Eva und Adam - Karl-Heinz Knacksterdt - E-Book

Eva und Adam E-Book

Karl-Heinz Knacksterdt

4,8

Beschreibung

Der dritte und letzte Band der Trilogie "Große Frauen der Bibel". Adam und Eva, das Paradies im Garten Eden, Kain und Abel - Bekanntes aus der Schöpfungsgeschichte des Buches 'Genesis' der Bibel, wer weiß nicht zumindest von den Namen und dem Ort! Dieses Buch erzählt die Geschichte über die biblischen Texte hinaus - mitten hinein in die heutige, die reale Welt! Das Leben im und nach dem Paradies und ihr Sich-wieder-finden in der Jetztzeit wird von ihnen selbst im Kreis von Freunden erzählt. Eine spannende, abwechslungsreiche Geschichte mit viel Fantasie und Augenzwinkern - das ist die verwundernswerte Darstellung der drei Existenzen von Eva und Adam. Sie werden überrascht und begeistert dieses Buch lesen!

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Seitenzahl: 203

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Und Gott schuf den Menschen

zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes

schuf er ihn; und schuf sie als

Mann und Frau.

Gen 1,27

Karl-Heinz Knacksterdt hat erst nach dem Eintritt in das Rentenalter seine Liebe zum Schreiben romanhafter Literatur entdeckt. Jahrgang 1941, war er lange Zeit ehrenamtlich in einer Kirchengemeinde in Oldenburg aktiv - Kirchenältester und Lektor waren dort seine Professionen. In seiner beruflichen Laufbahn hat er sich über vier Jahrzehnte mit Problemen der Informationsverarbeitung befasst. Er ist seit mehr als 50 Jahren mit seiner Frau Annelie verheiratet; zwei verheiratete Kinder und zwei Enkel gehören zur Familie.

Die biblischen Bilderzyklen seiner Frau Annelie als Inspirationsquellen haben ihn motiviert, sich mit großen Frauen der Bibel auseinander zu setzen. Zusätzliche Informationen aus diversen Quellen haben dafür gesorgt, dass seine Arbeiten über das erzählerische hinaus auch historisch und, soweit erforderlich, theologisch korrekt sind.

Inhalt

Adam und Eva Holdorf

Der Anfang der Geschichte

Der Garten des Herrn

Leben im Paradies

Neubeginn – ganz ohne Paradies

Begegnungen

Neue Zeiten

Partnerprobleme – Die Krise

Der Brudermord Kain und Abel

Evas Aufbruch

Eine fremde Welt

Adams zweites Alleinsein

Eva und Kain

Das Wiedersehen

Im Schatten des Regenbogens

Nachlese

Die Personen

Bilder im Buch von Annelie Knacksterdt

(www.akgalerie.de)

Seite → „Der sechste Tag“ Öl auf Leinwand 50x60 cm 1999

Seite → „Kains Tod“ Acryl auf Leinwand 60x110 cm 2011

Seite → „Transition“ - Foto des Autors (2001)

1. Kapitel

Adam und Eva Holdorf

Alle alten Städte sind stolz auf ihre Vergangenheit, obwohl die Lebenden doch eigentlich nichts dafür geleistet haben. Aber sei's drum, denn 'Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!' - und nach diesem Motto verfahren viele dieser Städte, pflegen ihre Schätze und zeigen sie auch gern ihren Besuchern.

So ist es auch hier im schönen Hildesheim, etwa 30 Kilometer südöstlich der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover.

Die an fast jedem Werktag von Montag bis Donnerstag nachmittags um vier vom Stadtmarketing angebotenen Stadtführungen finden bei Touristen, aber auch bei Einheimischen viel Zustimmung. So kann man auf diese Weise, zumeist sehr unterhaltsam, für ein kleines Entgelt viel über die Stadt, ihre Gebäude, die Kultur und ihre Vergangenheit erfahren, auch über die im Krieg zerstörten und ihre erhalten gebliebenen oder wieder aufgebauten mittelalterlichen Teile.

Die Stadtführungen, zumeist von ehrenamtlichen, manchmal aber auch von besoldeten Stadtführern geleitet, finden stets ihr Publikum. Ganz besonders beliebt sind die außerdem freitags und samstags am frühen Abend stattfindenden Führungen unter Leitung eines als Stadtwächter gekleideten Mitarbeiters der Stadt.

Stilecht ausgerüstet mit einer dunkelgrünen Samt-Pluderhose, weißen Kniestrümpfen, die Füße in mittelalterlich anmutenden Schnallen-Schuhen, ein Wams ebenfalls aus Samt in den Stadtfarben gelb und rot; auf dem Kopf ein Barett mit langer Feder – dieser Mann hätte auch vor zweihundert Jahren hier stehen und seinen Dienst als Stadtwächter antreten können.

Dreimal stößt der Stadtführer und -wächter mit dem bändergeschmückten Stab in seiner Rechten auf den Boden und heischt um Aufmerksamkeit, in der linken Hand hält er seine Laterne.

„Hört ihr Leute, lasst euch sagen:

ER schuf die Welt in sieben Tagen!“

Mit seiner sonoren Baritonstimme, die auch im Chor des Stadttheaters gefragt ist, beginnt er stets seine Abend-Führungen durch das romantische mittelalterliche Hildesheim und fährt mit seinem Nachtwächter-Lied fort:

„Am ersten Tag war nur ein Nichts

am zweiten wich die Finsternis

am dritten kamen Pflanzen her

am vierten Sonn', Mond, das Sternenmeer

am fünften Tag gab es viel Getier

am sechsten waren die Menschen hier!

Und dann war's gut, ER streckte sich hin

ein Tag der Ruhe – darauf stand IHM der Sinn.“

Als er mit seiner kleinen Begrüßung geendet hat, kommt bei seinen Zuhörern Beifall auf – eine solches Willkommen haben sie noch nie erlebt.

Seine Führungen sind fast immer ausgebucht, so dass im städtischen Touristikbüro deshalb sogar Wartelisten geführt werden müssen!

Der fast Sechzigjährige, der seine Zuhörer freitags und samstags am frühen Abend bei seinen Führungen durch die Hildesheimer Altstadt mit einem Bibelspruch begrüßt, ist weit über die Stadt hinaus bekannt und wohl angesehen.

Adam Holdorf, so heißt dieser schon äußerlich imposante und auch durch sein mittelalterliches Aussehen besonders beeindruckende Mann, hat die Position als Stadtführer schon seit über dreißig Jahren inne, als sein Vorgänger die schöne Arbeit krankheitsbedingt aufgeben musste und er sie von ihm übernahm; diesen Schritt hat er nie bereut!

Für den Lebensunterhalt reichte das Salär als Stadtführer natürlich nicht, sodass er den Hauptteil seiner Arbeitszeit in einem Büro der Stadtverwaltung verbrachte, wo er – zumeist langweilige - Akten aus dem Straßenbauwesen bearbeitete. Manchmal jedoch, wenn Bauarbeiter bei Baggerarbeiten anlässlich der Kanalsanierung oder bei anderen Schachtarbeiten auf Funde aus alter Zeit stießen, war er in seinem Büro nicht zu halten. Sein Vorgesetzter war glücklicherweise zumeist damit einverstanden, wenn er in diesen Fällen seine Akten Akten sein ließ und sich seinem Hobby, der Stadtforschung, widmete. So mancher im Handbuch der Stadt veröffentlichte Fund wurde durch ihn zu einem weiteren wichtigen Mosaikstein in der Stadtgeschichte.

Weil trotz der Arbeit im öffentlichen Dienst das Geld der Eheleute Holdorf ziemlich knapp gewesen wäre, gab es auf diesem Gebiet eine gewisse Entspannung, als seine geliebte Frau Eva vor nun schon fast zwanzig Jahren die kleine Kneipe in der Altstadt von ihren Pflegeeltern übernahm. Eva war überzeugte 'Kneipen-Wirtin' mit viel Gefühl für die kulinarischen Wünsche und die Befindlichkeiten ihrer vielen Gäste, von denen die Mehrzahl zu den Stammgästen gezählt werden konnte.

Adam nutzt hin und wieder die Existenz der Kneipe mit dem schönen Namen „Alte Zeiten“, um die Teilnehmer an seinen abendlichen Stadtführungen dort noch zu einem kleinen Umtrunk zu verführen; diese Abendführungen - wie schon gesagt, waren ausschließlich freitags und samstags - fanden bei Einheimischen und Fremden viel Zuspruch, denn es hatte sich herumgesprochen, dass es immer sehr interessante, spannende Stunden waren.

Treffpunkt war auch an diesem lauen Sommervorabend der historische Rolandbrunnen auf dem Marktplatz. Eine Gruppe von zwölf Personen hatte sich an diesem Freitag dazu eingefunden.

„Ja, meine Herrschaften, auch Hildesheim war einmal Hansestadt, wie an diesem Brunnen noch unschwer zu erkennen ist. Die Roland-Denkmäler waren und sind ja, soweit in den alten Hansestädten noch vorhanden, das Symbol für die Zugehörigkeit zu diesem alten Städtebund, und sie dokumentieren auch den damaligen Reichtum einer Handelsstadt.

Hildesheim selbst ist ja schon weit über 1000 Jahre alt, erst kürzlich feierten die großen Kirchenbauten, St. Michaelis und der Mariendom, ihre tausendsten Geburtstage!

Betrachten wir jetzt aber zunächst diesen wunderschönen, aus den Trümmern des Krieges wiedererstandenen Marktplatz!“

Adam wendet sich nach links, dem alten Rathaus zu und erzählt von dessen Schicksal vor dem Krieg und auch danach, anschließend gibt es von ihm viele interessante Erklärungen zum Templerhaus, zur Judengasse, zum Knochenhauer Amtshaus und den anderen wieder erschaffenen mittelalterlichen Häusern am Marktplatz.

„Lassen Sie uns jetzt hinübergehen auf den 'Hohen Weg', wichtiger Teil der Fußgängerzone, die Sie ja sicher schon von Ihren Einkäufen kennen.“

Die Gruppe folgt ihm unter munterem Geplauder, die Frauen werfen hin und wieder einen Blick in die Auslagen der Geschäfte.

„Am oberen Ende dieser Einkaufsstraße finden wir ein Denkmal, das mich immer wieder fasziniert: es ist einem Waldgeist, einem Kobold gewidmet, dem sogenannten 'Huckup', von dem es eine Sage gibt, die ich Ihnen zu einer anderen Zeit vielleicht noch erzählen werde. Am Sockel des Denkmals finden Sie einen Spruch in altem Hildesheimer Platt, der auf die Sage Bezug nimmt:

Junge, lat dei Appels stahn,

süs packet deck dei Huckup an /

Dei Huckup is en starken Wicht,

hölt mit dei Stehldeifs bös Gericht.

Der Spruch will uns sagen, dass dem Menschen das schlechte Gewissen wie dieser abstoßende Kobold nach einer unrechten Tat immer im Genick sitzt! Die Frauen und Männer der Gruppe sind erstaunt über diese zwar nicht besonders schöne, aber eindrucksvolle Skulptur ...

Bei der großen Stadtführung, die ja ebenfalls angeboten wird, hätte ich mit Ihnen einen Abstecher zum 'Umgestürzten Zuckerhut', nach St. Michaelis und zum Dom gemacht - aber jetzt, zum Abend hin, scheint mir die Altstadt für Sie doch reizvoller zu sein - Sie werden mir im Nachhinein zustimmen.

Wir gehen jetzt in den erhaltenen oder rekonstruierten Teil des mittelalterlichen Hildesheims, wenn Sie mir bitte folgen wollen …!“

Vorbei an den erleuchteten Schaufenstern der Schuhstraße biegt die Gruppe, der Stadtführer mit Stab und Laterne voran und dabei ständig erklärend oder im Gespräch mit seinen Gästen, rechts ab in die schmale Altpetriestraße hin zum Pelizaeusplatz.

„Gleich links finden wir die Kreuzstraße mit der Kirche 'Heilig Kreuz', eine der insgesamt über 40 Kirchen der Stadt. Die südliche Wand dieser Kirche war ganz früher eines der Stadttore des 'Kern'-Hildesheim, außerhalb lag die Neustadt, eine eigene Stadt. Wir folgen der Kreuzstraße und biegen links ab in den Brühl. Im nördlichen Teil wurden im Krieg hier fast alle Gebäude zerstört, Brandbomben der Alliierten waren die Ursache ...“

Und so geht es weiter mit der informativen, spannend und hin und wieder auch humorvoll dargebotenen Stadtführung.

Der Weg vorbei an den vielen wunderschönen, teilweise aus dem 16. Jahrhundert stammenden alten erhaltenen oder rekonstruierten Fachwerkhäusern begeistert die Gruppe, denn Adam Holdorf weiß über fast alle Gebäude in diesem schönen, alten Teil Hildesheims Vieles zu berichten.

Am Denkmal für die von den braunen Schergen zerstörte Synagoge hält der Stadtführer kurz inne.

„Von hier, meine Damen und Herren“, Adam ergreift wieder das Wort, „von hier sehen Sie ganz wunderbar den Kehrwiederturm, den letzten der erhaltenen Wehrtürme der Stadt, etwa im 14. oder 15. Jahrhundert erbaut. Eine schöne Sage rankt sich um den Turm - von einem adeligen Fräulein, das sich im Wald verirrt hatte und durch das Geläut des Turmes wieder in die Stadt finden konnte.

Wir gehen noch ein paar Schritte durch die schöne Kesslerstraße bis zur Knollenstraße, die linker Hand liegt. Die alten Häuser hier haben den Feuersturm 1945 fast unbeschadet überstanden, wir freuen uns darüber sehr! In der Kesslerstraße waren übrigens, bis auf zwei oder drei Ausnahmen, nur Häuser damals armer Leute zu finden, sogenannte 'Gotische Buden'. Sie war einmal die Straße der Kesselflicker, wie schon der Name sagt“.

Wie schon zuvor, sind die Gäste von den wunderschönen Häusern tief beeindruckt ...

Der Stadtführer nimmt seinen Stab und stößt ihn drei Mal fest und lautstark auf den Boden. Mit einem Lachen in den Augenwinkeln erklingt noch einmal sein kräftiger Bariton:

„Liebe Leute, lasst euch sagen

die Uhr schlägt acht, mir knurrt der Magen!

Hat's euch gefreut, dann bin ich froh

wenn nicht, naja, dann ist's halt so!

Ich wünsche einen guten Abend -

Sei er erquickend und auch labend“.

Beifall kommt von der Besichtigungsgruppe, und ein guter Betrag sammelt sich in dem herumgereichten Hut eines Teilnehmers, der dann Adam überreicht wird.

Bevor sich die Gruppe auflösen kann, ergreift Adam Holdorf noch einmal das Wort – denn auch an diesem Abend, den er turnusgemäß mit dem Liedvers zur Schöpfung begonnen hat (übers Jahr verteilt sind es immer andere biblisch orientierte Texte, die er in seinem Nachtwächterlied verwendet), kann er die meisten der Teilnehmer an der Führung zu einem Besuch in die „Alte Zeiten“ verleiten, denn wer will den Vorschlag dazu ablehnen! Seine charmanten und informativen Ausführungen sind den Menschen wert, mit ihm noch einige Zeit zu verbringen.

„Vielen herzlichen Dank, meine Damen und Herren! Wenn Sie mögen, würde ich Sie gern in der kleinen Gaststätte „Alte Zeiten“ zu einem kleinen Umtrunk einladen!“

Und so geht die ganze Gruppe, der Nachtwächter voran, zu dem kleinen Lokal in der Kesslerstraße, nur drei Teilnehmer mögen nicht mitkommen und gehen ihre eigenen Wege in die Nacht.

Das Lokal in dem kleinen alten Fachwerkhaus ist für Fremde kaum zu finden, und so ist es auch nicht erstaunlich, dass jetzt dort nur wenige Gäste anzutreffen sind.

Die neuen Besucher sind von Stil und Einrichtung des Gastraumes sofort begeistert. Mehrere runde Tische, von bequemen Stühlen umrahmt, stehen ringsum an den Wänden, schöne alte Lampen darüber, die ein warmes Licht ausstrahlen und dem ganzen Raum eine gemütliche Atmosphäre verleihen. Der Tresen an der Stirnseite aus, wie es scheint, altem Eichenholz, ist bewusst schlicht gestaltet; die Spiegelwand dahinter mit den Reihen der Gläser unterschiedlicher Art und diversen Spirituosen reflektiert das warme Licht der Lampen. Grüne Samtvorhänge an den Fenstern verstärken den anheimelnden Gesamteindruck.

Mit einem freundlichen „Bitte nehmen Sie Platz“ lädt Adam seine Gäste ein, und voller Stolz spricht er weiter: „Und hier ist Ihre Wirtin, meine liebe Frau Eva“. Die begrüßt die Damen und Herren und fragt nach den Getränkewünschen.

„Eva, warte bitte noch einen Augenblick,“ wendet er sich an seine Frau, und weiter zu den Gästen: „Mich entschuldigen Sie bitte einen Augenblick, ich will mich umziehen, mein Kostüm ist für einen gemütlichen Abend doch zu unbequem“ - mit diesen Worten geht Adam Holdorf durch eine kleine Tür aus der Gaststube hinaus und ist schon nach ganz kurzer Zeit zurück.

„Die erste Runde geht auf mich, und wenn Sie mögen“, wendet er sich an die Tischrunde, „möchte ich Sie zu einem guten Glas Rotwein aus unserem Keller einladen!“ Zustimmendes Nicken ist die Antwort in der Runde, und Adam verschwindet hinter einem Vorhang, der die Kellertreppe verdeckt. Nach wenigen Minuten kommt er, in jeder Hand eine Flasche Rotwein, wieder in die Gaststube zurück.

„Ein 2009er-Muscadet aus der Kellerei 'Chateaux de Seigneur Pierre', ich hoffe Sie mögen einen guten Roten, wir haben ihn im letzten Jahr in Südfrankreich entdeckt“. Adam erntet erneut ein zustimmendes Nicken in der Runde.

„Man muss ja den Wein zunächst etwas atmen lassen“, entschuldigt er sich dafür, dass er zunächst die Flaschen öffnet und noch nicht die Gläser füllt, die Eva schon auf die Tische gestellt hat.

„Lassen Sie uns die Zeit doch nutzen, uns etwas näher kennenzulernen, gegenseitig von uns etwas zu erfahren! Wir haben ja nun schon ein paar Stunden miteinander verbracht, und keiner weiß etwas vom Anderen!“

In der Runde beginnt erstaunlicherweise sofort und ohne Zögern das Gespräch hin und her über den großen runden Tisch, an dem alle Platz genommen haben, und die Leute plaudern, von viel gegenseitiger Sympathie getragen, munter miteinander.

Adam schenkt nach einiger Zeit den Wein aus, und nach einem herzlichen „Prost!“ oder „Wohlsein!“ fliegen die Worte weiterhin fröhlich hin und her …

Nach wohl ungefähr einer halben oder drei viertel Stunde, es geht so auf neun Uhr zu, kommt dann die Frage in der Runde auf - man hat sich inzwischen auf das persönlichere „Du“ verständigt: “Und wie und wann und wo habt ihr euch eigentlich kennengelernt?“

Eva schenkt noch einmal nach und sieht zu Adam hinüber, der plötzlich sehr nachdenklich erscheint, als wolle er fragen „wollen wir es wirklich erzählen?“

Dann gibt er sich einen innerlichen Ruck. „Nun denn. Wenn ihr es wirklich wissen wollt. Aber es dauert sehr lange, bis wir unsere Geschichte erzählt haben, und wir wissen nicht, ob die Zeit heute dazu ausreichen wird“.

Die Zuhörer sehen sich an: „Ja, die Zeit haben wir!“

Adam blickt nachdenklich in die Runde. „Nun, fangen wir es an!“

2. Kapitel

Der Anfang der Geschichte

E va setzt sich neben ihren Adam und blickt ihn liebevoll an, ihre rechte Hand berührt ganz leicht seine linke.

„Fängst du an?“ „Gut, in Ordnung!“

„Lasst mich mit dem Anfang beginnen, den ich ja eigentlich schon in meinem 'Nachtwächter-Lied' benannt habe, denn, so sagen Thora und Bibel: 'Am Anfang schuf ER den Himmel und die Erde'. Und so war es nach den Überlieferungen der Alten auch: ER schuf den Himmel und die Erde, in modernem Verständnis das Universum mit allen seinen Sternennebeln, Planeten, Fixsternen und so weiter. Wie lange dieser Vorgang gedauert hat, ob Tage oder Jahrmilliarden, ist eigentlich unerheblich. Wirklich wichtig ist, dass ER schuf!

Und aus dieser riesigen Menge von Himmelskörpern wählte ER die Erde als etwas Besonderes aus – im unendlichen Universum sozusagen SEIN Lieblingsobjekt.

Als dann die Welt existierte, das ganz große Werk also abgeschlossen war, ging es mit SEINER Schaffenskraft ununterbrochen weiter: Licht und Dunkel, Sonne, Mond und Sterne, Pflanzen und Tiere. Ihr alle, so glaube ich, kennt die biblische Darstellung der Schöpfungsgeschichte.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist vielleicht, dass nach der jüdischen Zeitrechnung die Erschaffung der Welt vor nunmehr – wir sind heute im Jahre 2017 - 5777 Jahren stattfand. Dieses Datum ist in meinem Bericht, obwohl ihr euch darüber arg verwundern werdet, von großer Bedeutung!“

Erstaunte Blicke gehen hin und her. „Was mag dieses Jahr, das ja noch nicht einmal wissenschaftlich begründet ist, mit unserer Frage nach dem Kennenlernen zu tun haben?“ So gehen wahrscheinlich die Gedanken der Zuhörer.

„Ich weiß, was ihr jetzt denkt“, fährt Adam fort, und Eva nickt zustimmend, „ich weiß es genau. 'Was soll das Jahr bedeuten?' So fragt ihr euch. Ich will es erklären.

Die Jahreszahl an sich sagt ja noch nichts, aber das, was wir mit diesem Jahr verbinden, ihr werdet sehen ...

'Am sechsten Tag schuf ER den Menschen, nach seinem Bilde schuf er ihn'. Auch dieser Text wird euch sicher bekannt sein. Und was ich jetzt gleich sage, werdet ihr erstaunt, verwundert, als überheblich zurückweisen.

ER schuf in eben diesem Jahr, am sechsten Tag, einen Menschen, einen Mann.

ER schuf mich!

ER erschuf mich aus einem Klumpen Lehm, er formte meinen Körper, meine Glieder, meinen Verstand, er blies mir seinen Atem ein. Nach seinem Ebenbild schuf er mich!“

„Das ist ja der Hammer!“ Die junge Tabea kann es nicht fassen, und in der Runde der Zuhörer kommt Unruhe auf. Gesprächsfetzen schwirren durch die Gaststube. „Kann ja nicht!“ „Unmöglich!“ „Bei wem sind wir hier denn gelandet?“ „Bin ich in der Kirche?“ „Spinnt der Mann?“ „Wie kann jemand so etwas behaupten, ist das nicht Blasphemie?“

Adam schenkt noch einmal Wein nach, um die Unruhe zu besänftigen.

„Zum Wohle!“ Sein Trinkspruch verhallt fast ungehört, nur einige wenige heben das Glas mit ihm.

„Ich kann verstehen, dass ich euch jetzt verwirrt habe, und ich verspreche: Ich werde, nein, wir werden euch noch weiter irritieren!“ Und mit einem Lächeln in den Augen fährt Adam fort: „Schließlich wollt ihr unsere Geschichte erfahren!“

Eva ist kurz aufgestanden, hat die Gäste, die nicht zu Adams Begleitern gehörten, verabschiedet und die Tür zum Lokal verschlossen. Dann löscht sie die Lampen, die nicht den großen Tisch und den Tresen erhellen, und nimmt wieder Platz, schenkt sich ebenfalls ein Glas von dem wirklich guten, blutrot schimmernden Wein ein.

„Trotz eurer Verwunderung, eures Erstaunens: ich bitte, dass ihr euch auf unser Erzählen einlasst, es wird sich, so denke ich, lohnen. Wir haben übrigens unsere Geschichte noch nie einer Gruppe von mehr oder weniger fremden Menschen erzählt, nur unsere Familien kennen die ganze Sache.“

Adam legt eine kleine Denkpause ein, dann fährt er fort:

„Als ich erwachte aus meiner 'Nicht-Existenz', nachdem ER mich sozusagen 'zurechtgeknetet' hatte, fand ich mich auf der Erde liegend, nackt, allein, wobei mir mein Nackt-Sein nicht bewusst war – mir war eigentlich überhaupt nichts bewusst!

Rückblickend kann ich sagen, dass ich, gleich nach meiner Erschaffung 'fertig' war, das heißt aus jetziger Sicht: mein Körper war komplett der eines jungen Mannes von etwa achtzehn bis zwanzig Jahren; ich bin damals also nicht von einer Mutter geboren worden – im Gegensatz zu meiner jetzigen Existenz, und bei Eva, wie ihr hören werdet, ist es das Gleiche!

Es war hell und warm, sehr angenehm warm, so meine Empfindung, und es war sehr laut. Aus allen Richtungen drangen Geräusche auf mich ein, schrille und dumpfe, hohe und tiefe Töne, laute und leise. Ein Rascheln neben mir, ein Schrei in der Ferne, dumpfes Brüllen in meiner Nähe – eine Vielfalt, die ich nicht im Einzelnen bestimmen konnte; ich war verwirrt in diesem Geräusche-Konzert.

Ich richtete mich auf, die Hände zunächst noch auf den Boden gestützt, wendete meinen Kopf von links nach rechts und von rechts nach links, sah mich um in alle Richtungen. Meine Augen konnten nicht erfassen, welche Vielfalt, heute weiß ich das natürlich, um mich herum zu sehen war: Bäume, haushoch, und Sträucher, weiche Gräser in grün und blau. Farne. Und Blumen in einer schier unfassbaren Vielfalt, Blumen, soweit das Auge reichte. An den Bäumen Früchte unterschiedlichster Art, groß und klein, rot, gelb, blau – ich konnte all dieses nicht begreifen.

Am wenigsten aber konnte ich mich begreifen – 'Wer bin ich?' habe ich mich gefragt.

ER trat zu mir heran. In diesem Augenblick wusste ich es: Dieser war mein Schöpfer, mein Erschaffer, ohne dass ER es mir irgendwie mitteilen musste.

'Du bist!', sagte ER zu mir, 'du bist, von mir geschaffen!'

Jetzt wollt ihr wissen, wie er aussah, der ER, der zu mir an mein Lager trat? Ich weiß es nicht, und wenn ich es wüsste: ich würde es niemandem sagen!

Also: ER trat zu mir, und die Laute seiner Worte erreichten zwar meine Ohren, aber ich verstand nichts! Das Bewusstsein, dass diese für mich neuen Geräusche Worte waren, die eine Bedeutung hatten, war mir noch fremd!

Nun, im Verlaufe einer Zeit, deren Dauer ich leider nicht benennen kann, lernte ich die Bedeutung dieser Laute, der Worte kennen, und ER konnte zu mir und mit mir reden!

Und ER redete. ER erklärte mir meine Welt, zeigte mir die Tiere und Pflanzen, die Felder, den Wald und den See mit seinen Fischen, die Vögel am Himmel, die mich zuerst sehr erschreckt hatten.

«Du bist ein Mensch, erschaffen, einzigartig. Gib den Tieren und den Pflanzen Namen, damit du später anderen Menschen davon erzählen kannst!»

Ich verstand ihn nicht so ganz. Andere Menschen? Andere als ich? Denen erzählen?

«Tu, was ich dir sage, und es wird dir immer gut ergehen!»

Eines Tages, ich hatte mich gerade auf mein weiches Lager aus Gras gelegt, kam ER wieder zu mir:

«Du wirst jetzt sehr lange schlafen, und wenn du wieder erwachst, gibt es etwas völlig Neues für dich!»

Als ER ausgesprochen hatte, berührte ER meinen Arm, und ich fiel in einen tiefen Schlaf.“

Adam atmet tief durch, er ist vom langen Reden ein wenig erschöpft, nimmt einen Schluck Wein. Die Zuhörer, die seiner Geschichte aufmerksam und fasziniert zugehört haben, sehen ihn an: „Dürfen wir etwas fragen?“

„Aber ja, ich brauche nur eine kleine Unterbrechung, und ich denke, Eva wird gleich weitererzählen.“

Bernd, der alte Herr zur Linken, der mit seinem Krückstock beim Rundgang durch die alten Gassen seine Schwierigkeiten hatte, fasst sich als Erster ein Herz. „Sag, Adam, das ist ja so ziemlich genau das, was im 1. Buch Mose aufgezeichnet wurde. Hast du das wirklich selbst erlebt, berichtest du von einem Traum oder ist das alles nur deiner Fantasie entsprungen?“

„Bernd, ich darf dir, darf euch sagen: genau so hat es sich vor ewiger Zeit zugetragen, und ich selbst war Teil der Geschichte, ich selbst war der Adam aus der Bibel!“

„Unglaublich! Kannst du das denn irgendwie beweisen?“ Ulrike, eine pensionierte Lehrerin aus Potsdam, sieht Adam fragend an.

„Ich denke, am Ende unserer Berichte werdet ihr alle überzeugt sein!“

„Ich muss einfach nach Gott fragen, dafür ist er mir zu wichtig!“ Gertrud, eine gepflegte ältere Dame mit eisgrauen Haaren und sehr wachen Augen sieht ihn etwas verunsichert an, „Kannst du nicht wenigstens irgendetwas zum Aussehen Gottes andeuten, du warst doch sein Gegenüber?“

Adam blickt nachdenklich zu ihr hinüber. „Denk an die Schöpfungsgeschichte, denk an meine Erschaffung, von der ich erzählt habe.“ Mehr will, mehr kann er dazu nicht sagen.

Adam wendet sich Eva zu, ist noch immer von seinem Erzählen etwas erschöpft. „Gut, das morgen Samstag ist! Eva, magst du mir ein Glas Wasser holen?“

Unter den Zuhörern gehen die Gespräche weiter, schon fast in eine lebhafte Diskussion einmündend, zu erstaunlich, ja fantastisch ist alles, was Adam gerade erzählt hat.

„Liebe Freunde, ich darf euch doch so nennen? Liebe Freunde! Eva“, er sieht zu seiner Frau hinüber, die bei der Anrede nickt, weil sie genau weiß, was jetzt kommt, „Eva wird jetzt den nächsten Teil der Erzählung übernehmen, denn jetzt kommt sie ins Spiel.“

Eva setzt sich an Adams statt auf den „Erzähl-Stuhl“, weil sie von diesem Platz aus alle Zuhörer gut sehen kann.

„Darf ich euch noch etwas von dem Wein nachschenken?“ Adam schickt einen fragenden Blick in die Runde und erntet ein vielfaches zustimmendes Nicken „Ja, sehr gern!“

Nach dem Einschenken blickt Eva ihre Gäste nachdenklich an: „Soll ich jetzt beginnen, oder hat noch jemand einen Wunsch?“

„Bitte warte noch einen Augenblick, ich möchte erst noch – na, ihr wisst schon!“ Betty, eine junge Frau mit ganz kurz geschorenen dunklen Haaren, Kunststudentin aus Meinerzhagen, bittet um etwas Geduld.

„Natürlich!“

Sie kommt schon nach kurzer Zeit zurück, und Eva beginnt mit ihrer Geschichte, die nahtlos an die Worte Adams anschließt.

3. Kapitel

Der Garten des Herrn

I