Entführt – zwei Kinder in Gefahr - Eva-Maria Horn - E-Book

Entführt – zwei Kinder in Gefahr E-Book

Eva Maria Horn

5,0

Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. »An ihrer Stelle würd' ich Janus heute nicht reiten, Marie-Luise.« Der Besitzer des Pferdeshofes musterte die junge Dame voll Wohlwollen. In ihren abgetragenen ­Jeans, dem blauen Pullover, der lang war und gammelig wirkte, sah sie keineswegs aus sie die berühmte Schauspielerin des Theaters, von der jeder sprach. »Ich war gestern abend im Theater, Marie-Luise. Meine Frau und ich waren begeistert.« »Warum soll ich Janus nicht reiten? Ist etwas mit ihm?« Er sah sie beinahe jeden Tag, aber immer wieder begeisterte ihn ihre Schönheit. Ihr Gesicht war makellos, jetzt ohne jedes Make­up, ihr Haar war wie flammendes Kupfer, aber jetzt hockte Angst in ihren grünen Augen, die so leuchten konnte, daß man sich mitfreuen mußte, selber wenn man noch so mißmutig war. »Er ist nicht krank«, beruhigte er sie rasch und ließ wohlgefällige Blicke über ihre Figur fallen. Sie war wirklich eine Rassefrau, nur leider nicht die seine. Sie gehörte zu den Frauen, die zu allen freundlich waren, ihre Kameradschaftlichkeit rühmten alle, sie hatte keine Starallüren und noch nie hatte man ihren Namen mit einer Affäre verbunden. »Warum soll ich ihn nicht reiten?« »Weil er heute morgen ausgerastet ist. Er hat sich auf der Weide mit dem Schimmel vom Professor angelegt und den Kürzeren gezogen. Ich habe ihn sofort in die Box gebracht, aber er schnaubt noch immer.« Ihr herzförmig geschnittener Mund verzog sich amüsiert. »Er ist ein stolzer Mann, er kann nun mal nicht vertragen, wenn er verliert. Aber reiten werde ich ihn trotzdem.

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Mami Classic – 31 –

Entführt – zwei Kinder in Gefahr

Eva-Maria Horn

»An ihrer Stelle würd’ ich Janus heute nicht reiten, Marie-Luise.« Der Besitzer des Pferdeshofes musterte die junge Dame voll Wohlwollen. In ihren abgetragenen ­Jeans, dem blauen Pullover, der lang war und gammelig wirkte, sah sie keineswegs aus sie die berühmte Schauspielerin des Theaters, von der jeder sprach. »Ich war gestern abend im Theater, Marie-Luise. Meine Frau und ich waren begeistert.«

»Warum soll ich Janus nicht reiten? Ist etwas mit ihm?«

Er sah sie beinahe jeden Tag, aber immer wieder begeisterte ihn ihre Schönheit. Ihr Gesicht war makellos, jetzt ohne jedes Make­up, ihr Haar war wie flammendes Kupfer, aber jetzt hockte Angst in ihren grünen Augen, die so leuchten konnte, daß man sich mitfreuen mußte, selber wenn man noch so mißmutig war.

»Er ist nicht krank«, beruhigte er sie rasch und ließ wohlgefällige Blicke über ihre Figur fallen. Sie war wirklich eine Rassefrau, nur leider nicht die seine. Sie gehörte zu den Frauen, die zu allen freundlich waren, ihre Kameradschaftlichkeit rühmten alle, sie hatte keine Starallüren und noch nie hatte man ihren Namen mit einer Affäre verbunden.

»Warum soll ich ihn nicht reiten?«

»Weil er heute morgen ausgerastet ist. Er hat sich auf der Weide mit dem Schimmel vom Professor angelegt und den Kürzeren gezogen. Ich habe ihn sofort in die Box gebracht, aber er schnaubt noch immer.«

Ihr herzförmig geschnittener Mund verzog sich amüsiert.

»Er ist ein stolzer Mann, er kann nun mal nicht vertragen, wenn er verliert. Aber reiten werde ich ihn trotzdem. Auf Janus’ Rücken erhole ich mich am besten. Ich bin nämlich total erledigt, Werner. Nach der Premiere mußte ich den ganzen Rummel des Empfangs über mich ergehen lassen. Sie ahnen ja gar nicht, wieviel Ratsherren glaubten, etwas sagen zu müssen. Vor lauter Langeweile habe ich viel zu viel Sekt getrunken.«

»Nehmen Sie mein Pferd, Marie-Luise«, versuchte er, sie zu überreden. Als sie energisch ihren Kopf schüttelte, seufzte er resigniert.

»Sie und Janus passen wirklich zusammen. Sie sind genauso eigensinnig wie er. Ich helfe Ihnen, ihn zu satteln, und werde ihm meine Meinung über sein schlechtes Benehmen in die Ohren blasen. Sie gehen viel zu sanft mit dem Kerl um.«

Sie lachte glockenhell, warf das Haar, das sie in einem dicken Zopf auf dem Rücken trug, schwungvoll zurück und strich eine vorwitzige Strähne mit anmutiger Bewegung am Ohr zurück.

Nicht die kleinste Bewegung entging ihm. Er war in diese junge Frau bis über beide Ohren verliebt. Und das Gute war, seine Frau war nicht im mindesten eifersüchtig. Nicht, weil sie ihm vertraute, sie vertraute Marie-Luise Wagner. Niemals würde sie in einen Ehe einbrechen, niemals mit einem Mann spielen.

Sie war eben eine ganz besondere Frau, und er durfte sie bewundern.

»Ich bin den Umgang mit schwierigen Männern gewöhnt. Vergessen Sie nicht, daß ich am Theater bin. Mein Partner benimmt sich oft wie die empfindlichste Diva.«

Sie betraten zusammen die Box. Marie-Luise schlang ihren Arm um Janus’ Hals und flüsterte in sein Ohr. Werner legte die Decke über Janus’ Rücken und warf den Sattel darüber.

Geputzt habe ich ihn schon. Als ich ihn von der Weide holte, war er pitschnaß. Ist ja gut, Janus. Bist ein Braver. Aber wenn du boxt und dein Frauchen ärgerst, bekommst du es mit mir zu tun.«

»Er versteht jedes Wort, Werner!« Marie-Luise lachte glücklich. »Nur Geduld, ich habe natürlich etwas für dich.« Sie schob den Pferdekopf sanft zur Seite, und Janus roch die Köstlichkeit, die in der ausgebeulten Hosentasche steckte, natürlich. Marie-Luise schmiegte glücklich ihr Gesicht an den schönen Pferdekopf. Mit weichen Nüstern schleckte das Tier die Möhren und Apfelstückchen aus ihrer Hand. »Genug jetzt. Den Rest bekommst du, wenn du brav gewesen bist.«

Werner sah den beiden nach. Pferd und Reiterin schienen zu einem Ganzen verschmolzen zu sein.

»Sie kann reiten«, murmelte er vor sich hin und beobachtete sie so lange, bis sie hinter dem Hügel verschwanden.

Marie-Luise verschwendete nicht einen Gedanken an ihren Reitlehrer, sie dachte nicht einmal mehr an ihre Arbeit, nicht an das Drehbuch, das auf ihrem Schreibtisch lag. Sie spürte den warmen, kraftvollen Körper des Pferdes unter sich, sie saß locker im Sattel und hielt die Zügel lose in den Händen. Dicht über ihrem Kopf flogen die tief herabhängenden Zweige der Bäume vorüber, die Sonne schimmerte durch das dichte Laub, sie sah ein Stücklein Himmel und spürte, wie alle Hektik, aller Ärger von ihr abfielen. Sie war einfach glücklich.

Sie sah das Auto, das aus dem Seitenweg kam, erst im letzten Augenblick. Wie ein boshafter Schatten war es vorüber, bevor sie es richtig wahrgenommen hatte.

Aber Janus warf die Hufe hoch, als müßte er eine formvollendete Levarde machen, kam auf den Boden zurück und stieg noch einmal, alles so schnell, so hastig, daß Marie-Luise, die im Glücksrausch gefangen war, im hohen Bogen aus dem Sattel fiel und auf dem weichen Waldboden landete.

»Hoppla«, das war das erste, was Marie-Luise sagte, während sie sich die schmerzhafte Kehrseite rieb. »Da bin ich doch tatsächlich aus dem Sattel geworfen. Ist mir ja schon lange nicht mehr passiert.«

Sie war eher verdutzt als verärgert, zumal sie spürte, daß sie nur ein paar blaue Flecken abbekommen hatte. Sie schmunzelte, als sie Janus sah, der wie ein reuiger Sünder zurückkam, den Kopf tief gesenkt, als wüßte er genau, daß er sich nicht gut benommen hatte. Das schöne Tier schnaubte dicht über ihrem Kopf, blies ihr seinen warmen Atem über das Gesicht, knabberte sogar an ihren Haaren, als wüßte er nicht, was er tun sollte, um Verzeihung er erlangen.

»Du bist mir ein guter Freund«, schalt das Mädchen ihn zärtlich. »Kannst von Glück sagen, daß ich auf dem weichen Waldboden gelandet bin. Laß das, Janus, du bist doch kein Hund, der seibert.«

Sie schob den Kopf zurück und wollte aufstehen, als sie etwas Braunes zwischen den Blättern liegen sah. Sie nahm das Etwas vorsichtig in die Hand und drehte es.

Es war eine Brieftasche. Dick gefüllt war sie. Die Farbe konnte man nicht mehr erkennen, es war eine Tasche, die oft in die Hand genommen worden war, abgegriffen war sie und unansehnlich von der Zeit geworden. Rührung flog über Marie-Luises Herz. Ganz plötzlich dachte sie an ihren Vater, der sich auch nicht von Dingen, die ihm lieb geworden waren, trennen konnte. Seine Brieftasche sah ähnlich aus, ebenso seine Hüte, seine Geldbörse, ja auch seine Anzüge, wenn nicht Marie-Luises Mutter darauf achtete und auf Ordnung hielt.

Vorsichtig klappte sie die Brief­tasche auf. Sie war angefüllt mit Geldscheinen und Fotografien. Und hier steckte auch der Personalausweis.

Noch immer auf dem Boden sitzend, studierte sie ihn. Janus hatte offensichtlich das Gefühl, genug Abbitte geleistet zu haben. Er knabberte zufrieden an den Blättern einer Birke und ließ sich die saftiges Nahrung schmecken.

Max Gilberg.

Die Geldscheine zählte sie nicht nach. Aber die Adresse studierte sie genau.

Weidenweg 11.

Mit einem Satz sprang Marie-Luise auf die Füße. Sie mußte dem Mann die Brieftasche unbedingt vorbeibringen. Er vermißte sie ganz sicher. Man durfte ihn auf keinen Fall länger warten lassen.

Sie rieb noch einmal mit schmerzverzogenem Gesicht über ihren verlängerten Rücken und war froh, nichts gebrochen zu haben. Sie schimpfte liebevoll auf Janus. »Willst du wohl die Blätter hängen lassen? Du bist wirklich ein verfressenes Tier. Komm jetzt. Und daß du mir brav bist, sonst wird du von Werner heute abend auf halbe Ration gesetzt.«

Im flotten Galopp durchquerte sie den Wald, auf der Straße zügelte sie das Pferd zu einer ruhigen Gangart. Janus paßte das nicht, er liebte den weichen Waldboden unter den Hufen. Er mochte es überhaupt nicht wenn die Autos so nahe an ihm vorbeisausten. Aber er muckte nicht auf, seine Herrin brauchte die Zügel gar nicht so streng zu halten.

Marie-Luise wußte, wo der Weidenweg war. Sie fand auch das Haus sofort und wunderte sich nicht einmal darüber, daß es das Haus eines Kollegen war, der jetzt in Bremen spielte. Er hatte es günstig an einen Werbefachmann verkauft! Wie klein doch die Welt ist, wunderte sie sich, während sie vom Pferd sprang und Janus an einen Baum band. Hier würde er kein Unheil anrichten können. Auf die Straße konnte er nicht, und der Garten verdiente seinen Namen nicht.

Das Haus sah aus, wie Marie-Luise es in Erinnerung hatte. Strohgedeckt war es, in den Fenstern, die bis zum Boden reichten, spiegelte sich die Sonne.

Die blaugestrichene Haustür war weit geöffnet. Lärm drang heraus.

Zögernd ging Marie-Luise über die Schwelle. Mit großen Augen sah sie auf das Durcheinander, das unbeschreiblich war.

Auf dem honigfarbenen Parkett türmten sich Kartons, Mäntel lagen darüber, eine Bücherkiste war halb ausgepackt.

Die Türen zu den Zimmern waren weit geöffnet. Als sie zum letzten Mal hier zu Gast gewesen war, hatte sie formschöne, kostbare Möbel bewundert.

Sie ging dem Lärm nach, der aus der Küche kam.

»Bring’ den verdammten Hund raus«, brüllte der Mann, der sich mit beiden Händen die Haare raufte, die ihm ohnehin zu Berge standen. »Steht da nicht rum wie die Ölgötzen. Seht euch mal die Schweinerei an. Das ganze Geschirr hat dieser verdammte Hund mit seinem lächerlich langen Schwanz heruntergefegt. Wer soll denn das Durcheinander beseitigen? Ich natürlich. Auf mir bleibt ja alles hängen.«

Das Durcheinander war grauenhaft. Aber trotzdem flog Marie-Luise ein Lachen an.

Inmitten der Scherben standen zwei Jungen, die die blonden Köpfe gesenkt hielten, zwischen sie drängte sich ein Bernhardiner, der ebenso schuldbewußt wirkte wie die Kinder.

Der Hund bemerkte sie zuerst. Er bellte, hob seinen dicken Kopf und sah sie mit seinen Knopfaugen argwöhnisch an.

»Sie schickt der Himmel«, stöhnte der Mann. Über sein abgespanntes, nervöses Gesicht flog Erleichterung. »So schnell habe ich Ihr Kommen nicht zu hoffen gewagt. Rennen Sie um Himmels willen nicht wieder davon, weil Sie das Durcheinander sehen. Dieser Hund ist genauso mit den Nerven am Ende wie wir alle.«

Sie hatte die Brieftasche mit einer mechanischen Bewegung auf den Tisch gelegt und lächelte verlegen.

»Ich…«

»O nein, bitte nicht, sagen Sie nicht, daß Sie gleich wieder gehen müssen. Der Möbelwagen kam erst gestern abend spät. Und heute morgen ist meine Schwester gestolpert, und ich mußte sie ins Krankenhaus bringen. Natürlich war der verflixte Köter daran schuld.«

In beide Kinder kam Leben.

»Stimmt nicht«, riefen sie beide wie aus einem Mund. Ganz entrüstet musterten sie ihren Vater. Marie-Luise schloß die beiden Jungen spontan ins Herz. Beide legten ihre Hand auf den dicken Hundekopf, der aussah, als wußte er genau, daß von ihm die Rede war. »Dagobert hatte sich doch nur vor ihre Tür gelegt, und da ist sie über ihn gestolpert. Wenn sie die Augen aufgemacht hätte, dann hätte sie ihn gesehen. So klein ist er nun wirklich nicht.«

Bevor der Mann eine giftige Bemerkung machen konnte, nickte Marie-Luise zustimmend.

»Er ist wirklich nicht zu übersehen. Wenn ihr gestern erst eingezogen seid, muß er sich natürlich noch fremd fühlen.«

Der Mann strich mit einer nervösen Bewegung über sein Gesicht. Es war ein schmales, markantes Gesicht, mit dem die dunk­len Haare mit den grauen Schläfen gut harmonierten. Als gut aussehend konnte man ihn im Augenblick allerdings nicht bezeichnen. Der Mann schien mit seinen Nerven am Ende zu sein.

»Ich bin froh, daß Sie Verständnis haben«, beeilte er sich zu sagen. »Ich kann Ihnen zur Begrüßung nicht einmal einen Kaffee anbieten. Die Kaffeemaschine ist noch nicht ausgepackt, und das Geschirr, das wir gestern abend benutzten, liegt auf dem Boden«, setzte er erschöpft hinzu.

»Dann haben Sie also noch nicht gefrühstückt?«

»Wir haben Sprudel getrunken und Brötchen gegessen«, beeilten sich die Kinder zu versichern. »Papa mußte ja Tante Pat ins Krankenhaus bringen.«

Bis zu diesem Augenblick hatte er sie kaum angesehen, er war viel zu sehr mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt. Aber ihr Lächeln, das Mitleid und Verständnis verriet, teilte sich ihm auf wohltuende Weise mit. Plötzlich fühlte er sich um vieles besser.

»Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?« Sie wartete seine Antwort nicht ab. Hinterm Haus steht eine Bank, sie ist sehr bequem, und der Holztisch davor lädt zum Vespern ein. Ich bringen Ihnen Ihr Frühstück hinaus, ob es ein umfangreiches ist, kann ich Ihnen natürlich nicht versprechen.« Sie wandte sich an die Kinder, ihr Lächeln vertiefte sich.

»Ich denke, Jungen haben keine Angst vor Pferden, oder?«

»Ich bin ein Mädchen«, Doris tippte gegen ihre Brust. »Wieso Pferde? Hier gibt es keine Pferde.«

»Ich habe Janus draußen angebunden. Für gewöhnlich ist er ein braves Pferd, aber heute ist er ziemlich übel gelaunt. Ihr könnt ihn mit Möhren und Apfelstückchen füttern.« Sie holte aus ihrer Tasche eine Tüte und reichte sie dem Jungen.

»Sie sind mit dem Pferd gekommen?« Die Zwillinge staunten sie mit großen Augen an.

»Sie sind mit dem Pferd gekommen?« wollte auch Max Gilberg wissen und betrachtete vollkommen verblüfft das junge Mädchen. Sie trug Jeans, die völlig verschmutzt waren. Ein Schmutzstreifen lag sogar auf ihrer Wange. Er war total durcheinander. Vermutlich lag er in seinem Bett und träumte das alles. Es gab doch keine Haushaltshilfe, die mit dem Pferd anrückte!

»Ja, ich bin mit dem Pferd gekommen«, nickte sie liebenswürdig, als wäre diese Art der Fortbewegung die natürlichste Sache der Welt. »Seid also bitte vorsichtig. Wenn Sie jetzt hinausgehen wollen«, bat sie den Hausherrn, der so durcheinander war, daß er vergaß, den Mund zu schließen. »Am besten komme ich hier zurecht, wenn ich allein in der Küche bin. Ich werde mich schon zurechtfinden.«

Die Zwillinge faßten sich an und gingen zögernd hinaus. Natürlich lockte das Pferd, aber das seltsame Mädchen hatte eine besondere Anziehungskraft. Sogar der dicke Dagobert folgte den Kindern nur widerwillig.

Vor der Haustür blieb Doris stehen. Für das Pferd hatte sie im Moment noch keinen Blick. Sie holte tief Atem, ihre Augen hatte sie vor Erregung weit aufgerissen.

»Thomas. Das ist wie bei Mary Poppins, oder wie die heißt. Erinnerst du dich an das Buch, das Mama uns vorgelesen hat?«

Bei der Erinnerung an seine Mutter überströmte der Jammer Thomas’ Gesicht. »Na und?« wollte er mißmutig wissen.

»Mensch, sei doch nicht so vernagelt. Begreifst du denn nicht? Sie kommt wie Mary vom Himmel, um uns zu helfen. Das ist doch klar. Mary segelte mit einem Regenschirm vom Himmel, und sie kam mit dem Pferd.«

Er sah seine Schwester an, als zweifelte er an ihren Verstand, aber trotzdem kitzelten die Gedanken sein Herz.

»Ein Regenschirm ist wie ein Fallschirm, und überhaupt ist das doch nur eine Geschichte. Außerdem kann kein Mensch vom Himmel auf die Erde reiten.«

Doris stemmte ihre Hände in die nicht vorhandene Taille. Entrüstet wollte sie wissen: »Und was ist mit dem Nikolaus? He? Womit kommt der? Mit einem Esel oder Maulesel! Warum soll sie nicht mit dem Pferd kommen? Ich sage dir, Thomas, sie ist eine gute Fee, die uns wahrscheinlich unsere Mami geschickt hat.«

Er schluckte. Sie war ja viel dümmer als er, nun, sie war auch eine Stunde jünger, das durfte man nicht vergessen.