Ich wusste nichts von meinem Sohn - Eva-Maria Horn - E-Book

Ich wusste nichts von meinem Sohn E-Book

Eva Maria Horn

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Dr. Liefländer, der Zeitungskönig der Stadt, betrachtete seinen zukünftigen Schwiegersohn voller Wohlwollen. Er hatte an Michael Grote nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. »Also, wie gesagt, lieber Michael, Arbeit gibt es genug für Sie. Zigarette?« Er schob dem jungen Mann die angebrochene Schachtel über den Schreibtisch entgegen. Michael winkte ab. »Danke, ich rauche nicht.« Dr. Liefländers immer ein wenig gerötetes Gesicht verzog sich beeindruckt. »Donnerwetter, ein Journalist, der nicht raucht. Das gehört in die Zeitung. Ich kann nur sagen, Hut ab und bleiben Sie so. Ich hänge viel zu sehr an diesem Laster. Aber der Arzt hat mir höchstens zwei am Tag erlaubt. Dabei raucht dieser Kerl selbst wie ein Schlot«, setzte er grollend hinzu. Mit einer Handbewegung fegte er die Schachtel in die geöffnete Schreibtischlade und schloß sie mit einem energischen Knall. »Unser Arzt ist leider auch ein Freund unserer Familie und er steckt sich natürlich hinter meine Frau. Sie werden ihn bald kennenlernen, Michael.

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Mami Classic – 20 –

Ich wusste nichts von meinem Sohn

Eva-Maria Horn

Dr. Liefländer, der Zeitungskönig der Stadt, betrachtete seinen zukünftigen Schwiegersohn voller Wohlwollen. Er hatte an Michael Grote nichts, aber auch gar nichts auszusetzen.

»Also, wie gesagt, lieber Michael, Arbeit gibt es genug für Sie. Zigarette?«

Er schob dem jungen Mann die angebrochene Schachtel über den Schreibtisch entgegen. Michael winkte ab.

»Danke, ich rauche nicht.«

Dr. Liefländers immer ein wenig gerötetes Gesicht verzog sich beeindruckt.

»Donnerwetter, ein Journalist, der nicht raucht. Das gehört in die Zeitung. Ich kann nur sagen, Hut ab und bleiben Sie so. Ich hänge viel zu sehr an diesem Laster. Aber der Arzt hat mir höchstens zwei am Tag erlaubt. Dabei raucht dieser Kerl selbst wie ein Schlot«, setzte er grollend hinzu.

Mit einer Handbewegung fegte er die Schachtel in die geöffnete Schreibtischlade und schloß sie mit einem energischen Knall.

»Unser Arzt ist leider auch ein Freund unserer Familie und er steckt sich natürlich hinter meine Frau. Sie werden ihn bald kennenlernen, Michael. Er hat Rosemarie auf die Welt geholt, er hat all ihre Kinderkrankheiten behandelt. Ich hoffe, er lebt noch, wenn sich meine Enkelkinder ankündigen.«

Michael hob protestierend beide Hände und lachte. Dieser Mann wird noch sein jungenhaftes Etwas besitzen, wenn er längst Großvater ist, stellte Dr. Liefländer bei sich fest. Wie immer hat mein verwöhntes Töchterchen einen hervorragenden Geschmack bewiesen!

»Ich mag Sie, Michael«, erklärte Dr. Liefländer aus seinen rosaroten Gedanken heraus. Sein massiger Körper füllte den Schreibtischstuhl aus. Michael hatte erst wenige Stunden in den Verlag hineingerochen, aber er hatte längst bemerkt, daß alle, selbst die Reporter und bekannte Journalisten, Respekt, wenn nicht gar Angst vor diesem mächtigen Mann hatten.

Jetzt wirkte er keineswegs bedrohlich, er strahlte Wohlwollen aus und musterte Michael aus wässrigen blauen Augen.

»Um meine Tochter tanzten ständig diverse Burschen herum, eine Zeitlang hatte sie einen abscheulichen Geschmack. Ich kann Ihnen sagen, Michael, manchmal kam ich des Nachts vor Angst um sie nicht in den Schlaf. Aber das werden Sie erst verstehen, wenn Sie selbst eine Tochter haben.« Ein Seufzer entfuhr ihm, er öffnete die Schreibtischlade und liebäugelte mit den Zigaretten.

»Ich liege ständig im Kampf mit diesen Dingern, meistens gewinnen sie«, bekannte er. Mit einem Augenzwinkern setzte er hinzu: »Einige Dinge müssen unter uns bleiben, Michael. Sie gehören ja bald zur Familie, da wird meine Frau Sie händeringend anflehen, ein Auge auf mich zu haben. Sie nimmt ihre Pflichten sehr ernst«, setzte er mit belustigtem Schmunzeln hinzu.

Michael kam kaum dazu, ihm Feuer zu geben, so rasch hatte Liefländer sich die Zigarette in den Mund gesteckt und das Feuerzeug herausgeholt.

Er zog in tiefen Zügen den Rauch in sich hinein und lehnte sich entspannt zurück.

»Ich hätte gern mehr Kinder gehabt, Michael. Im Beruf habe ich das erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Aus dem kleinen Verlag meines Vaters ist ein, ja, ich darf sagen, ein Weltunternehmen geworden, und ich bin stolz darauf. Unsere Zeitungen werden in der ganzen Welt vertrieben, über den Umsatz kann ich mich nicht beklagen.

Aber einen Sohn, einen Nachfolger habe ich nicht bekommen.« Er hielt die Zigarette zwischen den Fingern. Michael wurde es unbehaglich unter seinem Blick.

»Jetzt trauere ich nicht mehr über den Streich, den uns das Schicksal spielte. Ich habe zwar nur eine Tochter, aber die war so klug, mir einen tüchtigen Journalisten als Schwiegersohn zu bringen.« Er lachte breit. »Wie gesagt, manchmal habe ich das Schlimmste befürchtet. Rosemarie ist leider nicht nur bildhübsch, sie hat auch einen eigensinnigen Kopf, ich hab’ die Göre leider viel zu sehr verwöhnt. Wissen Sie, was man sagt, Michael?« Er lachte dröhnend und wartete eine Antwort nicht ab. »Der Alte hat nur eine schwache Stelle. Und die ist seine Tochter.

Unrecht haben diese Lästerzungen natürlich nicht. Sie war und ist mein Augapfel. Zwischen meiner Frau und mir… na ja, das gehört nicht hierher, aber Rosemarie besitzt meine uneingeschränkte Liebe. Wenn ich Zeit hatte, habe ich sie mit ihr verbracht. Und wenn sie Kummer hatte, kam sie zu mir. Einmal rief sie mich sogar an, als ich in Japan war. Sie brauchte einen Rat von mir. Es hätte weniger Geld gekostet, sich den Rat von meiner Frau zu holen, die vermutlich gerade im Salon ihre Damen des Kränzchens bewirtete, vielleicht saß sie auch an ihrem Schreibtisch und arbeitete eine Rede aus, die sie im Frauenverein oder weiß der Kuckuck wo halten mußte. Meine Frau ist in allen möglichen Vereinen und Komitees. Und Rosemarie wandte sich an mich, wie immer.

Michael, ich drehe Ihnen den Hals um, wenn Sie meine Tochter nicht glücklich machen.«

»Ich habe die Absicht, es zu tun.« Michael verzog den Mund. »Ich liebe sie nämlich.«

»Auch das weiß ich. Das sehe ich Ihnen beiden nämlich an, wenn Sie zusammen sind. Wie gesagt, ich freue mich über Sie. Ich freue mich nicht nur, daß Sie meine Tochter lieben. Ich freue mich auch, daß ich endlich einen Nachfolger gefunden habe, einen Mann, dem ich unbesorgt mein Lebenswerk überlassen kann.«

»Aber so weit sind wir doch noch lange nicht«, rief Michael erschrocken. Seine grauen Augen musterten den viel zu dicken Mann ängstlich.

»Fühlen Sie sich krank, Herr Dr. Liefländer?«

»Nee, natürlich nicht. Aber wenn man über 50 ist, und die habe ich leider schon eine Weile überschritten, denkt man schon über das Leben nach. Besonders darüber, wie es weitergeht, wenn man abberufen wird. Das soll ja bekanntlich dann der Fall sein, wenn man am wenigsten damit rechnet. Meine Zeitung ist mir ans Herz gewachsen, sie ist mein zweites Kind. Ich liebe sie nicht nur, ich fühle mich auch für all die Menschen, die hier arbeiten, verantwortlich.«

Das Telefon summte auf seinem Schreibtisch, er nahm den Hörer und bellte seinen Namen hinein.

»Ja, ja, ich habe es nicht vergessen. Sagen Sie den Herren, ich komme in zehn Minuten.«

Er warf den Hörer auf die Gabel zurück und zog nervös die Stirn in Falten.

»Ich muß in den Sitzungssaal, Michael. Ich werde froh sein, wenn Sie mir einige der lästigen Pflichten abnehmen können. Machen Sie nicht ein so ängstliches Gesicht!« Er lächelte väterlich in das junge Gesicht und bemerkte befriedigt die klugen Augen. Der Mann strahlte Sauberkeit und Intelligenz aus. Dr. Liefländer war sicher, daß er sich auf seine Menschenkenntnis verlassen konnte. Dieser Mann würde ihn nie enttäuschen, das spürte er bis in die Fingerspitzen.

»Ich werde Sie nicht überfordern, ich bin doch nicht töricht. In beruflichen Dingen habe ich mich noch immer auf meinen Instinkt verlassen und bin gut dabei gefahren. Wir werden die Sache langsam angehen. Sie werden in allen Abteilungen arbeiten. Sie werden zuerst Ihre Nase in die Druckerei stecken, ich werde Ihnen einen Mann an die Seite stellen, der jetzt 60 Jahre ist, er arbeitete schon als 14jähriger für meinen Vater. Sie müssen selbst herausfinden, welches Ressort Ihnen Spaß macht. Sie sind sehr sportlich, vielleicht haben Sie Lust, Ihre Artikel in der Sportbeilage zu schreiben, da fehlen immer Leute. Ich werde Sie ganz langsam und gezielt zu meinem Nachfolger heranbilden. Ich wäre ja dumm, wenn ich Sie überfordern wollte.«

Er erhob sich ächzend, seufzte abgrundtief und strich sein spärliches graues Haar aus der Stirn.

»Sie haben sich vermutlich mit Rosemarie verabredet und werden mit ihr zu Mittag essen.«

Michael hatte sich ebenfalls erhoben, er war froh, daß die Unterredung beendet war.

»Nein, sie ist mit ihrer Mutter in der Stadt.«

»Dann werden Sie sich eine Modenschau ansehen, damit Rosemarie das schönste Kleid bekommt, das man nur auftreiben kann. Die Verlobung wird ein großes offizielles Ereignis werden, Michael. Im Vertrauen«, er legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter und schritt neben ihm zur Tür. »Ich hasse diese Mammutfeste, aber meine Frau liebt sie. Wie Rosemarie dazu steht, werden Sie selbst herausfinden müssen. Ich liebe kleine Gesellschaften im gemütlichen Kreis. Ich umgebe mich gern mit guten Freunden, aber ich habe leider sehr wenige.«

Michael öffnete ihm zuvorkommend die Tür. Sie traten ins Vorzimmer. Liefländers Privatsekretärin stand schon auf und kam mit einem Aktenbündel auf ihn zu.

»Sehe ich Sie heute abend, Michael?«

»Ich hole Rose um 19 Uhr ab, wir haben Karten fürs Konzert.«

»Dann viel Spaß. Ja, ja drängeln Sie mich nicht so«, fuhr er gereizt seine Sekretärin an. »Soll ich in meinem Alter etwa noch das Fliegen lernen?«

*

Michael ging rasch über den Flur der Chefetage. Den Fahrstuhl verschmähte er. Er rannte die Treppe hinunter, durchquerte die elegante Eingangshalle, grüßte den Portier in seiner gläsernen Loge, öffnete die Eingangstür und blieb tief atmend auf der Treppe stehen.

Seine Brust dehnte sich, so tief sog er die Luft in die Lungen. Michael mochte es vor sich selbst nicht eingestehen, wie sehr ihn das alles bedrückte.

Er legte den Kopf mit den pechschwarzen Haaren in den Nacken und betrachtete den Himmel. Er war bedeckt mit weißen, lustigen Wolken. Der hohe Kirchturm sah aus, als wollte er mit der riesigen Spitze in den Wolkenberg stoßen.

Sein Herzschlag beruhigte sich, und der lähmende Druck wich von seinem Herzen.

Als er Rosemarie auf einer Fete kennenlernte, hatte er nicht gewußt, daß sie die Tochter des Zeitungskönigs war. Wie ein unbeschwertes, ganz normales Mädchen hatte sie sich küssen lassen und ihm gezeigt, was er in ihrem Herzen anrichtete.

Schon nach einigen Tagen hatte sie ihn in die Villa Liefländer eingeladen, und da war die Falle zugeklappt.

Sei nicht albern, Michael Grote, rief der junge Mann sich streng zur Ordnung. Du bist ein Glückspilz. Du verlobst dich nicht nur mit dem schönsten Mädchen der Stadt, du bist auch alle Zukunftssorgen los. Kann ein junger Mann denn mehr Glück haben? Rosemarie ist bezaubernd, und ihr Vater ist ein tüchtiger, patenter Mann, beinahe ein väterlicher Freund.

Gestern abend hatte ihm Rosemarie wie nebenbei erklärt, daß die obere Etage der Villa für sie beide umgebaut würde. Ob er einverstanden war oder nicht, wurde nicht gefragt. Das Datum der Hochzeit von Mutter und Tochter vermutlich festgelegt.

An seine Schwiegermutter verbot Michael sich zu denken, während er langsam die Treppe hinunterstieg. Es war natürlich albern, daß er sich einbildete, in ihrer Gesellschaft, mit dem Gebaren einer Königin, gewohnt, daß alle Herren sich tief vor ihr verneigten.

Du heiratest doch nicht die Schwiegermutter, bespöttelte Michael sich selbst. Er warf den Kopf in den Nacken und stopfte die Hände in die Taschen seiner ohnehin schon ausgebeulten Jacke, eine Geste, die Rosemarie verabscheute.

»Sind Sie Herr Grote?«

Michael kam nur schwer in die Wirklichkeit zurück. Er nickte und sah auf das junge Mädchen, das ihm den Weg versperrte.

»Ja ich…«

Weiter kam er nicht. Das zierliche Geschöpf, das Jeans trug wie alle ihrer Generation und einen Pullover, der vermutlich von ihrem Vater war, verkniff den Mund, holte aus und knallte ihre Hand in Michaels Gesicht. Sie landete klatschend auf seiner Wange. Bevor Michael sich von seiner Erstarrung erholt hatte, rannte sie schon davon. Leichtfüßig lief sie über die Straße und schlängelte sich zwischen Autos und Straßenbahn hindurch. Er sah ihr flachsblondes Haar hinter den Bäumen des Parks verschwinden, als Leben in Michael kam.

Er war nicht umsonst ein guter Sportler, war nach einer Stunde Einzel im Tennis noch längst nicht müde. Er spurtete los und hätte um ein Haar einen zukünftigen Kollegen von der Zeitung beinahe umgerannt. Er überquerte die Straße und kümmerte sich nicht darum, daß Autos wütend hupten und man ihm einen Vogel zeigte. Er hatte nur Augen für die blonden Haare, für das Geschöpf, das über den Rasen rannte. Jetzt stolperte sie, und für Michael war es ein leichtes, sie einzuholen.

Brandrot war sie, das blonde Haar hing in Strähnen in ihre Stirn. Sie atmete keuchend. Ihre blauen Augen blitzten ihn herausfordernd an, aber Michael sah auch ein Fünklein Angst darin, vermutlich sah er auch mordgierig aus.

»Laufen können Sie, alle Achtung.«

»Das hast du freches Ding wohl nicht erwartet.« Michael atmete nicht einmal schneller. Seine Wut verflog ein wenig, als er das bezaubernde Mädchengesicht betrachtete. Und irgendwo ganz hinten im Kopf klingelte eine Erinnerung. Wo hatte er die Kleine nur gesehen?

»Du wirst mir jetzt auf der Stelle sagen, warum du das getan hast. Du wirst doch nicht erwarten, daß du mich ungestraft schlagen kannst? Man wird dir vermutlich gesagt haben, daß man niemanden schlägt, schon gar nicht einen Fremden.«

»Lassen Sie mich los, Sie tun mir weh«, fauchte sie ihn an und versuchte verzweifelt, dem Eisengriff seiner Hand zu entkommen. »Wenn Sie mich nicht loslassen, schreie ich um Hilfe.«

»Du bist die frechste Kröte, der ich je begegnet bin. Schrei ruhig. Ich bin hier in der Stadt ein bekannter Mann«, log er. »Ich werde dem Polizisten sagen, daß du mich geohrfeigt hast. Vermutlich landest du dann für einen Tag hinter Gittern.«

Er sah befriedigt, daß sie ihm glaubte. Die langen dunklen Wimpern legten sich über ihre Augen, zitterten wie Gras im Wind.

»Warum hast du mich geschlagen? Du hast dich zuerst nach meinem Namen erkundigt und dann zugeschlagen. Warum hast du das getan?«

»Ich sage es Ihnen, wenn Sie mich loslassen.«

Sie musterte ihn trotzig.

»Bilde dir nicht ein, daß du mir davonlaufen kannst. Ich bin schneller als du.«

Aber er nahm die Hand von ihrem Arm, sie rieb sich die rote Stelle, drehte sich bockig in den Schultern.

»Also, ich warte. Ich habe nämlich nicht viel Zeit.«

»Das glaube ich Ihnen«, höhnte das freche Geschöpf. »Vermutlich wartet Ihre Verlobte auf Sie, die reiche Rosemarie. Da kann man natürlich andere, die Sie geliebt haben, ruhig unglücklich machen. Die Hauptsache ist ja, Ihnen geht es gut«, fauchte sie ihn an.

Er musterte sie aus zusammengekniffenen Augen.

»Möchtest du bitte etwas deutlicher werden?« Er sprach gefährlich leise, seine grauen Augen blitzten vor Zorn. »Zuerst schlägst du mich und dann schreist du mir Beleidigungen ins Gesicht. Du glaubst doch nicht, daß ich dich laufen lasse, ohne den Grund zu erfahren.«

Ganz plötzlich wich der Kampfgeist aus ihrem Gesicht, Tränen sammelten sich in ihren Augen, sie ließ die Schultern hängen, schniefte.

Er legte ihr die Hand auf den Arm, bemühte sich um Freundlichkeit. Komisch, er staunte selbst darüber, aber die Wut war verraucht. Natürlich war er neugierig, aber er hatte auch Mitleid mit ihr.

»Darf ich dir einen Vorschlag machen? Dort drüben ist ein Café. Wir setzen uns dort hinein und unterhalten uns, wie es zivilisierte Menschen tun. Allerdings mußt du mir dein Wort geben, daß du nicht davonläufst.«

Sie legte den Kopf in den Nacken, schluckte, nickte.

»Großes Ehrenwort. Ich habe auch ganz furchtbaren Hunger«, bekannte sie schüchtern.

Er nahm einfach ihre Hand.

»Dem kann abgeholfen werden. Das Parkcafé ist bekannt für seinen leckeren Kuchen. Tut es dir leid, daß du mich geschlagen hast?« wollte er mit strenger Stimme wissen, aber seine Augen waren längst nicht mehr wütend auf sie gerichtet.

Sie ging neben ihm, überließ ihm ihre Hand.

»Nein, überhaupt nicht. Ich werde es sofort wieder tun. Ich habe mir alles ganz genau überlegt. Die Schwierigkeit war ja nur, Sie zu treffen. Ich hätte Sie auch geohrfeigt, wenn Ihre Rosemarie bei Ihnen gewesen wäre.«