Er Raml el Helahk - Karl May - E-Book

Er Raml el Helahk E-Book

Karl May

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Beschreibung

Er Raml el Helahk ist eine Abenteuererzählung von Karl May.

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Der Khabir

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Er Raml el Helahk

Der KhabirIn den Magarat ess ssuchurIsa Ben Marryam akbarAnmerkungen zu dieser AusgabeImpressum

Der Khabir

Die Sonne hatte ihren Tageslauf fast ganz vollendet; darum lag ich nach der heutigen glühenden Hitze etwas entfernt von dem Brunnen vollständig im Schatten meines Reitkameles, während sich die andern Mitglieder der Karawane rund um das brackige, schlecht schmeckende Wasser niedergelassen hatten und den überschwenglichen Reden meines Chaddam Kamil lauschten. Ich konnte jedes Wort verstehen, welches gesprochen wurde, und hörte mit heimlichem Vergnügen zu, welche Mühe er sich gab, alle meine unzähligen guten Eigenschaften in das richtige Licht zu stellen.

»Nicht wahr, du heißest Abram Ben Sakir und bist ein reicher Mann?« fragte er den neben ihm sitzenden Handelsherrn aus Mursuk. »Wieviel bezahlst du jedem deiner Begleiter auf dieser Reise für den Tag?«

»Zweihundert Kauris,« antwortete der Gefragte bereitwilligst. »Ist das nicht genug?«

»Für deinen Besitz, ja; aber mein Sihdi ist viel, viel reicher, als du bist. Er heißt Hadschi Kara Ben Nemsi, und in den Oasen seines Vaterlandes weiden 1000 Pferde, 5000 Kamele, 10 000 Ziegen und 20 000 Schafe mit fetten Schwänzen, die ihm gehören. Er giebt mir täglich einen Abu Noqtah, so daß ich reicher als du sein werde, wenn ich von ihm in mein Duar zurückgekehrt bin. Sag, was bist du gegen ihn?«

Der Aufschneider log gewaltig, denn ich zahlte ihm nicht täglich, sondern wöchentlich einen Mariatheresienthaler; er bekam also nach deutschem Gelde täglich ungefähr 50 Pfennige. Der sehr reiche Handelsherr antwortete:

»Allah giebt, und Allah nimmt; die Menschen können nicht alle gleich wohlhabend sein.«

»Du hast recht,« nickte Kamil, »und weil mein Sihdi der Liebling Allahs ist, hat er viel von ihm bekommen. Ahnest du vielleicht, wie berühmt der Name Hadschi Kara Ben Nemsi in allen Ländern und bei allen Völkern der Erde ist? –Er spricht alle viertausendundfünfzig Sprachen der menschlichen Zunge, kennt die Namen aller achtzigtausend Tiere und Pflanzen, heilt alle zehntausend Krankheiten und schießt den Löwen mit einer einzigen Kugel tot. Seine Mutter war die schönste Frau der Welt; die Mutter seines Vaters wurde der Inbegriff der Tugenden genannt, und die sechsunddreißig Frauen, welche er besitzt, sind folgsam, lieblich und nach Ambra duftend wie die Blumen des Paradieses. Er hat die Heere aller Helden besiegt; vor seiner Stimme zittert sogar der schwarze Panther, und wenn, um uns zu überfallen, die räuberischen Tuareg kämen, in deren Gebiete wir uns leider jetzt befinden, so genügte allein seine kleine Flinte, sie in die Flucht zu treiben. Blicke hin zu ihm! Siehst du, daß er zwei Gewehre hat, ein großes und ein kleines? Mit dem großen schießt er eine ganze Khala über den Haufen, und mit dem kleinen kann er hunderttausendmal schießen, ohne zu laden; darum wird es eine Bundukije et tikrar

genannt. Fast wünsche ich, daß diese Halunken kämen; dann solltet Ihr sehen – –«

»Sei still, um Allahs willen!« unterbrach ihn da der Schech el Dschemali rasch. »Wenn du diese Mörder herbeiwünschest, so kann es dem Schaïtan« leicht einfallen, sie wirklich herbeizuführen, und dann wären wir verloren!«

»Verloren? Wenn mein Sihdi hier ist und auch ich bei Euch bin?«

Er hätte in diesem Tone wohl weitergesprochen; da aber deutete der Schech el Dschemali auf die Sonne und sagte:

»Seht, ihr Männer, daß die Sonne den Horizont berührt! Das ist die Stunde des Abendgebetes. Gebt Allah Preis, Lob und Ehre!«

Sie sprangen alle auf, tauchten ihre Hände in das Wasser, knieten dann, mit dem Gesichte nach der Richtung von Mekka gewendet, nieder und beteten unter den vorgeschriebenen Verbeugungen und Handbewegungen dem alten Schech die heilige Fatcha nach.

Auch ich kniete währenddem im Sande und verrichtete mein christliches Abendgebet, natürlich ohne ihre Bewegungen nachzuahmen, denn ich hatte ihnen nicht verschwiegen, daß ich kein Mohammedaner sei. Ich war gestern, gleich nachdem ich mit meinem Kamil ihre Handelskarawane eingeholt hatte, so aufrichtig gewesen, ihnen das zu sagen, und sie hatten das nicht für einen Grund genommen, mir die Erlaubnis, mich ihnen anzuschließen, zu verweigern.

In den Magarat ess ssuchur

Als das Gebet zu Ende war und wir uns von den Knieen erhoben hatten, sahen wir von Norden her einen einzelnen Kamelreiter kommen. Sein Hedschihn war ein vorzüglicher Schnellläufer, und seine Waffen bestanden aus einer langen, arabischen Flinte und zwei Messern, die er an Armbändern an seinen Handgelenken hängen hatte. Diese Art, die Messer zu tragen, ist für den Gegner sehr gefährlich: man umarmt ihn und sticht ihm dabei die beiden Klingen von hinten in den Rücken.

»Sallam!« grüßte er, bei uns angekommen, indem er, ohne sein Kamel niederknieen zu lassen, aus dem Sattel sprang. »Erlaubt mir, hier mein Hedschihn zu tränken und euch vor den Feinden zu warnen, denen ihr entgegengeht!«

Er war in einen langen, weißen Burnus gehüllt, unter dessen Kapuze sein dunkles, stark eingefettetes Haar hervorquoll. Groß und kräftig gebaut, hatte er ein ovales, volles Gesicht mit einer Abplattung in der Gegend der Backenknochen, eine kurze, fast stumpfe Nase, kleine Augen und ein rundes Kinn. Hätte er das Litham getragen, einen Gesichtsschleier, der nur die Augen frei läßt, so wäre ich überzeugt gewesen, einen Targi vor mir zu haben.

»Du bist uns willkommen,« antwortete der alte Schech, als das Tier des Ankömmlings von selbst zum Wasser lief, um zu trinken. »Wen aber meinst du, indem du von Feinden redest?«

»Die Imoscharh,« antwortete der Gefragte.

Dieses Wort ist gleichbedeutend mit Tuareg. Des letzteren Wortes bedienen sich nur die Araber, während die Angehörigen des betreffenden räuberischen Volkes sich nie anders denn als Imoscharh bezeichnen.

»Du meinst die Tuareg? Befinden sich welche auf unserm Wege?«

»Nicht nur welche, sondern sehr viele und zwar in der Oase Seghedem.«

»Allah! Dorthin wollten wir in dieser Nacht reiten!«

»Das könnt ihr nicht. Wir waren eine Karawane von über dreißig Männern mit achtzig Kamelen. Wir kamen vom Bir Ishaya und hielten uns für sicher; kaum aber hatten wir Seghedem erreicht, so wurden wir von den Imoscharh, welche sich dort versteckt hielten, überfallen und trotz der tapfersten Gegenwehr niedergemetzelt. Ich bin der einzige, der entkommen ist.«

»Ia waili!« rief der Alte betroffen aus. »Diese Hunde hat uns der Schaïtan in den Weg geführt! Sie werden in Seghedem liegen bleiben. Was thun wir da? Sollen wir hier warten, bis sie fort sind, hier am Bir Ikbar, dessen Wasser für Menschen kaum zu genießen ist und für unsere Tiere kaum noch einen Tag ausreichen würde?«

Er sah sich ratlos im Kreise um. Abram Ben Sakir, der Handelsherr, machte ein bedenkliches Gesicht und fragte:

»Können wir die Oase Seghedem nicht umgehen?«

»Nein,« antwortete der Schech. »Nach Osten ist das unmöglich, denn der nächste Brunnen dorthin liegt drei volle Tagereisen von hier im Gebiete der Tibbu, und der Umweg nach Westen würde uns in die Berge der Magarat ess ßuchur führen, durch welche ich den Weg nicht kenne.«

»Aber ich kenne ihn,« sagte der neu Angekommene.

»Du?« fragte der Schech erstaunt. »Da wärest du ja ein Khabir, der diese Gegend weit besser kennt als ich, und doch zähle ich das doppelte deiner Jahre.«

»Es ist so; ich bin Khabir. Das Alter thut es nicht; ich kenne diese Gegend, weil ich mehreremale dagewesen bin. Ich war ja auch der Khabir der Karawane, welche von den Imoscharh überfallen wurde, und hätte mich nicht retten können, wenn der Wüstenweg mir unbekannt gewesen wäre. Ich bin ein Krieger der Beni Riah und werde Omar Ibn Amarah genannt.«

Der arabische Stamm der Beni Riah wohnt allerdings in Fezzan, aber es wurde mir schwer, diesen Khabir für einen Araber zu halten, zumal er die Tuareg nicht anders als Imoscharh nannte, was ein Araber nicht gethan hätte. Diesen meinen Zweifel hegte der Schech aber nicht, denn er sagte:

»Ich weiß, daß die Beni Riah Männer sind, welche den Weg von Mursuk nach Bilma genau kennen, und glaube also, daß du in den Magarat ess ßuchur gewesen bist. Also kennst du die Berge der Felsengrotten? Und du glaubst, daß wir auf diesem Wege die Oase Seghedem und die Tuareg umgehen können?«

»Ja; es ist leichter, als du denkst. Wenn wir von hier aus einen Bogen um diese Oase reiten, lassen wir die Gefahr rechts von uns liegen und kommen glücklich beim Bir Ishaya an. Ich will euch führen, denn ich denke, daß nicht du allein es wünschest, sondern daß auch alle deine Begleiter diesen Wunsch haben.«

»Sie haben ihn. Setze dich zu uns, und sei unser Gast! Wir werden jetzt essen und nach dem Abendgebete von hier aufbrechen.«

»Ich bin bereit, euer Führer und Gast zu sein, doch wirst du mir nun sagen, wer die Männer sind, deren Schech el Dschemali du zu sein scheinest.«

»Das mußt du natürlich wissen. Du siehst hier Abram Ben Sakir, den Handelsherrn aus Mursuk, dem alle diese Diener und Lastkamele gehören; ich soll ihn von Bilma nach Mutsuk bringen. Und dort stehen zwei Fremde, die sich erst gestern zu uns gesellt haben. Es ist Hadschi Kara Ben Nemsi, aus dem Abendlande, mit Kamil Ben Sufakah, der sein Diener ist.«

Der Khabir sah uns mit scharfem, stechendem Blicke an und fragte dann Kamil in grollendem Tone:

»Dein Name ist Kamil Ben Sufakah? Zu welchem Volke gehörest du?«

»Ich bin ein Beni Dscherar vom Ferkah Ischelli,« antwortete der Gefragte.