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Die Magie von Weihnachten, die Sehnsucht nach der wahren Liebe und viel Meer … Für viele Menschen ist Weihnachten die schönste Zeit des Jahres – doch nicht so für Erfolgsautorin Laura Lessing. Der Tod ihrer Eltern ist der Wendepunkt in ihrem Leben und lässt sie in ein tiefes Loch fallen. Ausgerechnet jetzt entpuppt sich der Mann, mit dem sie die Zukunft verbringen wollte, als notorischer Fremdgeher. Für Laura ist das alles zu viel – ihr Herz ist gebrochen. Zu allem Überfluss bekommt sie Probleme mit ihrer Verlegerin, denn das Geschehene löst bei ihr eine Schreibblockade aus – doch der Abgabetermin ihres neuen Manuskripts rückt unbarmherzig näher. Ihre beste Freundin Jessi hat die rettende Idee: ein Kurzurlaub muss her. In einem abgelegenen Ferienhaus inmitten der winterlichen Dünen einer Nordseeinsel soll Laura einen Neustart wagen. Allein in der Einsamkeit Weihnachten feiern – der Plan scheint zu funktionieren. Laura kommt allmählich zur Ruhe und die Seiten des neuen Romans füllen sich. Dann taucht ein mysteriöser Fremder im Nachbarhaus auf, der ihre Neugier weckt. Er ist charmant, höllisch sexy und sehr überzeugend. Der Beginn einer leidenschaftlichen Romanze. Doch David ist nicht der, der er vorgibt, zu sein. Und es kommt noch schlimmer – ein Zufall ändert plötzlich alles … Aber es ist Weihnachten – die zauberhafte Zeit der Wunder.
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Eisblumen, Zimtküsse und Meer
Liebesroman
Kim S. Caplan
Inhaltsverzeichnis
Buchbeschreibung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Epilog
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Impressum
Die Magie von Weihnachten, die Sehnsucht nach der wahren Liebe und viel Meer …
Für viele Menschen ist Weihnachten die schönste Zeit des Jahres – doch nicht so für Erfolgsautorin Laura Lessing. Der Tod ihrer Eltern ist der Wendepunkt in ihrem Leben und lässt sie in ein tiefes Loch fallen. Ausgerechnet jetzt entpuppt sich der Mann, mit dem sie die Zukunft verbringen wollte, als notorischer Fremdgeher. Für Laura ist das alles zu viel – ihr Herz ist gebrochen. Zu allem Überfluss bekommt sie Probleme mit ihrer Verlegerin, denn das Geschehene löst bei ihr eine Schreibblockade aus – doch der Abgabetermin ihres neuen Manuskripts rückt unbarmherzig näher. Ihre beste Freundin Jessi hat die rettende Idee: ein Kurzurlaub muss her. In einem abgelegenen Ferienhaus inmitten der winterlichen Dünen einer Nordseeinsel soll Laura einen Neustart wagen.
Allein in der Einsamkeit Weihnachten feiern – der Plan scheint zu funktionieren. Laura kommt allmählich zur Ruhe und die Seiten des neuen Romans füllen sich. Dann taucht ein mysteriöser Fremder im Nachbarhaus auf, der ihre Neugier weckt. Er ist charmant, höllisch sexy und sehr überzeugend. Der Beginn einer leidenschaftlichen Romanze. Doch David ist nicht der, der er vorgibt, zu sein. Und es kommt noch schlimmer – ein Zufall ändert plötzlich alles …
Aber es ist Weihnachten – die zauberhafte Zeit der Wunder.
Abgeschlossener Liebesroman. Enthält heiße Szenen.
Anmerkung der Autorin
Der Schauplatz dieser romantischen Liebesgeschichte ist die Nordseeinsel Bentrum. Reetgedeckte Häuser und ein rauer, salziger Wind, so kennen wir die typischen Nordseeinseln. Doch du wirst Bentrum auf keiner Landkarte entdecken. Die Autorin hat sich die künstlerische Freiheit genommen, die Insel zu erfinden. Gäbe es sie wirklich, wäre sie eine der Ostfriesischen Inseln und läge zwischen Juist und Norderney.
~ Laura ~
Der Ausblick aus meinem Apartment im obersten Stock des Neubaus am Düsseldorfer Rheinufer ist gigantisch. Weil die Sonne mich blendet, schaue ich blinzelnd in die Ferne. Doch dann sehe ich sie direkt vorm Fenster – kleine Schneeflocken tanzen glitzernd im Sonnenlicht. So ein Mist! Jetzt ist der Winter auch hier angekommen. Früher habe ich die kalte Jahreszeit einmal geliebt, aber das ist vorbei.
Unten auf der Promenade drehen einige Pärchen warm eingepackt ihre Runden und genießen die klare Winterluft. Am Nachmittag, wenn der Weihnachtsmarkt seine Tore erneut öffnet, wird es auch in der Altstadt voller. Dann ist da wieder dieses bunte Treiben, das einen an nichts Schlechtes denken lässt.
Die Vorweihnachtszeit bringt mir kein Glück. Vor einigen Wochen habe ich mich von meinem Freund getrennt. Er war ein notorischer Fremdgeher. Alle warnten mich vor ihm, doch ich war blind vor Liebe. Ich ertappte ihn bei seinen Lügen, sah ihn durch einen Zufall eng umschlungen mit einer Blondine. Er stritt alles ab, versuchte, mir weiszumachen, dass sie nur eine flüchtige Bekannte gewesen wäre. Genauso war es mit der Brünetten im Sommer. Auch sie küsste er leidenschaftlich. Leidenschaft – die hatte ich bei ihm immer vermisst. Jetzt ist er weg und ich bin wieder allein.
Doch das war nicht das Schlimmste, was ich erleben musste. Der heutige Tag ist für mich kein normaler 3. Advent. Heute vor einem Jahr hat sich mein Leben von einer Sekunde zur nächsten in einen Albtraum verwandelt. Dieser dunkle Traum, der mich von da an begleitet, zieht mich immer mehr in seinen Sog. Es gelingt mir nicht, mich daraus zu befreien.
Das Läuten meines Handys lässt mich zusammenzucken. Das kleine Ding liegt auf dem Wohnzimmertisch, vibriert hektisch und krabbelt in Richtung der Tischkante.
Bereits am Klingelton erkenne ich, dass es eindeutig Johanna ist, meine Verlegerin. Für sie habe ich eine spezielle Melodie eingestellt, die Musik eines Horrorfilms. Mir wird schlecht. Ich entschließe mich, nicht dranzugehen, weil ich genau weiß, was sie von mir will.
Vor einigen Jahren habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Nun verdiene ich meine Brötchen tatsächlich als Autorin. Die Veröffentlichungen meiner Romane werden von meinen Lesern sehnsüchtig erwartet. Doch dieses Mal müssen sie sich gedulden. Wenn es nach Johanna geht, schon viel zu lange. Ständig übt sie Druck auf mich aus. Aber die Seiten des Manuskripts füllen sich nur sehr zögerlich. Abends lösche ich immer wieder die Zeilen, die ich in mühevoller Arbeit tagsüber geschrieben habe, weil mir irgendetwas am Text nicht gefällt. Die Leichtigkeit beim Schreiben ist weg. Ich bin leer, habe keine Ideen mehr.
Wieder lässt mich das Klingeln des Handys hochschrecken. Verdammt noch mal, die ist aber hartnäckig! Es hilft nichts, ich muss rangehen.
»Hallo, Johanna. Ich habe gerade an dich gedacht«, schwindle ich ein wenig.
»Hi, Laura! Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht.«
»Das ist lieb von dir. Heute nicht so gut …«
»Ich habe das von Markus gehört.« Sie zögert ein wenig. »Tut mir echt leid.«
»Ich werde darüber hinwegkommen.«
»Ganz sicher …« Erneut zögert sie. »Heute ist doch der Jahrestag deiner Eltern«, meint Johanna dann. In ihrer Stimme schwingt ehrliches Bedauern mit. »Obwohl – Jahrestag klingt eher nach einer Feier«, schiebt sie etwas kühl hinterher. Typisch Johanna. Sobald sie sich mal warmherzig zeigt, schwenkt sie auch schon wieder um, tut alles als Gefühlsduselei ab.
»Ja, das stimmt, heute ist der Tag«, bestätige ich mit schwacher Stimme. »Aber keine Sorge, ich komme zurecht.«
»Du, weshalb ich eigentlich anrufe … Wie sieht es mit deiner neuen Story aus?«, kommt sie dann zur Sache.
»Ich komme ganz gut voran …«, lüge ich und merke, wie meine Wangen zu glühen beginnen.
»Das ist schön, zu hören.« Kurz ist es still. »Ich hatte schon befürchtet, dass du eine Schreibblockade hast«, trifft sie meine Situation auf den Punkt.
Ich presse meine freie Hand gegen eine Wange. Es fühlt sich an wie Fieber. Johanna kennt mich bestens und steht kurz davor, mich zu enttarnen. »Nein, nein! Alles okay bei mir. Es wird dir gefallen«, platzt es aus mir heraus. So schnell, dass ich meine gesprochenen Worte am liebsten direkt wieder einfangen möchte. Zu spät! Da habe ich mir was eingebrockt!
»Schick mir doch mal eine kleine Kostprobe. Du weißt ja, wie wahnsinnig neugierig ich bin«, säuselt sie wie eine Schlange.
»Später. Es müssen noch einige Szenen überarbeitet werden«, versuche ich, sie glaubhaft zu vertrösten.
»Okay, wie du meinst.« Ich spüre das Misstrauen in Johannas Stimme. Aber sie hat recht. »Dieses Mal müssen wir abliefern. Dessen bist du dir doch bewusst?«, fährt sie hartnäckig fort.
»Ist schon klar! Du wirst begeistert sein«, reite ich mich immer tiefer in mein Lügenkonstrukt hinein.
»Jetzt kann ich es dir ja verraten. Wir planen etwas Großes mit dir …« Geheimnisvoll legt sie eine Sprechpause ein.
»Was meinst du?«, frage ich verdutzt.
»Ursprünglich hatten wir an eine riesige PR-Kampagne zu Weihnachten gedacht. Du weißt schon, Tränendrüse und so … Der Tod deiner Eltern, dann dein neues Buch mit einer herzzerreißenden Liebesgeschichte. Die Leute wären hin und weg gewesen …«
Ich bin schockiert. Sie spielt mit meinen Gefühlen. Ist denn alles nur noch kommerziell? »Johanna! Bitte … nein«, flehe ich inständig.
»Ist ja gut. Weil du spät dran bist, werden wir das Buch auf der Frühjahrsmesse ganz groß präsentieren. Signierstunden und Bühnenshows mit dir sind geplant. Das volle Programm!«
Für einen Moment bin ich sprachlos. Dann fange ich mich wieder. »Im Frühjahr schon?«
»Na hör mal, jetzt habe ich dir bereits einen Aufschub gewährt …«, gibt Johanna sich entrüstet. »Die Frühjahrsmesse dürfte doch kein Problem für dich sein, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Es wird schon funktionieren«, antworte ich kleinlaut. Allmählich fällt mir das Atmen schwer. Panik macht sich breit. »Was sagtest du, wann du das Manuskript brauchst?«
»Anfang Januar. Dann bekommen wir das alles ohne Zeitdruck hin.«
Ohne Zeitdruck? Wie soll ich das schaffen? So ein Mist! Das ist unmöglich! Mir wird schlecht.
»Laura? Bist du noch da?«
»Nein!«, rufe ich aus, weil nur noch dieses Wort in meinem Kopf existiert.
»Alles in Ordnung bei dir?«
»Nein! Äh, ja, alles in bester Ordnung. Das bekomme ich mit Sicherheit hin.« Das imaginäre Teufelchen auf meiner Schulter lacht bitterböse. Das Engelchen bricht in Tränen aus.
»Du, ich muss jetzt aufhören«, sagt Johanna plötzlich, was mich sehr erleichtert. »Melde dich bei mir! Du musst mich unbedingt auf dem Laufenden halten.«
»Geht klar! Bis bald«, keuche ich ins Handy, lasse mich dann in den Sessel fallen und fange an zu heulen. Das ist nicht mehr auszuhalten! Was habe ich nur angestellt?
Nachdem ich mich wieder gefangen habe, starre ich auf die antike hölzerne Wanduhr, die ich vor einiger Zeit auf dem Trödelmarkt günstig erstehen konnte. Verfluchter Mist! Schon so spät. Johanna hat mich völlig aus dem Konzept gebracht. Meine beste Freundin Jessica kommt nachher noch vorbei. Sie bestand darauf, mich heute mal zu besuchen. Wir sehen uns in letzter Zeit viel zu selten.
Nun muss ich mich aber beeilen, denn ich will unbedingt noch zu meinen Eltern.
Im Bad versorge ich meine Haut mit Creme und gebe einen Klacks Make-up darüber, damit sie die Kälte gut übersteht. Hierbei betrachte ich mich selbstkritisch im Spiegel. Mein haselnussbraunes, glattes Haar war einst lang, aber ich habe es etwas kürzen lassen, sodass es mir jetzt bis zu den Schultern reicht. Es steht mir gut und ich fühle mich wohl damit. In meinem schmalen Gesicht dominieren die moosgrünen Augen, für die ich von den meisten Männern Komplimente bekomme. Doch ich habe derzeit absolut keine Lust, mich auf was Neues einzulassen. Noch ein wenig Fettstift auf die Lippen, dann bin ich startklar. Im Flur ziehe ich mich an und verlasse meine Wohnung.
Etwas später …
Es fällt mir noch immer schwer, meine Eltern zu besuchen. Mich erwartet nicht der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee, der mich schon im Treppenhaus empfängt. Nicht meine Mutter, die mich strahlend an der Wohnungstür begrüßt. Nicht das tiefe Lachen meines Vaters, das so ansteckend war. Mir sind nur Erinnerungen geblieben. Aber Erinnerungen verblassen nach einiger Zeit. Manchmal, wenn es mir richtig schlecht geht, schnuppere ich in der Parfümerie am Lieblingsparfüm meiner Mutter oder am Rasierwasser meines Vaters. Dann schließe ich die Augen und die beiden sind für einen Moment wieder bei mir. So versuche ich, meine Erinnerungen an die Zeit mit ihnen zu konservieren.
Ein Jahr ist es nun schon her, dass die beiden durch einen Unfall ums Leben gekommen sind. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.
Ein dicker Wintermantel, eine Strickmütze und warme Handschuhe schützen mich vor der eisigen Kälte. Kleine Schneeflocken werden durch den Wind aufgewirbelt. Langsam schiebe ich das schwere Eisentor auf, dessen eingerostete Scharniere quietschend protestieren, und betrete das Gelände. Hier auf dem Friedhof ist es immer am schlimmsten. Zu Hause kann ich die dunklen Gedanken verdrängen, aber hier am Grab muss ich mich diesen furchtbaren Dämonen stellen. Hier sehe ich alles wieder vor mir, als wäre es gestern erst passiert.
Meine Eltern besuchten froh gelaunt eine Ballettaufführung in einem Düsseldorfer Theater. Nach einigen Zugaben war es an dem Abend spät geworden. Starker Schneefall hatte eingesetzt, sodass die Taxen schnell besetzt waren. Sie entschieden sich, nicht auf ein freies zu warten, und wollten ihr Glück an der nächsten Bushaltestelle versuchen.
Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnten, war, dass sich zwei junge Männer mit ihren aufgemotzten Karren ein illegales Rennen durch die City lieferten.
Ich frage mich immer, was meine Eltern kurz vor dem Unfall gedacht haben. Was haben sie gefühlt?
Die Sportwagen kamen immer näher. Meine Eltern müssen sie bemerkt haben. Einer der beiden Fahrer verlor kurz vor der Bushaltestelle auf der glatten Straße die Kontrolle über seinen Wagen. Er war viel zu schnell, kam ins Schleudern, überschlug sich mehrmals. Meine Eltern hatten keine Chance.
An der Bushaltestelle standen inzwischen zahlreiche Menschen. Viele von ihnen wurden verletzt. Drei Menschen starben an diesem Abend. Meine Eltern und der achtundzwanzigjährige Fahrer des Wagens.
Über ihn habe ich nicht viel erfahren, nur das, was in der Presse stand. Er hatte seine Mutter in jungen Jahren durch ein Krebsleiden verloren. Und der Vater war Alkoholiker. Welch eine Ironie des Schicksals!
Ich verlasse den breiten Hauptweg, der von großen Eichen gesäumt wird, und schlage den schmalen Nebenweg ein. Da vorne ist es. Vor dem Grab bleibe ich kopfschüttelnd stehen. Das kann doch nicht wahr sein! Es ist schon wieder passiert. Vor dem Grabstein liegt ein Strauß frischer, weißer Lilien. Eine sehr seltsame Sache. Kurz nach der Beerdigung lagen die Blumen zum ersten Mal auf dem Grab. Es sind immer weiße Lilien. Erst habe ich gedacht, dass jemand das Grab verwechselt hat. Dann dachte ich an irgendeinen vergessenen Verwandten. Da blieb nur meine Großtante, die aber auch inzwischen verstorben ist. Ich habe bei der Friedhofsverwaltung nachgefragt, aber niemand weiß, wer sie dort ablegt. Im Blumengeschäft neben dem Friedhof werden die Sträuße auch nicht verkauft. Sogar auf die Lauer habe ich mich schon gelegt, um denjenigen zu ertappen. Ohne Erfolg. Und plötzlich lagen wieder frische Lilien dort. Es bleibt ein Rätsel.
Sorgsam befreie ich den Stein sowie das üppige Adventsgesteck, das ich vor ein paar Wochen aufs Grab gelegt habe, vom Schnee und richte den Strauß etwas auf. So ist es hübsch. Ein Knarzen, das dem eines durchbrochenen Astes ähnelt, lässt mich aufschrecken. Ich drehe mich um, aber da ist niemand zu sehen. Heute ist es besonders ruhig hier. Beinahe schon unheimlich. Die Menschen nutzen den Tag offensichtlich, um sich zum Adventskaffee zu treffen. Ich kehre in mich und trete dann langsam den Rückweg an.
~ Laura ~
Am Nachmittag in meiner Wohnung …
Es klingelt. Ich drücke den Knopf der Sprechanlage. »Hallo?«, frage ich in der Hoffnung, dass es nicht die lästige Nachbarin ist, die ihren Schlüssel mal wieder vergessen hat.
»Ich bin’s … Jessi«, ertönt die Stimme meiner Freundin. »Nun mach schon auf. Ich friere mir den Arsch ab …«
Jessica hat immer einen derben Spruch auf den Lippen. Sie und ich kennen uns schon seit der Schulzeit. Damals haben wir uns geschworen: Beste Freundinnen für immer! Und das haben wir bis heute gehalten. Eigentlich sind wir absolut gegensätzlich. Sie ist die Laute, geht immer forsch voran. Ich bin eher zurückhaltend. Aber Jessi hat das Herz auf dem rechten Fleck, ist immer für mich da, auch in der größten Not.
Grundgütiger! Ich zucke zusammen, als es gegen die Wohnungstür poltert. Kaum habe ich die Tür einen Spalt geöffnet, platzt sie schon herein.
»Süße, ich brauche dringend einen Glühwein!« Warm eingepackt, als hätte sie sich für eine Arktis-Expedition angezogen, rauscht sie an mir vorbei in die Küche. »Ah, das duftet ja verlockend!«, höre ich sie von dort rufen.
»So kalt ist es nun auch wieder nicht«, deute ich, in der Küche angekommen, auf ihre Klamotten.
»Du kennst mich, Kälte ist für mich die Hölle!« Mit den Zähnen zieht sie sich die riesigen Fäustlinge aus, die eher was von Backhandschuhen an sich haben. Dann nimmt sie die flauschige Mütze von ihrem Kopf und entledigt sich des ultralangen Wollschals, den sie zigmal um ihren Hals gewickelt hat.
»Darunter ist ja ein Mensch …«, murmle ich ironisch. »Soll ich dir helfen?«
»Geht schon …«, lehnt sie ab.
Nachdem Jessi sich wie ein Weihnachtsgeschenk ausgepackt hat, gibt sie mir ihre Jacke und nimmt am Küchentisch Platz. Heute trägt sie ihren Lieblingspullover, ein jadegrünes, selbst gestricktes Teil, das beinahe exakt die Farbe ihrer wunderschönen Augen widerspiegelt. Wegen ihrer Kurzsichtigkeit trägt sie eine Brille, Kontaktlinsen hasst sie wie die Pest. Seit Neuestem hat sie ein dezent rosa getöntes Gestell auf der Nase, um welches herum zahlreiche freche Sommersprossen tanzen. Und ihr rotes Haar hat sie von einem Düsseldorfer Starfriseur in einen stylishen Pixie Cut verwandeln lassen, der die Zartheit ihres Gesichts betont. Auch äußerlich sind wir also absolut gegensätzlich.
Jessi starrt auf meine Füße. »Großer Gott! Ist schon Mitternacht? Laura verwandelt sich in einen Werwolf …« Sie macht ein panisches Gesicht und zeigt auf meine Hausschuhe aus braunem Plüsch. »Zu Hilfe! Zu Hilfe!«, setzt meine Freundin noch einen drauf.
Wir lachen beide prustend.
»Das sind echte Monsterkrallen …«, bestätige ich.
»Für einen Moment habe ich gedacht, jetzt ist es aus mit mir!« Sie zwinkert mir zu. »Waren die im Angebot?«
»Die waren ein echtes Schnäppchen«, berichte ich stolz. »Du kennst mich ja, da kann ich nicht widerstehen … Andere Frauen stehen auf High Heels und ich auf kitschige Hausschuhe.«
»Jeder Mensch braucht ein Hobby. Erzähl schon, Süße – wie geht es dir?«, fragt Jessi dann ernst, als ich uns den Glühwein einschenke. »Der duftet aber lecker!«
»Ach, Liebes. Wo soll ich anfangen?«, frage ich, nehme Platz und nippe an der Tasse.
»Am besten ganz von vorn …« Jessi schaut mich erwartungsvoll mit großen Augen an und nimmt auch einen kräftigen Schluck. »O ja, der wärmt mich jetzt richtig durch …«
»Ich dachte …«, zögere ich meine Antwort heraus.
»Was dachtest du?«, lässt Jessi nicht locker.
»Ich dachte, Markus wäre der Richtige. Mein Fels in der Brandung des Lebens …«
»Schätzchen, das hört sich verdammt romantisch an. Aber vergiss es ganz schnell. Dein Leben ist nicht einer deiner schnulzigen Romane.«
»Schnulzige Romane?«, tue ich entsetzt und fasse mir ans Herz.
Meine Freundin grinst. »Du weißt, wie ich es meine … Ich liebe deine Romane«, beteuert sie. »Aber schau der Realität doch mal ins Gesicht. Markus war ein Arsch!«
»Na ja, er hatte auch gute Seiten … Es gab auch schöne Momente.«
»Die kannst du an einer Hand abzählen«, ereifert sie sich. »Sag mal, spinnst du? Der Kerl hat dich nach Strich und Faden betrogen.«
»Du hast gut reden. Du bist glücklich verheiratet …«, flüstere ich und drehe meinen Becher Glühwein hin und her. O Mann, das klang ziemlich neidisch, obwohl ich es gar nicht so meinte. Wie sehr habe ich mich gefreut, als Jessi Benny kennengelernt hat! Beide arbeiteten im Krankenhaus auf derselben Station. Alles ging so schnell. Plötzlich waren sie verheiratet.
»Bei Benny muss ich aufpassen. Ich halte ihn an der kurzen Leine. An der ganz kurzen Leine … Die Konkurrenz ist groß …« Sie zwinkert verschwörerisch. »Wie sieht’s überhaupt aus? Hast du schon einen Neuen an der Angel?«
»Ich habe noch nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet …«
»Solltest du aber. Das Leben ist zu schön, um allein zu sein. Du musst es mit jemandem teilen …«
»Warte mal …« Schnell hole ich einen Zettel aus dem Schrank und schreibe Jessis Worte auf.
»Was zum Teufel machst du da?«
»Das musste ich mir unbedingt notieren. Das Leben ist zu schön, um allein zu sein. Du musst es mit jemandem teilen.« Begeistert strahle ich meine Freundin an. »Das kann ich für meinen neuen Roman gebrauchen …«
»Oh, Laura! Ich meine es ernst. Seit dem Tod deiner Eltern bist du nicht mehr du selbst.« Sie schaut mich traurig an.
Plötzlich fange ich an zu weinen. Alle Dämme brechen. »Ich kann nicht mehr. Alles geht kaputt …«, schluchze ich jämmerlich.
»Schätzchen, das tut mir so leid.« Jessica steht auf und nimmt mich tröstend in den Arm.
»Ich … war … am Grab …«, fahre ich stammelnd fort.
»O Gott, heute vor einem Jahr …«, sagt sie leise. »Das habe ich ganz vergessen. Warum hast du nichts gesagt? Ich wäre doch mit dir gekommen …«
»Da lagen wieder Lilien. Ein frischer Strauß.« Wütend schlage ich mit der Faust auf den Tisch. »Was soll das?«
»Wir haben doch schon ohne Erfolg nachgeforscht.«
»Immer, wenn ich bei ihnen bin, und da dieser Strauß liegt, fühle ich mich verfolgt. Ich habe stets das Gefühl, dass mich jemand beobachtet.«
»Das mit den Blumen muss nichts Böses bedeuten. Niemand legt Blumen auf ein Grab, um dir anschließend etwas anzutun«, antwortet Jessi voller Überzeugung.
»Das ist das Grab meiner Eltern. Ich will bestimmen, was für Blumen dort liegen!«, rufe ich trotzig aus.
»Verständlich …«
»Jetzt kommen die Weihnachtstage. Alles ist so still. Ich werde hier noch verrückt …«
»Weißt du was? Du hast das alles nicht richtig verarbeitet, du brauchst dringend einen Tapetenwechsel«, meint Jessi dann und nickt bestätigend.
»Ich kann jetzt nicht weg.«
»Warum? Du bist doch frei …«
»Johanna macht Druck. Sie braucht den Roman im Januar.«
»Und? Wo ist das Problem?«
»Ich bin noch nicht einmal zur Hälfte fertig, habe gerade eine Schreibblockade.« Tränen kullern über meine Wangen. »Einen absoluten Blackout. Ich komme nicht weiter …«
»Das passt super …«, flüstert sie, eine Hand an ihr Kinn gelegt.
»Was meinst du?«
»Meine Schwiegereltern haben sich doch dieses Ferienhaus am Meer gekauft …«
»Was ist damit?«, frage ich begriffsstutzig.
»Du kannst dort hinfahren …«
»Du weißt doch gar nicht, ob das deinen Schwiegereltern recht ist?«
»Das Haus ist auf jeden Fall frei. Eigentlich wollten Benny und ich dort Weihnachten verbringen. Aber daraus wird nichts. Die liebe Arbeit … Wir haben beide eine zusätzliche Woche Dienst aufs Auge gedrückt bekommen …«
»Ich weiß nicht. Was soll ich im Winter am Meer?«, stelle ich Jessis Idee infrage.
Sie wirbelt mit den Händen herum, als wolle sie sich Luft zufächeln. »Muss ich dir das wirklich sagen? Du bist doch Autorin und besitzt eine rege Fantasie! Stell es dir einfach mal vor … Spaziergänge am Strand, eine wunderbar klare Meeresbrise weht dir ins Gesicht. Dort findest du wieder zu dir, hast deine Ruhe und kannst ungestört den Roman fertig schreiben. Du kannst alles hinter dir lassen …«
»Das hört sich zu gut an, um wahr zu sein … Aber so allein …« Grundgütiger! Geht es mir tatsächlich so schlecht, dass ich dieses Angebot annehmen soll?
»Probier es einfach aus! Was ist schon dabei? Wenn es dir nicht gefällt, kommst du zurück.« Jessi schaut mich mit ihrem Dackelblick an. »Ich schreibe Benny eben eine Nachricht. Er soll mal seine Eltern fragen, ob das okay ist und dir dann die Schlüssel bringen.«
»Die Schlüssel? Wann soll ich denn dort hin?«, frage ich Jessi, während sie die Nachricht in ihr Smartphone tippt. »Wahrscheinlich klappt es sowieso nicht …«, füge ich leise hinzu.
»Sei nicht immer so pessimistisch. Am besten gleich morgen …«, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen.
»Morgen schon?«, rufe ich entsetzt aus.
~ Laura ~
Am nächsten Morgen …
Ich kann es selbst nicht glauben. Ich sitze tatsächlich in meinem Wagen und bin auf dem Weg an die Nordsee. Es ist eisig kalt, aber die Sonne lässt sich immer wieder mal blicken.
Gestern haben Jessi und ich noch eine ganze Weile über das Für und Wider dieser Reise diskutiert. Dann kam die Nachricht von Benny.
Alles okay, meine Eltern würden sich freuen, wenn jemand im Winter da ist und mal richtig durchheizt.
Jessi hat mir sofort beim Packen meines Koffers geholfen. Ich scherzte, dass sie mich wohl schnell loswerden wolle. Sie hat mir Bentrum am Laptop gezeigt. Die belebte Insel im Sommer mit den vielen Menschen, die sich auf der Promenade und am Strand tummeln. Die beschauliche Seite im Winter, ein fast menschenleerer Strand. Letzteres ist der Stoff, aus dem Autorenträume bestehen. Dort werden mir die Gedanken nur so zufliegen, habe ich das Gefühl.
Später kam Benny dann mit einer riesengroßen Pizza vorbei und hat direkt die Schlüssel mitgebracht. Wir haben gegessen und uns unterhalten. Danach hat er mir alles, was das Ferienhaus betrifft, genau erklärt. Die beiden haben es mühelos geschafft, meine trüben Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Mein Abenteuer konnte beginnen.
Etwas später auf der Fähre nach Bentrum …
So ein Mist! Heute habe ich leider Pech. Das Wetter hat sich verschlechtert. An der Küste angekommen, war es richtig winterlich, der Himmel grau und trüb. Es lag Schnee in der Luft. Nun auf der Fähre wabern dichte Nebelschwaden gespenstisch übers Wasser. Trotzdem liegt dieser typische Geruch nach Meer, Salz und Fisch in meiner Nase. Es riecht nach Urlaub. Nachdem ich mir in der Cafeteria der Fähre eine heiße Schokolade gegönnt habe, stehe ich an Deck, um mir die Einfahrt in den Bentrumer Hafen anzusehen. Doch von der Insel ist weit und breit nichts zu entdecken.
»Das ist gar nicht gut für meine Knochen …«, höre ich plötzlich eine tiefe männliche Stimme brummen.
Ich drehe mich um. Hinter mir steht ein älterer Herr in blau-weißer Uniform und einer Kapitänsmütze auf dem Kopf. »Bitte?«, entgegne ich stutzig.
»Die Gicht …«, antwortet er und zeigt auf seinen Körper. »Das Wetter ist Gift für mich.«
»Müssten Sie nicht auf der Brücke sein?«, frage ich erstaunt und schaue ihm ins wettergegerbte Gesicht.
»Um Himmels willen! Wie konnte ich das nur vergessen! Das Schiff läuft schon die ganze Zeit per Autopilot. Jetzt aber schnell!« Er deutet an, sich zur Brücke zu begeben, hält dann aber inne und bleibt stehen. »Hahaha!« Von Lachsalven durchschüttelt und sich den Bauch haltend, winkt der Mann ab. »Ich bin nicht der Kapitän. Ich bin der Henning … Und wir duzen uns hier …«
»Laura«, antworte ich höflich und werde vor Peinlichkeit rot, was man aber durchaus der Witterung zuschreiben könnte.
»Du bist witzig! Eine richtige Landratte …« Er lächelt, wobei sich tiefe Falten um seine blauen Augen graben. Der verschmitzte Ausdruck, der darin liegt, macht ihn außerordentlich sympathisch. Er tritt zu mir an die Reling. »Ich bin stolzes Mitglied im Bentrumer-Shanty-Chor ›Die blau-weißen Inselmatrosen‹«, klärt Henning mich dann auf.
»Ah, deshalb die Uniform …«, tue ich ganz schlau.
»Heute ist die Generalprobe für nächstes Wochenende … « Er fährt sich mit den Fingern durch den Bart. »Immer am 4. Advent findet rund um den alten Leuchtturm der Weihnachtsmarkt statt. Unser Chor darf niemals fehlen. Wir machen so richtig Stimmung …« Er deutet ein Schunkeln an.
»Interessant …«
»Komm doch auch!«, fordert er mich dann auf. »Ich würde mich freuen.«
»Mal sehen …«, weiche ich aus.
»Es gibt auch Backfisch«, meint er dann augenzwinkernd, als wäre dies die pure Verlockung, der niemand widerstehen könnte.
»Das klingt super«, sage ich knapp und ringe mir ein Lächeln ab. »Du lebst also auf der Insel?«, entschließe ich mich zu einem Small Talk.
»Nur noch im Sommer. Im Winter wohne ich bei meiner Tochter auf dem Festland. Wie gesagt, die Gicht plagt meine alten Knochen in der kalten Jahreszeit zu sehr …«, berichtet er und scheint sich über mein Interesse zu freuen. »Wie lange hast du vor, zu bleiben?«
»Ich weiß es noch nicht …«, antworte ich leise und nachdenklich, zucke dann zusammen, als das Horn des Schiffes tutet. Großer Gott, ist das laut! Bisher kannte ich das Geräusch nur aus Filmen. In echt zerstört es einem beinah das Trommelfell.
Henning lacht erneut. »Das hier ist offenbar nicht deine Welt … Landratte, ich sagte es ja … Das ist übrigens nicht bös gemeint, du wirst es auf Bentrum öfter hören … Schau mal! Wir sind gleich da!« Er deutet mit ausgestrecktem Arm hinüber.
Mein Herz klopft schneller, als ich den ersten Blick auf die Nordseeinsel werfe, die nun nicht mehr vom Nebel verschluckt wird.
Das typische Knistern in den Lautsprechern kündigt eine Durchsage an. »Sehr verehrte Passagiere, in Kürze erreichen wir Bentrum! Bitte begeben Sie sich unverzüglich in Ihre Fahrzeuge!«
Jetzt wird es ernst. Ich reiche Henning zum Abschied meine Hand und er schüttelt sie kräftig, als wäre er tatsächlich ein alter Seebär. »War schön, dich kennengelernt zu haben. Auf Wiedersehen!«
»Die Insel ist nicht allzu groß. Vielleicht sieht man sich mal! Und unseren Auftritt auf dem Weihnachtsmarkt nicht vergessen!« Er lässt meine Hand los und hebt den Zeigefinger in die Luft.
»Ich habe es mir gemerkt«, antworte ich mit einem Lächeln.
»Auf Wiedersehen! Und schönen Urlaub!« Er tippt an seine Kappe.
Etwas später …
Nachdem ich im Hafenstädtchen der Insel ein paar Lebensmittel für die ersten Tage gekauft habe, verstaue ich die Taschen im Auto. Hier ist aber alles verdammt teuer, denke ich und schlage die Tür des Kofferraums zu. Ab zu meiner Unterkunft! Ich nehme auf dem Fahrersitz Platz und starte den Motor.