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Einem inneren Drang folgend begibt sich Rüde Wirro, der Staatenreiter, eines Tages allein auf die Suche nach seinen verschollenen Partnern, mit denen ihn eine Freundschaft verbindet, die selbst der Tod nicht zu lösen vermag. Tomsitter und Sulwig kehrten vor einiger Zeit von einem Auftrag nicht zurück, ihr Schicksal bleibt im Dunkeln verborgen.
Auf seiner Suche quer durchs Land stößt Wirro auf einen alten Bekannten, der die Hölle im Blut zu haben scheint, der in Colorado Springs die Macht über Gesetz und Ordnung hat, von dem die gesamte Stadt abhängig ist und für den das Töten ein Handwerk ist und kein Selbsterhaltungstrieb.
Doch Rüde verspürt keine Angst um sein eigenes Leben, sondern nur um das seiner Freunde. Er gerät in Hinterhalte und kennt selbst, gleich einem beutehungrigen Panther, kein Erbarmen seinen Feinden gegenüber. Er legt ihnen seine Rechnung aus gnadenloser Härte und heiß hinausgefeuerten Kugeln vor. Ob das jedoch reichen wird, seine Freunde noch lebend zu finden und gleichzeitig Burt Lane das Handwerk zu legen, wird sich zeigen …
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Larry Lash
Er fürchtet weder
Tod noch Teufel
Roman aus dem Amerikanischen Westen
Neuausgabe
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Oskar Walder mit einem Motiv von Hugo Kastner, 2023
Korrektorat: Bärenklau Exklusiv
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Er fürchtet weder Tod noch Teufel
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
Der Autor Larry Lash
Eine kleine Auswahl der Western-Romane des Autors Larry Lash
Einem inneren Drang folgend begibt sich Rüde Wirro, der Staatenreiter, eines Tages allein auf die Suche nach seinen verschollenen Partnern, mit denen ihn eine Freundschaft verbindet, die selbst der Tod nicht zu lösen vermag. Tomsitter und Sulwig kehrten vor einiger Zeit von einem Auftrag nicht zurück, ihr Schicksal bleibt im Dunkeln verborgen.
Auf seiner Suche quer durchs Land stößt Wirro auf einen alten Bekannten, der die Hölle im Blut zu haben scheint, der in Colorado Springs die Macht über Gesetz und Ordnung hat, von dem die gesamte Stadt abhängig ist und für den das Töten ein Handwerk ist und kein Selbsterhaltungstrieb.
Doch Rüde verspürt keine Angst um sein eigenes Leben, sondern nur um das seiner Freunde. Er gerät in Hinterhalte und kennt selbst, gleich einem beutehungrigen Panther, kein Erbarmen seinen Feinden gegenüber. Er legt ihnen seine Rechnung aus gnadenloser Härte und heiß hinausgefeuerten Kugeln vor. Ob das jedoch reichen wird, seine Freunde noch lebend zu finden und gleichzeitig Burt Lane das Handwerk zu legen, wird sich zeigen …
***
»Überlegen Sie es sich, Wiro. Sie wissen genau, dass ich in dieser Sache nichts für Sie tun kann.« Oberst Tan Malley war am Ende seiner Überredungskunst.
Drei Stunden lang hatte er versucht, dem hageren Mann, der sich ihm gegenüber im Lehnstuhl räkelte, seinen Standpunkt klarzumachen. Drei Stunden hatte er in allen Tonarten gesungen und sämtliche Register gezogen – vergeblich! Zuerst hatte er es mit Bitten versucht, dann mit Schimpfen und zum Schluss mit düsteren Prophezeiungen – alles umsonst!
Wiro hatte sich das alles in Ruhe angehört, verzog keine Miene. Die ganze Zeit über ritzte er mit seinem Messer Kerben in die Schreibtischkante, sehr zum Ärger des Obersten, und nebenbei beschnitt er sich noch die Fingernägel. No, er benahm sich wahrlich nicht wie ein Gentleman. Dieser verteufelte Rüde Wiro unterstand sich sogar, vor Langeweile zu gähnen, und hatte mit einem sanften Ruck die Stiefel auf die Schreibtischplatte gehoben, sodass Tan Malley deutlich die zerrissenen Schuhsohlen und die verrosteten Sporen sehen konnte.
»Ich kann wirklich nichts für Sie tun, Wiro. Außer, Sie bringen einen Beweis dafür, dass Ihre beiden Freunde, wie Sie annehmen, bei den Colorado Springs umgekommen sind. Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, dass das Ihr eigener Entschluss ist und dass der Staat Sie in dieser Angelegenheit in keiner Weise unterstützen kann, wenn es sich auch um Staatenreiter handelt.«
»Well, ich verstehe, Herr Oberst!«
Kurz, abgehackt kamen seine Worte hervor. Das Messer in seiner Hand löste sich, drehte sich in der Luft und landete mit der Spitze in der Schreibtischplatte, sodass der Schaft hin und her vibrierte.
»Mit anderen Worten: Lane wird ein Sonderrecht eingeräumt«, dehnte er.
»Er war immerhin Senator!«
»Ich weiß, Oberst – und jetzt ist er der größte Rinderbaron in den Colorado Springs. Yeah, ein gewaltiger Mann mit einer großen Vergangenheit und …«
»Was seine Vergangenheit anbetrifft, so bin ich darüber nicht informiert«, unterbrach ihn Tan Malley grimmig. »Aber es ist doch wohl bei den meisten Menschen so, dass in ihrer Vergangenheit irgendein dunkler Punkt ist. By Jove, seien Sie doch kein Narr, Wiro! Sie sind einer meiner besten Reiter, und ich verliere Sie nur ungern.«
»Wenn Gunar Tomsitter oder Dave Sulwig hier an meiner Stelle stehen würden, Oberst, würden auch sie keine Minute gezögert haben. Mein Entschluss steht fest!«
»Herr im Himmel, Sie sind ein störrischer Maulesel, Wiro. Sie können wahrscheinlich nicht vergessen, dass die beiden vor ihrer Einstellung bei den Staatenreitern Ihre Partner waren.«
»Genau das, Oberst! Wir waren sechzehn Jahre alt, als wir unseren ersten Trail bis nach Feuerland machten.«
»Zum Teufel, ich entlasse Sie nicht, Wiro. Hören Sie, Captain, Sie sind bis auf weiteres beurlaubt. Ich werde auf den Tag warten, an dem Sie sich wieder zum Dienst stellen, und der Teufel soll Sie holen, wenn Ihnen diese Entscheidung missfällt! Und nun zum Schluss noch eine private Frage, Wiro.«
Seine Lider senkten sich, sein massiges Kinn schob sich ein wenig vor, und er stemmte seine mächtigen Tatzenhände auf die Schreibtischplatte, als wolle er sie Umstürzen und mitsamt den Stiefeln seines Gegenübers hinwegfegen.
»Sie sind doch jetzt drei Jahre bei uns, nicht wahr?«
Rüde Wiro nickte gelassen, er nahm die Stiefel herunter, packte den Griff des offenen Messers, zog die Klinge aus dem Holz und schabte den drei Tage alten Bart, der sein kantiges, schmales Gesicht umrahmte, in dem zwei meergrüne Augen von seltsam intensiver Farbe leuchteten.
Mit der Messerspitze schob er seinen Stetson tiefer in den Nacken und knurrte verdrossen:
»Heute auf den Tag genau drei Jahre, Boss, und es hat nicht einmal so viel eingebracht, dass ich meine Stiefel sohlen lassen und mir eine neue Ausrüstung kaufen konnte.«
»Hell and Devil, schieben Sie lieber den Whisky zur Seite«, fauchte ihn der Oberst an. »Der Sold sollte reichen, um eine vierköpfige Familie zu ernähren. Aber was machen die Herren Staatenreiter? Sie spielen und trinken, unterscheiden sich darin kaum von den Langreitern und Satteltramps, von den Gezeichneten, hinter denen sie her sind. Yeah, eine feine Sache muss ich schon sagen, Captain! Ihr seid alle gleich, keiner denkt an die Zukunft, keiner ans Sparen!«
»Die Unkosten sind zu groß, Boss«, konnte sich Rüde nicht verkneifen zu sagen.
»Hölle, wenn man Sie anhört, glaubt man tatsächlich, dass die Staatenreiter am Hungertuch nagen. Aber Schluss damit, ich wollte fragen, was vor vier Jahren geschah?«
Das Grinsen verlor sich aus Rüdes Gesicht, seine Augen bekamen einen seltsam lauernden Ausdruck. Sein schmaler Mund öffnete sich und hörbar sog er die Luft ein.
»Was wissen Sie, Oberst?«
»Nicht viel … ich denke, dass Sie mir jetzt darüber berichten werden.«
»Irrtum, Oberst! Ich werde Ihnen darauf keine Antwort geben. Jedenfalls so lange nicht, bis ich eine Spur von meinen Freunden gefunden und Beweise in den Händen halte. Ich will Ihnen keine Ungelegenheiten machen, Oberst. Ich quittiere meinen Dienst!«
»Seien Sie doch nicht so empfindlich, Wiro. Bisher hatten Sie doch das Gesetz im Rücken!«
»Boss, glauben Sie im Ernst, dass ein Mann auf dem langen Trail durch einen Orden geschützt wird? Ein Staatenreiter ist immer auf sich allein gestellt, aber das hat nichts weiter zu sagen … so long, Oberst.«
Rüde Wiro erhob sich jäh.
Auch der Oberst stemmte sich hinter seinem Schreibtisch in die Höhe. Jetzt, da beide standen, sah man erst, dass Rüde Wiro sein Gegenüber um Haupteslänge überragte.
Der Oberst hatte ganz schön Fett angesetzt, hatte einen dicken Bauch, den er gegen die Schreibtischplatte schob. Alles an ihm war volle Massigkeit eines gutlebenden Bürgers. Rüde Wiro dagegen besaß einen durchtrainierten Körper, breit ausladende Schultern, schmale Hüften, hatte stahlharte Muskeln, wirkte wie ein Wüstenwolf, den die Enge des Raumes bedrückte.
»Well, ich kann Sie nicht halten, Captain, aber ich will nicht versäumen, Ihnen viel Erfolg und Glück zu Ihrem Unternehmen zu wünschen. Beides werden Sie brauchen können, denke ich … und vor allem eine schnelle Hand!«
Er schob Rüde seine Tatze entgegen. Dieser nahm sie, und der Oberst verzog sein Gesicht vor Schmerz, wurde ein wenig blass und tastete mit der freien Linken rückwärts zur Lehne. Er hatte das Gefühl, als säße seine Rechte in einem Schraubstock, der sich immer fester schloss und ihm das Fleisch von den Knöcheln zu lösen schien.
»So long«, murmelte er und atmete auf, als der Druck sich löste.
»So long, Oberst«, erwiderte Rüde, schob sein Messer ins Futteral zurück, rückte seine beiden, tief hängenden Colts so weit nach vorn, dass sich die Lederriemen spannten. Dann zog er seinen grauen, fleckigen Stetson tiefer in die Stirn, und sein Blick flog noch einmal Abschied nehmend über die Einrichtung des recht nüchternen Büros.
Yeah, vielleicht war er hier zum letzten Mal, sagte er sich. Diese Vorstellung schmeckte irgendwie bitter. Die Tür zum Nebenraum stand offen. Zwei bleiche Schreiber schauten ihn teils neugierig, teils befremdet an, und im Hintergrund hantierte, ein hübsches Mädchen an einem Regal. Sie blinzelte ihm zu und lächelte.
Er gab dieses Lächeln zurück und tippte an die Stetsonkrempe. Yeah, er konnte nicht abstreiten, dass er immer wieder gerne ein hübsches Mädchen sah. Er stellte mit Vergnügen fest, dass sie leicht errötete und die Augen recht schamhaft niederschlug. Diese kleine Begegnung entschädigte ihn für die letzten drei Stunden, in denen er dazu verurteilt war, Oberst Malleys schlechte Whiskys zu trinken und geduldig zu lauschen auf etwas, was ihm gleich am Anfang der Unterredung klar gewesen war, und zwar, dass das Gesetz sich nicht gegen Burt Lane stellen würde.
Yeah, wenn man diesem Lane nur etwas nachweisen könnte, dann würde Oberst Malley keine Bedenken haben einzugreifen.
Er verließ den Raum. Draußen blinzelte er gegen die grelle Sonne, atmete tief die Luft ein und ging dann quer über den Platz zu seinem Quartier, einem langgestreckten Bau, in dem die Staatenreiter ihre Unterkunft hatten.
Einige hagere Männer mit falkenäugigen Blicken standen auf der Veranda und rauchten, andere dösten in Schaukelstühlen vor sich hin.
Ein baumlanger Texaner räkelte sich gelangweilt, hielt Rüde mit den Worten auf:
»Sonderauftrag vom Boss?«
»Tom, der Alte war nicht erbaut davon, dass ich ihn um einige Monate Urlaub bat.«
»Urlaub?«, fauchte Texas-Tom auffahrend. »Danach siehst du wahrhaftig nicht aus. Aber als ich sah, dass du deine Sachen gepackt hattest, und als ich hörte, dass du dir eine Löhnung abgeholt hast, kam es mir gleich sonderbar vor. Ich tippte allerdings auf einen Sonderauftrag. Mein Lieber, in letzter Zeit mache ich mir Gedanken über dich!«
»So?«
»Yeah, mich soll der und jener holen, aber manchmal glaube ich, dich irgendwo schon einmal gesehen zu haben, und zwar vor etwa vier Jahren …«
»Tut mir leid, Tom. Vor vier Jahren war ich noch nicht im Dienst.«
Des Texaners Stirn legte sich in Falten.
»Auch das habe ich mittlerweile erfahren«, dehnte er.
»Man hat mir erzählt, wann du eingetreten bist und dass du zusammen mit deinen Freunden Tomsitter und Sulwig am gleichen Tag den Orden angenommen hast.«
Er brach ab und trat von Rüde zurück, gab ihm den Weg frei.
»Weißt du, ich war verteufelt neugierig, Kamerad«, erklärte er. »Aber du musst wissen, dass ich …einige Male mit Tomsitter und Sulwig geritten bin. Beide waren prächtige Kerle. Wir haben zusammen bis zum Hals im Dreck gesteckt und kamen immer wieder heraus, und darum stimmt es mich nachdenklich, dass zwei so schnelle, glatte Kanonen in den Colorado Springs verschollen sein sollen, ohne dass Oberst Malley tüchtige Männer auf die heiße Spur setzt. Zum Teufel, Wiro! Dein Urlaub ist mir verständlich. Ich kann dir versichern, dass ich an deiner Seite reiten würde, wenn ich nicht noch einen bestimmten Auftrag zu erledigen hätte.«
»Ich werd allein zurechtkommen, Tom.«
»Daran habe ich nicht gezweifelt, Wiro, aber du reitest in eine Wildnis, in der es nicht ganz einfach ist, sich zurechtzufinden. Ich war nur einmal in der Gegend der Colorado Springs und weiß Bescheid. Du wirst die Ohren steifhalten und die Hand nicht aus der Nähe der Kolben nehmen dürfen. Schenke niemandem dein Vertrauen und achte immer darauf, dass du dir deinen Rücken freihältst.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich in den Springs viele Geächtete, Desperados und anderes Gesindel breitgemacht hat, dass sie dort ungestört leben können, denn die Schlupfwinkel sind dort so mannigfaltig, dass selbst eine Riesenarmee vergeblich suchen würde. Man sagt, dass sie sich organisiert haben, dass sie jeden Fremden auf Herz und Nieren prüfen, und man spricht offen davon, dass das große Rudel von Verbrechern dort oben einen Anführer hat. Aber das dürfte dir ebenso bekannt sein wie mir, Wiro. Wann reitest du?«
»In einer Stunde!«
»All right, dann bleibt uns noch ein wenig Zeit zu einem kurzen Drink in der Kantine, Freund.«
»Ich glaube, dass ich einen vertragen kann.«
»Ganz sicher, Wiro, denn in den Springs bekommst du einen vorgesetzt, der dir die Rachenhöhle ausbrennt und dir den Magen umstülpt«, grinste ihn Tom an, wobei er ihm sanft die schmale Revolverhand auf die Schulter legte.
»In unserem Beruf sollte man die Feste feiern, wie sie fallen. Oder gehörst du zu den Glücklichen, die für den Staat reiten, um sich später auf einer Ranch niederlassen zu können?«
Rüdes Lippen verzogen sich zu einem leichten Grinsen. Seine Rechte klatschte sanft gegen das Futteral, und er sagte bedächtig:
»Ich hatte noch nicht das Glück, im Innendienst zu arbeiten, Partner. Mit diesem Handwerkszeug aber kann man schneller zu einem Stück Erde kommen, als einem lieb ist. Yeah, wenige Fuß breit und gerade so tief, dass man sich bequem hineinlegen kann. Ah, gehen wir!«
»Ich habe so eine Ahnung, dass du uns verlassen und deinen Dienst quittieren wolltest, Rüde Wiro«, lächelte der schlanke Texaner. »Und ich kann dir auch sagen, dass das dem Alten nicht passt und er dich an deinen Eid erinnerte. By Gosh, du bist daran gebunden und wirst einen Privatkrieg führen müssen, so wie er schon vielen Männern aufgezwungen wurde, die plötzlich außerhalb des Gesetzes standen. Yeah, und das, mein Freund, wird bei dir nie der Fall sein. Du wirst neutral bleiben müssen, was auch immer geschieht. By Gosh, der Eid bindet dich, würde dich selbst dann binden, wenn Oberst Malley dein Gesuch um Freistellung angenommen hätte. Buddy, du reitest keiner schönen Zukunft entgegen.«
Er senkte die Stimme, sah rasch von Rüde fort und warf einen Blick in die Runde, als befürchte er Lauscher. Aber niemand hatte ein Augenmerk auf sie.
»Vielleicht hast du die Möglichkeit, dir in den Springs eine Insel zu erobern, auf der du geschützt bist, Fellow.«
»Eine Insel?«, fragte Rüde überrascht.
»Yeah, Burt Lane hat in den Springs ein Riesenrinderreich errichtet. Als er jung war, war er Staatenreiter. Später hat er sich zur Ruhe gesetzt und machte seinen Weg als Privatmann bis zum Senator.«
»By Gosh, du weißt bestimmt, dass er bei den Staatenreitern war?«, unterbrach ihn Rüde mit bebender Stimme.
In dem offenen, klaren Gesicht des Texaners spiegelte sich Überraschung.
»Hat dir Oberst Malley das etwa verschwiegen?«
»Yeah, das hat er. Aber ich begreife nun endlich einiges. Oberst Malley und Burt Lane sind wohl Bügel an Bügel geritten, wie?«
»Natürlich! Sie galten vor etwa zwanzig Jahren als die besten Fährtenleser und die härtesten Burschen. Sie waren der Schrecken aller, die sich gegen das Gesetz stellten. By Gosh, gab dir Oberst Malley nicht eine Empfehlung an Burt Lane mit?«
»Er wollte es«, murmelte Rüde leise. »Ich lehnte jedoch ab. Nicht einmal Burt Lane soll wissen, wer ich bin, wenn ich dort aufkreuze.«
»Hm, deine Vorsicht in Ehren, aber er war Staatenreiter und könnte dir bestimmt helfen.«
»Buddy, es ist eine alte Sache. Jeder ist sich selbst der nächste.«
»Nun, das ist deine Sache. Ich für meinen Teil würde die Hilfe nicht ausschlagen, denn auch Lane ist an seinen Eid als Staatenreiter gebunden, so lange er lebt. Der Eid löscht auch dann nicht aus, wenn sich einer ins Privatleben zurückzieht. Bedenke das!«
»Wann hat Burt Lane seinen Dienst quittiert?«
»Vor zehn Jahren etwa. Aber deine Frage und die Art, wie du sie stellst, beunruhigen mich. Hast du etwas gegen ihn? Oder kennst du ihn gar?«
Rüde hielt dem seltsam prüfenden Blick seines Gesprächspartners stand, zuckte mit keiner Wimper.
Ob er Lane kannte? By Gosh, allein der Name des Mannes brachte ihn in Erregung, wallte sein Blut auf und ließ sein Herz schwer gegen die Rippenwandung hämmern.
Oh yeah, er kannte Burt Lane. Aber es war ungewiss, ob Lane das Gleiche behaupten konnte. Vor vier Jahren, damals, als er noch mit Gunar Tomsitter und Dave Sulwig zusammen auf dem Trail war, hatte er den großmächtigen Burt Lane in Dodge City kennengelernt und ihm einen Kampf geliefert, bei dem Burt Lane gezeichnet wurde.
Rüde stemmte sich gegen die Gedanken der Vergangenheit. Vielleicht war Burt Lane wirklich der Mann, für den der Oberst und auch Tom ihn hielt, und der Vorfall in Dodge City etwas, was am Ende eines großen Treibens durch die erregten Gemüter, Whisky und Zorn zustande gekommen war. Vielleicht erfüllte sich Rüdes Verdacht nicht einmal und die Fährte der Freunde führte zu irgendeiner rauen Killermeute.
By Gosh, er machte sich keine Illusionen mehr.
Es war gewiss, dass er zwei Gräber finden würde, irgendwo, verlassen im wilden Land.
Dunkel wie Grüfte wurden seine Augen, rau kam es von seinen Lippen:
»Komm, Fellow … nehmen wir den Drink!«
Colorado war ein Land, das bis 1858 von keiner Menschenspur durchzogen war, eine Einöde ohnegleichen, und hatte erst in den letzten Jahren Hartgesottene, Goldwäscher, Digger, Desperados und Rowdys in geradezu erschreckendem Maße angezogen. Man hatte Gold in den Nebenflüssen des Süd-Platte-River entdeckt, und der Menschenstrom wälzte sich nach Westen.
Abenteurer, Glücksritter und menschliche Hyänen, die nur darauf lauerten, sich zu bereichern, Menschen, die rücksichtslos alles niedertraten, was sich ihnen in den Weg stellte. Revolvermänner und Killer, Männer, die in die Bergarbeitercamps von Denver, Golden, Central-City, Mount Vernon und Leadville Unruhe, Gewalttätigkeit, Mord und Totschlag brachten, die dafür sorgten, dass das raue, tolle Leben menschliche Existenzen vernichtete.
Colorado … ein Tummelplatz der bösen Elemente! Wenn man von einem Mann sagen konnte, dass er schwer reich wurde, dann war es Burt Lane. Die Masse Mensch brauchte Fleisch. Der Hunger trieb sie, selbst die höchsten Preise zu bezahlen. Burt Lane aber diktierte sie. Alle Rancher in der Umgebung von Colorado Springs verkauften an ihn, stellten sich hinter ihn und seine Crew, die raueste, die es jemals auf einer Ranch gab. Es waren Männer, die mit ihren Eisen verwachsen waren. Kerle, die nur eines kannten: reiten und schießen.
Jeder Einzelne aus der Lane-Crew war ein besonderes Exemplar mit seinen Waffen. Wenn Burt Lane mit seiner Meute aufkreuzte, verstummten die lautesten Schreier, verdrückten sich jene Burschen, die sonst mit den Colts balancierten. Himmel, yeah, dann hielten sich sogar die Burschen zurück, die gegen die unsinnig hohen Fleischpreise protestierten.
Burt Lane aber bezahlte seine Männer fürstlich. Jedenfalls so, dass sie keine Lust hatten, von seinen Fetttöpfen fort in die Fronarbeit eines Camps zu gehen. Und Burt Lane gebrauchte seine Macht. Er setzte sich selbst zum Friedensrichter ein, hielt Gericht, verurteilte, hielt Ansprachen und wurde reicher mit jedem Tag.
Vor ihm zogen die härtesten Killer ihren Stetson, drückten sich die Satteltramps scheu beiseite. Sein Name prangte überall dort, wo man einkaufen, essen und sich amüsieren konnte. Er beherrschte die Weide, hatte Einfluss in den Goldwäschercamps, in den Bergwerken, wo Erz gebrochen wurde, und seine Stimme reichte weit über die Landesgrenzen hinaus.
Er hatte seine Hände in Transportunternehmen und gehörte einer Versicherungsgesellschaft an. Man raunte sich zu, dass er mit jedem Überfall, der auf einen seiner Transporte gestartet wurde, mehr Geld verdiente als der Präsident der Vereinigten Staaten.
Keiner wagte es jedoch, öffentlich laut zu sagen, dass man ihn für einen Versicherungsschwindler hielt, denn überall lauerten seine Agenten. Kerle, die er bezahlte und die ihm alles zutrugen. Wer gegen Burt Lane war, fand sich bald in unangenehme Dinge verwickelt, aus denen ihn nur die Flucht über die Grenze heraushelfen konnte.
Yeah, Burt Lane galt als der ungekrönte König weit und breit. Das alles hatte Rüde bereits erfahren, und es war mehr, als er erwartet hatte, viel mehr, als er verdauen konnte. Und erst jetzt wurde ihm so recht bewusst, gegen welchen Giganten er angehen wollte.
Er war am Quellgebiet des Rio Grande über die Miguel-Mountains gekommen und hatte die Cochetopa-Hills rechts liegen lassen. Jetzt hielt er auf den Gunison-River zu und vor ihm lagen die West Elk-Mountains. Eine bizarre Kette rauer Berge. Er hielt seinen Rappen an, lenkte ihn in genau nordöstlicher Richtung weiter. Irgendwo hinter dem dunstigen Bergkoloss lag der Cripple-Creek, der von Norden kommend in weicher Kurve nach Südwest an den Sawatsch-Gebirgen vorbei seinen Weg zum Arkansas suchte.
Rau und steinig war das Land. Der gelbe Staub der Berge hatte sich in seine Poren eingefressen, lag auf dem Fell des Rappen und Staub wallte unter den trägen Hufen des Tieres empor. Meile um Meile blieb zurück. Über Berge und Täler, durch Schluchten und Canyons trugen ihn die Hufe immer weiter nach Norden. An ausgestorbenen, gespenstisch leeren Hüttendörfern vorbei, die, das sah man an den traurigen Dingen, die umherlagen, flüchtig erbaut und ebenso verlassen worden waren, weil dort am Gunison-River die Ausbeute an Gold nicht gelohnt hatte. Die ausgewaschenen Ufer boten einen trostlosen Anblick. Schüttelsiebe und verrostete Pfannen lagen umher.
Rüde ritt durch das verlassene Dorf, trieb drei streunende Coyoten auf und, yeah, sah einen Mann, der plötzlich aus einer der verwitterten Hütten trat und seine alte Winchester in Anschlag hielt.
»Heh, Stranger!«
Der zornig wirre Blick des struppigen Kerls verstärkte Rüdes Wachsamkeit. Er hielt mit einem scharfen Ruck den Rappen an, beugte sich ein wenig im Sattel vor.
»Hallo!«
Der Kerl stand höllisch wachsam da, ließ ihn nicht aus den Augen.
»Wohl weit geritten, wie?«, krächzte er nach einer Pause, wobei sein Blick begehrlich auf den Rappen gerichtet war. Er schob seine breitausladenden Schultern höher, spreizte die lächerlich dünnen, krummen Beine, die in zerfetzten Hosen und Stiefeln steckten, auseinander, grinste, als hätte er einen prächtigen Witz gerissen, und fuhr sich mit der Zunge über die zersprungenen, blutleeren Lippen. »Ein Mann kann weit reiten«, grinste er, als er keine Antwort bekam. »Man ist nie vor Überraschungen sicher. Hier hast du sicher keine Menschenseele erwartet, wie?«
Er schob die Winchester höher, grinste stärker, wobei er seine beschädigten Zähne zeigte.
Rüde hatte somit Gelegenheit, den gedrungenen, schäbig aussehenden Kerl zu mustern. Hunger und Gier standen ihm in den Augen. Und der Hunger war es auch, der seine Wangen hatte tief einfallen lassen.
»Steige vom Pferd, Stranger«, forderte der Tramp. »Und heb schön brav die Hände!«
Rüde lächelte freundlich. Jetzt, da der Kleine entschieden hatte, wusste Rüde, woran er war. »Mein Pferd scheint dir zu gefallen?«
»Jedes Pferd würde mir in meiner jetzigen Verfassung gefallen«, entgegnete der andere. »Je schneller es jedoch ist, desto besser ist es für mich. Dein Rappe scheint mir besonders schnell zu sein, und das gefällt mir wahrhaftig sehr gut.«
»Hm, auch mein Proviant scheint dich nicht ganz gleichgültig zu lassen, Buddy. Du hast wahrscheinlich lange nichts mehr zwischen den Zähnen gehabt, wie?«, fuhr Rüde sanft fort, ganz so, als spreche er mit einem verzogenen, unmündigen Kind.
Mit einer schroffen Handbewegung schnitt der Kleine ihm das Wort ab. »Burt Lanes Fleischpreise werden auch dir bald den Appetit verderben, junger Freund«, grinste er höhnisch.
»Sie haben mir den Appetit so gründlich genommen, dass ich schnell aus dem Land verschwinden muss, und dazu sollen mir dein Pferd und deine Ausrüstung verhelfen. Du kannst dir wohl kaum vorstellen, wie einem Mann zumute ist, der sich seit einer Woche von allerhand schäbigen Dingen ernähren muss.«
»Ein Mann, der sich auf der Flucht befindet, hat sogar Angst davor, seine Winchester abzuknallen«, unterbrach ihn Rüde. »Ich nehme an, dass du mich aus der Hütte dort eine ganze Weile beobachtet hast, stimmt’s?«
Die Augen des Kleinen zogen sich zusammen. Unruhig wiegte er sich hin und her. »Was willst du damit sagen?«
»Dass du mich glatt aus dem Sattel heben konntest und es dennoch nicht getan hast. Dass du den Ehrgeiz hattest, mich vor dir zu sehen, und dass du verteufelt schnell gehandelt hast, Buddy.«
»Du bist sehr vorsichtig durch diese Gespensterstadt geritten. Ganz in der Art eines Mannes, der etwas auf dem Kerbholz hat und hinter jeder Ecke einen Feind wittert. Yeah, das macht dich mir sympathisch. Aber verlange nicht, dass ich auf meine Wünsche verzichte und mit dir verhandle. Ich habe es höllisch eilig, mein Junge. Nur weil ich weiß, wie es einem Mann zumute ist, der hinter jeder Ecke einen Feind vermutet, habe ich dich nicht aus dem Sattel gehoben. Es tut mir leid, aber du wirst deinen Trail zu Fuß fortsetzen müssen.« Der Kleine hatte sich in eine kalte Wut hineingeredet.
»Schade, Buddy, vielleicht wären wir Partner geworden«, lächelte ihm Rüde sanft zu. Er tat so, als wolle er dem Befehl nachkommen, verhedderte sich in den Steigbügeln und schien schräg aus dem Sattel zu fallen. Im gleichen Augenblick wummerte die Winchester auf, der tödliche Feuerstrahl raste über Rüde hinweg klatschend in die gegenüberliegende Wand eines halbzerfallenen Hauses hinein.
Wie von selbst sprang der rechte Colt in Rüdes Hand.
Noch bevor der Kleine zum zweiten Male abdrücken, den Hahn ziehen konnte, pflügte Rüdes Kugel ihm die Waffe aus der Hand. Mit einem Wutschrei warf sich der Mann vorwärts. By Gosh, der Hunger und die Not mussten ihn so gewaltig in den Krallen haben, dass er alle Vorsicht vergaß, dass er nur noch von dem einen Gedanken beseelt schien, den Gegner zu bezwingen.
Der Teufel mochte wissen, was der Bursche hinter sich gebracht hatte, was ihn dazu trieb, wie ein Berserker laut brüllend mit den nackten Fäusten auf Rüde loszugehen.