Erfolgreiches Krisenmanagement - Reinhard Bleiber - E-Book

Erfolgreiches Krisenmanagement E-Book

Reinhard Bleiber

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Beschreibung

Wachsende Globalisierung, Klimawandel und Digitalisierung machen das wirtschaftliche Umfeld sensibler und störungsanfälliger. Der Autor zeigt, wie Sie Frühwarnindikatoren und Präventionsmaßnahmen installieren und die Weichen für eine schnelle, flexible und wirksame Reaktion in Krisenzeiten stellen. Entwickeln Sie Krisenstrategien, die sowohl auf das gesamte Unternehmen als auch auf einzelne Unternehmensbereiche zugeschnitten sind. Denn durch ein effizientes Krisenmanagement sind Sie in der Lage, Krisen nicht nur zu überwinden, sondern erfolgreich und gestärkt aus schwierigen Situationen hervorzugehen. Inhalt: - Ursachen für Krisen und Krisenablauf - Mit Präventionsstrategien und Risikomanagement gegensteuern - Die einzelnen Unternehmensbereiche auf mögliche Krisen vorbereiten - Entscheidende erste Reaktionen, Führung und Controlling in der Krise - Chancen in der Krise erkennen und nutzen - mit Best-Practice-Beispielen

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[5]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumVorbemerkung1 Krisen1.1 Weltweite Krisen1.2 Individuelle Krisen1.3 Krise trotz Risikomanagement 1.4 Wirkung der Krise1.5 Krisen der Zukunft2 Ablauf einer Krise2.1 Ursachen/Gründe2.2 Parameter2.2.1 Frühe Parameter2.2.2 Späte Parameter2.2.3 Akute Parameter2.3 Wirkung2.4 Erkennen2.5 Bekämpfen2.5.1 Einschätzen2.5.2 Planen2.6 Besiegen3 Unterschiede in der Krise3.1 Vorbereitung3.2 Geschwindigkeit3.3 Reaktionen4 Vorbereitung auf die Krise4.1 Risikomanagement 4.1.1 Aufgabe4.1.2 Organisation4.1.3 Krisen verhindern?4.2 Intensität4.2.1 Steigende Wahrscheinlichkeit4.2.2 Erste Anzeichen4.2.3 Permanente Überwachung4.3 Grundsätzliche Vorbereitung4.3.1 Strategie4.3.2 Finanzen4.3.2.1 Eigene Mittel4.3.2.2 Nachschussverpflichtung 4.3.2.3 Kreditlinien4.3.2.4 Sicherheiten4.3.3 Führung4.3.3.1 Unternehmensführung4.3.3.2 Führungskräfte4.3.4 Mitarbeiter4.3.4.1 Ablauf der Vorbereitung4.3.4.2 Fähigkeiten4.3.4.3 Beschäftigungsmodelle4.3.4.4 Arbeitsbedingungen4.4 Vorbereitung im Controlling 4.4.1 Inhalte4.4.1.1 Fokussierung auf Inhalte4.4.1.2 Inhalte schneller verfügbar machen4.4.1.3 Planung vor der Krise4.4.1.4 Planung in der Krise4.4.1.5 Krisenspuren in der Strategie4.4.2 Abläufe4.4.2.1 Grundsätzliche Vorbereitung der Abläufe4.4.2.2 Autonome Abläufe im Controlling 4.4.2.3 Autonome Abläufe als Partner4.4.2.4 Abläufe in der Krise4.4.3 Analysen4.4.3.1 Mengen4.4.3.2 Preise4.4.3.3 Zeiten4.4.3.4 Verteilungen4.4.4 Maßnahmen4.4.4.1 Kostensenkung4.4.4.2 Leistungsverbesserung4.4.4.3 Liquidität4.4.5 Berichte4.4.6 Steuerung4.4.7 Mitarbeiter4.4.7.1 Beschäftigungsmodelle4.4.7.2 Verfügbare Fähigkeiten4.5 Vorbereitung in den Bereichen4.5.1 Produktion4.5.1.1 Strategie4.5.1.2 Mitarbeiter4.5.1.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.1.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.5.2 Einkauf/Beschaffung4.5.2.1 Strategie4.5.2.2 Mitarbeiter4.5.2.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.2.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.5.3 Logistik4.5.3.1 Strategie4.5.3.2 Mitarbeiter4.5.3.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.3.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.5.4 Vertrieb4.5.4.1 Strategie4.5.4.2 Mitarbeiter4.5.4.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.4.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.5.5 Marketing4.5.5.1 Strategie4.5.5.2 Mitarbeiter4.5.5.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.5.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.5.6 Entwicklung4.5.6.1 Strategie4.5.6.2 Mitarbeiter4.5.6.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.6.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.5.7 IT-Abteilung4.5.7.1 Strategie4.5.7.2 Mitarbeiter4.5.7.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.7.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.5.8 Buchhaltung4.5.8.1 Strategie4.5.8.2 Mitarbeiter4.5.8.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.8.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.5.9 Personalwesen4.5.9.1 Strategie4.5.9.2 Mitarbeiter4.5.9.3 Maßnahmen zur Vorbereitung4.5.9.4 Vorbereitung von Maßnahmen4.6 Dokumentation4.6.1 Inhalt4.6.2 Organisation5 Krisenmanagement im Unternehmen5.1 Erste Reaktionen5.1.1 Krisenstab5.1.2 Ist-Situation5.1.3 Kommunikation5.1.4 Recht5.1.5 Realität5.2 Führung in der Krise5.2.1 Strategie5.2.2 Ziele5.2.3 Motivation5.3 Krisenmanagement im Controlling 5.3.1 Mitarbeiter im Krisenmodus5.3.2 Krisenstrategie5.3.3 Kriseninhalte5.3.3.1 Informationen5.3.3.2 Analysen5.3.3.3 Berichte5.3.3.4 Planung5.3.3.5 Szenarien5.3.3.6 Maßnahmen5.3.3.7 Erfolge5.3.4 Steuerung5.4 Krisenmanagement in den Bereichen5.4.1 Produktion5.4.1.1 Strategie5.4.1.2 Mitarbeiter5.4.1.3 Maßnahmen5.4.1.4 Kontrollen5.4.2 Einkauf/Beschaffung5.4.2.1 Strategie5.4.2.2 Mitarbeiter5.4.2.3 Maßnahmen5.4.2.4 Kontrollen5.4.3 Logistik5.4.3.1 Strategie5.4.3.2 Mitarbeiter5.4.3.3 Maßnahmen5.4.3.4 Kontrollen5.4.4 Vertrieb5.4.4.1 Strategie5.4.4.2 Mitarbeiter5.4.4.3 Maßnahmen5.4.4.4 Kontrollen5.4.5 Marketing5.4.5.1 Strategie5.4.5.2 Mitarbeiter5.4.5.3 Maßnahmen5.4.5.4 Kontrollen5.4.6 Entwicklung5.4.6.1 Strategie5.4.6.2 Mitarbeiter5.4.6.3 Maßnahmen5.4.6.4 Kontrollen5.4.7 IT-Abteilung5.4.7.1 Strategie5.4.7.2 Mitarbeiter5.4.7.3 Maßnahmen5.4.7.4 Kontrollen5.4.8 Buchhaltung5.4.8.1 Strategie5.4.8.2 Mitarbeiter5.4.8.3 Maßnahmen5.4.8.4 Kontrollen5.4.9 Personalwesen5.4.9.1 Strategie5.4.9.2 Mitarbeiter5.4.9.3 Maßnahmen5.4.9.4 Kontrollen6 Chancen einer Krise6.1 Chancen erkennen und nutzen6.2 Beispiele6.2.1 In der Produktion6.2.2 In der Beschaffung6.2.3 In der Logistik6.2.4 Im Vertrieb6.2.5 Im Marketing6.2.6 In der Entwicklung6.2.7 In der IT-Abteilung6.2.8 In der Buchhaltung6.2.9 Im Personalwesen6.3 Aufgabe des Controllings 6.4 Lernen aus der KriseAbkürzungsverzeichnisStichwortverzeichnis
[1]

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Reinhard Bleiber

Erfolgreiches Krisenmanagement

1. Auflage, Dezember 2021

© 2021 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © kras99, Adobe Stock

Produktmanagement: Dipl.-Kfm. Kathrin Menzel-Salpietro

Lektorat: Dr. Michael Sellhoff

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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[11]Vorbemerkung

Die Schlagzeilen der letzten Monate und Jahre waren bestimmt von Krisenthemen. Mit dem Klimawandel, der Finanzkrise oder der Corona-Pandemie lassen sich nicht nur Informationen gut verkaufen, diese Vorgänge beeinflussen das Leben aller Menschen und der Unternehmen. Dabei ist es den Betroffenen gleichgültig, ob diese Krise weltweite Auswirkungen hat oder ob es sich um ein lokales Ereignis handelt. Sie leiden unter den Entwicklungen und Beschränkungen, die eine Krise der Gesellschaft auferlegt.

Dabei geht es den Unternehmen wie den Menschen: Manche kommen mit der Krise gut klar, gehen vielleicht sogar gestärkt daraus hervor. Andere verzweifeln an den Umständen, verlieren im schlimmsten Fall ihre Existenz. Zwei Aspekte machen in Unternehmen den Unterschied bei der Krisenbewältigung: Zum einen haben diejenigen, die in normalen Zeiten Ressourcen aufbauen konnten, entsprechende Kapazitäten, die für die Bekämpfung der Krise, für das Überleben während der schlechten Zeit eingesetzt werden können. Zum anderen hilft es, wenn flexible Strukturen vorhanden sind, mit denen auf die Herausforderungen der sich zuspitzenden Situation reagiert werden kann.

Damit wird klar, dass sich die Unternehmen permanent mit möglichen Krisen beschäftigen müssen. An den richtigen Stellen müssen in geeigneter Form die notwendigen Ressourcen geschaffen werden, in der Organisation der Unternehmen ist ausreichende Flexibilität abzubilden. All das verursacht Kosten, die Einfluss haben auf das Unternehmensergebnis in den krisenfreien Jahren. Damit diese Krisenvorsorge in einem sinnvollen Verhältnis zum aktuellen Geschäft steht, damit dennoch die Vorsorge ausreichend ist, muss frühzeitig ein Krisenmanagement aufgebaut werden. Systematische Strukturen, die Informationen verarbeiten, Chancen und Risiken beobachten und im Krisenfall schnell reagieren können, sind notwendig. Das macht das Controlling im Unternehmen schon in Vorkrisenzeiten zur verantwortlichen Stelle für das Krisenmanagement.

Dass die nächste Krise kommt, ist heute schon sicher. Die Digitalisierung verstärkt die weltweite Zusammenarbeit der Unternehmen, macht diese aber auch anfällig für Störungen auf der ganzen Welt. Lieferketten können aus minimalen Ursachen zusammenbrechen, staatliche Vorgaben in nicht demokratisch regierten Staaten treffen wichtige Absatzmärkte, Klimaveränderungen gefährden die Ernten vieler Rohstoffe, vieles ist denkbar. Die Unternehmen, die sich bereits jetzt auf neue Schwierigkeiten [12]vorbereiten, werden im Fall des Kriseneintritts die bessere Ausgangslage mit geeignetem Krisenmanagement nutzen können, um gut durch die Krise zu kommen, vielleicht besser als die Mitbewerber. Dieses Buch zeigt, wie das möglich ist.

Lengerich, November 2021Reinhard Bleiber

[13]1Krisen

Eine Krise wird allgemein als etwas Schlechtes wahrgenommen. Wie im privaten Bereich, in dem Lebenskrisen, gesundheitliche Krisen oder Krisen in der Partnerschaft beispielhaft sind, kommt es in einer Volkswirtschaft und in einzelnen Unternehmen zu vielen unterschiedlichen kritischen Situationen. Dabei geht es stets um Entwicklungen, die den Weg des Unternehmens zum Erfolg erschweren oder unmöglich machen. In einige Fällen steht sich das Unternehmen dabei selbst im Weg, in anderen Fällen können keine individuellen Verursacher ausgemacht werden. Immer hat eine Krise etwas Gefährliches, die Existenz des Unternehmens oder zumindest dessen Erfolg ist bedroht. Es gibt jedoch viele Beispiele, die zeigen, dass ein Überleben mit der richtigen Vorbereitung möglich ist.

Im gesellschaftlichen Gedächtnis sind Lagen wie die Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 oder die Krise, die durch die Reaktionen auf die Corona-Pandemie der Jahre 2020/2021 ausgelöst wurde, noch sehr präsent. Diese Entwicklungen haben gezeigt, wie verwundbar die Wirtschaft ist, wie sensibel einzelne Unternehmen auf Störungen reagieren. Sie haben aber auch gezeigt, dass einige Unternehmen die Krise nicht überlebt haben, andere stark gelitten, sich aber gerettet haben und einige sogar recht gut durch die Gefahren gekommen sind.

Woran liegt es, dass manche Unternehmen eine Krise besser als andere bewältigen, vielleicht sogar noch Vorteile daraus ziehen? Wenn es sich um eine große Krise handelt, spielt der Grad der Betroffenheit selbstverständlich ein Rolle für die Möglichkeit, gut durch die Krise zu kommen. In einer weltweit spürbaren Krise gibt es z. B. immer Branchen, die direkt betroffen sind, und Branchen, die indirekt betroffen sind. Aber selbst vergleichbare Unternehmen zeigen signifikante Unterschiede im Erleiden von Auswirkungen einer Krise, die beide gleichermaßen trifft. Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Vorbereitung der Unternehmen auf eine Krise und in der Schnelligkeit und Konsequenz, mit der diese Vorbereitung im Krisenfall genutzt wird.

Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Unternehmenskrise handelt, die begrenzt ist auf ein Unternehmen, oder ob die gefährliche Situation das Ergebnis einer weltweiten Krise ist, die alle wirtschaftlich tätigen Einheiten betrifft. Diese Aussage zu Unterschieden in den Unternehmen während einer Krise nimmt allerdings auch den verantwortlichen Managern die Möglichkeit, sich hinter diesen Entwicklungen zu verstecken. Selbst wenn den Führungskräften kein Vorwurf bzgl. des Verschuldens der Krise gemacht werden kann, die Vorbereitung auf Krisen und das Agieren während der Krise verantworten sie dennoch.

Die Krise entsteht, wenn sich gefährliche Entwicklungen im Höhepunkt soweit zugespitzt haben, dass sich dramatische Folgen einstellen, die im extremen Fall für den [14]Betroffenen bis zum Verlust der Existenz reichen können. Dabei können die Ursachen in weltweit verteilten Entwicklungen oder aber in Fehlentscheidungen im betroffenen Unternehmen liegen – für die Bewältigung solcher Situationen spielt ein Verschulden keine Rolle, es geht allein darum, richtig zu agieren und reagieren. Ein Verschulden der Führungskräfte liegt nur dann vor, wenn das Unternehmen nicht richtig vorbereitet wurde und während der Krise nicht schnell und konsequent genug gehandelt wird.

1.1Weltweite Krisen

Seit vielen Jahren haben auch kleine und mittlere Unternehmen ihre Aktivitäten auf das Ausland ausgedehnt. Nach den Absatzmärkten in benachbarten Regionen kamen die Beschaffungsmärkte auf der anderen Seite der Welt in den Fokus. Heute ist die Erde überzogen von einem dichten Netz globaler Geschäftsbeziehungen. Die Digitalisierung hat dazu beigetragen, dass Unternehmen jeder Größenordnung an der Globalisierung teilhaben können. So ist es z. B. selbst für einen Handwerker mit zehn Mitarbeitern problemlos möglich, sich über das Internet Werkzeuge oder Materialien aus Südkorea zu besorgen. Nichts ist mehr lokal.

Die internationale Zusammenarbeit ist umfassend, niemand kann sich ihr entziehen. Der Herstellungsort einer Ware oder deren Teilen ist den Händlern, Verarbeitern und Verbrauchern nicht mehr bekannt, Transparenz ist nicht gegeben. Die Wirtschaft baut Rohstoffe dort ab, wo es preiswert ist, es wird dort produziert, wo die verlangte Arbeitskraft wenig kostet. Entfernungen, über die Rohstoffe, Materialien oder Waren transportiert werden müssen, spielen keine Rolle mehr. Die Gründe für diese Entwicklung sind einleuchtend. Die Kosten für das Endprodukt werden gesenkt, wenn die weltweit verstreuten Potenziale optimal genutzt werden. Die Menge an Konsumgütern wird erhöht, wenn Kapazitäten unabhängig vom Standort auf der Welt genutzt werden. Einkommen wird weltweit verteilt und schafft gleichzeitig wieder Nachfrage nach den Produkten.

Hinweis

Ressourcenverbrauch

Die Globalisierung steht aktuell noch mehr als sonst in der Kritik. Diskutiert werden der Ressourcenverbrauch durch die notwendigen Transporte und die Einhaltung der Arbeitnehmer- und Menschenrechte in den Fabriken auf der ganzen Welt. Entsprechend verschärfte gesetzliche Regelungen verteuern den Prozess, können aber in die Kosten eingerechnet werden. Gleichzeitig liegt hier das Potenzial für neue Krisen, weltweit und lokal. Produktionsstätten ohne politische Kontrolle, anfällige Transportwege und wechselnde Einstellungen der Verbraucher zur Globalisierung können für plötzliche Überraschungen sorgen.

[15]Die in der Globalisierung anzutreffenden engen internationalen Verbindungen sind für eine gewinnbringende Zusammenarbeit unabdingbar. Das schafft auf der anderen Seite Abhängigkeiten, die vor allem durch die Digitalisierung verschleiert werden. Wenn heute der Einkäufer ein standardisiertes Bauteil beschaffen muss, geht er ins Internet auf eine entsprechende Plattform. Ob das dort angebotene Teil aus China, Bangladesch oder Namibia kommt, wird dort nur sichtbar, wenn nach dem Ursprung gesucht wird. Die Digitalisierung macht die Beschaffung aus Asien genauso einfach wie aus dem Nachbarort, nur manchmal ist die Lieferzeit etwas länger.

Die Risiken, die durch die Abhängigkeiten über den gesamten Globus hinweg entstehen, wurden lange Zeit verdrängt. Doch diese Form der Zusammenarbeit birgt wesentliches Potenzial für weltweite Krisen: Die Spezialisierung auf nur wenige Produktionsstätten, Entwicklungszentren oder Transportwege macht aus lokalen Störungen weltweite Probleme.

BEISPIEL

Medizinische Schutzausrüstung

Die fast vollständige Konzentration der Herstellung von medizinischen Schutzausrüstungen auf wenige Hersteller in China führte während der Corona-Pandemie zu einer dramatischen Verknappung dieser Produkte in den deutschen Krankenhäusern. China hatte aufgrund der eigenen Probleme mit dem Virus nicht nur die Produktion in vielen Fabriken eingestellt, auch der Export dieser Waren wurde verboten. Das hätte selbst bei einer Beschränkung des Krankheitsausbruchs auf China zu einer Krise im europäischen Gesundheitswesen führen können.

Ein weiteres Krisenrisiko der Globalisierung entsteht durch die Handelswege. Menschen reisen zwischen den Standorten auf der ganzen Welt. Waren werden mehrfach um die Welt geschickt, bis sie fertig produziert sind und verkauft werden können. Dadurch entstehen Wege, auf denen sich nicht nur Viren und andere Krankheitserreger verbreiten. Auch Menschen wandern entlang dieser Wege, neue Verbindungen, aber auch Abhängigkeiten entstehen. Störungen in diesen Strukturen bergen wiederum das Potenzial für weltweite Krisen. Denn was zunächst lokal beginnt, breitet sich über diese wirtschaftlichen und menschlichen Verbindungen schnell weltweit aus.

1.2Individuelle Krisen

Wesentlich häufiger als von weltweiten Störungen werden Unternehmen von lokal begrenzten oder sogar nur individuellen Krisen getroffen. Werden Rohstoffe nicht geliefert, ist es zunächst gleichgültig, ob der Grund darin liegt, dass sie weltweit nicht verfügbar sind, nur der Lieferant einen Engpass hat oder das Unternehmen die Lieferungen nicht mehr bezahlen kann. Die Wirkung ist die gleiche: Es kann nicht mehr produziert werden. [16]Zugleich unterscheiden sich die möglichen Reaktionen des eingerichteten Krisenstabs trotz identischer Symptome. Während in der weltweiten Krise die Beschaffung nicht möglich ist, können bei individuellen Lieferschwierigkeiten alternative Quellen gefunden werden. Liegt die Ursache in der eigenen Zahlungsunfähigkeit, muss diese Liquiditätskrise mit geeigneten Reaktionen beseitigt werden.

Eine individuelle Krise kann verschiedene Ursachen haben:

Aus einem kleinen Problem in einem weit entfernten Lieferland wird für das verbundene Unternehmen eine Krise. So kann z. B. aus dem Brand im chinesischen Werk des Lieferanten eines wichtigen Bauteils eine Krise im deutschen Unternehmen entstehen. Ist dieses Bauteil für das in Deutschland hergestellte Produkt unabdingbar und kann nicht oder nur zu teuer aus anderen Quellen besorgt werden, so muss die Produktion eingestellt werden. Das Unternehmen steckt in einer individuellen Krise, ausgelöst auf der anderen Seite der Erde.Die Region, in der das Unternehmen seinen Sitz hat, Produktionsstätten oder Verkaufsstellen unterhält, kann von Entwicklungen betroffen sein, die Einfluss auf die individuelle Situation des Unternehmens haben. So kann z. B. die Stromversorgung in einer Region aufgrund unerwarteter klimatischer Bedingungen für einige Zeit zusammenbrechen. Dabei werden vielleicht die sensiblen Steuerungen der Fertigungsanlagen zerstört. Da die Produktionsaufnahme kurz- und mittelfristig nicht möglich ist, gerät das Unternehmen in eine individuelle Krise.Durch die Digitalisierung können ganze Branchen in eine bedrohliche Situation geraten. Wenn sich z. B. die Absatzwege für bestimmte Produkte in die digitale Welt verlagert haben, das Unternehmen diesen Weg aber nicht konsequent genug mitgegangen ist, verliert es Absatz. Das kann sich zu einer individuellen Krise ausweiten.Die meisten Unternehmenskrisen sind tatsächlich individuell auf das Unternehmen selbst bezogen. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig. Fehlendes Kapital, falsche Produktentscheidungen oder plötzlich ausfallende wichtige Mitarbeiter sind einige Beispiele dazu.

Der Grad der eigenen Verantwortung für die Krisengründe steigt mit dem Grad der Individualität. Weltweite Krisen können vom einzelnen Unternehmen kaum beeinflusst werden, regionale und branchenbezogene Krisen können von den Managern der Unternehmen mitverursacht sein. Krisen, die nur das Unternehmen betreffen, sind sehr oft durch eigenes Verhalten entstanden.

BEISPIEL

Verlust der Absatzmärkte

Das Beispiel für eine weltweite Krise bietet die Corona-Pandemie. Dort wurden in den meisten Ländern die wirtschaftlichen Aktivitäten heruntergefahren. Dadurch haben viele Unternehmen ihre Absatzmärkte verloren. Die [17]Ursachen dieser Krise sind kaum im Verantwortungsbereich der Unternehmen selbst zu suchen.

In einem anderen Fall verliert ein Unternehmen seinen wichtigsten Kunden, da dieser insolvent wird. Weil die Mitbewerber des insolventen Kunden ihre Waren selbst produzieren, fällt mit diesem Kunden der komplette Vertriebsweg weg – andere Kunden kaufen nur minimale Mengen. Das Unternehmen hat diese Abhängigkeit selbst geschaffen und trägt an der jetzt entstandenen Krise eigene Verantwortung.

1.3Krise trotz Risikomanagement

Alle Menschen, aber auch die Unternehmen, leben in einer Welt voller Risiken. Die meisten davon sind bekannt und beherrschbar. Ein Unternehmer geht bewusst Risiken ein, kann mal mehr und mal weniger gut damit umgehen und erzielt damit mal mehr und mal weniger Erfolg. Das Instrument, mit dem die Risiken systematisch behandelt werden, ist das Risikomanagementsystem. Damit werden die Risiken, die das Unternehmen bedrohen, erkannt, untersucht, eingeordnet, bekämpft und beobachtet. Jede Krise war zunächst nur ein Risiko. Trotz ausgefeilter Risikomanagementsysteme werden Risiken immer wieder zur Krise.

Jedes Risiko hat eine Eintrittswahrscheinlichkeit. Diese wird geschätzt, kann oft sogar mathematisch im Controlling berechnet werden. Droht das Risiko mit wesentlichen Auswirkungen und/oder ist die Wahrscheinlichkeit, dass es eintritt, sehr hoch, werden geeignete Maßnahmen ergriffen, um die Risikowahrscheinlichkeit gering zu halten. Eine hundertprozentige Sicherheit ist allerdings mit wirtschaftlich sinnvollen Kosten meist nicht erreichbar. Es bleibt eine Restwahrscheinlichkeit für den Eintritt des Risikos. Wenn sich diese realisiert, wird aus dem Risiko eine unabwendbare Krise.Die Maßnahmen, die gegen drohende Risiken ergriffen werden, sind nicht nur teuer, sie wirken auch nicht immer, wie es notwendig und gewünscht wäre. Kann dann nicht mehr rechtzeitig und wirksam mit anderen Maßnahmen reagiert werden, realisiert sich das Risiko, die Krise ist da.Nicht immer werden im Risikomanagementsystem alle Risiken erkannt oder richtig eingeordnet. Die Globalisierung hat als Folge, dass viele wichtige Abläufe in weit entfernten Ort stattfinden. Die Bedingungen sind oft unbekannt, stehen in unbekannten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Die Einschätzung fällt schwer, die Entwicklung einer Krise bleibt, da unerkannt, ohne Gegenwehr.

BEISPIEL

Corona-Pandemie

Das Corona-Virus konnte sich 2020/2021 so schnell ausbreiten, weil es über die für die Globalisierung notwendigen Verkehrswege verbreitet wurde. Dass [18]dieses Virus so eine Auswirkung auf die Gesundheit und damit auf die politischen Entscheidungen bis hin zum Lockdown haben würde, konnte wohl kaum jemand vorhersehen. Die Auswirkungen der politischen Entscheidungen haben viele Unternehmen trotz aller staatlicher Unterstützung in die Krise geführt.

Durch die Digitalisierung sind neue Abläufe entstanden. Es haben sich Verhaltensweisen von Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und anderen Partnern geändert. An vielen Stellen ist die digitale Welt noch immer Neuland. Dort gibt es Risiken, die bisher nicht bekannt oder weit weniger bedeutend waren. Sie werden daher im Risikomanagement nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Risiken werden Realität und führen das Unternehmen in die Krise.Eine Krise kann das Unternehmen auch dann treffen, wenn das Risiko nur eine indirekte Bedrohung darstellt. So gefährdet die schlechte Ernte eines natürlichen Rohstoffes zunächst die Landwirtschaft, dann die Händler des Rohstoffes, die Verarbeiter, die aus dem Rohstoff ein Material machen, und zuletzt die Hersteller von Verbrauchsgütern, die dieses Material benötigen. Je weiter weg vom Unternehmen das Risiko existiert, desto schwerer ist es überhaupt zu erkennen und dann einzuschätzen. Selbst in lokalen Lieferketten entstehen so Risiken, die sich zu einer Krise für das letzte Unternehmen in der Kette ausweiten können, ohne dass sie rechtzeitig erkannt oder überhaupt verhindert werden kann.

Das Risikomanagement kann also nicht alle Risiken vollständig ausschließen. Es sorgt dafür, dass die größten und wahrscheinlichsten Problematiken ausreichend behandelt werden – was wirtschaftlich ist und zur Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehört. Und in den weitaus meisten Fällen ist Risikomanagement wirksam. Das zeigt sich allein an der Tatsache, dass die Krise nicht der Regelfall in den Unternehmen ist. Zugleich kann dies allerdings für ein ungerechtfertigtes Sicherheitsgefühl sorgen und so für ein weniger aufmerksames Risikomanagement ursächlich sein. Das ist gefährlich. Ohne eine systematische Sicherung vor dem Eintritt von Risiken steigt die Gefahr einer unternehmerischen Krise. Darum werden in vielen Unternehmen die Risikomanagementsysteme von den Controllern betrieben: Diese garantieren eine regelmäßige, sorgfältige und nachvollziehbare Bearbeitung der Risiken, die dem Unternehmen überall und jederzeit drohen.

Ein Risikomanagementsystem reduziert die Zahl der potenziellen Krisen oder lässt sie ohne große Auswirkungen verpuffen. Allein, hundert Prozent aller Krisen kann auch die Systematik im Controlling nicht vermeiden, wie die jüngste Vergangenheit immer wieder gezeigt hat.

[19]1.4Wirkung der Krise

Eine Krise muss Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens haben, sonst ist es keine Krise, zumindest nicht für das betroffene Unternehmen. Diese Wirkung muss so groß sein, dass sich das wirtschaftliche Ergebnis signifikant verändert. Einige krisenbedingte Veränderungen lassen sich direkt erkennen, andere wirken eher indirekt. Werden die indirekten Auswirkungen nicht sofort wahrgenommen, droht eine verspätete Reaktion, die Chance auf die Bewältigung der Krise sinkt.

Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens und dessen Erfolg gibt es in den folgenden drei Bereichen:

Die Kosten für die notwendigen Käufe von Waren, Material, Rohstoffen, aber auch für die Beschäftigung von Mitarbeitern und die Nutzung von Dienstleistern steigen. So verteuern sich z. B. Kredite, die Unternehmen bei Banken aufnehmen müssen, wenn eine Finanzkrise herrscht.Auf der anderen Seite sinken die Erlöse für die Produkte und Leistungen, die das Unternehmen anbietet. Das ist stets dann der Fall, wenn die Nachfrage sinkt. So fragen die Küchen von Restaurants weniger Rohstoffe nach, wenn Restaurantbesuche verboten sind. Die Nachfrage sinkt auf das für die Abhol- und Lieferdienste notwendige Niveau, die Erlöse sinken.Die größte Wirkung auf die Unternehmen hat in der Krise die Verfügbarkeit der für die Leistungserbringung notwendigen Faktoren. Wenn Mitarbeiter aufgrund von Verkehrsbeschränkungen nicht in den Produktionsbetrieb kommen können, kann dort keine Ware hergestellt werden. Wenn Rohstoffe, Material oder Waren aller Art nicht geliefert werden können, kann das Unternehmen keine Produkte herstellen oder als Händler verkaufen.

Hinweis

Abhängigkeit von der Verfügbarkeit

Um die potenzielle Wirkung einer Krise richtig einschätzen zu können, muss die Abhängigkeit des Unternehmens von der Verfügbarkeit vieler Faktoren deutlich gemacht werden. Im Tagesgeschäft wird das entsprechende Angebot an Waren, Leistungen und Kapazitäten meist als selbstverständlich hingenommen, hinterfragt wird es kaum. Das betrifft u. a. Rohstoffe, Material, Waren, Mitarbeiter, Transportkapazität, Lagerkapazität, Energie, Telefon, Internet, Wärme, Brandschutz oder die öffentliche Ordnung. Steht etwas von diesen Faktoren nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, kommt es in den betroffenen Unternehmen zu einer Krise.

[20]Direkte Auswirkungen treffen das Unternehmen ohne Umwege und sind in der Krise sofort erkennbar und erwartbar. Sie sind nicht nur auf individuelle Krisen beschränkt. Betroffen sind alle Bereiche des Unternehmens. Einige Beispiele sollen die Vielfältigkeit der direkten Wirkung einer Krise auf das Unternehmen zeigen:

Durch einen Bericht über giftige Inhaltsstoffe der Produkte eines Unternehmens sinkt dessen Absatz fast auf null.Aufgrund einer schlechten Ernte kann das Unternehmen die Rohstoffe nur zu einem unwirtschaftlichen Preis einkaufen.Die Mitarbeiter in der Produktion können das Werk aufgrund einer durch die Behörden erlassenen Ausgangssperre nicht mehr erreichen.Die Versorgung mit Energie im öffentlichen Netz bricht für einen längeren Zeitraum zusammen.Die Blockheizkraftwerke für die eigene Energieversorgung müssen gewartet werden, die dazu notwendigen Monteure des ausländischen Dienstleisters sind aufgrund pandemiebedingter Einreisbeschränkungen nicht verfügbar.Ein Brand im Produktionswerk zerstört einen großen Teil der Fertigungsanlagen. Die Kapazität ist für lange Zeit nicht verfügbar.Die in China bei einem Lohnfertiger hergestellten Produkte sind fertig, können aber wegen der ins Unermessliche angestiegenen Gefahr der Piraterie auf dem Seeweg nicht befördert werden.Wichtige Planungsaufgaben für Großaufträge wurden bisher mit einem externen Fachmann gemeinsam erledigt. Dieser steht ohne Vorwarnung nicht mehr zur Verfügung. Das Finden und die Einarbeitung von Ersatzpersonen dauern so lange, dass der Auftrag zu spät fertiggestellt wird. Die fällige Konventionalstrafe bringt das Unternehmen in die Insolvenz.Für einen Großauftrag benötigt das Unternehmen eine Zwischenfinanzierung. In der Finanzkrise steht die sonst selbstverständliche Versorgung mit Fremdmitteln durch die Hausbank nicht zur Verfügung.

Diese Liste von Beispielen ließe sich unendlich fortführen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre, seit Corona-Pandemie und Finanzkrise, erscheinen selbst skurrilste Annahmen und Auswirkungen nicht mehr undenkbar.

Unvorstellbar waren für viele Unternehmen die Wirkungsketten, die auch sie in die Krise hineingezogen haben. Denn nicht immer sind die Auswirkungen von eintretenden Risiken bis zur letzten Konsequenz erkennbar oder durchdacht. Auch für diese Abhängigkeiten einige Beispiele:

Relativ einfach ist der Zusammenhang zu erkennen, der sich für Reinigungsunternehmen ergibt, wenn die Kunden ihre Verkaufsräume schließen müssen. Der Reinigungsdienst ist überflüssig.Reisebeschränkungen haben während der Corona-Pandemie die Zahl der Flugreisen drastisch verringert. Es gab fast keine Urlauber mehr und nur noch wenige [21]Geschäftsreisende. Das hatte direkte Auswirkungen auf die Flughäfen. Diese verloren jedoch nicht nur die von den Fluggesellschaften zu zahlenden Gebühren je Start, Landung und Passagier. Sie sind auch betroffen von den Verkaufsverlusten der Shops in den Flughäfen, die wegen fehlender Kunden ihren Absatz verloren.Reisebeschränkungen bedeuten weniger Flugpassagiere. Das wiederum bedeutet weniger Nachfrage nach Essen für die Flüge, die von Caterern hergestellt werden. Diese wiederum reduzieren ihre Nachfrage nach den Rohstoffen, sodass mancher Landwirt, Händler oder Großmarkt zwar nur indirekt, aber doch dramatisch betroffen ist.Das Homeoffice ist in der Corona-Pandemie als eine Maßnahme zur Bekämpfung der Krise bekannt geworden. Es wird sich auch während anderer Krisen einsetzen lassen. Dahinter gibt es allerdings nicht nur Auswirkungen für die Arbeitgeber. Homeoffice bedeutet weniger Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle. Das wiederum zieht einen geringeren Treibstoffverbrauch nach sich. Dass darunter die Tankstellen leiden, ist einleuchtend. Allerdings werden auch weitere Unternehmen indirekt betroffen, wie z. B. die Händler, die den Tankstellenshop mit Waren versorgen. Ohne tankende Kunden hat auch deren Absatz im Tankstellenshop wesentlich gelitten.In einem zurzeit noch hypothetischen Handelskrieg mit China stellt dieses Land als Druckmittel alle Exporte ein. Dadurch steigt die Nachfrage nach den bisher chinesischen Waren in anderen Ländern. Das Unternehmen, das bisher einen Lieferanten in Südkorea genutzt hat, sieht sich plötzlich mit dessen Lieferproblemen und signifikant steigenden Preisen aufgrund der in Südkorea steigenden Nachfrage konfrontiert. Das kann dazu führen, dass die Waren zu einem nicht mehr wettbewerbsfähigen Preis eingekauft werden müssen. Die Krise entsteht.

Auch diese Beispiele lassen sich unbegrenzt erweitern. Problematisch sind die indirekten Auswirkungen, weil die Zusammenhänge und Abhängigkeiten nicht sofort erkennbar sind. Daher gilt es, zunächst im Risikomanagement solche Risiken zu finden und zu definieren. Dann können diese Abhängigkeiten vom Controlling entsprechend bewertet und durch geeignete Maßnahmen reduziert werden.

Es wird in der Krisendiskussion oft vergessen, dass eine Krise neben den negativen in dem einen Unternehmen auch positive Auswirkungen für andere Unternehmen haben kann. So haben z. B. in der Corona-Pandemie viele stationäre Einzelhändler wesentlichen Absatz verloren, der Onlinehandel und in der Folge vor allem die Paketdienste haben von der Krise profitiert. Beide Branchen konnten die Chancen nutzen, weil sie aus dem Weihnachtsgeschäft heraus den Umgang mit plötzlich steigender Nachfrage kannten. Außerdem sind die Strukturen in beiden Geschäftsmodellen einfach skalierbar und damit schnell auszubauen.

In anderen Unternehmen kann nicht so schnell reagiert werden, wenn plötzlich die Nachfrage steigt, Rohstoffe preiswerter angeboten werden, weil andere krisengeschüt[22]telte Branchen nicht mehr kaufen, oder wenn Mitarbeiter mit begehrten Fachkenntnissen frei werden, weil deren Arbeitgeber insolvent wurde. Damit solche sich bietenden Chancen optimal genutzt werden können, müssen sie frühzeitig erkannt werden.

An dieser Stelle kommt wieder das Controlling ins Spiel. In dieser Abteilung werden regelmäßig Entwicklungen beobachtet und festgehalten. Sie werden mit den eigenen Plänen verglichen. Abweichungen werden analysiert. So kann eine positive Entwicklung früh festgestellt werden. Gleichzeitig verfügt das Controlling über Instrumente, mit denen darauf reagiert werden kann. Denn eine Reaktion ist notwendig, damit z. B. eine steigende Nachfrage durch erweiterte Kapazitäten auch befriedigt werden kann.

BEISPIEL

Krise der unbeteiligten Unternehmen

Auch zunächst von der Krise nicht betroffene Unternehmen können in den Strudel gezogen werden, wenn Entwicklungen und Abhängigkeiten nicht erkannt und genutzt werden. Das musste auch ein Hersteller von Vorprodukten für die Nahrungsmittelindustrie erkennen. Aufgrund der Abhängigkeit von einem wichtigen Rohstoff und der steigenden Nachfrage nach diesem Rohstoff für Zwecke außerhalb der Nahrungsmittelherstellung waren die Preise für den Rohstoff und in der Folge die Preise für die Endprodukte des Unternehmens immer weiter gestiegen.

Krisenbedingt sank die Nachfrage nach dem bestimmenden Rohstoff außerhalb der Nahrungsmittelindustrie auf null. Um die vorhandenen Mengen noch vor der nächsten Ernte verkaufen zu können, senkten die Lieferanten die Preise. Die Mitbewerber kauften schnell große Mengen ein und gaben die Preissenkung an den Markt weiter. Die Preise des Unternehmens, das nicht reagiert hatte und so den Rohstoff weiter teuer einkauft, waren nicht mehr wettbewerbsfähig. Marktanteile gingen verloren. Als sich nach der Krise die Situation etwas normalisierte, war das Unternehmen in einer schlechteren Position. Noch heute setzt das Unternehmen weniger ab als vor der Krise, die im Grunde nichts mit der Nahrungsmittelbranche oder dem Unternehmen zu tun hatte.

1.5Krisen der Zukunft

Im Vergleich mit den vergangenen Jahren und Jahrzehnten scheint die Zahl der Krisen, die die Welt, aber auch einzelne Unternehmen erschüttern, zu steigen. Das hat viele Gründe:

Die traditionellen Medien berichten heute schneller und globaler als noch vor wenigen Jahren. In den sozialen Medien verbreiten sich Nachrichten ungebremst und mit steigender Zahl von Empfängern. Schlechte Nachrichten haben dabei den größten Erfolg. Es wird mehr über Krisen berichtet.[23]Durch die Globalisierung sind Abhängigkeiten entstanden, die lokale Probleme zu Krisen machen können. Kleine Störungen, die früher lokal begrenzt blieben, haben heute gefährliche Auswirkungen auf der ganzen Welt. Die Zahl der Krisen steigt.Die Digitalisierung hat die Abhängigkeiten weiter erhöht und die Zusammenarbeit wesentlich beschleunigt. Wieder haben kleinste Störungen an einer eigentlich unbedeutenden Stelle der Lieferkette dramatische Wirkung an anderer Stelle. Das Krisenrisiko steigt.Daten und Waren werden in immer größeren Mengen und mit immer höherer Geschwindigkeit über den Globus transportiert. Auf diesen Wegen reisen auch Probleme schneller um die Welt. Die Zeit, die zur Verfügung steht, um sich auf negative Entwicklungen einzustellen und sie erfolgreich zu bekämpfen, wird kürzer. Fehlende Vorbereitung auf Gefahren führt schneller in die Krise.Die Globalisierung und die Digitalisierung dienen dazu, die Abläufe bei der Herstellung von Gütern jeder Art hinsichtlich der Kosten zu optimieren. Sicherheitsvorkehrungen wie z. B. Sicherheitsbestände in Lagern verursachen Kosten und werden minimiert. Das erhöht die Anfälligkeit der Strukturen gegen Störungen. Diese werden viel öfter zu Krisen als in traditionellen Strukturen.

Insgesamt sind so Strukturen entstanden, die nicht nur einen früheren und umfassenderen Bericht über Krisen ermöglichen. Sie reagieren auch wesentlich sensibler auf Störungen, die noch vor wenigen Jahren in den vielen teuren Puffern abgefangen wurden. Es wird in Zukunft also mehr Krisen geben, die sich schneller ausbreiten und die wesentlich unberechenbarer sind, als es bisher der Fall war und heute noch der Fall ist. Denn diese immer sensibler werdenden Strukturen treffen auf zahlreiche neue Risiken und geben gleichzeitig bekannten Risiken die Möglichkeit, sich viel besser auszubreiten. Die folgenden Beschreibungen sind nicht vollzählig, bieten aber einen Überblick über die möglichen Krisengründe der Zukunft.

Klima: Der Ursache für den Klimawandel mag politisch weiterhin umstritten sein, feststellbar ist, dass es klimatische Ereignisse gibt, die das Potenzial zu weltweiten Krisen haben. Die gewohnten Waldbrände in Kalifornien oder Australien nehmen an Intensität und Zahl zu. Das kann die Unternehmen dort und alle anderen, mit diesen verbundenen Unternehmen bedrohen. Auch die Auswirkungen der Brände auf die Atmosphäre werden steigen und globale Verkehrswege stören. Die Winter in Westeuropa werden nach meteorologischen Aufzeichnungen immer wärmer. Damit erhöht sich das Krisenpotenzial für plötzliche Kälteeinbrüche mit Verkehrs- und Energieproblemen. Der Anstieg der Meeresspiegel kann in Zukunft wesentlich Einfluss nehmen auf Produktionsstätten und Transportwege. Klimaveränderungen haben aufgrund ihrer globalen Wirkung und der fehlenden Beeinflussungsmöglichkeit ein enormes Krisenpotenzial.

[24]Hinweis

Zusammenhänge und Verstärker

Die Unternehmen und ihre Partner sind nicht nur vom Klimawandel direkt betroffen. Es gibt, wie bei anderen möglichen Ursachen auch, Verbindungen zu anderen Krisengründen, die sich in der Zusammenwirkung noch verstärken. Die Klimaveränderung findet sich auch in der Gefahr wieder, die politische Entscheidungen für die Unternehmen mit sich bringen können. Auch eine Verbindung zur Energieversorgung ist erkennbar. Für die Analyse möglicher Krisengründe ist die Trennung der einzelnen Risiken notwendig, für die Einschätzung der Wirkung auf das Unternehmen müssen die Zusammenhänge zwischen einzelnen Risiken beachtet werden.

Digitale Technik: Die Gesellschaft und mit ihr die Wirtschaft verändert sich aktuell so dramatisch wie nie. Die Digitalisierung bietet unfassbare Vorteile für jeden Bereich, privat und beruflich. Digitale Technik ist der Treiber einer wirtschaftlichen Revolution. Dabei machen sich Menschheit, Gesellschaft und Unternehmen immer abhängiger von der digitalen Technik. Endgeräte wie PC, Drucker oder Smartphones sind noch leicht austauschbar. Die elektronische Steuerung einer Fertigungsanlage kann bei einem Ausfall dagegen schon für eine Krise im Unternehmen sorgen. Welche Gefahren das unkontrollierbare Netz von Servern, Leitungen und Anwendungen mit Namen Internet noch birgt, kann derzeit niemand sagen. Hier liegen mit steigender Nutzung von Clouddiensten und digitaler Kommunikation in autonomen Abläufen noch viele bisher unbekannte Gründe für weltweite Krisen versteckt.

BEISPIEL

Zusammenhänge und Verstärker

Das Internet ist einer der größten Energieverbraucher der Welt. Das wird sicher bald im Rahmen der Ressourcenschonung und im Kampf gegen den Klimawandel intensiver diskutiert werden als heute. Wenn die Politik dann Beschränkungen in der Nutzung der digitalen Technik beschließt, kann die Abhängigkeit von der digitalen Technik viele Unternehmen in allen Branchen und auf der ganzen Welt in schwerwiegende Krisen führen.

Technik allgemein: Wichtige technische Einrichtungen sind direkt von der digitalen Technik abhängig, werden ihr aber nicht immer zugeordnet. Die Abhängigkeit der Unternehmen von den Maschinen, den Transportfahrzeugen und Verkehrswegen ist durch die Digitalisierung und Globalisierung weiter gestiegen. Diese Abhängigkeit führt dann zu erheblichen Problemen, wenn die Technik ausfällt. Die Gefahr dazu steigt. Wer hätte z. B. noch vor einigen Jahren geglaubt, dass ein technisches Problem mehrere Hundert Flugzeuge für mehrere Monate am Boden halten kann? Die Boeing 737 max ist nur das erste Beispiel, wie Probleme zur Krise werden können. Betroffen [25]war nicht nur der Boeing-Konzern – seine Kunden, Flughäfen oder Wartungsunternehmen mussten ebenfalls reagieren.

Auch das Problem der Boeing 737 max war letztlich ein digitales Problem, verbunden mit der Vertuschung durch den Konzern. Je größer die Abhängigkeit, desto höher ist die Gefahr, dass eine Krise entsteht. Das droht unserer Gesellschaft auch mit autonomen Fahrzeugen. Diese sind vollständig digital gesteuert, verwenden die gleichen Techniken und Algorithmen. Ob diese Systeme, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten, von Menschen noch wirksam kontrolliert werden können, wird diskutiert. Wenn die Gesellschaft in einigen Jahren autonomes Fahren nutzt und sich dann Fehler in der Steuerung einstellen, kann das auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Einzelnen unvorstellbare Auswirkungen haben. Die Krise entsteht.

Hinweis

Unvermeidbare Nutzung

Die Beschreibung der Krisenpotenziale von Digitalisierung, autonomem Fahren usw. soll an dieser Stelle kein Plädoyer gegen deren Nutzung in der Gesellschaft oder im Unternehmen sein. Die Entwicklung wird sich nicht aufhalten lassen. Vielmehr führt insbesondere die Weigerung, sich dieser Entwicklung anzuschließen, zu einer Krise im Unternehmen. Es geht an dieser Stelle darum, für mögliche Krisengründe, die durch die weitere Digitalisierung entstehen, zu sensibilisieren.

Krankheiten: Nur wenige Menschen haben erwartet, dass sich Krankheitserreger so dramatisch verbreiten können wie das Virus, das für die Corona-Pandemie verantwortlich ist. Die Verbreitung wird verglichen mit der des Pesterregers, wobei dieser bei Weitem nicht so schnell vorankam. Die globalen Menschen- und Warenströme haben zum einen für die fast unbegrenzte Ausbreitung gesorgt und zum anderen bislang unbekannte wirtschaftliche Folgen verursacht. Die Corona-Pandemie kam allerdings nicht völlig unvorhersehbar.

Dass es tödliche Seuchen bis ans andere Ende der Welt schaffen, haben mehrere Ebola-Ausbrüche in Afrika gezeigt, bei denen bereits einzelne Infizierte bis nach Europa oder Nordamerika reisen konnten. Die erste SARS-Epidemie mit dem Erreger SARS-CoV konnte 2003 noch gebremst werden, bevor sie zu einer Pandemie wurde. Das ist 2020 mit dem Erreger SARS-CoV-2 nicht mehr gelungen. Die möglichen Verbreitungswege für neue Krankheitserreger mit dem Potenzial eines regionalen oder weltweiten Ausbruchs sind besser denn je. Die Natur hält sicher noch viele Überraschungen bereit. Weitere krankheitsbedingte Krisen sind zu erwarten.

Tierseuchen: Nicht nur Menschen können krank werden, auch Tiere. Wenn die aktuellen Haltungsbedingungen mit vielen Tausend Tieren einer Gattung auf neue oder [26]unerwartete Seuchenerreger treffen, bildet sich Potenzial für große Auswirkungen. Nicht umsonst fürchten die deutsche Schweinezüchter und -mäster die afrikanische Schweinepest. Die Sorge der Gesundheitsbehörden vor der Ausbreitung der Vogelgrippe sind berechtigt. Die schnellen und drastischen Reaktionen der Veterinärämter haben wir schon bei der BSE-Krise zu Beginn des Jahrtausends erlebt.

BEISPIEL

Von lokal zu weltweit

Gerade Tierseuchen bieten der Krise die Möglichkeit, sich vom lokalen Auftreten zu weltweiten Auswirkungen zu entwickeln. Ist zunächst der Bestand eines Landwirtes betroffen, ist das für dessen Unternehmen eine existenzielle Krise. Breitet sich die Krankheit weiter aus, kommt es zu einer regionalen Krise, die bereits über die Unternehmen hinausgehende Wirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Versorgung mit Lebensmittel hat. Kann die Seuche nicht eingegrenzt werden, kommt es weltweit zu Ein- und Ausfuhrverboten. Die Nachfrage auch nach Ersatzprodukten wird größer, deren Angebot knapper, die Preise für Nahrungsmittel steigen. Diese Eskalation hat das Potenzial zu weltweiten Problemen der Wirtschaft und der Gesellschaft.

Handelskriege: Der aktuelle Erfolg der Unternehmen weltweit beruht auf dem internationalen Austausch von Waren und Dienstleistungen. Es wird dabei immer Staaten geben, die sich ungerecht behandelt fühlen oder deren Regierungen dieses Gefühl erzeugen. Das komplexe Geflecht von Handelsabkommen und Wirtschaftsvereinigungen hilft dabei immer nur temporär. Wer hätte z. B. gedacht, die Großbritannien tatsächlich die EU verlässt? Rationale Gründe können dafür nicht gefunden werden. Solche Emotionen können zu weiteren Handelskriegen führen. Staaten wie China, Russland oder die USA kämpfen auch mit wirtschaftlichen Mitteln um die Vorherrschaft in einzelnen Weltregionen. Anders sind die wirtschaftlichen Sanktionen des US-Handelsministeriums gegen Firmen, die sich am Bau, an der Finanzierung und an dem Betrieb von Nord Stream 2 beteiligen, nicht zu erklären. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird als Druckmittel für die Durchsetzung politischer Forderungen genutzt.

Mit der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Chinas tritt ein neuer Akteur in viele Märkte ein. Die totalitären Vorstellungen Russlands treffen auf die antiquierten Hegemonialvorstellungen der USA. Die aufgrund der in den EU-Regelwerken festgeschriebenen Machtverhältnisse nur schwer zu steuernde Europäische Union kann ihre Unternehmen in diesen Konflikten nicht schützen. In Zukunft werden europäische Unternehmen immer wieder von Rohstoffen abgeschnitten werden, ihre Absatzmärkte in lukrativen Weltgegenden verlieren oder Verbote zur Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen oder ganzen Staaten zu befolgen haben. Das kann für einzelne Unternehmen sicher zu einer Krise führen, wahrscheinlich sind ganze Branchen oder Regionen betroffen.

[27]Kriegerische Auseinandersetzungen: Während zumindest in Westeuropa seit vielen Jahrzehnten Konflikte zwischen den Staaten friedlich gelöst werden, gibt es auf der ganzen Welt immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen. Diese können nicht nur in der jeweiligen Region den Beginn einer Krise darstellen, sie werden in Zukunft zu mehr Sanktionen und damit zu Handelskriegen führen. Die Unterstützer der einen oder anderen Seite werden versuchen, auch durch Handelshemmnisse die jeweils andere Seite zu schädigen. So kann sich durch Handelsverbote, Beschränkungen im Rüstungsexport und durch die Kämpfe selbst eine Situation ergeben, die letztlich nicht mehr beeinflussbar ist und in eine weltweite Krise führt. Die Schlagzeilen der Medien und das Verhalten vieler Konfliktparteien zeigen den Anstieg der Gefahr deutlich.

Wie nahe auch die westliche Wirtschaft den Auswirkungen des Krieges bereits kommt, zeigt die Situation in Indien. Dort gibt es noch immer eine Vielzahl von Callcentern, Softwareentwicklern und anderen digitalen Dienstleistern, die ihre Services auch für Kunden der westlichen Welt erbringen. Gleichzeitig steckt das Land in einem langjährigen, immer wieder eskalierenden Konflikt mit seinem Nachbarn Pakistan. Beide Länder besitzen Atomwaffen, die Ursache für den Konflikt ist sehr emotional. Das sind beste Voraussetzungen dafür, dass unüberlegte Handlungen zu einer allgemeinen weltweiten Krise führen, die auch wesentliche Auswirkungen auf die Unternehmen in Europa, Nordamerika und auf der ganzen Welt haben wird.

Verkehrswege: Die Globalisierung schafft sie, die Digitalisierung optimiert sie: weltumspannende Verkehrswege. Diese sind für das Funktionieren unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit unverzichtbar. Dabei spielen Wege durch die Luft, mit der Bahn oder dem Lkw im weltweiten Handel eine untergeordnete Rolle. Den weitaus größten Anteil hat der Transport per Schiff, doch die Wasserwege enthalten wesentliche Risiken. Die Piraterie ist noch die geringste, aber schon so wichtig, dass die Industrienationen noch immer militärische Aktionen in betroffenen Seegebieten unterhalten, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen.

Gleichzeitig bieten sich die internationalen Schiffsrouten als Druckmittel für kriegerische Auseinandersetzungen an. Nicht nur einer der Staaten in der Golfregion hat damit gedroht, durch das Versenken einiger Tanker die Ölversorgung zu unterbrechen und wichtige Seerouten zu blockieren. Darüber hinaus haben die Tanker, Containerschiffe und Stückgutfrachter einen sehr großen Anteil am weltweiten Ausstoß von CO2. Das bietet das Potenzial für Verbote und Regelungen, die bei entsprechenden Klimalagen und Mehrheitsverhältnissen zur signifikanten Verknappung und damit Verteuerung des Transportangebotes führen können.

Energieversorgung: Die Wirtschaft auf der ganzen Welt ist in hohem Maße abhängig von der Versorgung mit Energie. Nicht nur die Fabriken müssen ihre Maschinen mit Energie betreiben. Auch auf den globalen Verkehrswegen wird Treibstoff verbraucht. [28]Der Energieverbrauch des Internets, die Grundlage für alle Digitalisierung, wird dramatisch unterschätzt. Die vielen miteinander verbundenen Rechenzentren, die einzelnen Server, der Betrieb der Leitungen verbrauchen selbst immer nur überschaubare Energiemengen. In Summe ist der Energieverbrauch des Internets gigantisch. Gleichzeitig ist die Versorgung der Menschen und Unternehmen mit Energie wieder abhängig von den Verkehrswegen und der digitalen Steuerung.

In der westlichen Welt ist die Sicherheit der Energieversorgung ein Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg. Der Ersatz der bisherigen Energiequellen wie Kohle, Gas oder Öl durch regenerative Quellen wie Sonnenschein und Wind macht die sichere Versorgung schwieriger. Die Abhängigkeit von der Natur steigt. Wenn nicht ausreichend Reservekapazität bereitsteht, können z. B. Wüstenstürme in der Sahara die Versorgung gefährden, wenn diese die Sonneneinstrahlung in Westeuropa reduzieren. Ein anderes Szenario: Ein verbreiteter Typ von Rotoren an den Windrädern stellt sich als sehr gefährlich heraus, sodass ein großer Teil der Windkraftanlagen abgeschaltet werden muss.

Hinweis

Stoff für einen Weltuntergangsroman

Das Szenario, dass die Stromerzeugung durch Windkraft eingestellt werden muss und der Solar-Ertrag aufgrund einer Verschmutzung in der Atmosphäre reduziert wird, scheint aus einem Roman zu stammen und apokalyptische Zeiten zu beschreiben. Doch wer sich daran erinnert, dass ein Vulkanausbruch auf Island den Flugverkehr in Europa mehrere Tage lang fast zum Stillstand brachte und dass ein Flugzeughersteller wie Boeing die Probleme eines seiner Produkte über mehr als ein Jahr lang nicht beheben konnte, muss eine praktische Relevanz einräumen. Fakt ist, dass weltweit Anstrengungen unternommen werden, fossile gegen regenerative Energieträger auszutauschen und Fakt ist auch, dass die Natur immer extremere Ausschläge zeigt. Das hat Auswirkungen auf die Sicherheit der Energieversorgung und verlangt nach teuren Vorkehrungen zur Verhinderung von weltweiten Energiekrisen.

Finanzkrisen: Die letzte Finanzkrise globalen Ausmaßes haben wir 2008/2009 erlebt. Danach hat sich die Situation nicht grundlegend verändert. Im Gegenteil, viele Staaten leiden noch immer unter den Nachwirkungen der als notwendig erachteten Reaktionen in Form von Bankenrettung und Wirtschaftsstimulation. Die Staatsschulden sind dramatisch gestiegen, die Risiken, die sich die EZB durch ihre Anleihekäufe aufgelastet hat, werden ignoriert. Die Corona-Pandemie hat zusätzliche Belastungen der Staatshaushalte gebracht, die vielleicht von Deutschland sicher bewältigt werden können, von vielen anderen Ländern sicher nicht. Die EU baut zum ersten Mal eigene, gemeinsame Schulden auf. Das alles war sicherlich notwendig, hat aber zu einer Situ[29]ation geführt, die wesentlich labiler ist als zuvor. Kleine regionale Krisen können auch durch diese Zusammenhänge große, globale Reaktionen hervorrufen.

Eine weitere Folge der Finanzkrise von 2008/2009 sind neben den hohen Staatsschulden die niedrigen Zinsen und der Zwang zu Negativzinsen, die Banken an ihre Zentralbank zahlen müssen. Das verringert die Erlöse der Banken und kann in kritischen Situationen ebenfalls in eine Krise führen.

Der Aufruhr, der sich aktuell um die digitalen Währungen (Bitcoin, Ether, Ripple etc.) dreht, ist vor allem von Medien gemacht. Ob und welche wirtschaftliche Signifikanz sich dahinter verbirgt, ist noch völlig offen. Die Kryptowährungen sind anfällig gegen Manipulationen, sie verursachen einen hohen Energieverbrauch und machen sich damit anfällig gegen Regulierungen, die von Klimaaktivisten durchgesetzt werden könnten. Trotz dieser Gefahren werden immer mehr dieser Währungen entstehen und auch wirtschaftlich genutzt werden. Die Risiken werden ausgeblendet. Das sind beste Voraussetzungen für eine mögliche Krise, wenn die Kryptowährungen einen wesentlichen Anteil am Wirtschaftsgeschehen erreicht haben sollten.

Terrorismus: Der Terrorismus jeglicher Art, gleichgültig ob politisch, religiös oder einfach nur kriminell motiviert, bedroht die Gesellschaft jedes Landes. Er kann sehr schnell zu einer globalen Krise führen, wenn es den Terroristen gelingt, die sensiblen Punkte der Wirtschaft wie Verkehr, Energieversorgung oder Transportwege zu treffen. Die bereits beschriebenen weltweiten Abhängigkeiten machen es für die Wirtschaftsnationen unmöglich, lokale terroristische Aktionen hinzunehmen. Das wiederum erhöht die Gefahr von kriegerischen Auseinandersetzungen und das Potenzial für schwerwiegende Krisen.

Gesellschaftliche Themen: Noch nie wurden in der Gesellschaft weltweit so viele Themen gleichzeitig vehement diskutiert wie in unserer digitalen Welt. Viele dieser Themen – wie Klimawandel, Energieversorgung, Globalisierung – haben wir bereits als mögliche Krisenauslöser kennengelernt. Weitere Themen wie das Gendern, Migration oder Polizeiverhalten kommen hinzu. Die Inhalte können und sollten sicher kontrovers diskutiert werden. Aus der gesellschaftspolitischen Diskussion wird es zu Entwicklungen kommen, die auch die Wirtschaft betreffen. Dabei ist es gleichgültig, ob die Argumente richtig sind oder ob Mainstreamthemen von Interessengruppen und Medien ohne eine wirkliche Berechtigung zu Lasten der Allgemeinheit durchgesetzt werden.

Die Folge sind Verhaltensänderungen der Verbraucher, die zu einer Absatzkrise führen können. Es entstehen Diskussionen, die eine Entwicklung von Unternehmen beeinträchtigen und sogar umkehren können. Dabei kann jedes Unternehmen sehr schnell getroffen werden, weil sich die gesellschaftliche Diskussion immer wieder schnell [30]neuen, völlig unerwarteten Themen zuwendet. Als Ergebnis kann es für einzelne Unternehmen, ganze Branchen oder nationale Wirtschaftssysteme zu krisenhaften Auswirkungen kommen.

Abruptes politisches Handeln: Viele der genannten Krisengründe brauchen Verstärker wie die gesellschaftspolitische Diskussion. Am Ende steht oft der politische Prozess, der mit starken Vorgaben in die wirtschaftlichen Abläufe eingreift. Zumindest die westlichen Demokratien sind von Mainstreamthemen abhängig, da Politiker gewählt werden wollen und der Ausgang der Wahlen vom Verlauf öffentlicher Debatten abhängt. Die wirtschaftliche Entwicklung spielt dabei nur indirekt eine Rolle, im Fokus stehen bestimmte Wählergruppen, die möglichst laut ihre Ansprüche formulieren. Das wiederum führt zu abrupten politischen Entscheidungen, die nicht immer vorhersagbar sind. Ein Beispiel dafür ist der Atomausstieg, den der Bundestag im Jahr 2011 innerhalb von drei Tagen beschloss, nachdem noch einige Monate zuvor eine vorherige Laufzeitverkürzung abgeschafft worden war.

Solche plötzlichen Richtungsänderungen verursachen in der Wirtschaft Kosten und Unsicherheit, die nicht nur für einzelne Unternehmen zu existenziellen Krisen führen können. Das Potenzial für solche krisenauslösenden Entscheidungen wächst. Themen wie Klimawandel oder Energieversorgung eignen sich sowohl als Wählermagnet als auch zu Problembringern in der Wirtschaft. Die Politik ist nicht verlässlich, bestimmt aber über die Möglichkeiten, wirtschaftlich erfolgreich zu handeln.

Diese unvollständige Aufzählung von möglichen Krisenursachen verdeutlicht, dass das Potenzial für eine Krise ständig wächst. Dass wir uns nicht permanent in einer Krisensituation befinden, liegt an vielen Maßnahmen, die ständig für die Reduktion der Wahrscheinlichkeiten kämpfen. Doch es wird mit Sicherheit auch in Zukunft dazu kommen, dass einige Entwicklungen soweit fortschreiten, dass sie zur Krise für Unternehmen werden. Die ständig steigende Komplexität des wirtschaftlichen Handelns und die wachsende Sensibilität des Umfeldes werden dazu führen, dass dies in Zukunft öfter geschieht.

[31]2Ablauf einer Krise

Die bisherigen Ausführungen haben bereits gezeigt, wie unterschiedlich Krisen sein können. Das liegt an den vielen unterschiedlichen Ursachen und den verschiedenen Bereichen, in denen sie auftreten. So verschieden Krisen auch sind, so vergleichbar ist der Ablauf, der von den ersten Ursachen über das Erkennen bis zur Bekämpfung der Krise führen muss. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Krise nur ein Unternehmen allein, eine Region oder Branche oder die gesamte Wirtschaft weltweit trifft. Wer sich mit Krisen beschäftigt, sollte diesen Ablauf kennen, um richtig reagieren zu können.

2.1Ursachen/Gründe

Die Vielfalt möglicher Krisen in der Zukunft liegt in der Vielfalt der möglichen Ursachen für störende Entwicklungen begründet. Da immer wieder neue Zusammenhänge entstehen, kann die obige Aufzählung nicht vollständig sein. Für die Beobachtung ist es notwendig, die vier grundsätzlichen Ursachenfelder für eine Krise zu kennen.

Die Natur hält eine Vielfalt von Entwicklungen bereit, die zu einer Krise führen können. Dazu gehören schon immer Missernten, die durch lokale Klimaprobleme entstehen. Zu den natürlichen Schwankungen kommt jetzt der menschengemachte Klimawandel, der zu Rohstoffknappheit, zu Veränderungen in der Qualität natürlicher Rohstoffe oder zu Zerstörungen in der Umwelt führen kann. Die natürlichen Ereignisse sind meist temporär und lokal, werden erst durch die Globalisierung zu weltweiten Problemen. Die vom Menschen verursachten klimatischen Veränderungen sind noch trotz aller festzustellenden Schwankungen relativ langsam wirkend, dafür aber global.

Hinweis

Beobachten

Der derzeit diskutierte und in den Medien präsente menschengemachte Klimawandel kann verschiedenste Folgen haben. Es gibt eine Vielzahl von Szenarien, die sich mit den Auswirkungen beschäftigen. Auch wenn diese oft noch eine langfristige Perspektive sind, lohnt sich die Beobachtung der möglichen Wirkungen auf das Unternehmen. Es bietet sich so die Chance, das Unternehmen strategisch auf die Erwartungen einzustellen und so einer individuellen Krise zuvorzukommen. Der Kampf gegen den Klimawandel hingegen bringt bereits jetzt Auswirkungen hervor, die vor allem über politische und gesellschaftliche Veränderungen Einfluss nehmen.

Die Abhängigkeit von der Technik stellt ein umfassendes Risiko dar. Wie sehr das einzelne Unternehmen betroffen ist, muss individuell geprüft werden. Nicht be[32]einflussbar für Einzelne ist die steigende Abhängigkeit der Gesellschaft von der Technik. Das betrifft die Digitalisierung, der sich niemand widersetzen kann. Auch das autonome Fahren wird früher oder später das Leben und die Wirtschaft bestimmen. Der Widerstand einzelner Unternehmen gegen die digitale und andere neue Technik wird zu einer Krise für das jeweilige Unternehmen führen. Auch hier gilt, dass die Entwicklung der Technik, deren Verhalten und Wirkung im Rahmen des Krisenmanagements beobachtet werden muss. Selbst beeinflussen kann das Unternehmen die eigene Abhängigkeit von Fertigungstechnik, Verkehrswegen oder technischen Produkten. Doch auch dieser Einfluss gilt nur innerhalb enger Grenzen. Wenn eine intensive Fertigungstiefe, die ja abhängig macht von der Fertigungstechnik, wirtschaftliche Vorteile bringt, muss sich das Unternehmen dieser Ambivalenz stellen: Die Mitbewerber werden sonst Vorteile haben, die dem Unternehmen eine individuelle Krise bescheren. Bevor die Mitbewerber aufgrund der Technikabhängigkeit in eine Krise geraten, ist das Unternehmen, das diese Abhängigkeit vermeiden will, vielleicht gar nicht mehr vorhanden.Ein großer Auslöser von Krisen ist die gesellschaftliche Entwicklung. Durch die digitalen Möglichkeiten der Kommunikation erhält die gesellschaftspolitische Diskussion einen Einfluss, dem sich viele nicht mehr entziehen können. Das gilt nicht nur für die Politiker in westlichen Industrienationen, das gilt besonders für die Verbraucher. Handeln diese aufgrund von Beeinflussungen gleichzeitig, so kann die Basis von Unternehmen erschüttert werden. Das zeigt sich z. B. im Erfolg des Onlinehandels, der viele stationäre Einzelhändler in existenzielle Krisen geführt hat. Die Problematik liegt darin, dass es in der Gesellschaft immer mehrere Strömungen gibt. Nicht immer ist die Gruppe, die am lautesten fordert, auch die größte. Oft sind gesellschaftspolitische Forderungen initiiert von Randgruppen, die ihre eigenen Interessen gegen die Interessen der Gesellschaft durchsetzen wollen. Das hat Auswirkungen auf die Unternehmen, da Rationalität oft keine Rolle spielt. Wer sich zu lange auf die vertraute Gruppe in der Gesellschaft konzentriert, könnte seine Märkte schneller verlieren als vorhersehbar. Wer zu früh auf neue gesellschaftliche Strömungen setzt, kommt in eine Krise, wenn sich die Planungen nicht erfüllen. Veränderungen in der Gesellschaft lassen sich meist frühzeitig erkennen. Die Unternehmensstrategie kann darauf reagieren, um die Gefahr einer Krise zu reduzieren.

Hinweis

Macht der Verbraucher

Für das Unternehmen ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Forderungen der Verbraucher oder der gesellschaftlichen Strömungen sinnvoll sind oder nicht. Wenn der Verbraucher bestimmte Inhalte verlangt, kann nur die Erfüllung dieser Forderungen einen wirtschaftlichen Erfolg garantieren. Wer sich nicht dem Diktat der Verbraucher unterwirft, wird sehr schnell in eine Krise kommen.

[33]Die Gesellschaft hat neben der Macht auf den Verbraucher einen wesentlichen Einfluss auf die Politik. In westlichen Demokratien sind die Politiker immer wieder auf die Bestätigung durch den Wähler angewiesen. Daher sind sie sehr empfindlich für Beeinflussung durch die gesellschaftliche Diskussion. Hier werden Entscheidungen getroffen, die immer auch einen wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaft und auf einzelne Unternehmen haben. Dabei ist die gesamte Bandbreite der politischen Ebenen, von der EU bis zum Gemeinderat, in der Lage, mehr oder weniger große Krisen auszulösen. Unternehmen und Wirtschaftsverbände versuchen – ebenfalls auf allen Ebenen -, diese politischen Entscheidungen zu beeinflussen, sind aber bei Weitem nicht so erfolgreich wie gewünscht. Für die Krisenbewältigung ist es notwendig, die Politik immer gleichzeitig mit den gesellschaftspolitischen Entwicklungen zu betrachten.

In einem dieser vier Bereiche hat eine Krise ihren Anfang. Um vorbereitet zu sein und um Entwicklungen einschätzen zu können, hilft es, regelmäßig zu beobachten, was hier vor sich geht. Es gibt Indikatoren, die frühzeitig auf eine Krise hinweisen. Dabei hilft die Definition von Parametern.

2.2Parameter

Die umfassende Beobachtung aller möglichen Geburtsstätten einer Krise ist nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn dies anhand von definierten Parametern geschieht. Diese verändern sich, wenn die problematische Entwicklung beginnt, und verstärken ihre Abweichungen von den Plan- oder Erwartungswerten mit der Dauer der Krise immer weiter. Welche Parameter das sind, muss in Abhängigkeit von dem zu überwachenden Bereich und von der individuellen Unternehmensstruktur festgelegt werden.

Die Parameter lassen sich in Gruppen einteilen, die einen zeitlichen Bezug zur verbundenen Krise haben. Es gibt Parameter, die als Frühwarnsystem dienen, aber sehr ungenau sind. Andere sind zuverlässiger in ihrer Aussage, stehen aber erst später nach den ersten Entwicklungen zur Verfügung. Selbst die Parameter, die eigentlich zu spät anschlagen, haben für die Krisenbewältigung noch eine Aufgabe. Die Einteilung ist unabhängig davon, ob eine weltweite, eine regionale oder eine individuelle Krise erwartet wird.

2.2.1Frühe Parameter

Jede Krise wird bereits vor der eigentlichen Entstehung von Begleiterscheinungen verraten, die von den verantwortlichen Managern in den Unternehmen gesucht werden sollten. Wer diese Parameter erkennt und richtig einordnet, kann der Krise zuvorkom[34]men. Viele unterschiedliche öffentliche und unternehmensinterne Inhalte können als Frühwarnindikatoren verstanden werden.

Frühzeitig gibt es zu jedem Thema eine Berichterstattung. Das kann in Form von Berichten in den traditionellen Medien sein, aber auch in Form der öffentlichen Diskussion, z. B. in den Sozialen Medien. Selbst Politiker äußern sich zu aktuellen Themen, die die Gesellschaft beschäftigen. Um die allgemeine Berichterstattung als Parameter für das Erkennen einer möglichen Krise zu verwenden, muss aus der allgemeinen Berichterstattung eine Kennzahl gemacht werden.

BEISPIEL

Drohende Lieferkrise bei Hefe

So kann z. B. festgestellt werden, welche Begriffe in definierten Zeiträumen in den Internet-Suchmaschinen eingegeben wurden. Daraus lassen sich Schlüsselbegriffe, die auf eine Entwicklung und das Unternehmen Bezug nehmen, erkennen. Diese werden dann regelmäßig auf ihre Nachfrage in den Diskussionen überwacht. Die folgende Darstellung zeigt den Verlauf der Abfragen nach »Hefe« im Jahr 2020.

Abb. 1: Verlauf der Abfragen nach »Hefe« in Suchmaschinen

Der Anstieg der Abfragen fällt zusammen mit einer dramatischen Erhöhung der Nachfrage nach Backhefe in den ersten Wochen des Lockdowns, der Anfang 2020 aufgrund der Corona-Pandemie erlassen wurde. Mit der intensiven Beobachtung dieses Parameters konnte eine Lieferkrise für Backhefe an den Einzelhandel wenn nicht vermieden, so doch abgemildert werden. Der Anstieg der Abfragen fiel bereits in der KW 10 auf, sodass im Zusammenhang mit den bekannten Entwicklungen in der durch Corona bedingten Krise schon früh auf eine zu erwartende Steigerung der Nachfrage nach Backhefe für die Verwendung im privaten Haushalt geschlossen werden konnte.

[35]Um eine individuelle Krise bereits in der Entstehung zu erkennen, werden Parameter aus unternehmensinternen Informationen gebildet. Beschaffungsprobleme für wichtige Rohstoffe zeichnen sich in Gesprächen mit Lieferanten ab. Veränderungen im Absatzmarkt werden im Verhalten der Kunden frühzeitig sichtbar. Die wirtschaftliche Entwicklung wichtiger Lieferanten und Kunden gibt ebenfalls Hinweise auf regionale und branchenbezogene Veränderungen mit Krisenpotenzial. Viele ERP-Systeme aus der IT-Unterstützung geben die Möglichkeit, systematisch Kunden- und Lieferantenbewertungen durchzuführen und zu erfassen. Das sollte genutzt werden.Eindeutige Bewertungen der Situation liefern die im Controlling ermittelten Kennzahlen zum Verhalten von Kunden und Lieferanten. So wird die Ausnutzung von Zahlungszielen in der Kennzahl »Durchschnittliche Zahlungstage« dargestellt. Erhöhen sich diese, ist das ein Zeichen für Probleme auf dem Absatzmarkt. Lieferanten werden im Controlling mit einer Bewertung versehen, die Lieferverzögerungen und schlechte Qualitäten einbeziehen. Auch hier kann eine Verschlechterung der Werte auf erste Probleme, diesmal auf dem Beschaffungsmarkt, hinweisen. Ähnlichen Kennzahlen können für Mitarbeiter (z. B. Fluktuation) oder für die Entwicklung spezieller Kostenarten erstellt werden.

Vor allem bei den früh reagierenden Parametern muss aus Informationen vieler Quellen und ersten Entwicklungen von Zahlen und Erfahrungen ein Gesamtbild geschaffen werden. Die Beurteilung der Situation erfolgt dann in der Zusammenarbeit des Controllings mit den Fachbereichen. Es geht darum, mögliche problematische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. So wird es möglich, bereits zu Beginn der Krise deren Ablauf zu beeinflussen oder, falls das nicht möglich ist, die eigenen Maßnahmen vorzubereiten.

2.2.2Späte Parameter

Im Ablauf der Krise folgen auf die ersten Entwicklungen in den frühen Parametern die deutlichen Entwicklungen in vergleichbaren Bereichen. In der Regel verschärfen sich die Werte der Frühindikatoren. Gleichzeitig tauchen neue Informationen und Zahlen auf, die zur Einschätzung der aktuellen Krisensituation genutzt werden müssen.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen in den vor- und nachgelagerten Bereichen zeigt ein deutliches Bild der Branche, aber auch einer Region. Wenn Lieferanten oder Kunden schlechte Unternehmenszahlen melden, ist es bereits zu spät. Es wird jedoch in den Branchenverbänden oder in anderen Unternehmervereinigungen über die Verschärfung der wirtschaftlichen Lage gesprochen. Wenn hier hörbar Probleme zugegeben werden, kündigt sich u. U. eine Krise an.Verträge dienen zur Absicherung von vereinbarter Zusammenarbeit. Wenn vertragliche Vereinbarungen nicht verlängert oder gekündigt werden oder, deutlicher noch, entgegen den Vereinbarungen nicht eingehalten werden, ist das ein Zeichen für drohende schlechte Entwicklungen. Eine funktionierende Zusammenarbeit [36]wird nur dann beendet, wenn eine Seite signifikante Probleme hat oder diese erwartet. Das kann auch ein Parameter sein, der dem Unternehmen eine eigene, kurz bevorstehende Krise ankündigt.Der Absatz der eigenen Produkte ist stets ein Parameter für den Erfolg. Schwankungen sind in fast allen Unternehmen an der Tagesordnung. Wenn diese Veränderungen langfristig sind und wesentliche negative Mengen aufweisen, steht eine Krise vor der Tür. Noch aussagekräftiger für die Beurteilung einer Krisensituation als der realisierte Absatz ist der Planabsatz. Die Verkäufer sind nahe am Markt und erkennen die Entwicklungen frühzeitig und passen ihre Planung an. Wenn auch einzelne Veränderungen nicht dramatisch erscheinen, kann sich aus der Gesamtbetrachtung eine Krise deutlich abzeichnen.Preisveränderungen außerhalb der erwartbaren Größenordnungen können Hinweise auf zu erwartende Probleme mit Krisenpotenzial geben. Die Einkaufspreise steigen, die erzielbaren Verkaufspreise sinken und verraten so einen Krisenbeginn.Wie immer in einer eng verfochtenen Welt reagieren auch die Mitbewerber, wenn sie den Beginn einer Krise erkennen. Wer die Aktionen der Konkurrenten beobachtet und in das Bild der anderen Parameter einordnet, kann als Grund für unübliche Maßnahmen am Markt eventuell eine beginnende Krise erkennen.Banken unterhalten große volkswirtschaftliche Abteilungen und beschäftigen Spezialisten für viele Branchen. Daher sind sie über zu erwartende positive oder negative Entwicklungen gut informiert. Erkennen die Banken den Anfang einer möglichen Krise, reagieren sie. Bei einem guten Verhältnis zwischen Unternehmen und Bank wird der Geldgeber seinen Partner über die Krisenerkenntnisse unterrichten. Immer aber wird die Bank in dieser Situation vorsichtiger bei der Kreditvergabe. Sie verteuert oder verweigert Kredite an Unternehmen, die ihrer Meinung nach von einer Krise betroffen sein könnten. Das Verhalten der Banken ist immer ein aussagekräftiger Parameter zur Beurteilung potenzieller Krisen.

Es liegt in Natur der Dinge, dass eine Krise zu Beginn deutlichere Parameter aufweist als im Stadium der möglichen Krisenbildung. Daher gibt es mehr Parameter, je weiter fortgeschritten die Krise bereits ist. Außerdem werden die Werte und damit die Aussagen der Parameter deutlicher, je näher die Krise ist. Dennoch gilt auch hier, dass die Werte einzelner Parameter zwar dramatisch sein können, nicht aber immer eindeutig auf eine Krise hinweisen. Es kann sich auch um ein übliches Risiko handeln, dass noch immer rechtzeitig beseitigt werden kann.

2.2.3Akute Parameter