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Eisige Winternächte, der verschneite Wald und ihr geliebtes Landhaus - hier will Kaufhaus-Erbin Sophie Eden sich erholen. Doch als ihre Jugendliebe Jake Wheeler plötzlich vor ihr steht, zittern ihr die Knie. Sophie fühlt sich wieder wie ein verliebter Teenager, während der attraktive Investor ihr mit feurig heißen Küssen den Verstand raubt. In Jakes Armen spürt sie eine Geborgenheit wie sonst nirgends. Aber darf sie ihm deshalb vertrauen, oder geht es ihm doch nur um das Grundstück, auf dem ihr Kaufhaus steht?
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Seitenzahl: 206
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Karen Booth Originaltitel: „A Christmas Temptation“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2112 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Katja Wagner
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733725525
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Der Eden’s Department Store bot eine riesige Auswahl an Waren, aber Sophie Eden begann ihren Arbeitstag immer in der Schuhabteilung. Dort begutachtete sie die Neuware und hielt mit dem Verkaufspersonal ein Schwätzchen. Sie widmete ihrer Inspektionsrunde oft zehn bis fünfzehn Minuten, bevor sie sich in ihr Büro begab. Manchmal probierte sie sogar ein Paar Schuhe an, das neu hereingekommen war. Aber nicht heute. In weniger als einem Monat war Weihnachten, und die Geier kreisten über dem Eden’s. Jetzt war die Arbeit das Wichtigste.
Sie eilte über den breiten Mittelgang durch die Abteilung, vorbei an den Auslagen mit Riemchenpumps und Stilettos unter prächtigen Kristallleuchtern, die von der hohen Kassettendecke hingen. Ihre zierlichen Absätze klapperten auf dem glänzenden weißen Marmorboden. Heute trug sie ein Paar ihrer Lieblingsschuhe: Pumps von Manolo Blahnik mit schmalen Fesselriemchen in weihnachtlichem Rot. Die Farbwahl war kein Zufall. Weihnachten war Sophies liebste Zeit im Jahr, und sie würde versuchen, sie zu genießen. Das würde diesmal schwer genug werden: Es war das erste Jahr ohne Gram – ihre Großmutter, die Gründerin des Eden’s.
Sophie umrundete die Sektion des Kaufhauses, die bei Moderedakteurinnen auf der ganzen Welt als „Schuhhimmel“ bekannt war. In der hinteren Ecke gab es einen Privatfahrstuhl, der Sophie in das Innenleben des Eden’s beförderte. Während ihrer kurzen Fahrt in den ersten Stock atmete sie tief ein. Normalerweise liebte sie ihren Job, aber zurzeit war er von einem Himmel weit entfernt.
„Guten Morgen, Lizzie“, begrüßte Sophie ihre Assistentin. Sie streifte ihren cremefarbenen Wollmantel ab und legte ihn sich über den Arm. Angesichts des ganzen Schmutzes in der Stadt war die Farbwahl albern, aber sie liebte es, wie der Mantel ihr rotes Haar zur Geltung brachte.
Lizzie tauchte hinter ihrem Schreibtisch auf. Sie hatte ein sonniges Gemüt und strotzte vor Energie. Ihr platinblonder Kurzhaarschnitt wirkte heute besonders stachelig. „Guten Morgen, Ms. Eden. Wie geht es Ihnen?“
„Kommt darauf an. Wie sieht mein Tag aus?“
„Sie haben heute Morgen schon drei Präsentkörbe von Bauunternehmern bekommen.“
„Es ist gerade mal neun Uhr.“
„Die Kuriere sind ab acht hier eingefallen.“
Sophie schüttelte den Kopf. So lief es schon den ganzen letzten Monat, seit ihre Großmutter Victoria Eden verstorben war. Jeder wusste, dass Sophie und ihre Schwester Mindy das Eden’s erben würden. Es war ein Anliegen ihrer Großmutter gewesen. Das Eden’s war ein von und für Frauen aufgebautes Unternehmen, und es sollte weiter von Frauen geführt werden, dafür hatte Victoria Eden gesorgt, so gut sie konnte.
Das Testament sollte in der Woche vor Weihnachten verlesen werden. Es wurde nur als Formsache betrachtet. Sophie und Mindy würden das Geschäft erben. Das war auch der Grund für die Flut von Geschenkkörben, Blumen, Anrufen und E-Mails. Jedoch war kaum jemand am Eden’s als Unternehmen interessiert. Sie waren hinter dem Gebäude und dem Grundstück her. Alle nahmen an, dass Sophie und Mindy verkaufen wollten, was auf Mindy auch zutraf. Sophie allerdings wollte genau das Gegenteil.
„Oh, und Ihre Schwester hat angerufen und gesagt, dass sie es heute nicht schafft vorbeizukommen“, sagte Lizzie, während sie Sophie in deren Büro hinterherlief.
„Na toll.“ Sophie machte sich nicht die Mühe, ihren Unmut zu verbergen. Mindy und sie waren sich zurzeit ganz und gar nicht einig. „Ich rufe sie an und frage, was ihr Problem ist.“ Sie setzte sich in ihren extra angefertigten Stuhl aus pfauenblauem Samt mit goldenem Ziernagelsaum, zog ihren Laptop aus der Tasche und legte ihn auf den eleganten Glasschreibtisch. „Sonst noch etwas?“
„Steht alles in Ihrem Kalender. Um vierzehn Uhr haben Sie ein Meeting mit den Abteilungsleitern. Und Reginald kommt gleich vorbei, um die Weihnachtsdeko in Ihrem Büro anzubringen.“
„Ich bin froh, dass ich dann hier bin, um mitzuhelfen.“ Sophie liebte es, für Weihnachten zu dekorieren.
„Glauben Sie, dass Reginald das zulassen wird? Sie wissen doch, wie er ist.“ Lizzie riss die Augen auf. „Ein Kontrollfreak“, flüsterte sie.
„Und ich werde demnächst die Chefin des Eden’s Department Store sein. Außerdem liebte er Gram und weiß, wie nahe wir uns standen.“ Sophie war sich nicht sicher, wer bei der Beerdigung ihrer Großmutter mehr geweint hatte, sie oder Reginald. „Ich bin überzeugt, dass er absolut entgegenkommend sein wird.“
Lizzie ging zur Tür, blieb aber noch einmal stehen. „Oh, fast vergessen. Jake Wheeler hat gestern Abend wieder angerufen. Von ihm ist auch das Obst.“ Lizzie deutete auf das Sideboard hinter Sophies Schreibtisch, auf dem drei kunstvoll in Zellophan gehüllte Körbe standen.
Jake Wheeler. Wie konnte allein die Erwähnung seines Namens sie mit Ärger und Freude zugleich erfüllen? „Hat er eine Nachricht hinterlassen?“
„Hat er. Nämlich, dass es ihm sehr wichtig sei, mit Ihnen zu sprechen.“
„Natürlich. Er ist ein Mann, der gewohnt ist, alles zu bekommen, was er will.“ Sophie schnappte sich den Obstkorb. „Bringen Sie den in den Aufenthaltsraum für die Angestellten. Irgendjemand sollte sich daran erfreuen.“
Lizzie nahm ihr den tonnenschweren Korb ab. „Wollen Sie nicht erst die Karte lesen?“
Nicht wirklich, dachte Sophie. Aber Wissen war Macht, und sie musste erfahren, was Jake Wheeler dachte. Andernfalls würde er für sie ein Rätsel bleiben. Was er schon immer gewesen war. Sie riss den goldumrandeten Umschlag von der Zellophanhülle ab. „Danke, Lizzie.“
„Gern, Ms. Eden. Sie wissen, wo Sie mich finden, wenn Sie etwas brauchen.“
Sophie setzte sich kerzengerade in ihren Stuhl, während sie den Brief öffnete. Was hatte Jake wohl geschrieben? Als sie damals zusammen auf die Uni gingen, war alles, was aus seinem Mund kam, witzig und warmherzig gewesen. Deshalb hatte sie sich von Anfang an zu ihm hingezogen gefühlt. Und wegen seiner unvergesslichen grünen Augen.
Liebe Sophie,
Du kannst meine Anrufe nicht ewig ignorieren.
Irgendwann werde ich zu Dir durchkommen.
Beste Grüße,
Jake
Ein Gefühl wie ein Stromstoß durchzuckte sie. Aus den Nischen ihrer Erinnerung drang Jakes sexy Stimme zu ihr, deren Klang sie förmlich überwältigte. Sie hatte vergessen, wie sie sich dabei fühlte. Eine Welle der Wärme breitete sich in ihrer Brust aus. Sophie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schloss die Augen. Ihre Gedanken wanderten zu dem magischen Moment vor acht Jahren, als er sie zum ersten Mal geküsst hatte. Seine Lippen waren beharrlich gewesen und hatten geheime Fantasien in ihr zum Leben erweckt …
Er hatte sie geküsst und gehalten, als ob es ihm ernst gewesen wäre. Es war wie ein Traum gewesen, der in jeder Hinsicht wahr wurde. Sie hatte zwei Jahre verzweifelt auf diesen Moment gewartet und versucht, die Art von Frau zu sein, auf die er aufmerksam wurde. Dann hatte sie es geschafft.
Wie hätte sie wissen können, dass Jake Wheeler ihr das Herz brechen und ihre Träume in weniger als vierundzwanzig Stunden zerschmettern würde?
Sophie riss die Augen auf, als es an ihrer Tür klopfte.
Lizzie stand mit besorgtem Gesichtsausdruck vor ihr. Ihre Chefin saß normalerweise nicht mit geschlossenen Augen am Schreibtisch. „Ms. Eden? Reginald ist hier.“
Sophie richtete sich rasch auf und kam hinter dem Schreibtisch hervor. „Gut. Super. Guten Morgen, Reginald. Kommen Sie doch herein.“
„Alles in Ordnung?“, murmelte Lizzie.
„Nur ein leichter Kopfschmerz.“
„Guten Morgen, Ms. Eden.“ Reginald, Eden’s Kreativdirektor, schwebte in ihr Büro und beäugte prüfend Wände und Fenster. „Wir werden Ihr Büro in ein glamouröses Winterwunderland verwandeln.“ Reginald war ein kahlköpfiger, spindeldürrer Mann mit dicker Hornbrille, der stets einen Anzug mit Fliege trug. Das heutige Ensemble war marineblau mit fliederfarbenen Nadelstreifen; dazu hatte er eine fliederfarbene Fliege umgebunden. Reginald hielt nichts davon, sich zurückhaltend, gedeckt oder subtil zu kleiden. Was genau der Grund dafür war, dass die Schaufensterauslagen des Eden’s jedes Jahr eine der Hauptattraktionen in der Stadt waren.
Zwei junge Frauen eilten hinter ihm herein, die große, mit glitzernden silbernen und weißen Girlanden überquellende Kartons trugen. Sie stellten sie in ihr Büro und liefen wieder hinaus, vermutlich, um Nachschub zu holen.
„Was haben Sie geplant?“ Sophie betrachtete alles mit einer Mischung aus Vorfreude und Traurigkeit. Die Bürodeko war eine von Grams Traditionen. Sie hatte immer gewollt, dass auch die letzte Ecke des Eden’s von Weihnachtsstimmung erfüllt war. Es half, den anstrengendsten Monat des Jahres erträglich zu machen.
Reginald warf ihr einen zweifelnden Blick zu. „Sie wollen doch wohl nicht hierbleiben, oder? Ich arbeite am besten unbeaufsichtigt.“
Sophie runzelte die Stirn. „Gram haben Sie auch helfen lassen, wenn Sie ihr Büro dekoriert haben.“
„Das war etwas anderes. Sie war die Matriarchin des Geschäfts. Die Königin. Eine unvergleichliche Frau.“
Mehr musste Sophie nicht hören. Ihr waren die Fußstapfen, die ihre Großmutter hinterlassen hatte, sehr wohl bewusst. Sie hatte jeden Tag in ihrem Schatten gelebt und gearbeitet. Sie und Mindy würden irgendwann die Rolle der Matriarchinnen übernehmen, aber sie jetzt schon zu beanspruchen, war nicht richtig. Diese Position konnte man nicht erben, man musste sie sich verdienen. „Verstanden.“
Reginald tätschelte ihr die Schulter. „Vertrauen Sie mir. Sie werden begeistert sein.“ Mit großartiger Geste deutete er auf die Tür. „Und jetzt raus mit Ihnen.“
Sophie schnappte sich ihr Handy und ging in den Flur. Grams Büro lag neben ihrem. Die Tür stand immer noch offen. Sie schaltete das Licht ein. Es wirkte merkwürdig ohne ihre Großmutter. Der rotblonde Bob, bei dem jedes Haar saß, war ihr Markenzeichen gewesen. An einem Tag wie diesem konnte Sophie sie sich in einem maßgeschneiderten Kleid in fröhlichen Farben – vielleicht ein gewagtes Blumenmuster – vorstellen, dazu goldene Armreifen und Diamantohrringe. Sie war immer ein Musterbeispiel glamouröser Perfektion gewesen.
Ihr Büro war ähnlich farbenfroh eingerichtet. Alles lag exakt am selben Platz wie an ihrem letzten Arbeitstag Ende Oktober. Sophie zog sich das Herz zusammen, wenn sie an diesen Tag zurückdachte. Ihr Arbeitstag war stressig gewesen, und sie hatte ihrer Großmutter beim Hinausgehen einfach nur zugewunken. Hätte sie gewusst, dass ihre Gram in der darauffolgenden Nacht im Schlaf an einem Herzinfarkt sterben würde, hätte sie ihr ein letztes Mal gesagt, dass sie sie liebte. Sie wäre zu ihr geeilt, um sie noch einmal zu umarmen.
Sophie schaltete das Licht aus. Sie war noch nicht soweit, Grams Büro zu benutzen. Vielleicht würde sie es niemals sein. Es vermittelte ihr nur ein Gefühl von Traurigkeit und Unzulänglichkeit. Die Leute, die daran vorbeiliefen, würden merken, dass die Frau hinter dem Schreibtisch nicht die Autorität ihrer Vorgängerin besaß.
Also setzte sie sich in eine leere Arbeitsnische hinter dem Empfangsbereich. Sie wählte die Nummer ihrer Schwester Mindy, die sofort abnahm. „Lizzie sagte, dass du heute nicht kommst. Warum nicht?“
„Weil wir Dezember haben, einer unserer Hochgeschwindigkeitsdrucker kaputt ist und mein Team damit kämpft, alle Aufträge zu erledigen. Ich habe keine Zeit für das Eden’s.“ Mindy besaß ihr eigenes erfolgreiches Unternehmen, By Min-vitation Only, einen Onlineshop für individuelle Grußkarten. „Jeder will seine Weihnachtskarten haben, am besten schon gestern. Es geht hier zu wie im Tollhaus.“
„Oh, okay. Verstehe.“
„Jetzt hör dich nicht so enttäuscht an, Sophie. Du wusstest, dass ich nicht einfach alles stehenlassen und noch mehr Verantwortung übernehmen kann. Ich weiß ja zu schätzen, dass du das Eden’s leitest, bis Grams Testament verlesen ist. Aber du musst dich mit unserer Lage abfinden.“
„Und wie genau sieht die aus?“ Sophie schlug die Beine übereinander und schielte auf ihre roten Pumps. Gott, sie liebte diese Schuhe. Mr. Blahnik war ein Genie.
„Ich bin zu beschäftigt, um im Eden’s mitzuarbeiten. Heute ist es Weihnachten, aber danach kommen Silvester und der Valentinstag. Ich habe keine Zeit übrig und werde mein Unternehmen nicht vernachlässigen. Dafür habe ich zu hart gearbeitet.“
Sophie verstand das Dilemma ihrer Schwester. Sie wünschte nur, es wäre anders. Jetzt, wo Gram nicht mehr da war, um Ratschläge zu erteilen und Probleme zu lösen, fühlte sie sich ständig überfordert. Und allein.
„Das Eden’s ist verloren, Sophie“, fuhr Mindy fort. „Es wird dir viel besser gehen, wenn du es einfach zugibst.“
„Das ist es nicht. Und Gram hat das auch nicht geglaubt. Wir kriegen das hin. Unser Gewinn ist im letzten Quartal um zwei Prozent gestiegen.“
„Und meiner um zwanzig.“
Reib’s mir noch unter die Nase. „Verstehe, Mindy. Aber dies ist unser Familienunternehmen.“
„Ich bin Familie. Und ich habe ein Unternehmen. Glaub mir, sobald das Testament verlesen ist, sollten wir das Eden’s an den Meistbietenden verkaufen und das Geld einstecken. Dann arbeitest du für mich, und wir können uns zurücklehnen.“
Bei Mindy hörte sich alles so einfach an. Aber sie hatte ihrer Großmutter ja auch kein Versprechen gegeben. Sie hatte nicht die letzten drei Jahre damit verbracht, von ihr zu lernen, zu wachsen und jeden Tropfen ihrer Genialität aufzusaugen. „Ich bin bis nach Weihnachten nicht bereit, darüber zu reden. Das gehört sich nicht.“ Sophie verließ ihre Nische und lief auf Zehenspitzen zu ihrer eigenen Bürotür, um einen Blick durch den Spalt zu erhaschen.
Reginald eilte sofort herbei. „Oh nein, kommt nicht infrage.“ Er schlug ihr die Tür vor der Nase zu.
„Na schön.“ Mindy klang ungeduldig. „Aber wirst du wenigstens Jake Wheeler anrufen und dir seine Vorschläge anhören? Der Mann ist absurd hartnäckig. Er ruft mich zweimal am Tag an.“
Da war er wieder – dieser Name. „Ich weiß. Er hat mir einen Obstkorb geschickt.“
„Er ist wahnsinnig reich, Sophie. Und er spricht so liebevoll von dir, dass man glauben könnte, er wäre dein Ex-Freund.“
Sophie lehnte sich gegen die Wand. Ihre Augen verengten sich, und sie presste kurz die Lippen zusammen. „Du weißt, dass dem nicht so ist.“
„Oh, ich weiß. Ich kenne die Geschichte. Er ist der, der sich aus dem Staub gemacht hat, nachdem du ihn endlich hattest.“
Sophie schüttelte den Kopf. „Nein. Er ist die Schlange, die durch den Staub davongekrochen ist. Und überhaupt hatte ich ihn nicht.“ Nur eine einzige, unglaublich heiße Nacht voller Hingabe.
„Egal. Ruf ihn an!“
„Ich denke darüber nach.“ Sophie wusste, dass sie es nicht tun würde. Es lag viel Weisheit in dem Spruch, nicht an alten Wunden zu rühren. Er hatte sie verletzt. Schlimm sogar. Das würde sie ihm niemals verzeihen.
„Beeil dich damit. Ich würde ihn gern von meiner To-do-Liste streichen.“
Sophie schnaubte. Jake Wheeler hatte zwei Jahre auf ihrer To-do-Liste verbracht. Und das bereute sie immer noch zutiefst.
Zugegeben, Beileidsbekundungen waren nicht Jake Wheelers Stärke. Er hatte es stets viel einfacher gefunden, traurige Zeiten zu beschönigen und schöne zu genießen. Nach drei unbeantworteten Anrufen, einer Beileidskarte und einer Spende für eine Benefizorganisation ihrer Großmutter, die allesamt unkommentiert geblieben waren, war er nun sicher, dass Sophie Eden von seinen Bemühungen nicht sonderlich beeindruckt war.
Audrey, Jakes Angestellte, meldete sich. „Mr. Wheeler, Ms. Edens Assistentin ist dran.“
Jake nahm ab. „Lizzie, ich fürchte, wenn wir weiter so viel Zeit am Telefon miteinander verbringen, wird man einen falschen Eindruck von unserer Arbeitsbeziehung bekommen.“
„Sir? Sie erinnern sich an meinen Namen?“
„Wie könnte ich das nicht? Telefonieren wir nicht schon zum vierten oder fünften Mal?“
„Ich bin nicht sicher, Sir. Wahrscheinlich zum fünften Mal.“
„Dann nehme ich an, dass Sie wissen, wieso ich anrufe.“ Jake lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute aus dem Fenster seines Büros im zehnten Stock des luxuriösen Hochhauses am Bryant Park Nr. 7. Er hatte einen Wahnsinnsausblick auf die öffentliche Bibliothek von New York und andere bedeutende Gebäude in Manhattan, aber den auf den Namensgeber dieses Hauses mochte er am liebsten. Das normalerweise friedliche Grün des Bryant Parks war im Moment von einem Weihnachtsmarkt mit Verkaufsbuden, Musik und Eislaufbahn besetzt worden. Jake konnte den Januar gar nicht abwarten, wenn all das wieder verschwunden war.
„Das tue ich. Und es tut mir sehr leid, aber Ms. Eden ist zurzeit nicht abkömmlich.“
„Können Sie mir wenigstens sagen, wann sie wieder zurück ist?“
„Sie ist die ganze Zeit hier, Mr. Wheeler. Aber ihr Terminkalender ist voll und ändert sich ständig. Es ist Dezember. Sie führt eins der größten Kaufhäuser von Manhattan. Sie verstehen sicher, dass sie sehr beschäftigt ist.“
„Natürlich.“ Jake trommelte mit seinem Stift auf dem Schreibtisch herum. „Hat sie den Obstkorb bekommen?“
„Das hat sie. Und sie war so großzügig, ihn der Belegschaft zu schenken. Alle haben sich sehr darüber gefreut. Vielen Dank.“
Jake war sich nicht sicher, was er noch tun konnte, um Sophie zum Zurückrufen zu bewegen. Es gab keinen vernünftigen Grund, warum sie ihn mied. Ihr letzter Kontakt bei ihrem Uniabschluss war Jahre her und absolut angenehm verlaufen. Sie hatten beide beschlossen, ihre kurze Verbindung dort zu lassen, wo sie hingehörte – in der Vergangenheit.
„Aber zurzeit ist sie nicht da?“ Er ließ seine Stimme absichtlich misstrauisch klingen. Es war fast Feierabend. Wenn Sophie zu beschäftigt war, um ans Telefon zu gehen, musste sie noch im Büro sein.
„Tut mir leid, aber zurzeit ist sie nicht verfügbar.“
Jake war sich nicht sicher, was das bedeutete. Aber ihm war klar, dass er abgewimmelt wurde. „Na schön. Ich würde gern eine Nachricht hinterlassen. Mein Name ist Jake Wheeler und meine Nummer ist …“
„Ms. Eden hat Ihre Nummer.“
Jake unterdrückte ein frustriertes Knurren. „Bitte erinnern Sie sie daran, dass es sehr wichtig ist. Ich muss mit ihr sprechen.“
„Das weiß sie, Sir. Ich habe jede Ihrer Nachrichten persönlich überbracht.“ Angesichts seines Tonfalls verlor Sophies Assistentin offenbar langsam die Geduld. So viel hatten Sie gemeinsam.
„Toll. Danke.“ Jake legte auf, noch frustrierter als vorher. Er musste Sophie dazu bringen, mit ihm zu reden. Ihn zu treffen. Er war Partner eines exklusiven Investmentkonzerns, des War Chest, der sich nur den lukrativsten Geschäften widmete. Der Konzern wurde von dem Finanzier Jacob Lin geleitet, die anderen Mitglieder waren die Hoteliers Sawyer und Noah Locke sowie der Immobilienmakler Michael Kelly. Als Jake nach dem Tod von Sophies Großmutter das Eden’s als neues Zielobjekt vorschlug, hatten alle zugestimmt. Er hatte ihnen versichert, dass er durch Sophie leichten Zugang haben würde. Das hatte er zumindest noch vor einem Monat gedacht. Auf der Uni waren sie beste Freunde gewesen. Und für kurze, aber denkwürdige vierundzwanzig Stunden auch mehr.
„Audrey?“, rief er in die Leere seines Büros hinein.
In Sekunden erschien seine Assistentin in der Tür. Audrey war penibel, hyperorganisiert und sehr eigenwillig. „Sir, ich finde wirklich, dass es zu spät für Kaffee ist.“
„Ich brauche keinen Kaffee. Haben Sie irgendeine Idee, wie man eine Frau dazu bringt, zurückzurufen?“
„Schmuck. Blumen. Pralinen. Eine Liebeserklärung.“
Jake schüttelte den Kopf. „Nichts dergleichen. Es ist geschäftlich.“
„Also nichts Romantisches?“
Daran war nicht zu denken. Sophie und er blieben besser beim Geschäftlichen, so viel war sicher. „Nicht vorsätzlich romantisch, aber Ms. Eden weiß die schönen Dinge des Lebens zu schätzen, falls das hilft.“
Audrey nickte. „Aha. Die unromantische Empfängerin Ihres Obstkorbs.“
„Genau.“
„Und das hat nichts gebracht? Wer mag denn keine Obstkörbe?“
„Ich habe keine Ahnung.“
„Blumen?“
„Ist das nicht ein Klischee?“
„Nicht, wenn Sie eine unglaublich große Menge ihrer Lieblingsblumen kaufen und persönlich damit auftauchen.“
Jake zog die Augenbrauen hoch.
„Das hat mein Mann gemacht, als er um meine Hand anhielt.“
„Ich will um niemandes Hand anhalten.“
„Aber Sie wollen eine Frau dazu überreden, ihre Firma zu verkaufen, und das, nachdem das Familienoberhaupt erst vor ein paar Wochen verstorben ist. Vielleicht ist eine große Geste da angebracht.“
„Ausgezeichnetes Argument.“
„Irgendeine Ahnung, was ihre Lieblingsblumen sind?“
Jake erinnerte sich an ein Dinner bei einem Professor, bei dem Sophie eine Bemerkung über den Blumenschmuck gemacht hatte. „Rosen, aber nicht die aus dem Gewächshaus. Ich glaube, sie fangen mit F an.“
„Freilandrosen?“
„Genau die. In Rosa.“
„Bin schon dran.“
„Danke, Audrey.“ Jake lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wandte sich wieder den Sehenswürdigkeiten der Stadt zu. Der Himmel hatte sich verdunkelt, und leichter Schneefall setzte ein. Er bezweifelte, dass Blumen ihm den Weg ebnen würden. Aber er musste etwas tun. Mehrere Investoren und Bauunternehmer umwarben Sophie und ihre Schwester bereits. Sein Vorschlag würde viel besser persönlich überbracht funktionieren, besonders, wenn er Sophie allein erwischte. Sie hatte ihre taffe Fassade immer abgelegt, wenn sie nur zu zweit gewesen waren.
Bilder von Sophie blitzten durch seinen Kopf – ihr üppiges rotes Haar, ihre vollen Lippen. Wie ihre braunen Augen golden aufblitzten, wenn sie lächelte. Jede Erinnerung an sie war schöner als die vorige. Auf der Uni hatten sie sich vom ersten Moment an zueinander hingezogen gefühlt. Sie lachte über seine Witze und flirtete wie verrückt mit ihm. Die spontane Chemie zwischen ihnen war unübersehbar gewesen. Unter anderen Umständen hätte Jake sie gleich am ersten Abend mit nach Hause genommen.
Doch er hatte darauf bestanden, ihre Beziehung platonisch zu halten, auch wenn das an einigen Tagen übermenschliche Kraft kostete. Er wollte sie, das stand außer Frage. Aber Jake wusste auch, wie brutal die nächsten zwei Jahre werden würden. Er konnte es sich nicht leisten, dass eine Mitstudentin stinksauer auf ihn war, weil er sie erst verführt und dann abserviert hatte, bevor es zu ernst werden konnte. Denn das tat er jedes Mal. Seine einsetzende Panik, wenn eine Frau ihm zu nahe kam, war echt. Der Teil seiner Vergangenheit, der diese Reaktion hervorrief, war nicht auszulöschen.
Doch die Nacht, in der sie ihrer gegenseitigen Anziehungskraft erlagen, war magisch gewesen. Zwei Jahre des Wartens und Widerstehens hatten das Nachgeben umso schöner gemacht. Sie hatten stundenlang in der Bibliothek gelernt, um sich auf ihr Abschlussexamen vorzubereiten. Erschöpft hatte er Sophie gefragt, ob sie noch ein Bier trinken gehen wollten. Als sie merkte, wie spät es war, hatte sie ihn zu sich eingeladen.
„Meine Mitbewohnerin ist verreist, und ich muss ihre Katze füttern. Das arme Ding ist bestimmt schon am Verhungern. Komm mit zu mir, okay?“
„Ist gut. Ich kann eh nicht mehr lernen.“
Nachdem die Katze gefüttert war, setzten sie sich auf die Couch und tranken Bier. Bis heute konnte er sich an den Moment erinnern, als er sich entschied, sie zu küssen. Sie hatte ihr wunderschönes rotes Haar hochgebunden. Als sie über einen seiner albernen Witze lachte, rutschte ihr Pferdeschwanz zur Seite. Sie zog an dem Band, und das Haar fiel ihr auf die Schultern. Vielleicht war er müde. Oder es war das Bier. Er wusste nur, dass er sie nach fast zwei Jahren des Wartens endlich küssen musste.
Also tat er es.
Keine Frau hatte ihn je so hingebungsvoll geküsst wie Sophie. Ihre Lippen waren watteweich, ihr süßer Duft betörend und ihre Hände überall. Bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte sie ihm das Hemd über den Kopf gezogen und ihn auf die Couch gedrückt. Sie legte sich auf ihn und machte ihn verrückt vor Verlangen.
Der Moment, als sie ihn an die Hand nahm und in ihr Schlafzimmer führte, war nahezu unwirklich. Er hatte sich oft vorgestellt, wie es mit Sophie sein würde. Aber sie war auch die einzige Frau, mit der er nicht nur eine Freundschaft hatte aufbauen, sondern auch aufrechterhalten können. Kurz überlegte er, ihr zu sagen, dass es keine gute Idee wäre, miteinander zu schlafen. Doch in dem Moment, als sie ihr Top auszog und ihr grandioses rotes Haar ihr über die Schultern fiel, war er geliefert.
In jener Nacht liebten sie sich dreimal. Sie duschten sogar am nächsten Morgen zusammen. Schon allein das hätte ihn überzeugen sollen, dass Sophie vielleicht diejenige war, für die sich der nächste Schritt lohnte. Aber als klar wurde, dass sie darüber reden mussten, wie es mit ihnen weitergehen sollte, war er, wie üblich, in Panik geraten.
„Weißt du, Sophie, letzte Nacht war unglaublich, und ich werde mich immer daran erinnern. Aber wir sind so gute Freunde und wollen es beruflich noch so weit bringen. Ich finde, es wäre das Beste, so zu tun, als hätten wir einfach ein bisschen Dampf abgelassen.“
Er wusste, sie hatte etwas Besseres verdient. Sophie zog ihren Morgenmantel fest um sich zusammen und nickte mit gezwungenem Lächeln.
„Oh, klar. Zwei Freunde, die kurz was miteinander hatten, oder? Passiert doch ständig.“