterinstrument für ungebetene Gäste gedient hatte.
Mrs. McCoy, die ständig irgendetwas aß, schob sich ein paar Erdnüsse in den Mund und murmelte kauend: »Das geschieht Ihnen ganz recht, Pfarrer Buell! Warum mussten Sie auch zu Ihrem Vergnügen nach Kalifornien fahren, anstatt hier Ihre Pflicht zu tun.«
»Wenn ich wiedermal, wie Sie glauben, zu meinem Vergnügen zu einer Konferenz fahre, dann nehme ich Sie mit, Mrs. McCoy«, drohte ihr Martin. »Henry Beaver behauptete übrigens, dass Barry Collins die ganze Sache ins Rollen gebracht hat, weil er eines seiner Fertighäuser verkaufen wollte«, fügte er hinzu.
»Damit hat er wahrscheinlich gar nicht so unrecht.« Helen nickte. »Aber wenn wir geahnt hätten, wie sehr Sie an dem alten Haus hängen, wären wir sicher nicht auf seine Vorschläge eingegangen«, meinte sie geknickt.
»Bei Ihnen glaube ich das gern, Helen.« Martin hatte sich bereits mit dem Unabänderlichen abgefunden und sann auf Rache. »Gehört Collins irgendeiner Kirche an?«, erkundigte er sich.
Mrs. McCoy warf Martin einen schlauen Blick zu. »Wenn Sie glauben, Sie könnten Barry Collins in Ihre Kirche locken, um ihm dann einen Teil seines verdienten Geldes wieder abzuknöpfen, dann sind Sie auf dem Holzweg, Pfarrer Buell. Bessie Collins ist es bisher vielleicht nicht gelungen, einen Presbyterianer aus ihrem Mann zu machen, aber sie wird es sicher mit allen Mitteln zu verhindern wissen, dass er einer anderen Religionsgemeinschaft beitritt.«
Martin lächelte. »Warten wir’s ab, Mrs. McCoy. Was können Sie mir sonst noch über die Familie erzählen?« Buell kannte die vollbusige, blonde Bessie Collins mit dem strengen Blick und dem aufrechten Gang nur flüchtig. Barry Collins, der mit Vorliebe alte Armeehosen aus dem ersten Weltkrieg, Cowboystiefel und bunte Flanellhemden zu tragen schien, war er öfters in der Stadt begegnet.
»Ob es der Club der Blumenfreunde oder der Verein der weiblichen Wähler ist«, berichtete Mrs. McCoy bereitwillig, »Bessie Collins ist die Vorsitzende sämtlicher Frauenvereinigungen von Farrington. Schuld daran ist nur ihr imposanter Busen. Jeder glaubt, sie wäre die geborene Clubpräsidentin«, fügte sie spitz hinzu.
»Bessie Collins ist einfach eine vollendete Dame«, verteidigte Helen Mrs. Collins gegen ihre Mutter.
»Sie ist herrisch und rechthaberisch, sonst gar nichts«, entgegnete Mrs. McCoy. »Allerdings war es ihr Geld, das Barry zu dem gemacht hat, was er heute ist. Soviel ich weiß, hat ihr Vater sein Vermögen mit öl gemacht. Und zusammen kommandieren Bessie und Barry jetzt ihren armen Schwiegersohn Hugh herum. Hugh wollte eigentlich Förster werden, als er Clare Collins heiratete, aber das war seiner Schwiegermutter für ihre Tochter zu langweilig. Wo sollte Clare schließlich mitten im Wald ihre eleganten Kleider tragen? Deshalb hat Barry Hugh das Herrenbekleidungsgeschäft in der Hauptstraße eingerichtet.«
»Trotzdem ist Hugh mit Clare und seinen beiden kleinen Söhnen sehr glücklich«, warf Helen bestimmt ein.
Mrs. McCoy lächelte geringschätzig. »Als ich mal in Harrys Schnapsladen war...«
»Mutter, du bist noch nie in einem Schnapsladen gewesen!«
»Also, wenn du erst wüsstest, wo ich mich schon überall aufgehalten habe, dann könnte ich mich ja einsargen lassen«, schnaubte Mrs. McCoy. »Auf jeden Fall war ich mit Mrs. Cole kurz vor Weihnachten bei Harry. Hugh kaufte dort gerade seinen Whisky, als plötzlich Barry hereinkam. Gib dem Jungen ein paar Flaschen anständigen Whisky, Harry, damit er wenigstens Weihnachten nicht den alten Fusel trinken muss!, befahl Collins und legte ein paar Zwanzigdollarscheine auf die Theke. Hugh wurde dunkelrot, nahm seine Kiste Whisky und verschwand. Er hat nicht mal Danke gesagt.«
Helen blieb trotzdem bei ihrer Meinung, die Collins wären eine glückliche Familie, musste jedoch zugeben, dass Barry Collins seine Eigenheiten hatte. Er fuhr zum Beispiel, obwohl er viel und schnell Geld verdiente, einen uralten Chrysler. Helen vermutete, dass es ihm entweder Spaß machte, den einfachen Mann zu spielen, oder dass er damit seine Frau, die viel auf Lebensstil hielt, ärgern wollte.
Martin verabschiedete sich von den McCoys und fuhr in Richtung Fisher Creek. Es ärgerte ihn, dass der gerissene Geschäftsmann Barry Collins das Leben eines friedliebenden Bürgers, wie es ihm in den Kram passte, vollkommen auf den Kopf stellen konnte.
Als Martin am südlichen Ende der reichen Collins Farm vorbeikam, fiel ihm sofort das Durcheinander von alten Farm- und Baugeräten, Gipssäcken und Autowracks auf, das am Ende einer großen Viehtränke aufgestapelt war. Dieser Teil der Farm stand in krassem Gegensatz zum gepflegten Garten und pompösen Herrenhaus der Collins, das eindeutig Bessie Collins Reich zu sein schien. Buell begann Helens Anspielung zu verstehen.
Martin hielt kurz vor dem Haus und stieg aus. Außer einem Schwarm Krähen, der eifrig auf dem Rasen pickte, war niemand zu sehen.
Plötzlich rauschte Mrs. Collins in einem gestärkten rosa Baumwollkleid mit einem Besen in der Hand um die Ecke und begann, die Vögel zu verscheuchen. Dann bemerkte sie Martin.
»Oh, Mr. Buell!« Sie schien über seinen Besuch nicht sehr erfreut. »Ich habe Sie gar nicht kommen hören. Ich erwarte die Damen des Presbyterianischen Kirchenzirkels zum Tee.«
»Bitte entschuldigen Sie die Störung, Mrs. Collins, aber ich hätte gern Ihren Mann gesprochen.«
»Barry ist leider in Belton, Mr. Buell, und ich erwarte ihn erst im Laufe der Woche zurück«, erklärte Mrs. Collins. »Aber möchten Sie nicht wenigstens hereinkommen?«
»Gern«, erwiderte Martin, der hoffte, bei Mrs. Collins etwas mehr über ihren Mann zu erfahren. Im Gegensatz zu Mrs. McCoy war er nämlich durchaus der Meinung, dass er eine reelle Chance hatte, Mr. Collins für die Gemeinde Christi zu gewinnen. Ein gerissener Geschäftsmann war manchmal leichter zu überzeugen als ein braver Bürger, der sich seines Platzes im Himmel sowieso schon sicher fühlte.
Mrs. Collins konnte nur mühsam verbergen, dass sie nicht erwartet hatte, dass er ihr Angebot, ins Haus zu kommen, annehmen würde. Sie bat ihn sich zu setzen. Martin hatte die Wahl zwischen fünfundzwanzig aufgestellten Stühlen, setzte sich aber auf das riesige Sofa und zündete sich eine Zigarre an. Mrs. Collins rannte sofort nach einem Aschenbecher. Im Zimmer war bereits alles für die Zusammenkunft des Kirchenzirkels vorbereitet und durch die offene Küchentür konnte Martin die kalten Platten, herrlichen Kuchen und Früchte erkennen, die später aufgetischt werden würden.
Mrs. Collins setzte sich auf die Kante eines Stuhls und sah auf die Uhr. »Es ist ein wundervoller Sommertag. Hoffentlich habe ich für alle Platz.«
»Mr. Collins ist ein bemerkenswerter Mann«, begann Martin. »Ich wäre froh, wenn ich einen Mann mit seinem Unternehmungsgeist in meinem Kirchenrat hätte. Er ist vermutlich Presbyterianer?«
»Eigentlich nicht, nein.« In diesem Augenblick hielt ein Jeep hinter Martins Wagen in der Auffahrt und zwei junge Leute stiegen aus. »Hugh und Clare«, erklärte Mrs. Collins wenig begeistert. »Meine Tochter und ihr Mann. Dabei ist es schon fast zwölf Uhr.«
Clare kam herein. »Wir bringen die Standuhr, Mutter.«
»Du kennst doch sicher Mr. Buell, Clare?«, stellte ihn Mrs. Collins vor.
»Ja, natürlich. Guten Morgen«, begrüßte ihn Mrs. Collins Tochter freundlich. Clare war ein mütterlicher Typ mit sanften braunen Augen und einem liebenswerten Wesen. »Hugh holt gerade Ed«, fuhr Clare fort. »Er soll ihm beim Abladen helfen. Das Ding ist fast zwei Meter lang und wiegt mindestens eine Tonne.«
»Ich hatte euch eigentlich früher erwartet«, entgegnete ihre Mutter. »Es ist jetzt bereits kurz vor zwölf Uhr und du weißt doch, dass sich die Damen vom Kirchenzirkel bei mir um ein Uhr treffen.« Es war offensichtlich, dass sich Mrs. Collins den Besuchen langsam nicht mehr gewachsen fühlte.
»Hugh hat die Uhr früh genug abgeholt, Mutter, ist dann aber im Geschäft aufgehalten worden. Als er schließlich nach Hause kam, war ich wie üblich noch nicht fertig. Deshalb sind wir so spät dran.«
»Ich weiß gar nicht, warum du unbedingt mitfahren musstest, Clare?«, fragte ihre Mutter.
»Ich dachte, ich könnte dir vielleicht in letzter Minute noch etwas helfen.«
Mrs. Collins fand schnell irgendeine Beschäftigung für Clare in der Küche. Bessie Collins war nicht die Frau, der man in letzter Minute noch zur Hand gehen musste.
Hugh und der Farmangestellte Ed erschienen an der Tür. »Wo sollen wir dir die Kiste hinstellen, Bessie?«, erkundigte sich Mrs. Collins Schwiegersohn.
»Tragt sie hinters Haus und in den kleinen Gang vor der Küche. Ed kann die Uhr dann später auspacken.«
»Soll ich das nicht gleich besorgen?« bot sich Hugh eifrig an.
»Ja, Mutter, ich bin so gespannt auf das gute Stück«, gestand Clare.
»Aber du hast die Standuhr doch bereits im Geschäft in Beiton gesehen, bevor ich sie gekauft habe«, wehrte ihre Mutter ab.
»Sicher, aber jetzt gehört sie uns, und das ist etwas ganz anderes. Ich glaube, unsere Familie hat noch nie eine echte Großvateruhr besessen«, fügte Clare hinzu.
Bessie hob ihre blonden Augenbrauen. »In meiner Familie gab es sogar zwei dieser Uhren.«
Hugh und Ed gingen hinaus, luden den großen schweren Holzkasten vom Wagen und trugen ihn hinters Haus, wie Bessie angeordnet hatte.
Dann kam Ed zurück. »Haben Sie was dagegen, wenn ich mit Hugh in die Stadt fahre, Madam?«, fragte er. »Ich habe keine Rasierklingen mehr.«
»Rasierklingen?«, wiederholte Bessie skeptisch, willigte jedoch ein und Ed stieg mit Hugh und Clare in den Jeep. »Er geht natürlich ins Wirtshaus«, erklärte Mrs. Collins, als sie und Martin wieder allein waren. »Aber ein Arbeiter wie Ed ist heutzutage schwer zu finden.« Sie sah stirnrunzelnd dem Jeep hinterher, der in einer Staubwolke davonfuhr. »Es wäre mir lieber, wenn Clare in ihrem eigenen soliden Wagen fahren würde, anstatt mit diesem schrecklichen Ding.«