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Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Die letzten Tage im Juli waren heiß und trocken gewesen, jetzt hingen schwere Wolken über den Weinbergen. Gelber Staub wirbelte auf, als Eberhard von Gronaus Wagen die Kurven nahm. Er drosselte das Tempo und zwang sich zu ruhiger Fahrt. Schloss Gronau würde ihm nicht davonlaufen. Er war verblüfft als er um die letzte Kurve gebogen war und die Allee schlanker Pappeln vor ihm lag, die zum Eingangshof des Schlosses führte. Was für ein Schmuckstück hatte sein Bruder Claus aus dem verfallenen Familiensitz gemacht! Das kleine Barockschlösschen erstrahlte in sattem Ockergelb, Sockel und Fensterumrandungen waren aus rötlichem Sandstein, den man abgeschliffen und erneuert hatte, und über der Eingangspforte thronte das Familienwappen, das ein Vorfahre im siebzehnten Jahrhundert in Stein hatte einmeißeln lassen. Eberhard fuhr durch die Pappelallee bis zum Eingangstor. Das Schloss war um einen Innenhof gebaut, der ebenfalls restauriert und mit einer Kastanie bepflanzt worden war. An den Wänden rankten sich Kletterrosen, ob der alte Sandsteinbrunnen an der Südwand noch da war, konnte man nicht sehen. Autos aller Herren Länder standen hier dicht an dicht geparkt. Eberhard stellte seinen Wagen auf einem gerade frei gewordenen Platz ab und stieg aus. Was für ein merkwürdiges Gefühl, nach all den Jahren wieder im Hof von Schloss Gronau zu stehen. Es war das gleiche alte Pflaster auf dem er als kleiner Junge Seilhüpfen gespielt hatte, das gleiche Fenster, von dem aus die Köchin hin und wieder einen Blick auf die spielenden Knaben geworfen hatte. Wie hieß sie doch noch? Richtig: Paula. Eine treue Seele war sie gewesen. Ob sie wohl noch lebte? Die schwere, zweiflügelige Eingangstür stand offen, Besucher gingen ein und aus. Schwatzend, staunend, begutachtend.
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Die letzten Tage im Juli waren heiß und trocken gewesen, jetzt hingen schwere Wolken über den Weinbergen. Gelber Staub wirbelte auf, als Eberhard von Gronaus Wagen die Kurven nahm. Er drosselte das Tempo und zwang sich zu ruhiger Fahrt. Schloss Gronau würde ihm nicht davonlaufen.
Er war verblüfft als er um die letzte Kurve gebogen war und die Allee schlanker Pappeln vor ihm lag, die zum Eingangshof des Schlosses führte. Was für ein Schmuckstück hatte sein Bruder Claus aus dem verfallenen Familiensitz gemacht! Das kleine Barockschlösschen erstrahlte in sattem Ockergelb, Sockel und Fensterumrandungen waren aus rötlichem Sandstein, den man abgeschliffen und erneuert hatte, und über der Eingangspforte thronte das Familienwappen, das ein Vorfahre im siebzehnten Jahrhundert in Stein hatte einmeißeln lassen.
Eberhard fuhr durch die Pappelallee bis zum Eingangstor. Das Schloss war um einen Innenhof gebaut, der ebenfalls restauriert und mit einer Kastanie bepflanzt worden war. An den Wänden rankten sich Kletterrosen, ob der alte Sandsteinbrunnen an der Südwand noch da war, konnte man nicht sehen. Autos aller Herren Länder standen hier dicht an dicht geparkt.
Eberhard stellte seinen Wagen auf einem gerade frei gewordenen Platz ab und stieg aus. Was für ein merkwürdiges Gefühl, nach all den Jahren wieder im Hof von Schloss Gronau zu stehen. Es war das gleiche alte Pflaster auf dem er als kleiner Junge Seilhüpfen gespielt hatte, das gleiche Fenster, von dem aus die Köchin hin und wieder einen Blick auf die spielenden Knaben geworfen hatte. Wie hieß sie doch noch? Richtig: Paula. Eine treue Seele war sie gewesen. Ob sie wohl noch lebte?
Die schwere, zweiflügelige Eingangstür stand offen, Besucher gingen ein und aus. Schwatzend, staunend, begutachtend. Eberhard spürte, wie die gleichgültige Geschäftigkeit der Kaufwilligen ihn verletzte und zornig machte. Sein Bruder war noch keine Woche unter der Erde, und man ging schon zur Tagesordnung über. Und die hieß lapidar: Schloss Gronau steht mit Park und dazugehörigem Waldbesitz zum Verkauf.
Er betrat die hohe Eingangshalle, in der das Gewirr der Stimmen von Decke und Wänden hallte und sich vervielfachte. Mehrere Gruppen Kauf- oder Schaulustiger standen beieinander, betrachteten die Einrichtung, besahen die Gewölbebögen, maßen sich Auge in Auge mit den Familienportraits, die von den Wänden herabschauten. Die Fürsten von Gronau waren einst eine einflussreiche und mächtige Familie gewesen.
Eberhard spürte die Blicke einiger Besucher und ahnte, dass man ihn auch nach langer Abwesenheit erkannte. Er hatte jedoch wenig Lust, alte Bekanntschaften zu erneuern. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Wenn überhaupt. So wich er den Blicken aus und betrat die Treppe, die zum Westflügel des Schlosses führte. Hier lagen die Wohnräume der Familie, zumindest war es früher so gewesen. Hier hoffte er Elisabeth zu treffen.
»Prinz Eberhard«, rief eine Frauenstimme. »Du lieber Himmel, ich habe Sie doch gleich erkannt.«
Er kannte die Stimme und wandte sich um. Zehn Jahre hatte er sie nicht mehr gesehen – aber Paula hatte sich kaum verändert. Klein und rundlich war sie, das Gesicht gerötet, das Haar straff nach hinten gesteckt. Nur dass ihr Haar jetzt nicht mehr grau, sondern schlohweiß war.
»Nicht mehr Prinz, liebe Paula«, sagte er lächelnd. »Auf den Titel habe ich damals verzichtet. Und ich habe es niemals bereut.«
Paula schüttelte unzufrieden den Kopf.
»Für mich werden Sie immer Prinz Eberhard sein. Gleichgültig wie Sie sich nennen, Sie bleiben dennoch ein Mitglied der fürstlichen Familie.«
Er wusste, dass es wenig Sinn machen würde, Paula die Beweggründe für seinen Verzicht darzulegen. Zumal sich jetzt so vieles geändert hatte.
»Ein Mitglied der Familie bin ich nach wie vor«, gab er zurück. »Darum bin ich ja gekommen.«
Paula seufzte tief und zog ein Taschentuch, um sich die Augen zu wischen.
»Ja, jetzt sind Sie endlich gekommen. Warum nicht vor einigen Jahren? Oder wenigstens vor ein paar Monaten?«
Beklommen sah er, dass sie weinte. Auch ihm war es schwer ums Herz, wenn er an die Beerdigung auf dem kleinen Familienfriedhof dachte. So hatte er sich das Wiedersehen mit seinem Bruder nicht vorgestellt.
»Wer hätte das ahnen können, Paula?«
Sie schnäuzte sich und nickte. Natürlich, der Fürst war ein blendender Reiter gewesen, sein Pferd eine erfahrene Stute, die er seit Jahren ritt, der Weg durch den Wald ihm seit seiner Kindheit bekannt. Und doch war die Stute an jenem Morgen mit leerem Sattel im Schlosshof erschienen. Die Angestellten fanden den Fürsten im Wald, er war so unglücklich vom Pferd gestürzt, dass er sich das Genick gebrochen hatte.
»Es war ein schreckliches Unglück, das war es. Mein Gott, was haben die beiden Buben an ihrem Vater gehangen. Der Kleine fragt immer noch, ob sein Papi nicht bald nach Hause kommt.«
»Wie alt sind die beiden inzwischen?«
»Bernhard ist acht und Benedict sechs. In diesem Sommer ist er grad in die Schule gekommen. Eine große Feier hat der Fürst noch gerichtet zur Einschulung seines Buben. Pfänderspiele und eine Schnitzeljagd haben sie im Park gemacht und einen Nachtspaziergang mit Fackeln …«
Sie machte eine resignierte Handbewegung und fuhr sich wieder mit dem Taschentuch über die Augen.
»Wenn die Kinder doch wenigstens hier im Schloss bleiben könnten …«
Eberhard ließ ein junges Paar vorübergehen, das ebenfalls auf Besichtigungstour war. Die junge Frau zeigte an die Decke des Flures, die mit Stuckarbeiten verziert war. Sein Bruder musste große Summen in die Renovierungsarbeiten gesteckt haben.
Kein Wunder, dass es zum Desaster gekommen war. Unglückliche Aktienkäufe hatten ein Übriges getan, die Finanzen der Familie waren völlig zerrüttet.
»Gibt es denn schon ernsthafte Bewerber?«, fragte er, denn es war ihm bekannt, dass die Angestellten meist mehr wussten als alle anderen.
Paula hob die Schultern.
»Dazu ist es noch viel zu früh. Seit drei Tagen rennen diese Leute uns die Türen ein. Sie können sich kaum vorstellen, wie rücksichtslos und dreist manche von ihnen sind. Alles wollen sie sehen und anfassen. Nichts ist ihnen heilig. Besonders diese Journalisten sind wie die Geier. Gestern fragte mich jemand, wo die Schlafzimmer des Fürstenpaares seien. Und dann wollte einer wissen, an welcher Stelle der Fürst gestürzt sei. Und ob noch Blutspuren zu erkennen wären.«
»Unglaublich!«
»Ich habe der Fürstin gesagt, sie solle die Privaträume einfach abschließen. Und alles in Sicherheit bringen, was ihr wichtig und teuer ist. Aber das hat sie nicht gewollt.«
»Aber weshalb denn nicht?«
Paula zuckte die Schultern.
»Sie ist noch völlig benommen von den Ereignissen, die über sie hereingebrochen sind. Das ist wohl der Grund.«
Eberhard nickte verständnisvoll. Elisabeth war vor zehn Jahren eine bildschöne junge Braut gewesen. Eberhard hatte sie mit seinem Bruder Claus gemeinsam auf einer Segeltour im Mittelmeer kennen gelernt, wo sie mit Freunden seinen Geburtstag feierten. Natürlich war es Claus gewesen, der die schlanke dunkelhaarige Frau beeindruckte. Hinreißend charmant, sportlich, geistreich – sein älterer Bruder hatte immer den Vogel abgeschossen. Auch dieser wundervolle Paradiesvogel war bald in seinen Fängen gewesen. Mit Bitterkeit dachte Eberhard daran, dass sie damals fast eine ganze Nacht lang mit seinem Bruder getanzt hatte, eng aneinandergeschmiegt, das letzte Paar auf der Tanzfläche, traumverloren und so verliebt, dass der Rest der Welt um sie herum versank. Keiner der beiden bemerkte Eberhard, der in einer Ecke saß und kein Auge von ihnen wenden konnte.
Es hätte nicht anders kommen können. Er zwang sich, bei der Hochzeit eine gute Figur zu machen, bewährte sich als Trauzeuge, trug zu seinem Unglück sozusagen noch bei, indem er den Bund der Ehe bestätigte. Einen einzigen Tanz hatte sie ihm gegönnt auf dieser Hochzeitsfeier. Einen einzigen Tanz mit der wunderschönen Braut seines Bruders, weiße Spitzen und eine Wolke von Tüll, ihre schlanke Taille und die dunklen Augen, die ihn voller Glück ansahen und dabei einen anderen meinten.
Er hatte sich wenige Wochen später endgültig mit seinem Bruder zerstritten. Wegen einer Lappalie, an die er sich inzwischen kaum mehr erinnerte. Zornig hatte er das Schloss verlassen, auf Titel und Ehren verzichtet und erklärt, niemals zurückzukehren. Er wollte sein Glück anderswo suchen.
»Sie sollten sich auch etwas mitnehmen, Prinz Eberhard. Die Familienfotos zum Beispiel. Warum soll all das in einem Container enden, wenn das Schloss verkauft ist? Die Jagdausrüstung Ihres Vaters. Oder wenigstens einige der wertvollen Bücher.«
Er schüttelte lächelnd den Kopf.
»Lassen wir einfach alles dort, wo es ist, Paula. Sagen Sie mir lieber, wo ich Elisabeth finde.«
»Im Verwalterhaus ist sie. Auch die Buben sind dort. Sie wollte von dem ganzen Verkauf nichts mitbekommen und hat alles der Bank überlassen.«
»Ist sie in der Lage, Besucher zu empfangen?«, fragte er vorsichtig.
Elisabeth hatte auf der Beerdigung schmal und zerbrechlich gewirkt, hatte sich aber großartig gehalten.
Paula lächelte breit.
»Natürlich nicht jeden. Aber Sie wird sie ganz gewiss empfangen.«
Er wusste nicht, woher sie diese Zuversicht nahm. Elisabeth hatte im Streit der Brüder immer auf der Seite ihres Mannes gestanden. Aber schließlich wollte er Elisabeth eine gute Nachricht überbringen.
*
Das Verwalterhäuschen war ein einstöckiger Bau, der ebenso wie das Schloss aus dem siebzehnten Jahrhundert stammte. Es war ein massives Steinhaus mit Sandsteinsockel und einem kleinen Treppenturm an der Seite. Das ganze Gebäude war von Weinlaub überwachsen, nur um den Eingang herum rankten sich weiße und rote Kletterrosen.
Eberhard hörte die hellen Knabenstimmen schon, als er vor der Haustür stand und nach einer Klingel suchte. Aufgeregt schienen die beiden Kinder miteinander zu streiten, dazwischen mischte sich eine Frauenstimme. Energisch und doch ruhig schlichtete sie den Streit.
Eine Klingel gab es nicht, er betätigte den eisernen Klopfring, der an der altersschwachen Holztür angebracht war. Das Geräusch war so laut, dass er selbst zusammenfuhr.
»Da kommt wer«, hörte er eine Knabenstimme.
»Das ist vielleicht der Papa«, sagte eine zweite Kinderstimme leise.
»Nein, Benedict, das ist nicht der Papa«, sagte die Frauenstimme ernst und doch sanft.
Gleich darauf wurde die Tür geöffnet und Eberhard fand sich einer schlanken, jungen Frau gegenüber. Sie hatte das Haar am Hinterkopf zusammengesteckt, ihr Gesicht war blass, die dunklen Augen wirkten sehr groß und verletzlich.
»Eberhard! Ich habe dich schon erwartet. Komm herein.«
Sie war keineswegs erstaunt darüber, dass er kam, sondern geleitete ihn wie selbstverständlich in den Raum hinein.
»Ich hoffe sehr, dass ich dich nicht belästige, Elisabeth. Vielleicht möchtest du lieber mit den Kindern allein sein. Ich könnte auch später wiederkommen. In ein paar Tagen oder Wochen …«
Sie blieb vor den Gartenstühlen stehen, an denen sie mit den beiden Jungen gesessen hatte. Der Raum war dunkel und verwahrlost, man hatte ihn als Unterstellmöglichkeit für die Gartenmöbel und die Rasenmäher genutzt. Auf dem weißen Gartentisch lagen Briefbögen und Kugelschreiber.
»Nein, Eberhard, es ist schön, dass du gekommen bist. Setz dich doch bitte hin und lass uns miteinander reden.«
»Sehr gern, Elisabeth.«
Er musterte den tristen Raum und spürte große Traurigkeit. Wie schlimm mochte es für sie sein, sich von Schloss Gronau zu trennen und alles, was sie besaß, zurückzulassen. Sie war immer eine elegante und verwöhnte Frau gewesen, jeglicher Luxus hatte ihr zur Verfügung gestanden, schöne Kleider, teure Autos, Reitpferde, eine Yacht in Griechenland … All das war nun für sie vorbei.
»Das ist euer Onkel Eberhard«, sagte sie zu den beiden Jungen, die mit staunenden und leicht misstrauischen Blicken vor dem Besucher standen. Der größere hatte blondes Lockenhaar wie Claus es gehabt hatte, der jüngere war braunhaarig wie seine Mutter. Beide hatten Elisabeths dunkle Augen.
»Bist du Papas Bruder?«, fragte der ältere Junge.
»Richtig, der bin ich. Und du bist Bernhard?«
»Ja. Und das ist mein Bruder Benedict. Warum bist du noch niemals hier gewesen, Onkel Eberhard?«
Elisabeth hielt es für geboten, einzugreifen.
»Geht jetzt ein wenig in den Park spielen, ihr zwei. Ich rufe euch nachher.«
»Schreiben wir die Briefe dann zu Ende?«
»Ja, Benedict. Wir schreiben die Briefe und bringen sie dann fort.«
Die beiden Jungen trollten sich, die Tür fiel hinter ihnen zu.
»Ich habe mich gefragt, ob du wohl zur Beerdigung deines Bruders kommen würdest«, begann Elisabeth das Gespräch unverblümt.
»Und ich bin gekommen«, antwortete er mit leisem Lächeln.
»Darüber bin ich sehr froh, Eberhard. Vor allen Dingen darum, weil ich glaube, dass ein solcher Streit nicht über den Tod hinausgehen sollte.«
Er sah in ihre dunklen Augen und erkannte, dass sie viel weniger verletzlich war, als er geglaubt hatte. Sie war mitgenommen und erschöpft, aber sie hatte sich vollständig unter Kontrolle.
»Besser wäre es gewesen, wenn ich beizeiten meinen Frieden mit Claus gemacht hätte«, gab er zurück. »Das wolltest du doch sagen, oder?«
Sie schüttelte langsam den Kopf.
»Wie könnte ich das? Ich habe mich immer bemüht, in diesem unseligen Streit möglichst wenig Partei zu ergreifen. Es war eine Sache zwischen dir und deinem Bruder.«
»Aber eine Meinung hattest du dazu, nicht wahr?«
»Ich fand es sehr schade, Eberhard. Dein Bruder war mir ein wundervoller Ehemann und den Kindern ein großartiger Vater. Wie er als älterer Bruder gewesen ist, das kann ich nicht ermessen. Euer Streit muss einen Grund gehabt haben, und ich maße mir nicht an, darüber zu entscheiden.«
»Du hast Recht, Elisabeth. Niemand kann darüber befinden als nur mein Bruder und ich. Und nun bin ich damit allein. Aber ich bin nicht gekommen, um dich mit meinem Kummer zu belästigen. Schließlich ist der Verlust für dich und die Jungen um ein Vielfaches schmerzlicher.«
Sie senkte den Blick auf den Briefblock, der vor ihr auf dem Tisch lag.
»Ja, es ist nicht einfach für uns«, gestand sie leise. »Die Kinder haben so sehr an Claus gehangen, sie wollten es die ersten Tage gar nicht begreifen. Erst jetzt beginnen sie langsam zu verstehen, dass ihr Vater nicht mehr da ist. Wir schreiben ihm Briefe und legen sie auf sein Grab. Es wird den beiden den Abschied erleichtern.
Beklommen sah Eberhard auf die ungelenken Zeilen, die der Achtjährige geschrieben hatte. »Lieber Papa«, stand dort zu lesen. »Du hattest uns doch fest versprochen, uns das Reiten beizubringen. Warum bist du jetzt auf einmal fortgegangen. In den Himmel, wie die Mama sagt …«
»Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis sie darüber hinweg sind«, sagte Elisabeth. »Es wäre alles einfacher, wenn wir nicht auch noch fortziehen müssten.«
Eberhard straffte sich. Er musste vorsichtig zu Werke gehen, damit er sie nicht verletzte. Aber um der Kinder willen würde sie sicher auf alles eingehen. Sie war schließlich Mutter.
»Das ist einer der Gründe, warum ich gekommen bin, Elisabeth. Die Umstände erfordern leider, dass geschäftliche Entscheidungen gefällt werden müssen, während wir alle noch unter dem Eindruck des schrecklichen Unfalls stehen.«
Sie lächelte traurig.