Erinnerungen eines Verrückten (Autobiografischer Roman) - Gustave Flaubert - E-Book

Erinnerungen eines Verrückten (Autobiografischer Roman) E-Book

Gustave Flaubert

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Beschreibung

In "Erinnerungen eines Verrückten" präsentiert Gustave Flaubert einen autobiografischen Roman, der in einer tiefen psychologischen Analyse des menschlichen Geistes verwurzelt ist. Der Text, geprägt von Flauberts kunstvollem, oft impressionistischem Stil, erkundet die komplexen Facetten der menschlichen Identität und den schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Flaubert verbindet autobiografische Elemente mit fiktionalen Narrative, wodurch ein eindringliches Porträt des Inneren des Protagonisten entsteht, der in einem Strudel aus Erinnerungen und Reflexionen gefangen ist. Die dichte und zugleich poetische Sprache reflektiert die zeitgenössischen Strömungen des Realismus und des Symbolismus, die im 19. Jahrhundert aufblühten und verleiht dem Text eine zeitlose Qualität. Gustave Flaubert, einer der einflussreichsten Romanautoren des 19. Jahrhunderts, ist für seine detailverliebten und oft psychologisch durchdrungenen Werke bekannt. Seine Erfahrungen, geprägt durch den Kampf um künstlerische Authentizität und die Auseinandersetzung mit eigenen Ängsten und Unsicherheiten, spiegeln sich in den Themen von "Erinnerungen eines Verrückten" wider. Flauberts lebenslange Suche nach dem perfekten Ausdruck, gekoppelt mit den Herausforderungen seiner Zeit, verleihen dem Buch eine bemerkenswerte Tiefe und Relevanz. Für Leser, die sich für die psychologischen Nuancen der menschlichen Seele und die komplexe Natur der Identität interessieren, ist "Erinnerungen eines Verrückten" eine unverzichtbare Lektüre. Flauberts meisterhafte Erzählweise, kombiniert mit seinen introspektiven Betrachtungen, ermöglicht es dem Leser, in die Abgründe und Höhen des menschlichen Geistes einzutauchen. Dieses Buch fordert nicht nur heraus, sondern bereichert auch das Verständnis von Menschlichkeit und der oft zerbrechlichen Grenze zwischen Vernunft und Wahnsinn.

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Gustave Flaubert

Erinnerungen eines Verrückten (Autobiografischer Roman)

Gedanken eines Zweiflers - Die Grüblereien der Gegenwart und die Erinnerungen der Vergangenheit
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2023
EAN 8596547798385
Inhaltsverzeichnis
Erinnerungen eines Verrückten
Leidenschaft und Tugend

Erinnerungen eines Verrückten

Inhaltsverzeichnis

Im Norden wie im Süden, im Osten wie im Westen, überall, wo ihr geht, könnt ihr nicht einen Schritt tun, ohne daß Zwangsherrschaft, Ungerechtigkeit, Geiz, Habgier euch voller Selbstsucht zurückstoßen. Überall, sage ich euch, werdet ihr auf Leute geraten, die euch zurufen: »Geh mir aus der Sonne!« – »Hebe dich weg! Du betrittst den Sand, den ich mir auf die Erde gestreut!« – »Kehr um! Du bist auf meinem Grund und Boden!« – »Zurück! Du atmest Luft, die mir gehört!«

Ja, ja! Der Mensch ist ein durstiger Wanderer; er bittet um Trinkwasser; man verweigert es ihm, und er geht zugrunde.

Die Gewalt lastet schwer auf den Völkern, und ich fühle, es ist schön, sie von ihr zu befreien. Ich fühle, wie mein Herz bei dem Worte Freiheit vor Freude lauter klopft, wie ein Kinderherz vor dem Worte Gespenst. – Und doch ist eins wie das andere Wahn. Ein Trugbild, das verwehen, eine Blume, die verwelken muß. Mehr nicht.

So manche werden es versuchen, sie zu erringen, die herrliche Freiheit, die Fürstin aller Träume, den Abgott der Völker. Viele werden es wagen, aber sie werden unter der Last ihrer Bürde zusammenbrechen.

Es war einmal ein Pilger, der durch die große Wüste Afrikas wanderte. Er hatte die Kühnheit,

einen Weg einzuschlagen, der seine Reise um sieben Meilen verkürzte, dafür aber gefahrvoll war, reich an Schlangen, wilden Tieren und mühseligen Felsenstiegen.

Die Nacht brach an. Der Mann bekam Hunger. Er ward müde und matt. Er beschleunigte seinen Gang, um endlich sein Ziel zu erreichen. Doch auf Schritt und Tritt traf er Hemmnisse. Trotzdem verlor er seinen Mut nicht und ging herzhaft weiter.

Da sah er plötzlich vor sich einen ungeheuren Felsblock mitten auf seinem Wege, einem schmalen Saumpfade, der sich steil emporzog, überwachsen von Gestrüpp und Dornen. Er war also genötigt, den Stein bis zum Gipfel hinaufzuwälzen oder ihn zu überklettern oder zu warten bis zum Morgen, wo vielleicht andere Pilger kommen und ihm helfen könnten!

Aber er hatte solchen Hunger, und der Durst quälte ihn so gräßlich, daß er sich ermannte, alle seine Kräfte aufzubieten, um weiter zu kommen, bis zur nächsten Hütte, die noch vier Wegstunden fern war. Er begann mit Händen und Füßen am Felsblock in die Höhe zu klimmen.

Der Schweiß rann ihm in großen Tropfen von der Stirn, seine Arme stemmten sich mühevoll empor, und krampfhaft griffen seine Hände nach jedem Halm, der sich ihm bot; aber das Gras hielt ihn nicht, und er fiel enttäuscht zurück. Wieder und wieder erneute er seine Anstrengungen. Es war vergeblich.

Und immer schwächer wurde er von Fall zu Fall, immer kraftloser, immer verzweifelter. Er verfluchte Gott und lästerte ihn. Schließlich machte er einen letzten Versuch. Diesmal nahm er alle Kraft zusammen, die er noch hatte, und vor dem Aufstieg betete er zu Gott.

Ach, wie demütig, wie hehr, wie innig war dieses kurze Gebet! Weit entfernt, irgend etwas nachzuplärren, was ihn die Amme als kleines Kind gelehrt, waren Tränen seine Worte und Kreuzeszeichen seine Seufzer. Dann kletterte er hinan, fest entschlossen, Hungers zu sterben, wenn es ihm mißglückte.

Nun ist er am Werke. Er klimmt aufwärts; er kommt höher. Es sieht aus, als ziehe ihn eine helfende Hand empor zum Gipfel. Es ist ihm, als schaue er einem ihn rufenden Engel in das lächelnde Angesicht. Da mit einem Schlage ändert sich alles. Eine schreckliche Erscheinung übermannt seine Sinne. Er hört das Zischen einer Schlange, die am Gestein herabkriecht, auf ihn zu. Die Knie wanken ihm, seine Fingernägel, die sich um Felsenspitzen gekrallt hatten, verlieren ihren Halt …. Kopfüber fällt er in die Tiefe.

Was nun?

Er hat Hunger, ihn friert, er ist durstig. Der Wind pfeift über die endlose rote Wüste, und den Mond verdüstern Wolken.

Er fängt an zu weinen und sich zu ängstigen wie ein Kind. Er weint um seine Eltern, die vor Gram sterben werden, und er fürchtet sich vor den Raubtieren.

»Es ist Nacht,« jammert er. »Ich bin schwach und matt. Die Tiger werden kommen und mich zerreißen!« Lange wartet er, daß ihm irgendwer zu Hilfe käme. Aber es kamen die Tiger, zerfleischten ihn und schlurften sein Blut…..

Und wahrlich, ich sage euch, ebenso ergeht es euch, die ihr die Freiheit erobern wollt! Mutlos geworden in euren Anstrengungen, werdet ihr auf irgend jemanden warten, der euch helfen soll.

Und dieser Jemand wird nicht kommen! Nein!

Aber die Tiger werden kommen, euch zerfleischen und euer Blut trinken wie das des armen Wanderers.

Es ist so! Die Not herrscht über dem Menschen.

Ach, die Not, die Not! Ihr habt sie wohl nie verspürt, ihr, die ihr von den Lastern der Armen sprecht? Not ist ein Ding, das’ den Menschen packt, ihn auszehrt, ihn erdrosselt, ihm die Glieder abreißt und dann seine Knochen auf den Schindanger wirft. Not ist ein Ding, häßlich, fahl, stinkig, verkrochen in schmutzige Winkel und Löcher, hinter die Lumpen der Bettler, hinter die Röcke der Dichter. Die Not? Das ist der Mann mit den langen gelben Zähnen an Winterabenden an der Straßenecke, der euch im Grabeston zuflüstert: »Herr! Brot!« und dabei eine Pistole zieht… Die Not? Das ist der Spion, der euch umschleicht, eure Worte erjagt und dann zum Gewalthaber geht und ihm sagt: »Man macht eine Verschwörung! Man hat Gewehre…« Die Not? Das ist das Frauenzimmer, das euch unter den Bäumen der Promenade zupfeift. Ihr tretet heran. Die Frau trägt einen schäbigen alten Mantel. Sie öffnet den Mantel. Ein weißes Kleid schimmert darunter; aber dieses weiße Kleid ist voller Löcher. Und sie öffnet ihr Kleid und zeigt euch ihren Busen; aber dieser Busen ist schlaff, und drinnen wütet der Hunger! Ja, der Hunger, der Hunger! Überall der Hunger: in ihrem Mantel, dessen silberne Schließen versetzt, in ihrem Kleid, dessen Spitzen verschachert sind, in ihren Worten, die euch unter Weh und Leid zurufen: »Komm, komm!« Ja, Überall der Hunger, selbst in ihrem Busen, den sie eurer Lust verkaufen will! – Der Hunger, der Hunger!

Dieses Wort, oder vielmehr das Ding dahinter, hat die Revolutionen gemacht, und noch manche Revolution wird es bringen!