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Eine Ghasuah ist eine Erzählung von Karl May. Auszug: Wir hatten einen sehr anstrengenden Ritt hinter uns, denn wir kamen vom Dar Abu Uma herüber, welches über hundert geographische Meilen vom Nile entfernt ist, und hatten höchstens noch eine halbe Tagereise bis zum westlichen Arme desselben, dem Bahr el Abiad, zu machen. Wenn ich sage "wir", so meine ich außer mir meinen kleinen, braven, tapfern und langjährigen Diener und Begleiter Hadschi Halef Omar und einen echten Fori-Neger Namens Marrabah. Dieser hatte das Gelübde gethan, ganz allein nach Mekka zu pilgern, und uns gebeten, ihn mitzunehmen, weil er bei uns Sicherheit vor Sklavenjägern erwartete. Ich hatte ihm diese Bitte aus Gründen der Menschlichkeit erfüllt, und da er die Gegend bis zum Nile genau kannte, so konnte er uns als Führer von Nutzen sein. Marrabah war als armer Teufel nur mit einem baumwollenen Hemde bekleidet und saß auf unserem Packpferde, welches während dieses Rittes kein Gepäck zu tragen hatte. Seine Waffen bestanden in einem alten Messer und einem noch älteren Spieße, von denen ich überzeugt war, daß sie keinem Menschen schaden würden, da ihr Träger und Besitzer sich schon am ersten Tage als ein zwar guter Kerl aber außerordentlicher Hasenfuß entpuppt hatte. Halef und ich ritten junge, aber sehr kräftige und ausdauernde Fadasihengste, Pferde, welche im tiefen Wüstensande große Schnelligkeit entwickeln und im Wasser wie die Fische schwimmen.
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Seitenzahl: 39
Wir hatten einen sehr anstrengenden Ritt hinter uns, denn wir kamen vom Dar Abu Uma herüber, welches über hundert geographische Meilen vom Nile entfernt ist, und hatten höchstens noch eine halbe Tagereise bis zum westlichen Arme desselben, dem Bahr el Abiad, zu machen. Wenn ich sage ›wir‹, so meine ich außer mir meinen kleinen, braven, tapfern und langjährigen Diener und Begleiter Hadschi Halef Omar und einen echten Fori-Neger Namens Marrabah. Dieser hatte das Gelübde gethan, ganz allein nach Mekka zu pilgern, und uns gebeten, ihn mitzunehmen, weil er bei uns Sicherheit vor Sklavenjägern erwartete. Ich hatte ihm diese Bitte aus Gründen der Menschlichkeit erfüllt, und da er die Gegend bis zum Nile genau kannte, so konnte er uns als Führer von Nutzen sein. Marrabah war als armer Teufel nur mit einem baumwollenen Hemde bekleidet und saß auf unserem Packpferde, welches während dieses Rittes kein Gepäck zu tragen hatte. Seine Waffen bestanden in einem alten Messer und einem noch älteren Spieße, von denen ich überzeugt war, daß sie keinem Menschen schaden würden, da ihr Träger und Besitzer sich schon am ersten Tage als ein zwar guter Kerl aber außerordentlicher Hasenfuß entpuppt hatte. Halef und ich ritten junge, aber sehr kräftige und ausdauernde Fadasihengste, Pferde, welche im tiefen Wüstensande große Schnelligkeit entwickeln und im Wasser wie die Fische schwimmen.
Wir hatten seit heut früh den jetzt wasserlosen Nid e' Nil weit von uns zur rechten Hand, und so nahm ich an, daß wir den Bahr el Abiad ungefähr in der Gegend der Insel Abu Nimul oder der Mischrah Orn Oschrin erreichen würden. Die Gegend war vollständig eben; zur Regenzeit grünende Steppe, bot sie uns als jetzt kahle, ausgetrocknete Fläche nicht einen einzigen Grashalm, über den sich unsere Augen hätten freuen können. Dazu brannte die Sonne mit einer so verzehrenden Glut auf uns hernieder, daß wir um die Mittagszeit Halt machten, um den Pferden Erholung zu gönnen und die größte Tageshitze vorüber zu lassen.
Wir saßen still beisammen und aßen einige Datteln, das einzige, was wir hatten. Da deutete Halef gegen Osten und sagte:
»Sihdi, da draußen am Horizonte sehe ich einen weißen Punkt. Ob das wohl ein Reiter ist?«
Da ich der angegebenen Richtung den Rücken zukehrte, stand ich auf und drehte mich um.
»Siehst du ihn?« fragte der kleine Hadschi weiter.
»Ja,« antwortete ich; »der Punkt, den du meinst, bewegt sich auf uns zu. Was so hell schimmert, ist ein weißer Burnus. Die Bewegung ist so rasch, daß wir es nicht mit einem Fußgänger, sondern mit einem Reiter zu thun haben.«
»Ist er etwa bewaffnet?« fragte da der Fori-Neger ängstlich.
»Natürlich! Jedermann geht hier mit Waffen, wie du Weißt.«
»O Allah, Allah, bewahre mich vor dem neunmal geschwänzten Teufel! Meinst du, Herr, daß dieser Reiter uns feindselig angreifen wird, uns vielleicht ersticht oder gar erschießt?«
Die Furcht vergrößerte seine Augen, und er spreizte alle zehn Finger aus, als ob er die Gefahr damit abwenden wolle. Da fuhr ihn der wackere Halef zornig an:
»Uskut, gerbu – schweig, Hasenfuß! Wie kann ein einzelner es wagen, uns, die wir zu dreien sind, zu überfallen! Und wenn es zwanzig oder fünfzig wären, wir würden uns nicht fürchten. Wir haben den Löwen und sogar den schwarzen Panther erlegt; wir haben den Elefanten und das Nilpferd gejagt; mein Sihdi und ich, wir ganz allein haben gegen hundert Feinden gestanden, ohne daß es unsern Herzen eingefallen ist, schneller zu schlagen. Ich sage dir, so lange du bei uns bist, wird es keinem Feinde gelingen, dir nur ein einziges Haar zu krümmen. Aber leider wächst auf deinem Kopfe nur die Wolle des Schafes anstatt des schönen Schmuckes der tapfern Männlichkeit. Darum bist du ein Schaf und wirst eines bleiben, bis dich Allah zu deinen Vätern versammelt, wenn du überhaupt einen Vater gehabt hast; denn nur tapfere Männer dürfen von ihren Vätern sprechen!«
Das war von meinem kleinen Hadschi nicht höflich gesprochen. Er haßte nichts so sehr als Furchtsamkeit. Ein mutloses Wort oder gar eine feige That konnte ihn in Wut versetzen. Während dieser Zurechtweisung war der fremde Reiter näher gekommen. Er sah uns und hielt an. Jedenfalls überlegte er, ob er uns ausweichen oder sich zu uns wenden solle. Er entschloß sich für das letztere und kam auf uns zugeritten. Er saß auf einem falben Beni-Schanqolpferde und hatte den weißen Burnus so um sich geschlagen, daß wir nur die lange, arabische Flinte sahen, welche er in der Hand hielt, nicht aber die andern Waffen, welche er im Gürtel trug. Kurz vor uns parierte er sein Pferd und musterte uns mit Augen, welche nichts weniger als freundlich auf uns blickten. Dann fragte er kurz und im Tone eines Gebieters:
»Wer seid ihr?«
Es fiel mir nicht ein, zu antworten; auch Hadschi Halef Omar schwieg. Der Fori-Neger duckte sich zusammen wie ein Huhn, über welchem der Habicht schwebt.
»Wer seid ihr?« wiederholte der Beduine in noch strengerer Weise als vorher.
Da stand der kleine Halef vom Boden auf, zog sein Messer, trat auf ihn zu und sagte: