Erkenntnistheorie zur Einführung - Herbert Schnädelbach - E-Book

Erkenntnistheorie zur Einführung E-Book

Herbert Schnädelbach

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Beschreibung

Diese Einführung entwickelt ein Konzept von »Erkenntnistheorie« als Lehre von den Wissensformen. Über diese Formen muss Klarheit bestehen, ehe man sich den Fragen nach der Geltung und den Grenzen der Erkenntnis zuwenden kann. Den Begriff und die einzelnen Formen des Wissens – Wahrnehmung, Erinnerung, Erfahrung, Wissenschaft – kann man aber nicht durch Definitionen klären, sondern nur durch eine Analyse der Gebrauchsweisen der jeweiligen Begriffswörter. So versteht sich diese Einführung vor allem als ein Beitrag zur Grammatik der epistemischen Ausdrücke. Sie bleibt freilich nicht bei der Beschreibung stehen, sondern untersucht jene Gebrauchsweisen auf ihre problematischen Voraussetzungen.

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Erkenntnistheorie zur Einführung

Herbert Schnädelbach

Erkenntnistheorie zur Einführung

Meinen Berlinernzum Andenken

Junius Verlag GmbH

Stresemannstraße 375

22761 Hamburg

www.junius-verlag.de

© 2002 by Junius Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Florian Zietz

Veröffentlichung der E-Book-Ausgabe März 2016

ISBN 978-3-96060-004-6

Basierend auf Print-Ausgabe:

ISBN 978-3-88506-368-1

4. Aufl. 2013

Bibliografische Information der Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

0. Einleitung

Kleine Geschichte der Erkenntnistheorie

Zwei Einwände gegen Erkenntnistheorie

Aufgaben der Erkenntnistheorie

1. Wissen

›Wissen‹ – ein analytischer Vorschlag

2. Wissensformen

Vorstellung

Wahrnehmung

Erinnerung und Imagination (Vorstellung2)

Erfahrung

Wissenschaft

Kleine Geschichte der Wissensformen

3. Geltung

Skepsis

Wahrheit

Rechtfertigung

4. Ausblick: Die Wirklichkeit der Erkenntnis

Anhang

Literaturhinweise

Über den Autor

0. Einleitung

Kleine Geschichte der Erkenntnistheorie

Seit der späten Antike war es üblich, mit den Stoikern das Feld der Philosophie in Logik, Physik und Ethik einzuteilen. Noch Kant bekannte sich dazu (vgl. GMS B III), und die meisten Studien- und Prüfungsordnungen unserer philosophischen Seminare und Institute folgen Kant darin, daß sie seine Neufassung jener Trias als Grundlage übernehmen: ›Logik‹, ›theoretische Philosophie‹ und ›praktische Philosophie‹. (Sie definiert im übrigen die professorale »Mindestausstattung« für einen akzeptablen Studiengang der Philosophie mit Magisterabschluß.) Wer nun jene Ordnungen aufschlägt, wird fast immer auf den Ausdruck ›Erkenntnistheorie‹ stoßen, und zwar unter der Rubrik ›theoretische Philosophie‹; dort wird die Erkenntnistheorie in der Regel als erste Teildisziplin genannt, was ihren besonderen Rang als Grundlagenfach unterstreichen soll. Selten wird man hingegen an dieser Stelle die Metaphysik genannt finden, wenn sie überhaupt noch erwähnt wird; sie hat bis ins 19. Jahrhundert den ersten Platz beansprucht, denn was der erste Herausgeber des Aristotelischen Gesamtwerkes, Andronikos von Rhodos, im 1. Jahrhundert v. C. metá tà physiká, d.h. nach den physikalischen Schriften eingeordnet hatte, waren die Texte zur »Ersten Philosophie«, und darunter hatte Aristoteles die Wissenschaft vom »Ersten«, d.h. von den Gründen und Ursachen alles dessen, was ist, verstanden. (Bis zum 18. Jahrhundert wurden die Ausdrücke ›Philosophie‹ und ›Wissenschaft‹ im wesentlichen gleichbedeutend gebraucht.) Heute hingegen löst das Wort ›Metaphysik‹ bei den Zeitgenossen nur noch eine Mischung aus unbestimmten bis ehrfürchtigen Gefühlen aus; das »Metaphysische« – was ist das anderes als etwas Undurchsichtiges und »Höheres«, über das man besser schweigt? Die Erkenntnistheorie hingegen gilt auch dort, wo man sie nicht als Prima philosophia im aristotelischen Sinn versteht, als dasjenige, womit man zumindest beginnen sollte, wenn man sich in der Philosophie theoretischen oder sogar metaphysischen Fragen zuwendet.

Der Aufstieg der Erkenntnistheorie ist das Ergebnis der neuzeitlichen Krisengeschichte der Metaphysik selbst. Das Wort ›Erkenntnistheorie‹ kommt freilich erst im frühen 19. Jahrhundert auf und wird dann durch Eduard Zellers vielbeachtete Heidelberger Vorlesung Ueber Bedeutung und Aufgabe der Erkenntnistheorie (1862) allgemein gebräuchlich; die Sache ist freilich viel älter. Der erste »erkenntnistheoretische« Text unserer philosophischen Überlieferung ist Platons Dialog , in dem es um die Frage geht, was Wissen sei, und in dem Platon seinen Lehrer Sokrates u.a. das Wissen gegen den Relativismus des Sophisten Protagoras verteidigen läßt. Seitdem haben sich die Philosophen immer wieder mit solchen Fragen befaßt, aber die Erkenntnisprobleme waren doch nie zentral, denn man glaubte stets, sie mit Bezug auf die Gesamtstruktur der Welt lösen zu können. Das änderte sich zu Beginn der Neuzeit, wo die platonisch-aristotelische Metaphysiktradition bei den Wissenschaftlern und Intellektuellen jeden Kredit verloren hatte; wollte man die Sache der Metaphysik, d.h. die wissenschaftliche Deutung und Erklärung der Welt aus ersten Gründen und Ursachen, weiterhin vorantreiben, dann erforderte dies eine grundlegende Reform dessen, was bislang ›Metaphysik‹ genannt worden war. René Descartes, John Locke und vor allem Immanuel Kant wandten sich dieser Aufgabe zu, ohne freilich von ›Erkenntnistheorie‹ zu sprechen. Sie waren sich darin einig, dass nicht teilweise Verbesserungen die Metaphysik aus der Krise führen könnten, sondern nur eine Untersuchung der subjektiven Bedingungen und Grenzen menschlicher Erkenntnis überhaupt, durch die sich dann auch die Frage nach der Möglichkeit von Metaphysik klären lassen müsse. Descartes folgte dabei methodisch den alten skeptischen Einwänden gegen die Möglichkeit objektiver Seinserkenntnis – insbesondere dem Sinnestäuschungsund dem Traumargument –, steigerte sie durch die Gedankenfigur des bösartigen Gottes, der mich auch im Bereich logischer und mathematischer Wahrheiten täuschen könnte, um dann im »Ich bin, ich existiere« und im »Ich bin ein denkendes Ding mit seinen Gedanken oder Vorstellungen« einen ersten sicheren Grund für alles Erkennen zu finden. (Vgl. Med I-II) Dabei änderte Descartes die klassische Definition der Metaphysik; sie ist für ihn nicht mehr die Wissenschaft von den »ersten Prinzipien des Seienden«, sondern von den »ersten Prinzipien der Erkenntnis des Seienden«. (PP XLI)

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