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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Elise, die braune Mischlingshündin, hatte die letzte Stunde damit verbracht, im Schatten des kleinen Fliederstrauchs auf der Wiese zu liegen und die laue Luft zu genießen. Jetzt stand sie auf, streckte sich, gähnte dabei herzhaft und trabte schließlich über die Terrassentür in die Wohnung. Drinnen war Lotte Landberg gerade damit beschäftigt, die frisch gebügelte Wäsche zu sortieren, und schaute der mittelgroßen Hündin mit dem flauschigen Fell entgegen. Elise strebte zur Eingangstür der Erdgeschosswohnung und ließ sich dort auf den Fliesen nieder. Lotte schüttelte verständnislos den Kopf. »So langsam wirst du mir unheimlich, Elise. Dass du genau weißt, wann Ronja aus der Schule kommt und fünf Minuten vor ihrer Ankunft zur Tür gehst, hat Frau Hansen mir ja schon erzählt. Aber dass dir klar ist, dass Ronja in ein paar Minuten von der Geburtstagsfeier ihrer Freundin heimkehren wird, ist doch eigentlich unmöglich.« Obwohl sie es als unmöglich bezeichnet hatte, war Lotte Landberg sicher, dass ihre Tochter innerhalb der nächsten Minuten nach Hause kommen würde. Elise hatte ein unerklärliches Gespür dafür, wann Ronja aus der Schule kam. Egal, wo die Hündin sich gerade aufhielt, einige Minuten vor Ronjas Ankunft ging sie zur Eingangstür, legte sich dort hin und wartete auf das Mädchen. Das hatte ihr Frau Hansen berichtet, die rüstige Rentnerin, die unter der Woche auf Elise aufpasste, wenn Ronja in der Schule und sie, Lotte, bei der Arbeit war. Nun war die Schule ja meistens um dieselbe Zeit zu Ende, und man hätte annehmen können, dass Elise einer Art inneren Uhr folgte. Aber wann Ronja von der Geburtstagsfeier heimkehren würde, konnte die Hündin nicht wissen, und trotzdem ahnte sie es genau. Und tatsächlich: Nur wenige Minuten nachdem Elise ihren Platz an der Eingangstür bezogen hatte, wurde die Tür von außen aufgeschlossen. Die zehnjährige Ronja trat in die Diele und umarmte Elise, von der sie stürmisch begrüßt wurde. »Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte Ronja, griff in ihre Jackentasche und zog eine Serviette hervor, in die sie ein Cocktailwürstchen eingewickelt hatte. Elise nahm den Leckerbissen freudig entgegen und folgte anschließend dem Mädchen, das zu seiner Mutter eilte. »Das war eine ganz tolle Geburtstagsfeier«
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Elise, die braune Mischlingshündin, hatte die letzte Stunde damit verbracht, im Schatten des kleinen Fliederstrauchs auf der Wiese zu liegen und die laue Luft zu genießen. Jetzt stand sie auf, streckte sich, gähnte dabei herzhaft und trabte schließlich über die Terrassentür in die Wohnung. Drinnen war Lotte Landberg gerade damit beschäftigt, die frisch gebügelte Wäsche zu sortieren, und schaute der mittelgroßen Hündin mit dem flauschigen Fell entgegen. Elise strebte zur Eingangstür der Erdgeschosswohnung und ließ sich dort auf den Fliesen nieder.
Lotte schüttelte verständnislos den Kopf. »So langsam wirst du mir unheimlich, Elise. Dass du genau weißt, wann Ronja aus der Schule kommt und fünf Minuten vor ihrer Ankunft zur Tür gehst, hat Frau Hansen mir ja schon erzählt. Aber dass dir klar ist, dass Ronja in ein paar Minuten von der Geburtstagsfeier ihrer Freundin heimkehren wird, ist doch eigentlich unmöglich.«
Obwohl sie es als unmöglich bezeichnet hatte, war Lotte Landberg sicher, dass ihre Tochter innerhalb der nächsten Minuten nach Hause kommen würde. Elise hatte ein unerklärliches Gespür dafür, wann Ronja aus der Schule kam. Egal, wo die Hündin sich gerade aufhielt, einige Minuten vor Ronjas Ankunft ging sie zur Eingangstür, legte sich dort hin und wartete auf das Mädchen. Das hatte ihr Frau Hansen berichtet, die rüstige Rentnerin, die unter der Woche auf Elise aufpasste, wenn Ronja in der Schule und sie, Lotte, bei der Arbeit war. Nun war die Schule ja meistens um dieselbe Zeit zu Ende, und man hätte annehmen können, dass Elise einer Art inneren Uhr folgte. Aber wann Ronja von der Geburtstagsfeier heimkehren würde, konnte die Hündin nicht wissen, und trotzdem ahnte sie es genau.
Und tatsächlich: Nur wenige Minuten nachdem Elise ihren Platz an der Eingangstür bezogen hatte, wurde die Tür von außen aufgeschlossen. Die zehnjährige Ronja trat in die Diele und umarmte Elise, von der sie stürmisch begrüßt wurde.
»Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte Ronja, griff in ihre Jackentasche und zog eine Serviette hervor, in die sie ein Cocktailwürstchen eingewickelt hatte. Elise nahm den Leckerbissen freudig entgegen und folgte anschließend dem Mädchen, das zu seiner Mutter eilte.
»Das war eine ganz tolle Geburtstagsfeier«, berichtete Ronja. »Es gab Kartoffelsalat mit Würstchen, und Sophies Mutter hatte jede Menge Spiele vorbereitet. Eine Tombola gab es auch. Ich habe ein Radiergummi gewonnen, das aussieht wie ein Schaf.«
Stolz zeigte Ronja ihrer Mutter den Gewinn und erzählte eifrig, was sie auf der Geburtstagsfeier erlebt hatte und welche Kinder dagewesen waren. Erst als sie auf die Uhr schaute, fiel ihr etwas ein:
»Kommt Christian eigentlich heute zum Abendessen?«, wollte sie wissen.
Lotte nickte. »Ja, in ungefähr einer Stunde wird er hier sein. Es gibt Nudelauflauf mit Hackfleisch. Den magst du doch ganz besonders gern.«
»Stimmt, aber ich mag nicht nur Nudelauflauf. Christian mag ich auch. Er ist richtig nett, viel netter als Papa. Vor dem hatte ich eigentlich immer Angst. Und ich mag es gar nicht, dass er sich manchmal meldet und wir dann mit ihm Eis essen gehen oder sonst etwas unternehmen müssen«, stieß sie hervor.
»Ich mag das auch nicht«, gestand Lotte. »Aber das müssen wir tun. Es ist nun einmal dein Vater. Zum Glück meldet er sich ja nur selten.«
Lotte dachte nicht gern an ihren Exmann, von dem sie seit vier Jahren geschieden war. Sie hatte ihn relativ jung geheiratet, war damals erst einundzwanzig Jahre alt gewesen, weil sich ein Baby angemeldet hatte. Zunächst war die Ehe recht glücklich gewesen. Bodos Autohandel, den er sich aufgebaut hatte, lief erstaunlich gut, und Lotte konnte ihr Studium trotz der Schwangerschaft fortführen. Aber dann – Ronja war noch nicht lange auf der Welt – veränderte sich Bodo deutlich. Offensichtlich fühlte er sich als Familienvater überfordert, wurde ungeduldig, schnell aufbrausend und Lotte gegenüber gelegentlich sogar gewalttätig. Lange Zeit hatte die junge Frau gehofft, dass Bodo sich ändern und friedfertiger werden würde. Aber diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Es wurde sogar immer schlimmer. Schließlich hatte Lotte keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als die Konsequenzen zu ziehen und sich von Bodo scheiden zu lassen. Er hatte darauf zornig reagiert, Lotte eine Szene nach er anderen gemacht, am Ende aber doch nichts gegen die Scheidung unternehmen können.
Ein Jahr danach hatte Lotte eine Anstellung als Grundschullehrerin bekommen und schon nach kurzer Zeit Christian Behrend kennen gelernt, der im Realschulzweig des Schulzentrums unterrichtete. Die beiden waren sich schnell näher gekommen und hatten sich ineinander verliebt.
Ronja war vom Freund ihrer Mutter begeistert und verstand sich ausgezeichnet mit ihm. Sie erfuhr auch, dass Christian eine ähnliche Enttäuschung erlebt hatte wie ihre Mutter. Er war von seiner Freundin nach über einem Jahr urplötzlich von einem Tag auf den anderen verlassen worden, weil sie auf einer Party einen anderen Mann kennengelernt hatte, der ihr besser gefiel als Christian. Er hatte lange unter der Trennung gelitten, sie inzwischen aber gut verarbeitet und war bereit, sich sein Leben neu einzurichten.
Bei Lotte war das anders. Nach dem Schiffbruch, den sie in ihrer Ehe erlebt hatte, wollte sie sich vorläufig nicht neu binden. Dazu fehlte ihr einfach der Mut. Christian hatte Verständnis für Lottes Ängste, hoffte aber, dass sie irgendwann erkennen würde, dass sie beide miteinander glücklich werden konnten – als Ehepaar. Schließlich waren nicht alle Männer so wie Bodo.
Am liebsten hätte Christian Lotte vom Fleck weg geheiratet, um ihr das zu beweisen, doch er wusste, dass er sich gedulden musste. Immerhin waren sie derzeit alle drei ziemlich glücklich und genossen es, sooft wie möglich beisammen zu sein und viel miteinander zu unternehmen.
*
Als am nächsten Tag das Telefon läutete, dachte Lotte an nichts Böses. Als sie allerdings Bodos Stimme erkannte, runzelte sie unwillig die Stirn. Es kam höchst selten vor, dass ihr geschiedener Mann sich telefonisch bei ihr meldete, und sie verzichtete auch gerne auf Gespräche mit ihm. Meistens beklagte er sich darüber, dass er Ronja zu selten sah. Dabei war bei der Scheidung verfügt worden, dass es für ihn kein regelmäßiges Besuchsrecht gäbe, weil seine Tochter bei ihrem Vater, der als gewalttätig galt, gefährdet sei. Lotte hatte Bodo von sich aus dann das Recht eingeräumt, Ronja hin und wieder sehen zu können. Allein durfte er dabei mit dem Mädchen jedoch nicht sein und Ronja auch nicht zu sich nach Hause einladen. Lotte wollte immer anwesend sein, wenn ihre Tochter mit dem Vater zusammen war.
Die Treffen fanden auch stets in der Öffentlichkeit statt, in einem Eiscafé, einem Restaurant oder einem Freizeitpark. Durch leidvolle Erfahrung klug geworden, wollte Lotte nicht allein mit ihrem Exmann sein, und Ronja schon gar nicht.
»Ich werde dich in den nächsten Tagen besuchen«, teilte Bodo Lotte mit. »Wann passt es dir am besten? Vielleicht Donnerstag so gegen sechzehn Uhr?«
»Es passt mir weder am Donnerstag noch an irgendeinem anderen Tag«, erwiderte Lotte. »Ich kann gern auf deinen Besuch verzichten und möchte dich nicht sehen.«
»Nun sei doch nicht gleich so kratzbürstig. Es handelt sich immerhin um ein sehr wichtiges Gespräch, das auch Ronjas Zukunft betrifft.«
Lotte wurde immer ungehaltener. »Um Ronjas Zukunft brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Darum werde ich mich ganz allein kümmern und dafür sorgen, dass es dem Mädchen an nichts fehlen wird. Es ist absolut unnötig, dass wir jetzt ein Gespräch darüber führen. Ich möchte nicht von dir besucht werden und hoffe, dass du meinen Wunsch akzeptierst.«
»Nein, das werde ich nicht tun.« Bodos Stimme klang jetzt unangenehm scharf. »Ronja ist auch meine Tochter. Also habe ich ebenso wie du über ihre Zukunft zu bestimmen, und ich lasse mich von dir nicht einfach abwimmeln. Es gibt etwas mit dir zu besprechen, und das werde ich auch tun, ob nun mit oder ohne deine gütige Zustimmung.«
»Du wirst mich nicht besuchen«, entgegnete Lotte. »Wen ich in meine Wohnung lasse, entscheide ich allein, und über Ronja hast du nicht zu bestimmen. Das weißt du auch ganz genau. Also lass mich bitte in Ruhe.«
Lotte legte auf und schüttelte unwillig den Kopf. Bis jetzt war Bodo noch nie auf die Idee gekommen, sie zu Hause zu besuchen, und das würde sie auch niemals zulassen. Eine Weile lang ärgerte sie sich noch über die unverschämte Forderung ihres Exmannes. Aber schon bald hatte sie das Telefongespräch verdrängt.
Deshalb erwähnte sie es auch Ronja und Christian gegenüber nicht, mit denen sie ein paar Stunden später zusammen am Tisch saß und die selbst zubereitete Pizza genoss. Es herrschte eine entspannte und heitere Stimmung, und an Bodo verschwendete Lotte keinen Gedanken mehr.
*
Christian, Lotte und Ronja hatten am Wochenende die Gelegenheit genutzt, um einen Freizeitpark zu besuchen. Es handelte sich zwar nicht um eine riesige Einrichtung dieser Art, dafür durften aber Hunde mitgebracht werden, wenn sie an der Leine geführt wurden. Auch wenn es keine große Anzahl an Attraktionen gab, hatten die drei ihren Spaß, und für Elise gab es an den Wegrändern viele interessante Gerüche. Mitten im Freizeitpark befand sich ein Grillrestaurant, das von einer großzügigen Terrasse umgeben war.
Nachdem sie sich einen Imbiss besorgt hatten, nahmen Lotte, Christian und Ronja an einem der Tische Platz. Gleich nebenan saßen mehrere Kinder und einige Erwachsene, die die Kindergruppe offensichtlich begleiteten.
»Du hast einen sehr hübschen Hund«, bemerkte eines der Kinder und wies auf Elise. »Wie heißt er denn, und wie heißt du? Mein Name ist Fabian Schöller.«
»Und ich heiße Ronja Landberg«, gab die Zehnjährige gern Auskunft. »Mein Hund ist übrigens eine Hündin. Sie heißt Elise und ist drei Jahre alt. Hast du zu Hause auch einen Hund?«
»Ja, ich habe eine Dogge, die Anglos heißt. Wir haben sie heute aber nicht mitgebracht, sondern in Sophienlust gelassen. Da fühlt sie sich wohl, und da sind auch genügend Menschen, die sich um sie kümmern.«
»Sophienlust?« Ronja runzelte nachdenklich die Stirn. »Ist das eine Hundepension?«
»Nein, Sophienlust ist ein Kinderheim, das schönste und beste Kinderheim dieser Welt. Wir alle wohnen dort, weil die meisten von uns keine Eltern mehr haben. Hier neben mir sitzt Martin. Er ist zwölf Jahre alt, genau wie ich. Das Mädchen mit den vielen Sommersprossen ist Pünktchen. Sie ist schon fünfzehn Jahre alt und heißt eigentlich Angelina. Aber wir nennen sie wegen ihrer Sommersprossen Pünktchen. Die beiden kleinen Kinder heißen Kim und Heidi und sind sechs und sieben Jahre alt. Kim kommt aus Vietnam, aber er spricht schon sehr gut Deutsch.«
»Fabian, du verwirrst die arme Ronja ja völlig mit der Vorstellung all der fremden Kinder«, bemerkte die Frau lachend, die mit am Tisch saß.
»Ach ja«, sprach der Junge sofort weiter. »Das ist übrigens Schwester Regine, die Kinderschwester von Sophienlust. Neben ihr sitzt Nick. Eigentlich ist sein Name Dominik von Wellentin-Schoenecker. Aber wir alle sagen einfach Nick zu ihm. Ihm gehört Sophienlust. Er hat das Kinderheim geerbt, als er noch ganz klein war. Seine Mutter, unsere Tante Isi, hat Sophienlust für ihn verwaltet. Aber dann ist Nick achtzehn Jahre alt geworden und kann jetzt selbst bestimmen, was in Sophienlust gemacht wird und was nicht. Er studiert Kinderpsychologie und später…«
»Halt!«, rief Nick amüsiert. »Jetzt wird es wirklich etwas zu viel. Du redest ja wie ein Wasserfall. So viele Informationen auf einmal kann die arme Ronja unmöglich behalten.«
»Ach, ich habe schon eine ganze Menge verstanden«, bemerkte Ronja. »Und wenn ich etwas vergessen habe, kann ich ja nachfragen. Fabian, Pünktchen, Martin oder auch Heidi und Kim erklären dann bestimmt alles noch einmal.«
»Ja, das wir machen«, bestätigte Kim. »Aber wahrscheinlich wir gar nicht müssen tun das. Du hast schon gelernt alle Namen von uns. Dann du auch hast behalten die andere Sachen, die Fabian hat erklärt.«
»Wir haben natürlich zugehört und auch das meiste begriffen«, ließ Christian Behrend sich amüsiert vernehmen. »Aber eines erstaunt uns dann doch sehr: Fabian hat vorhin gesagt, dass Sie gerade erst volljährig geworden sind. Ich möchte Sie wirklich nicht beleidigen, Herr von Wellentin-Schoenecker, aber kann man in so jungen Jahren tatsächlich schon ein Kinderheim leiten, in dem täglich schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden müssen?«
Nick lächelte verständnisvoll. »Erst einmal bitte ich Sie, mich nicht Herr von Wellentin-Schoenecker zu nennen. Sagen Sie einfach Nick zu mir. Diese Anrede ist mir vertraut und gefällt mir auch besser. Nun, als ich Sophienlust erbte, war ich gerade sechs Jahre alt. Damals war das ehrwürdige alte Herrenhaus noch kein Kinderheim. Meine Urgroßmutter Sophie hatte in ihrem Testament verfügt, dass ihr Anwesen zu einem Heim für in Not geratene Kinder umgestaltet werden sollte. Diesen letzten Wunsch hat meine Mutter stellvertretend für mich gern erfüllt. Ich bin also praktisch selbst in diesem Kinderheim aufgewachsen und von Anfang an mit allem konfrontiert worden, was dort so vor sich geht. Deshalb sind die alltäglichen Dinge für mich Routine. Wenn schwierige Entscheidungen zu fällen sind, frage ich meine Mutter um Rat. Sie hat ja weitaus mehr Erfahrung als ich. Ganz ohne sie würde Sophienlust vermutlich nicht funktionieren. Außerdem ist das Kinderheim ihr Lebenswerk, aus dem ich sie keinesfalls verdrängen möchte.«
»Das hört sich alles sehr interessant an«, stellte Lotte fest. »Ich glaube, Sophienlust ist in der Tat ein besonderes Kinderheim. Wenn ich Fabian vorhin richtig verstanden habe, dürfen Kinder sogar ein Haustier mitbringen. Fabian sprach von einer Dogge, die ihm gehört.«
»Ja, das stimmt«, bestätigte Martin Felder an Nicks Stelle. »Tiere sind bei uns immer willkommen. In Sophienlust gibt es auch einen Bernhardiner, der Barri heißt, und im Wintergarten wohnt der Papagei Habakuk. Dann sind da noch mehrere Pferde und Ponys. Die leben natürlich nicht im Wintergarten, sondern in einem Stall, der genauso zum Gelände gehört wie die große Weide.«
Ronja, Christian und Lotte waren stark beeindruckt. Alle drei hatten sich noch nie wirklich ernsthaft gefragt, wie es in einem Kinderheim eigentlich zuging. Aber eine gewisse Vorstellung hatten sie trotzdem gehabt, und in dieser Vorstellung waren Kinderheime stets etwas trist gewesen. Sophienlust hingegen schien ein kleines Paradies zu sein.
Nachdem sie mehr als eine halbe Stunde anregend geplaudert hatten, mahnte Schwester Regine allerdings zum Aufbruch.
»In gut einer Stunde schließt der Freizeitpark, und wir wollen hier doch noch eine Menge unternehmen. Wenn Ronja mag, kann sie mit ihren Eltern ja einmal nach Wildmoos kommen und uns in Sophienlust besuchen.«
Ronja verzichtete darauf zu erwähnen, dass Christian nicht ihr Vater, sondern nur der Freund ihrer Mutter war. Auch Lotte und Christian selbst verloren kein Wort darüber. Sie nahmen den Vorschlag der Kinderschwester dankend an und verabschiedeten sich freundlich, dann trennten sich ihre Wege.
*
Als es an der Tür läutete, lief Elise schwanzwedelnd in die Diele. Doch kaum hatte sie die Tür erreicht, als sie die Lefzen hochzog und ein tiefes Knurren ertönen ließ. Das Fell in ihrem Nacken stellte sich zu einer Bürste auf.