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London, 1817: Als der junge Adlige Kit Fancot, der gerade auf Urlaub vom Wiener Kongress ist, seine Familie mit einem Besuch überrascht, ist er schockiert: Seine extravagante Mutter Lady Denville ist extrem verschuldet. Und sein Bruder, der sich wenige Tage später mit der wohlhabenden Cressida Stavely verloben soll, ist spurlos verschwunden! Es gibt nur eine Möglichkeit, die Familienehre zu retten: Kit muss sich auf der Verlobungsfeier als sein Zwillingsbruder ausgeben ... Wird sich die bezaubernde und kluge Cressida von dem charmanten Doppelgänger täuschen lassen?
"Falsches Spiel" (im Original: "False Colours") ist eine amüsante Verwechslungskomödie um ein Zwillingspaar aus vornehmen Haus. Ein humorvoller Regency-Klassiker von Georgette Heyer.
"Ein beschwingt unterhaltendes Buch." Frankfurter Neue Presse
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert
Dieses eBook enthält eine Leseprobe des Regency-Liebesromans "Ein Haus für die Saison - Tage der Sehnsucht" von Marion Chesney alias M.C. Beaton.
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Seitenzahl: 565
Cover
Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Kapitel XV
Kapitel XVI
Kapitel XVII
Kapitel XVIII
Kapitel XIX
Kapitel XX
Kapitel XXI
Kapitel XXII
LESEPROBE
London, 1817: Als der junge Adlige Kit Fancot, der gerade auf Urlaub vom Wiener Kongress ist, seine Familie mit einem Besuch überrascht, ist er schockiert: Seine extravagante Mutter Lady Denville ist extrem verschuldet. Und sein Bruder, der sich wenige Tage später mit der wohlhabenden Cressida Stavely verloben soll, ist spurlos verschwunden! Es gibt nur eine Möglichkeit, die Familienehre zu retten: Kit muss sich auf der Verlobungsfeier als sein Zwillingsbruder ausgeben ... Wird sich die bezaubernde und kluge Cressida von dem charmanten Doppelgänger täuschen lassen?
Georgette Heyer, geboren am 16. August 1902, schrieb mit siebzehn Jahren ihren ersten Roman, der zwei Jahre später veröffentlicht wurde. Seit dieser Zeit hat sie eine lange Reihe charmant unterhaltender Bücher verfasst, die weit über die Grenzen Englands hinaus Widerhall fanden. Sie starb am 5. Juli 1974 in London.
Georgette Heyer
Falsches Spiel
Aus dem Englischen von Helga Wolff-Itzinger
beHEARTBEAT
Digitale Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Copyright © Georgette Heyer, 1963
Die Originalausgabe FALSE COLOURS erschien 1963 bei William Heinemann.
Copyright der deutschen Erstausgabe:
© Paul Zsolnay Verlag GmbH, Hamburg/Wien, 1964.
Lektorat/Projektmanagement: Kathrin Kummer
Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung von Motiven © Richard Jenkins Photography
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7517-0308-6
www.beHEARTBEAT.de
www.lesejury.de
Für Susie
Es hatte bereits zwei Uhr nachts geschlagen, als die Sänfte in die Hill Street einbog. Der Wächter, der gerade auf seinem Gang um den Berkeley Square war, wünschte monoton eine gute Nacht. Der Vollmond wanderte über den wolkenlosen Himmel, und neben ihm wirkte das Licht der Straßenlaternen trübe, selbst, wie der einsame Reisende festgestellt hatte, in Pall Mall, wo die Öllampen schon durch Gaslaternen ersetzt worden waren. Die Fackelträger und die Kutschen, die aus einem geöffneten und beleuchteten Tor an der Ostseite des Berkeley Square strömten, verrieten, dass nicht alle Vertreter der Gesellschaft London verlassen hatten. Doch ging nun im Juni die Saison zu Ende, und es überraschte den Reisenden nicht, dass die Hill Street menschenleer war. Es hätte ihn auch nicht überrascht, wenn der Klopfer der Tür eines bestimmten Hauses an der Nordseite der Straße abgenommen gewesen wäre. Als die Sänfte jedoch näher kam, überzeugte ihn ein kurzer prüfender Blick davon, dass der Earl of Denville seine Stadtwohnung noch nicht gegen seinen Landsitz eingetauscht hatte. Der Reisende, ein junger Mann, der einen mit Schnüren und Quasten versehenen polnischen Überrock und einen niedrigen Biberhut trug, sprang aus der Sänfte, zog einen vollgepackten Koffer aus der Sänfte heraus und stellte diesen auf dem Gehsteig ab. Er kramte seine Geldtasche hervor und bezahlte die Träger. Dann nahm er sein Gepäck, schritt die Stufen zum Haupteingang hinauf und zog an dem eisernen Glockenstrang.
Als das letzte Echo der Glockenschläge verstummte, war die Sänfte bereits verschwunden, niemand aber hatte auf das Läuten geantwortet. Der Reisende zog noch einmal und stärker an dem Strang. Er hörte die Glocke irgendwo im Erdgeschoss anschlagen, musste aber, nachdem er einige Minuten gewartet hatte, annehmen, dass keiner von Mylords Dienern sie gehört hatte.
Er überlegte kurz. Es war möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass die Bewohner London verlassen hatten, ohne den Klopfer von der Tür zu nehmen und die Fenster zu verschließen. Um sich zu überzeugen, ob die Läden wirklich nicht geschlossen wären, trat er auf den Gehsteig zurück und überblickte das Haus. Er stellte fest, dass nicht nur alle Läden unverschlossen waren, sondern dass sogar ein Fenster zu ebener Erde ein paar Zentimeter weit offen stand. Dieses Fenster gehörte, wie er wusste, zum Esszimmer. Es zu erreichen, war für einen sportlichen und fest entschlossenen jungen Mann keine Schwierigkeit. Er entledigte sich seines Überrockes, hoffte im Stillen, dass kein Wachmann vorbeikommen möge, um seinen Einbruch zu bemerken, und begann dem teilnahmslosen Mond zu zeigen, dass Colonel Dan Mackinnon von den Coldstream Guards einen Rivalen im gefährlichen Klettern hatte.
Dem hochwohlgeborenen Christopher Fancot selbst lagen solche Gedanken fern. Er kannte weder Colonel Mackinnon, noch betrachtete er das Erklimmen des Fensterbrettes als gefährlich oder schwierig. Hatte er es einmal erreicht, so war es eine Kleinigkeit, den unteren Teil des Fensters hochzuklappen und sich in das Zimmer hineinzuschwingen. Kurz darauf stand er in der Halle. Dort fand er auf einem Wandtisch mit Marmorplatte eine schwach brennende Lampe und daneben eine unangezündete Kerze in einem Silberleuchter vor. Mr. Fancot betrachtete diese Dinge mit kundigem Blick und gelangte zu dem Schluss, dass der vornehme Besitzer seinen Dienern aufgetragen hatte, nicht auf ihn zu warten. Seine nächste Entdeckung, nämlich dass die Eingangstür nicht verriegelt war, bestätigte seine Vermutung. Als er die Tür öffnete, um seine Sachen vom Treppenaufgang hereinzuholen, überlegte er mit heimlichem Lachen, dass Seine Lordschaft bei seiner späten Heimkehr sein Bett von einem unerwarteten Besucher besetzt finden und sehr wahrscheinlich denken werde, dass dieser um vieles frecher sei, als er erwartet hätte.
Diese Vorstellung belustigte Mr. Fancot so sehr, dass ein boshaftes Lächeln um seine Mundwinkel zu spielen begann. Er zündete die Kerze an der heruntergebrannten Flamme der Lampe an und begab sich zum Treppenaufgang.
Mit der Kerze in der einen Hand, seinen Koffer in der anderen und dem über die Schulter geworfenen Überrock ging er leise hinauf. Kein Knarren der Stufen verriet ihn. Als er jedoch in den zweiten Stock einbog, öffnete sich ein Stockwerk höher eine Tür, und jemand rief ängstlich: »Evelyn?«
Er sah empor und erblickte im Licht einer von zarter Hand hochgehaltenen Schlafzimmerkerze eine weibliche Gestalt in einer Wolke von Spitzen, die durch blassgrüne Satinbänder zusammengehalten waren. Unter einem Nachthäubchen von bezaubernder Form war es mehreren goldgelben Ringellöckchen gestattet, hervorzuschauen. Der Herr auf der Treppe sagte: »Welch faszinierendes Käppchen, meine Teure!«
Die Angesprochene atmete auf, sagte jedoch lachend: »Du verrückter Junge! Ach, Evelyn, ich bin so froh, dass du gekommen bist, aber was, um Himmels willen, hat dich aufgehalten? Ich stand Todesängste aus!«
In den Augen des Ankömmlings zeigte sich ein spöttischer Schimmer, als er vorwurfsvoll sagte: »Aber, aber, Mama!«
»Du kannst leicht sagen: ›Aber, aber, Mama‹«, antwortete sie. »Aber da du hoch und heilig versprochen hast, nicht einen Tag später zu kommen als ...«, sie unterbrach sich und starrte plötzlich zweifelnd auf ihn hinunter.
Der Kavalier entledigte sich des Koffers, schüttelte den Überrock von der Schulter, nahm seinen Hut ab und eilte die restlichen Stufen mit großen Schritten hinauf. Er sagte noch vorwurfsvoller: »Nein, wahrlich, Mama! Wie kannst du nur eine so instinktlose Mutter sein?«
»Kit!«, stieß die überraschte Mutter mit einem unterdrückten Schrei hervor. »Oh, mein Herzblatt, mein liebster Sohn!«
Mr. Fancot zog seine verwitwete Mutter an die Brust, umarmte sie fest, sagte aber ein wenig lachend: »Welch eine fromme Lüge! Ich bin doch nicht dein liebster Sohn!«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um seine magere Wange zu küssen, und tropfte dabei ein wenig geschmolzenes Wachs auf seinen Mantelärmel. Dann antwortete Lady Denville mit Würde, dass sie nie einen ihrer beiden Zwillingssöhne auch nur im Geringsten bevorzugt habe.
»Natürlich nicht! Wie solltest du auch, wenn du uns nicht einmal auseinanderzuhalten vermagst!«, sagte Mr. Fancot und nahm ihr vorsichtig die Kerze aus der Hand.
»Ich kenne euch sehr wohl auseinander!«, erklärte sie. »Wenn ich dich erwartet hätte, so hätte ich dich sogleich erkannt! Nur dachte ich, du wärest in Wien.«
»Nein, ich bin hier«, sagte Mr. Fancot und lächelte liebevoll auf sie herab. »Stewart gab mir Urlaub. Freust du dich?«
»Aber nicht im Geringsten!«, sagte sie, schob ihre Hand in seine Armbeuge und zog ihn mit sich in ihr Schlafgemach. »Lass dich ansehen, du Böser! Ach, ich kann dich nicht ordentlich sehen! Zünde alle Kerzen an, Lieber, dann können wir es uns gemütlich machen. Welche Summen in diesem Haus für Kerzen ausgegeben werden! Ich hätte es nicht für möglich gehalten, wenn mir Dinting nicht die Kerzenzieherrechnung gezeigt hätte. Ich muss sagen, mir wäre lieber gewesen, sie hätte es nicht getan, denn was, frage ich dich, Kit, hat man davon, wenn man die Ausgaben für Kerzen kennt? Man muss sie ja haben, und nicht einmal dein Vater hat von mir verlangt, Talgkerzen zu kaufen.«
»Ich glaube, man könnte weniger anzünden«, bemerkte Kit und hielt den Kerzenanzünder an ein gutes halbes Dutzend Kerzen, die in zwei Kerzenständern auf dem Toilettentisch standen.
»Nein, nein, nichts ist schrecklicher als ein schlecht erleuchteter Raum. Zünde die auf dem Kaminsims an, mein Lieber! Ja, so ist es viel besser! Nun komm her und erzähle mir, was du erlebt hast.«
Sie war zu einem eleganten Sofa hingeschlendert und klopfte es einladend zurecht, Kit jedoch folgte nicht sogleich der Aufforderung. Er stand da und musterte das Zimmer, das nun hell erleuchtet war.
»Ja, wie sieht es denn hier aus, Mama? Du pflegtest doch in einem Rosengarten zu leben, und nun könnte man meinen, sich auf dem Meeresgrund zu befinden«, rief er aus.
Da sie genau diesen Eindruck zu erwecken gehofft hatte, als sie mit unheimlichem Kostenaufwand das Zimmer in verschiedenen Grünschattierungen neu ausstatten ließ, sagte sie zustimmend: »Genau! Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich diese gewöhnlichen Rosen so lange aushalten konnte, besonders da mir der arme Mr. Brummell vor Jahren sagte, dass ich eine der wenigen Frauen sei, der Grün besser als jede andere Farbe stünde.«
»Das ist wahr«, stimmte er zu, und sein Blick heftete sich auf das Bett. Sofort bildeten sich kleine Lachfalten in seinen Augenwinkeln, als er sah, dass die Vorhänge aus Gaze waren. »Sehr verwegen und unschicklich dazu!«
Sie gab ein bezauberndes Lachen von sich. »Unsinn! Findest du das Zimmer schön?«
Er setzte sich neben sie, führte ihre Hand an seine Lippen und drückte einen Kuss auf ihre Hand. »Ja, wie du selbst: schön und verrückt!«
»Wie du!«, gab sie zurück.
Er ließ ihre Hand fahren; seine Empörung war nicht unverständlich. »Großer Gott! Nein, Mama!«
»Nun, verrückt zumindest«, berichtigte sie, dachte jedoch bei sich, dass es unmöglich wäre, zwei hübschere Männer zu finden als ihre beiden Zwillingssöhne.
Die feine Welt, der sie angehörten, hätte etwas gemäßigter gesagt, dass die Fancot-Zwillinge ein gut aussehendes Paar wären, aber keineswegs so hübsch wie ihr Vater. Keiner hatte die klassische Regelmäßigkeit seiner Züge geerbt. Sie sahen ihrer Mutter ähnlich. Und obgleich sie eine anerkannte Schönheit war, so waren sich objektive Betrachter darin einig, dass ihre Lieblichkeit nicht so sehr in einer Vollkommenheit der Gesichtszüge lag, als in ihrem lebhaften Charme. Dieser, so behaupteten ihre älteren Bewunderer, war dem der ersten Frau des fünften Herzogs von Devonshire vergleichbar. Es gab noch weitere Ähnlichkeiten zwischen ihr und der Herzogin: Sie betete ihre Kinder an, und sie war von unbekümmerter Extravaganz.
Was Kit Fancot betraf, so war er mit seinen vierundzwanzig Jahren ein gut gewachsener junger Mann, um eine Spur größer als der Durchschnitt, mit breiten Schultern und ausgezeichneten Beinen für die herrschende Mode der hautengen Hosen. Er war dunkler als seine Mutter; seine schimmernden Locken neigten mehr zum Kastanienbraun als zum Gold. Und um seinen Mund lag eine Entschiedenheit, die ihr fehlte. Seine Augen ähnelten den ihren allerdings sehr: lebhaft, in der Farbe zwischen Blau und Grau schwankend und meist zum Lachen bereit. Auch hatte er ein gewinnendes Lächeln. Und dies in Verbindung mit seiner natürlichen Art machte ihn allgemein beliebt. Er ähnelte seinem Bruder wie ein Ei dem anderen, und nur diejenigen, die beide sehr gut kannten, konnten sie auseinanderhalten.
Der Unterschied zwischen den beiden lag nicht auf der Hand, man konnte ihn nur bemerken, wenn sie nebeneinander standen. Dann sah man, dass Kit um eine Spur größer war als Evelyn, und dass Evelyns Haar ein wenig dunkler in seinem Gold war als das Kits. Kits Augen waren die freundlicheren, Evelyns die intelligenteren. Jeder der beiden war eher zum Lachen als zu Trübsal aufgelegt, aber Kit konnte aus Gründen, die Evelyn verborgen blieben, ein ernstes Gesicht machen, und Evelyn wieder konnte in einer Weise vor Übermut bersten, die Kits gleichmäßigerem Gemüt fremd war. Als Kinder stritten sie in freundschaftlichem Einvernehmen, waren aber ein Herz und eine Seele, sobald ein Dritter sich einmischte. Während ihrer späteren Kindheit war es stets Evelyn gewesen, der die tollsten Streiche ersann, und Kit, der die Rettung vor den Folgen bewerkstelligte. Als sie erwachsen wurden, trennten sie die Umstände lange Zeit, aber weder physische Trennung noch geistige Differenzen schwächten die Bindung zwischen ihnen. Sie waren keineswegs traurig, wenn sie getrennt waren, denn jeder hatte seine eigenen Interessen, wenn sie sich aber nach Monaten wiedersahen, war es, als wäre kaum eine Woche seit ihrer letzten Begegnung verstrichen.
Seitdem sie Oxford verlassen hatten, sahen sie sich selten. Es war die Tradition des Hauses, dass der jüngere Sohn eine politische Laufbahn einschlug, und Kit trat unter dem Patronat seines Onkels, Henry Fancot, der eben für seine Leistungen als Diplomat mit dem Titel eines Barons ausgezeichnet worden war, in den diplomatischen Dienst ein. Er wurde zuerst nach Konstantinopel gesandt. Da aber seine Berufung als zweiter Sekretär mit einer ruhigen Periode in der Geschichte der Türkei zusammenfiel, wünschte er bald, er hätte seinen Vater überredet, ihm lieber eine Auswahl von Malfarben zu kaufen, und er überlegte sogar mit dem Optimismus eines noch nicht Volljährigen, ob es nicht doch möglich wäre, Seine Lordschaft davon zu überzeugen, dass er sich in der Berufswahl geirrt hätte. In Europa ging es währenddessen lebhaft zu, und es schien für einen begeisterten jungen Mann, der sich bereits dem Dienst fürs Vaterland verschrieben hatte, unerträglich, ins Hinterland verschlagen zu sein. Da der verstorbene Graf ein unnachgiebiger Vater gewesen war, konnte Kit von Glück sprechen, nach Petersburg versetzt worden zu sein, ehe ihn die Eintönigkeit seiner ersten Stellung aufbegehren ließ. War es der Onkel, dem er es verdankte, dass er den diplomatischen Dienst aufgenommen hatte, so verhalf ihm der Vater zu seinem zweiten Schritt. Lord Denville war vielleicht starrköpfig, aber Kit aufrichtig zugetan und keineswegs gefühllos. Er erfreute sich keiner sehr robusten Gesundheit und nahm mehrere Jahre hindurch wenig teil am politischen Geschehen. Dennoch hatte er einige gute Freunde im Ministerium. Er veranlasste, dass Kit Ende 1813 General Lord Cathcarts Stab zugeteilt wurde, und von nun an hatte Kit weder die Zeit noch das Bedürfnis, sich über Langeweile zu beklagen. Cathcart war nicht nur der Botschafter beim Zaren, sondern auch britischer Beobachter bei dessen Armeen. In seinem Gefolge bekam Kit viel von der erfolgreichen Kampagne von 1814 zu sehen. Cathcart selbst brachte Kit kein besonderes Interesse entgegen, und er hätte ihm nie mehr Aufmerksamkeit geschenkt als jedem anderen seiner Untergebenen, hätte nicht sein Sohn sofort Freundschaft mit Kit geschlossen. George Cathcart, ein sehr jugendlicher Leutnant, der im sechsten Garde-Dragoner-Regiment als seines Vaters Adjutant fungierte, verbrachte den Großteil seiner Dienstzeit damit, den verschiedenen britischen Angestellten, die mit der russischen Armee in Verbindung standen, Nachrichten zu übermitteln, aber wann immer er zu jenem Gebäude zurückkehrte, das er gern Hauptquartier nannte, suchte er mit größter Selbstverständlichkeit sofort seinen einzigen Altersgenossen unter den Botschaftsangehörigen auf. So geriet Kit zwangsläufig in den Gesichtskreis des Lords und bald fand er dessen Gunst. Cathcart sah in Kit einen liebenswerten Jungen von gutem Verstand und unbeschwertem Benehmen. Er entsprach genau jener Art des wohlerzogenen, jungen Mannes, der einem überarbeiteten, ältlichen Diplomaten, der notgedrungen ein gesellschaftliches Leben in großem Stil führte, unersetzlich war. Kit war taktvoll und ansprechend und hatte trotz seiner gewinnenden Freundlichkeit ein feines Empfinden für Dinge, die geheim zu halten waren. Als der Lord nach Wien reiste, um dort dem Kongress beizuwohnen, nahm er Kit mit. Und dort war Kit dann auch geblieben. Lord Castlereagh, der Kit seines Onkels wegen ein wenig Beachtung schenkte, stellte ihn dem neu ernannten Botschafter vor, und Lord Stewart fand Gefallen an ihm. Was Kit über Stewart, der von den Spöttern im Kongress »Lord Pumpernickel« genannt wurde, dachte, behielt er für sich. Obgleich er traurig war, Cathcart verlassen zu müssen, so freute er sich andererseits, nun, da der Krieg zu Ende war, nicht nach Petersburg zurückgeschickt zu werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich auch schon von der Eifersucht auf George Cathcarts seltenes Glück erholt. Dieser war nämlich früh genug unter Wellingtons Leute berufen worden, um die Ereignisse bei Waterloo mitzuerleben. Auch war Kit mittlerweile mit der Friedenspolitik so beschäftigt, dass ihm St. Petersburg vom Zentrum internationalen Geschehens beinahe ebenso weit entfernt erschien wie Konstantinopel.
Kit hatte Evelyn in den letzten beiden Jahren zweimal im Ausland getroffen, war aber nur ein einziges Mal, beim Begräbnis seines Vaters, in England gewesen.
Lord Denville war im Frühjahr 1816 plötzlich gestorben. Seither waren ungefähr fünfzehn Monate verstrichen, in denen Lady Denville ihren jüngeren Sohn nicht gesehen hatte. Erst fand sie, er hätte sich überhaupt nicht verändert, und sagte ihm das auch. Doch dann nahm sie diese Meinung zurück: »Nein, Unsinn! Du siehst älter aus, natürlich. Ich erinnere mich, wie du ausgesehen hast, oder aussehen wolltest. Da auch Evelyn älter geworden ist, habe ich mich daran gewöhnt. Du siehst ihm ja immer noch genauso ähnlich wie früher. Aber jetzt, mein Lieber, musst du mir unbedingt erzählen, was dich so plötzlich herführt. Hast du eine Botschaft nach London zu bringen? Überbringst du überhaupt Botschaften wie Kuriere?«
»Nein, leider nicht!«, antwortete er ernst. »Diese Aufgabe obliegt den königlichen Kurieren. Ich bin hier in dringenden privaten Angelegenheiten.«
»Gütiger Himmel, Kit! Ich wusste nicht, dass du dergleichen hast. Oh, du willst mich foppen! Also warum?«
»Aber mich riefen tatsächlich dringende private Angelegenheiten zurück! Das musst du doch wissen, Mama«, protestierte er. »Ich bin ein Mann von Format geworden, wenn du willst: ein wohlhabender Beau!«
»Ich würde dich nie als etwas derart Gewöhnliches bezeichnen! Außerdem ist es nicht wahr.«
»Wie kannst du das sagen, wenn mein Patenonkel so nett war, mir sein Vermögen zu hinterlassen«, sagte er vorwurfsvoll.
»Willst du darauf hinaus? Aber es ist doch kein Vermögen, Kit. Ich wollte, es wäre eines! Ich muss gestehen, ich erwartete das sogar. Von Mr. Bembridge wurde immer behauptet, dass er sehr wohlhabend sei, nun aber zeigt es sich, dass er das nicht war, sondern lediglich das besaß, was Adlestrop, das abscheuliche Wesen, ein Auskommen nennt. Armer Mann. Sicher konnte er nichts dafür, darum darfst du ihm auch nicht die Schuld geben.«
»Das tue ich auch nicht. Es ist ein ziemlich üppiges Auskommen, Mama!«
»Ein Auskommen«, stellte Lady Denville mit Überzeugung fest, »kann man nicht üppig nennen! Du sprichst wie Adlestrop, und ich wünsche das nicht.«
Kit wusste genau, dass der Finanzberater der Familie nie ein Liebling seiner Mutter gewesen war, aber diese verbitterten Anspielungen verlangten nach Erklärung. »Was hat dir Adlestrop getan, dass du dich beleidigt fühlst, Mama?«, fragte er.
»Adlestrop ist ein ... Oh, reden wir nicht über ihn – so ein Geizhals und so boshaft! Ich weiß nicht, warum ich ihn erwähnte. Es sei denn, weil er mir nach Mr. Bembridges Tod sagte, es bestünde kein Grund für dich, nach Hause zu kommen. Du könntest keine Besitztümer erben, und es gäbe auch sonst nichts, was deine persönliche Anwesenheit erforderte, nichts, bis auf dieses abscheuliche Kapital, was immer das auch sein soll. Ich bitte dich, erklär's mir nicht. Du könntest ebenso gut Kauderwelsch reden. Ich weiß genau, dass es ›heilig‹ und unantastbar ist. Ich für meinen Teil würde nie Geld in so etwas Dummes stecken.«
»Natürlich nicht«, stimmte Kit zu, »es bliebe nie lange genug in deiner Tasche, um in irgendetwas investiert zu werden.«
Sie dachte ein wenig darüber nach, seufzte dann und sagte: »Das ist leider wahr! Was für ein niederschmetternder Gedanke! Ich habe mich oft bemüht, mir das Sparen anzugewöhnen, aber es scheint, dass ich keine Hand dafür habe. Das ist bei allen Cliffes so! Und das Furchtbare daran ist, Kit, dass das Sparen ja doch nur zu Verschwendung führt.«
Er lachte laut auf. Sie aber sagte, obgleich ihre Augen innere Zustimmung verrieten: »Ja, wirklich. Ich kaufte einmal einen billigen Schlafrock, weil Vater eine Rechnung Célestes kritisierte. Aber dieser Schlafrock war dann so entsetzlich, dass ich ihn Rimpton geben musste, ohne ihn auch nur einmal getragen zu haben. Und als ich einmal ein billiges Abendessen angeordnet hatte, stand Papa vom Tisch auf und ging geradewegs zum Clarendon, in eines der teuersten Londoner Hotels. Ja, lach du nur! Du hast keine Erfahrung mit solchen Dingen. Ich versichere dir, dass ein in die Praxis umgesetzter Sparsinn weitaus größere Ausgaben verursacht, als du sie jemals hattest, ehe du diesen vernichtenden Weg eingeschlagen hast.«
»Nein, wirklich? Vielleicht wäre es am besten, wenn ich die Wertpapiere sofort verkaufe und den Erlös verschwende!«
»Unsinn! Ich weiß genau, dass du nicht deshalb heimgekommen bist. Was hat dich also heimgeführt, Lieber? Mein Gefühl sagt mir, dass es nicht diese Erbschaftsangelegenheiten waren. Versuche also nicht, mir Rätsel aufzugeben.«
»Nun, ich kam nicht ausschließlich wegen des Erbes«, gab er zu. Er zögerte, errötete, als er ihrem fragenden Blick begegnete, und fuhr fort: »Um die Wahrheit zu sagen, verfolgte mich plötzlich die Ahnung – zu dumm, wirklich, aber ich konnte sie nicht mehr loswerden –, dass Evelyn in irgendwelchen Schwierigkeiten steckt oder vielleicht auch nur in einer Verlegenheit, und dass er mich braucht. So nahm ich meine Erbschaftsangelegenheit zum Vorwand, mir Urlaub zu erbitten. Und nun kannst du mich einen Tagträumer nennen. Ich wäre dir dankbar dafür!«
Stattdessen sagte sie, gleichermaßen betroffen wie bewundernd: »Fühlt ihr beide euch noch immer so stark verbunden? Als ob die eigenen Sorgen nicht genug wären!«
»Aha, dann war es also doch keine Einbildung von mir! Was gibt es, Mama?«
»Oh, nichts, Kit. Das heißt ... nun, nichts, das du ändern könntest, und schon gar nichts, wenn Evelyn morgen zurückkommt.«
»Zurückkommt? Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht, gestand Lady Denville. »Niemand weiß es.«
Er blickte sie erschrocken und gleichzeitig ungläubig an. Dann erinnerte er sich daran, dass ihre Stimme ungewöhnlich erleichtert geklungen hatte, als sie ihn irrtümlich für Evelyn gehalten hatte. Sie war keine ängstliche Mutter. Als er und Evelyn als Knaben manchmal die Schule geschwänzt hatten, war ihre heitere Gelassenheit davon niemals getrübt worden. Und als sie später abends nicht nach Hause kamen, hatte sie immer angenommen, sie hätte vergessen, dass sie ihr gesagt hatten, sie solle ein bis zwei Tage nicht nach ihnen suchen, und hatte nicht überlegt, welches Unglück ihnen zugestoßen sein könnte. Er sagte, indem er seine Aufregung zu beherrschen suchte: »Ausgekniffen, nicht wahr? Weshalb stürzt dich das in Sorgen, Mama? Du kennst Evelyn doch!«
»Ja, gewiss. Ich hätte unter anderen Umständen gar nicht bemerkt, dass er fort ist, aber er versicherte, als er London verließ, innerhalb von acht Tagen zurück zu sein. Nun ist er aber bereits zehn Tage fort.«
»Ist das alles?«
»Du verstehst mich nicht, Kit! Alles hängt von seiner Rückkehr ab. Er soll morgen in der Mount Street zu Abend essen, um der alten Lady Stavely vorgestellt zu werden. Sie ist eigens aus Berkshire hergekommen, um ihn kennenzulernen. Wenn er nicht auftaucht, gibt es eine Katastrophe! Wir sind dann am Ende unserer Kunst, denn sie ist widerlich förmlich, weißt du, und so viel ich Stavelys Worten entnommen habe, ist sie schon jetzt alles andere als begeistert.«
»Wovon ist sie nicht begeistert?«, unterbrach Kit ganz verwirrt. »Wer ist sie, und warum, zum Teufel, will sie Evelyns Bekanntschaft machen?«
»Ach, mein Lieber, hat dir Evelyn nichts geschrieben? Ach nein, sicher konnte dich in der kurzen Zeitspanne ein Brief noch gar nicht erreichen. Es ist so: Evelyn hat Miss Stavely, der Enkelin Lady Stavelys, einen Antrag gemacht, und obgleich Vater Stavely davon ganz erbaut und Cressy selbst keineswegs abgeneigt war, hängt alles von der alten Lady Stavely ab. Du musst wissen, dass Stavely völlig von seiner Mutter eingeschüchtert ist und sein Einverständnis sofort widerrufen würde, wenn seine Mutter auch nur die Brauen darüber runzelte. Er fürchtet nämlich, dass sie ihr Vermögen seinem Bruder vermachen könnte, wenn er sie verletzt. Ich muss sagen, Kit, ich bin fast dankbar, kein Vermögen zu hinterlassen. Wie könnte ich es ertragen, meine Söhne durch den bloßen Gedanken an mich in Aufregung zu versetzen!«
Er lächelte ein wenig. »Ich glaube nicht, dass dies der Fall wäre. Aber zu dieser Verabredung: Wie kommt es, dass Evelyn mir auch nie die geringste Andeutung seiner Heiratsabsichten machte? Ich kann mich nicht erinnern, dass er Miss Stavely in einem seiner Briefe erwähnte. Auch du hast nie von ihr berichtet, Mama! Es muss sehr plötzlich gekommen sein, nicht wahr? Ich könnte schwören, dass Evelyn nicht an eine Heirat dachte, als ich zuletzt von ihm hörte, und das liegt lediglich einen Monat zurück. Ist Miss Stavely sehr schön? War es eine Liebe auf den ersten Blick?«
»Nein, nein! Das heißt, ich will sagen, er kennt sie schon seit Langem. Zumindest seit drei Jahren.«
»Und er hat ihr erst jetzt den Antrag gemacht? Das sieht ihm nicht ähnlich. Ich kenne ihn als einen, der sich stets Hals über Kopf verliebt. Du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass er drei Jahre lang an diesem Mädchen interessiert war! Das kannst du mir doch nicht weismachen, meine Liebe. Dazu kenne ich ihn zu gut.«
»Nein, natürlich nicht. Du verstehst es nicht, Kit. Dieses Mädchen ist nicht eine seiner ... seiner Amouren!« Sie bemerkte das Lachen in seinen Augen, versuchte, selbst ernst zu bleiben, und versagte jämmerlich. In ihren Augen tanzte eine sündhafte Heiterkeit, aber sie sagte mit einem, wenngleich mäßigen, Anstrich von Ernst: »Er ist solchen Dummheiten entwachsen.«
»Wirklich?«, fragte Mr. Fancot höflich.
»Ja, jedenfalls beabsichtigt er, seinen Lebensstil zu ändern. Und da er nun das Familienoberhaupt darstellt, ist die Frage der Nachfolge zu berücksichtigen, weißt du.«
»Ach, so ist das«, sagte Mr. Fancot betroffen. »Was bin ich doch für ein Esel! Natürlich würde ich sofort seinen Platz einnehmen, falls ihn der Tod hinwegraffen sollte. Und natürlich setzt er alle Hebel in Bewegung, um mich nicht in den Genuss seines Erbes kommen zu lassen. Ich möchte wissen, warum ich darauf nicht schon früher gekommen bin?«
»Ach, Kit, musst du ein solches Ekel sein? Du weißt sehr gut ...«
»Schon recht, Mama«, sagte er, als sie zu stottern begann und dann stecken blieb, »wie wäre es, wenn du mir jetzt die Wahrheit sagen würdest?«
Eine Weile war es still, dann begegneten ihre Blicke einander, und es entrang sich ihr ein tiefer Seufzer. »Daran ist dein Onkel Henry schuld«, offenbarte sie, »und dein Vater!« Sie hielt inne und sagte dann traurig: »Und ich. Wie ich es auch zu drehen und wenden versuche, kann ich das nicht leugnen, Kit! Freilich dachte ich, beim Tod deines Vaters könnte ich einige meiner Schulden einlösen. Aber damals wusste ich noch nicht, wie das mit dem Besitz ist, der einem als Witwe zusteht. Hast du gewusst, mein Lieber, dass das nichts anderes ist als Betrug? Nein, natürlich nicht. Aber es ist so! Und die Gläubiger«, fügte sie mit Nachdruck hinzu, »die wissen es. Umso verständlicher ist es doch, dass sie es sich, nun, da ich Witwe bin, in den Kopf setzen, mich auf noch weitaus lästigere Art mit Mahnungen zu plagen, als sie es zu Lebzeiten deines Vaters jemals taten. Es erscheint mir das alles wahrlich dumm und außerdem sehr gefühllos!«
Er hatte, seit er erwachsen war, nur wenige Jahre zu Hause verbracht; dennoch überraschte ihn dieses Geständnis nicht. Solange er sich zurückerinnern konnte, war es in seinem Heim durch finanzielle Schwierigkeiten seiner armen Mutter zu Unannehmlichkeiten gekommen. Es hatte zum Leidwesen Lady Denvilles immer wieder peinliche Intermezzi gegeben, die schließlich zu Kälte, Entfremdung und einer schrecklichen Geheimniskrämerei führten.
Der Graf war zwar ein Mann von aufrechten Grundsätzen, aber kein warmherziger Mensch gewesen. Sein Verstand war weder lebhaft noch anpassungsfähig. Er war um fünfzehn Jahre älter als seine Frau und gehörte dem Alter wie auch dem Temperament nach einer Generation mit starren Umgangsformen an. Nur ein einziges Mal hatte er seinem Gefühl gestattet, den Sieg über den Verstand davonzutragen, nämlich als er sich dem Charme der liebreizenden Lady Amabel Cliffe gebeugt hatte, die eben erst dem Schulzimmer entwachsen und der Schwarm unzähliger Verehrer war, und um ihre Hand angehalten hatte. Ihr Vater, der Graf von Baverstock, war der Besitzer abgewirtschafteter Güter und einer zahlreichen Nachkommenschaft gewesen und hatte den Antrag dankbar angenommen. Aber genau die gleichen Eigenschaften, die Denville an dem Mädchen entzückt hatten, verbitterten ihn an seiner Frau, und er machte es sich zur Aufgabe, ihr diese Eigenschaften abzugewöhnen. Seine Bemühungen blieben erfolglos und führten lediglich dazu, dass Lady Denville unter der ständigen Angst litt, sein Missfallen zu erregen. Sie blieb dasselbe liebevolle, unverantwortliche Wesen, in das er sich verliebt hatte, aber sie verschwendete ihre Liebe an ihre Zwillingssöhne und bemühte sich, die Folgen ihrer Unvorsichtigkeiten vor ihrem Gemahl geheim zu halten.
Die Zwillinge beteten sie an, und da es ihnen nicht gelang, hinter ihres Vaters starrer Förmlichkeit seine wirkliche, wenngleich mäßige Zuneigung zu entdecken, wurden sie schon in frühen Jahren zu Muttersöhnchen. Sie spielte mit ihnen, lachte und weinte mit ihnen, vergab ihnen ihre Sünden und bemitleidete sie in ihren Verlegenheiten. Sie konnten an ihr keinen Fehler finden und waren stets bemüht, sie vor der Zensur ihres schrecklichen Ehemanns zu schützen.
Mr. Fancot war deshalb weder überrascht noch erschrocken darüber, dass sich seine Mutter in Schulden gestürzt hatte. Er erkundigte sich nur: »Hast du dir die Finger verbrannt, meine Teure? Nun, wie steht es denn?«
»Ich weiß es nicht, Liebling. Wie soll man sich denn alles merken, was man sich seit Jahren und Jahren ausgeborgt hat?«
Dies allerdings erschreckte ihn ein wenig. »Seit Jahren und Jahren? Aber, Mama, hat nicht mein Vater, als du ihm die Verlegenheit, in der du dich befandest, gestehen musstest – vor drei Jahren war das, nicht wahr? –, nach der Gesamtsumme deiner Schulden gefragt und versprochen, sie einzulösen?«
»Ja, das hat er tatsächlich versprochen«, antwortete sie, »aber ich habe es ihm nicht gesagt. Nun, ich habe den Umfang einfach nicht gekannt, aber ich habe nicht versucht, mich herauszureden. Ich gebe zu, ich hätte es auch dann nicht gesagt, wenn ich es gewusst hätte. Ich kann dir das nicht erklären, Kit. Und wenn du sagen willst, dass ich unrecht gehandelt habe und feige war, sage es nicht, denn das ist mir verzweifelt klar. Nur als Adlestrop alles aufschrieb, sagte ich ...«
»Was?«, rief Kit aus. »Heißt das, dass er dabei war?«
»Ja, ja! Nun, dein Vater schenkte ihm volles Vertrauen, und immer ist er es gewesen, wie du weißt, der alles verwaltete, so ...«
»Ganz gut für einen, der so viel Wert auf Diskretion legt!«, unterbrach er sie mit funkelnden Augen. »Seinen Finanzberater einer solchen Besprechung beiwohnen zu lassen!«
»Ich gebe zu, es wäre mir lieber gewesen, er hätte dieser Unterredung nicht beigewohnt, aber es musste wohl sein, weil Adlestrop genau weiß, welche Ausgaben dem Besitz zugemutet werden dürfen und ...«
»Adlestrop ist auf seine Weise ein sehr fähiger Mann, und ich bezweifle nicht, dass ihm unsere Interessen am Herzen liegen, aber er ist in Geldfragen ein rechter Blutsauger, und das hätte mein Vater bedenken müssen! Wann immer eine Münze unplanmäßig ausgegeben wurde, benahm er sich, als müssten wir alle im Schuldturm enden.«
»Ja, das sagt auch Evelyn«, pflichtete sie ihm bei. »Vielleicht hätte ich deinem Vater alles beichten können, wenn Adlestrop nicht danebengesessen wäre – das heißt, wenn ich gewusst hätte, wie viel es ausmachte. Wahrscheinlich – ich hatte die Absicht, mich ihm völlig anzuvertrauen. Aber was für Fehler ich auch immer haben mag, eine Heuchlerin bin ich nicht, Kit. Darum werde ich nicht versuchen, dich zu täuschen. Ich glaube nicht, dass ich mit deinem Vater offen zu reden imstande gewesen wäre. Nun, du weißt ja, wie er war, wann immer er sich über jemanden erboste, nicht wahr? Aber hätte ich gewusst, dass meine Verlegenheiten auf Evelyn fallen würden, so hätte ich meinen ganzen Mut zusammennehmen und ihm alles gestehen müssen.«
»Wenn du das Ausmaß deiner Verpflichtungen gekannt hättest!«, konnte er nicht unterdrücken einzuwerfen.
»Ja, oder wenn ich mich dazu hätte aufraffen können, meine Schwierigkeiten Adlestrop zu überantworten.«
»Um Gottes willen, nein! Das Ganze hätte eine Sache zwischen dir und Vater bleiben sollen. Aber lass dich nicht von Selbstvorwürfen quälen, weil deine Angelegenheiten Evelyn zugefallen sind. Er muss ja schon immer darin verwickelt gewesen sein, nicht wahr, und es machte ihm wohl nichts aus, ob mein Vater die Schulden einlöste oder diese Aufgabe ihm überließ.«
»Du irrst!«, widersprach sie. »Das ist ihm keineswegs einerlei. Evelyn kann sie nämlich nicht einlösen!«
»Unsinn!«, meinte er. »Er versteht seine Geldbörse nicht besser geschlossen zu halten als du, aber versuche nicht, mir einzureden, dass es ihm in kaum mehr als einem Jahr gelungen wäre, sein Erbe zu verprassen. Das wäre wohl zu arg!«
»Natürlich nicht! Er hat gar nicht die Befugnis dazu. Ich möchte nicht sagen, dass er es sonst getan hätte, denn für wie flatterhaft er auch von seinem Vater eingeschätzt wurde, solche Absichten hat er nicht. Und ich muss sagen, Kit, ich betrachte es als äußerst ungerecht von deinem Vater, dass er alles in diesem unguten Zustand hinterlassen hat, nur weil, wie er Onkel Henry sagte, Evelyn genauso unverlässlich sei wie ich. Er erfuhr nämlich nie etwas von den beiden ärgsten Klemmen, in denen sich Evelyn befand, denn du hast ihn ja aus seiner Verbindung mit dieser entsetzlich habgierigen Person befreit, die ihn in ihren Krallen hielt, als ihr beide aus Oxford zurückgekommen seid, und wie du das fertigbrachtest, Kit, habe ich schon lange wissen wollen! Und ich war es, die seine Schulden beglich, als er in eine der Spielhöllen von Pall Mall hineingeriet und noch viel zu jung war, um zu wissen, was er tat! Ich verkaufte mein Brillantcollier, und dein Vater erfuhr nichts. Also, warum er dann deinem Onkel sagte, dass ...«
»Was hast du getan?« Kit war zum ersten Mal im Verlauf dieses Gesprächs aufrichtig erschüttert über seine angebetete Mutter.
Sie lächelte ihm überlegen zu: »Ich ließ natürlich eine Kopie anfertigen! Ich bin nicht so dumm, nicht daran zu denken. Das schaut genauso gut aus, und was kümmerten mich Brillanten, wenn einer meiner Söhne auf dem Trockenen saß?«
»Aber es war doch ein Erbstück!«
»Ich halte nicht viel von Erbstücken«, sagte Lady Denville rundweg. »Wenn du mir erklären willst, dass es Evelyn gehörte, so weiß ich das natürlich, aber ich bitte dich, wozu war es gut, wenn das, was er wirklich brauchte, das arme Herzblatt, Geld für die Bezahlung seiner Spielschulden war. Ich habe es ihm später erzählt, und ich versichere dir, er erhob nicht den geringsten Einwand.«
»Gewiss, doch was hält sein Sohn davon?«, fragte Kit.
»Mein Lieber, du bist zu albern! Wie sollte der protestieren, wenn er nie etwas davon erfahren wird?«
»Hast du ... hast du auch andere Erbstücke veräußert?«, wollte er wissen. Er betrachtete sie erschreckt und doch auch leicht belustigt.
»Nein, ich denke nicht. Aber du weißt, was für ein erbärmliches Gedächtnis ich habe! Jedenfalls wäre es unwesentlich, denn was geschehen ist, ist geschehen. Auch habe ich Wichtigeres im Kopf als eine Menge scheußlicher Familienkleinodien. Liebling, ich flehe dich an, höre auf, frivol zu sein.«
»Ich wollte nicht frivol sein«, sagte er ergeben.
»Nun, dann stell mir keine lächerlichen Fragen über Erbstücke und rede keinen Unsinn, dass es für Evelyn ebenso leicht sei, meine Schulden zu zahlen, wie es das für deinen Papa gewesen wäre. Du musst doch auch dieses gehässige Testament gelesen haben! Der arme Evelyn hat genauso wenig Zutritt zu diesem Vermögen wie du. Die alleinige Verfügungsgewalt liegt bei deinem Onkel.«
Er runzelte die Stirn ein wenig: »Ich entsinne mich, dass mein Vater eine Art Trust ins Leben gerufen hat, der sich jedoch nicht auf das Einkommen aus dem Besitz erstreckte. Mein Onkel hat weder die Macht, ihm diese Einkünfte vorzuenthalten, noch über Evelyns Ausgaben Rechenschaft zu verlangen. Soweit ich mich erinnere, wurde Evelyn verboten, vor seinem dreißigsten Lebensjahr über irgendeinen Teil seines Kapitals ohne die Zustimmung meines Onkels zu verfügen. Es sei denn, mein Onkel würde schon vor diesem Zeitpunkte finden, dass er seine Flatterhaftigkeit – friss mich nicht, Mama! – überwunden hätte, dann könnte der Trust aufgelöst und Evelyn in den unumschränkten Besitz seines Erbes gesetzt werden. Ich weiß, dass mein Vater nicht unbedingt dreißig als das gegebene Alter hätte festlegen müssen. Fünfundzwanzig wäre weitaus vernünftiger und keineswegs ungewöhnlich gewesen. Evelyn war natürlich verärgert – wer wäre das nicht –, aber es machte ihm schließlich nicht viel aus. Du hast selbst gesagt, dass er keine Absicht hat, sein Vermögen zu verprassen. Du weißt, Mama, das Einkommen ist ziemlich beachtlich! Und mehr noch: Mein Onkel sagte Evelyn damals, er sei bereit, den Verkauf gewisser Wertpapiere zu gestatten, um sämtliche hohen Schulden Evelyns, besonders die nach Vaters Tod entstandenen, zu bezahlen, da er es nicht für richtig hielt, das Einkommen möglicherweise so lange auf Taschengeldhöhe zu reduzieren, bis alle Schulden bezahlt wären.«
»Ja«, stimmte sie zu, »das sagte er tatsächlich, und ich war darüber sehr erstaunt, denn für gewöhnlich ist er verschlossen wie eine Muschel, Kit!«
»Das nicht, aber er hat einen sehr engen Horizont. Die Sache ist die, Mama, er wollte nicht, dass Evelyn die Stelle meines Vaters mit einer Schuldenlast antritt. Und wenn du ihm bloß von der Klemme berichtet hättest, in der du dich befunden hast, möchte ich fast behaupten, dass er deine Schulden zusammen mit dem Rest beglichen hätte.«
Sie starrte ihn ungläubig an. »Henry? Du musst wohl verrückt sein, Kit! Wenn ich daran denke, wie wenig Gnade ich stets vor seinen Augen fand und wie er Evelyn abkanzelte, dessen Schulden im Vergleich zu meinen ein Nichts waren – nein, nein! Ich würde bei Weitem lieber meinem Leben ein Ende setzen, als mich seiner Barmherzigkeit auszuliefern! Er hätte mir die erniedrigendsten Bedingungen gestellt, mich wahrscheinlich dazu verurteilt, den Rest meines Lebens in diesem schrecklichen Dower-House in Ravenhurst zu verbringen, oder sich noch Entsetzlicheres ausgedacht!«
Er schwieg eine Weile. Da er wusste, dass Henry, Lord Brumby, seine charmante Schwägerin für unverbesserlich hielt, konnte er nicht umhin, zuzugeben, dass ihre Befürchtungen ein Körnchen Wahrheit enthielten. Seine Stirnfalten verstärkten sich, und plötzlich sagte er: »Warum, zum Teufel, hat Evelyn es ihm nicht gesagt? Er hätte meinen Onkel um so vieles besser behandeln können als du!«
»Glaubst du?«, fragte sie zweifelnd. »Er hat es nie getan. Außerdem hat er über meine Lage nie Bescheid gewusst, denn ich habe nie daran gedacht, ihn darüber zu unterrichten. Nun, wie konnte ich auch wissen, dass fast jeder Mensch, dem ich Geld schulde, mich plötzlich zu drängen beginnen würde, und manche noch dazu in der gröbsten Manier. Ich wollte doch Evelyn nicht auch noch mit meinen Schwierigkeiten belasten, wenn er bei Henry wegen seiner eigenen Schulden bereits schlecht angeschrieben war. Ich hoffe, du kennst mich gut genug, um mir kein derart selbstsüchtiges Verhalten zuzutrauen!«
Ein trockenes Lächeln kräuselte seine Lippen: »Ich beginne dich zu kennen, Mama. Bitte, würdest du mir erklären, wie du die Dinge in Ordnung zu bringen gedacht hattest, ohne Evelyn ins Vertrauen zu ziehen?«
»Nun, damals wusste ich nicht, dass ich keinen anderen Ausweg hatte«, erklärte sie. »Ich meine, ich habe nie ein Wort darüber fallen lassen, außer hier und da und in einer beiläufigen Art, wenn es unumgänglich nötig war. Du kannst dir daher vorstellen, welch ein Schock es für mich war, als Mr. Child sich entschieden weigerte – wenngleich mit größter Höflichkeit –, mir dreitausend Pfund zu leihen, die meine augenblicklichen Schwierigkeiten beseitigt hätten. Er bat mich sogar, das Konto um keine Guinea mehr zu überziehen, gerade so, als hätte ich die Zinsen nicht gezahlt, was ich aber, darauf hast du mein Wort, getan habe.«
Mr. Fancot unterbrach sie, ziemlich durcheinandergebracht: »Aber wieso ist die Rede von Mr. Child, Mama? Mein Vater hatte doch nie ein Konto bei seiner Bank!«
»Nein, nein, aber mein Vater und dein Onkel Baverstock natürlich, nun, da Großpapa tot ist. Daher kenne ich Mr. Child seit jeher. Er ist ein großartiger Mann, Kit, und war immer so freundlich zu mir! – Und dadurch habe ich ein Konto bei ihm!«
Mr. Fancot wagte es, während sich ihm das Haar leicht zu sträuben begann, die Art des Kontos seiner Mama bei Mr. Child genauer zu erkunden. Soweit er es ihrer Erklärung entnehmen konnte, bestand diese Bankverbindung einzig in einem umfangreichen Darlehen, das ihr der offensichtlich törichte Mr. Child gewährt hatte. Als er ihr mit wachsender Bestürzung zuhörte, veränderte sich etwas in seinem Ausdruck, sodass sie ihre Hand auf seinen Arm legte und flehentlich sagte: »Sicher weißt du, wie es ist, wenn man – wie nennt es Evelyn – oh: im Korb sitzt! Ich nehme an, der Ausdruck ist dem Hahnenkampf entlehnt; wie abscheulich und gewöhnlich! Kit, hast du denn keine Schulden?«
Er schüttelte den Kopf. In seinen Augen war ein bedauernder Schimmer: »Leider nein!«
»Gar keine?«, rief sie aus.
»Nun, keine, die ich nicht einlösen könnte! Ich mag da und dort eine Kleinigkeit schulden, aber – ach, schau mich nicht so an, ich versichere dir, ich bin kein Wechselbalg, meine Teure!«
»Wie kannst du so töricht reden? Es erscheint mir nur so außergewöhnlich, aber ich nehme an, du hattest keine Gelegenheit, in Schulden zu geraten, da du ja im Ausland lebst«, sagte sie entschuldigend.
Er schnappte nach Luft, stammelte mühsam: »G-ganz richtig, Mama!«, und brach in hemmungsloses Gelächter aus, wobei er den Kopf in die Hände sinken ließ und die Finger in den nussbraunen Locken verkrampfte.
Sie schien nicht im Geringsten beleidigt, sondern kicherte beifällig und sagte: »Nun bist du wieder der Alte! Weißt du, dass du für einen Augenblick – einen winzigen Augenblick – aussahst wie dein Vater? Du kannst dir nicht vorstellen, wie mich das erschreckte.«
Er hob seinen Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ach nein, wirklich? War es sehr schlimm? Ich werde mich bemühen, dies von nun an zu vermeiden! Aber sage mir eines: Als dir Mr. Child keinen Kredit mehr geben wollte, hast du nicht wenigstens dann Evelyn etwas gesagt?«
»Nein, obgleich ich hin und her überlegte, ob ich nicht dazu verpflichtet wäre, bis mir plötzlich eines Nachts einfiel, dass ich Edgbaston um ein Darlehen bitten könnte. Ist das nicht sonderbar, mein Guter, wie oft die Lösung eines Problems blitzartig in der Nacht auftaucht?«
»Du wandtest dich an Lord Edgbaston?«, stieß er hervor.
»Ja, und er war bereit, mir fünftausend Pfund zu borgen, verzinsbar, natürlich! Und so hatte ich wieder Kapital. Oh Kit, schau nicht so finster! Denkst du, dass ich eher Bonamy Ripple hätte bitten sollen? Das konnte ich nicht, verstehst du, denn er war nach Paris gefahren, und die Sache war ein wenig dringend.«
Soweit sich Kit zurückerinnern konnte, war dieser ältliche und ungemein reiche Dandy gleich einem zahmen Huhn im Haus herumgelaufen. Er selbst und Evelyn hatten ihn stets als Zielscheibe ihres Spottes betrachtet, während sein Vater ihm mit Gleichgültigkeit begegnete. Er war einer der vielen Bewerber Lady Denvilles gewesen, und als sie Lord Denville heiratete, wurde er ihr ergebenster Bewunderer. Man munkelte allgemein, er wäre ihr zuliebe Junggeselle geblieben, aber da seine Figur nichts mehr ähnelte als einer überreifen Birne und sein Gesicht lediglich durch einen Ausdruck nichtssagender Liebenswürdigkeit sowie Schnupftabakflecken auf seinen fetten Wangen gekennzeichnet war, konnten nicht einmal die emsigsten Klatschmäuler etwas anderes an seiner Ergebenheit finden als Stoff für Spöttelei. Die Zwillinge waren an sein häufiges Erscheinen in der Hill Street gewohnt und akzeptierten ihn mit der gleichen Großmut, die sie auch einem überfütterten, gnadenhalber von ihrer Mutter aufgenommenen Schoßhund gegenüber empfunden hätten. Obgleich Kit bei einer Andeutung von einem etwaigen Seitensprung mit Sir Bonamy in schallendes Gelächter ausgebrochen wäre, so lag es ihm doch fern, die Bitte seiner Mutter um Hilfe in ihren finanziellen Schwierigkeiten begrüßenswert zu finden, und er sagte dies auch.
»Du meine Güte, Kit! Als ob ich dies nicht schon oft getan hätte!«, rief sie aus. »Es ist bei Weitem die bequemste Lösung, denn er ist so reich, dass es ihm gleichgültig ist, wie viele meiner Schuldverschreibungen er hat. Außerdem forderte er nie die Zinsen der Darlehen, die er mir gewährt. Und was die Mahnung zur Rückzahlung betrifft, bin ich überzeugt, dass ihm dieser Gedanke noch nie gekommen ist. Er mag albern sein und mit jedem Tag dicker werden, aber ich habe mich daran gewöhnt, mich in all den Jahren und auf alle möglichen Weisen auf ihn zu verlassen. Er war es zum Beispiel, der die Juwelen für mich verkaufte und sie kopieren ließ, außerdem ...« Sie hielt plötzlich inne und fuhr dann fort: »Ach, ich wollte, ich hätte ihn nie erwähnt! Ich muss jetzt wieder an all das denken! Das war der Grund, warum Evelyn fortging!«
»Ripple?«, fragte Kit, völlig verwirrt.
»Nein, Lord Silverdale«, antwortete sie.
»Um Gottes willen, Mama!«, mahnte er. »Wovon sprichst du eigentlich? Was, zum Teufel, hat Silverdale hier mitzureden?«
»Er hat eine Brosche von mir«, sagte sie, plötzlich zutiefst niedergeschlagen. »Ich gab sie zum Pfand, als er meinem Versprechen keinen Glauben schenken und nicht weiterspielen wollte. Mein Gefühl sagte mir nämlich, dass sich das Blatt unmittelbar zu meinen Gunsten wenden würde, und so hätte es in der Tat sein können, wenn Silverdale bloß weitergespielt hätte. Nicht, dass es mir etwas ausmachte, die Brosche zu verlieren. Ich habe sie nie gemocht und verstehe nicht, warum ich sie gekauft habe. Wahrscheinlich muss sie mir gefallen haben, aber ich weiß nicht mehr, warum.«
»Ist Evelyn weggefahren, um sie zurückzukaufen?«, unterbrach er. »Wo ist Silverdale?«
»In Brighton. Evelyn sagte, die Brosche müsste so rasch wie möglich zurückgekauft werden. So machte er sich auf den Weg. Wenigstens fuhr er selbst in seinem Phaeton mit dem neuen Grauschimmelgespann. Und er sagte, er wolle erst nach Ravenhurst fahren, was er auch tatsächlich tat.«
»Augenblick, Mama!«, schaltete sich Kit ein, während sich seine Stirn abermals umwölkte. »Warum hat es Evelyn für notwendig erachtet, nach Brighton zu fahren? Natürlich war er verpflichtet, deine Brosche zurückzukaufen – Silverdale muss das von ihm auch erwartet haben –, aber ich hätte gedacht, ein Brief an Silverdale mit einem dem Preis der Brosche entsprechenden Scheck auf seine Bank hätte dazu vollauf genügt.«
Lady Denville blickte ihn mit großen, kummervollen Augen an: »Schon richtig, aber du verstehst nicht ganz, mein Lieber. Ich weiß nicht, wie ich so dumm sein konnte, aber als ich die Brosche zum Pfand gab, hatte ich ganz vergessen, dass sie eines jener Schmuckstücke war, die ich hatte kopieren lassen. Was mich betrifft, so finde ich, dass es Silverdale ganz recht geschah, weil er so komisch und ungefällig war, als es darum ging, meinen Worten Glauben zu schenken. Aber Evelyn meinte, es sei äußerst wichtig, diese Unglücksbrosche zurückzuholen, bevor Silverdale entdecken konnte, dass sie nur eine Kopie ist.«
Mr. Fancot seufzte tief und hörbar: »Ich kann mir wohl denken, dass er das sagte.«
»Aber Kit«, sagte Lady Denville mit ernster Miene, »diese Fahrt ist ein solcher Leichtsinn, wie ich ihn mir nicht einmal im Traume einfallen ließe! Ich habe den Schmuck mit fünfhundert Pfund bewertet, was dem Preis des Originals entsprach. Die Kopie ist nicht ein Zehntel wert. Es erscheint mir als eine unverantwortliche Verschwendung von Evelyn, eine solche Summe für diesen Trödelkram zu vergeuden.«
Mr. Fancot spielte einen Augenblick mit dem Gedanken, seiner unberechenbaren Mutter klarzumachen, dass ihre Auffassung, um es milde auszudrücken, unkorrekt war. Aber nur einen Moment lang überlegte er. Als intelligenter, junger Mann erfasste er gleich, dass er mit jeglichem Versuch dieser Art nur seinen Atem vergeuden würde. So sagte er, sobald er seiner Stimme wieder so weit mächtig war, um sprechen zu können: »Nun ja, nimm es dir nicht zu Herzen. – Wann hat sich Evelyn zu dieser Besorgung aufgemacht?«
»Mein Teurer! Du hast wohl nicht aufmerksam zugehört! Ich sagte es dir doch! Vor zehn Tagen!«
»Nun, es kann ihn wohl keine zehn Tage gekostet haben, dies zu erledigen, wenn Silverdale in Brighton gewesen wäre. Es scheint, dass dies nicht der Fall war. Wahrscheinlich erfuhr Evelyn, wohin er abgereist ist, und entschloss sich, ihm zu folgen.«
Sie strahlte: »Ach, meinst du, dass es das ist? Ich bin ein Opfer schrecklichster Vorahnungen gewesen. Aber wenn sich Silverdale auf sein Gut nach Yorkshire begeben hat, kann Evelyn selbstverständlich noch nicht zurückgekehrt sein.« Sie hielt inne, überdachte die Sache und schüttelte dann den Kopf. »Nein, Evelyn ist nicht nach Yorkshire gefahren. Er verbrachte eine Nacht in Ravenhurst, ganz wie er es vorhatte, und fuhr dann nach Brighton. Das weiß ich, denn sein Diener begleitete ihn. Aber ob er Silverdale antraf, das kann ich nicht sagen, weil das Challow natürlich nicht weiß. Er kehrte am selben Tag nach Ravenhurst zurück und verbrachte auch die Nacht dort. Das habe ich so erwartet. In der Tat, ich hätte sogar gedacht, er würde mehrere Tage dortbleiben, denn er sagte mir, dass er sich zu Hause um manches zu kümmern hätte und von London vielleicht acht Tage abwesend sein werde. Aber er verließ Ravenhurst am nächsten Morgen und unter den merkwürdigsten Umständen.«
»Inwiefern merkwürdig, Mama?«
»Er nahm nur seinen Übernachtungskoffer mit und schickte Challow mit dem Rest seiner Habe mit der Bemerkung nach London zurück, dass er sie nicht mehr brauche.«
»Aha«, sagte Kit. Seine Stimme klang nachdenklich, doch nicht erstaunt. »Teilte er Challow mit, wohin er abreiste?«
»Nein, und das ist ein weiterer besorgniserregender Umstand.«
»Das sollte dich nicht bekümmern«, sagte er, und seine Augen blitzten vergnügt auf: »Schickte er auch seinen Kammerdiener nach London zurück? Ich nehme an, dass Fimber noch bei ihm ist.«
»Nein, und das ist wieder etwas, das mich in Unruhe versetzt! Er wollte Fimber nicht nach Sussex mitnehmen. Er sagte, obgleich Fimber sich sträubte, es wäre kein Platz für ihn im Phaeton, womit er natürlich recht hat. Ich muss zugeben, mir wäre sehr wohl daran gelegen, dass er Platz für ihn gefunden hätte, weil ich weiß, dass ihn Fimber vor allem Bösen bewahren würde. Challow ist auch sehr gut, aber nicht so standhaft. Jedenfalls ist es immer die größte Beruhigung, die beiden in seiner Gesellschaft zu wissen, wenn er auf eine seiner Fahrten geht.«
»Sicher ist das eine Beruhigung, Mama«, sagte er ernst.
»Aber das ist es eben«, betonte sie, »keiner ist bei ihm! Kit, das ist nicht zum Lachen! Ich bin überzeugt, dass ihm ein Unglück zugestoßen ist oder dass er sich in einer schrecklichen Klemme befindet! Wie kannst du da lachen?«
»Ich könnte nicht lachen, wenn ich glaubte, dass das wahr wäre. Lass deine Niedergeschlagenheit endlich fallen, Mama! Nie hätte ich geglaubt, dass du so eine Närrin bist! Was glaubst du wohl, könnte Evelyn zugestoßen sein?«
»Du glaubst nicht, dass er Silverdale angetroffen und mit ihm gestritten hat und ... an diesem Tag deshalb allein weggefahren ist, weil er ihn treffen wollte?«
»Mit einem Übernachtungskoffer anstelle eines Sekundanten? Um Himmels willen, nein! Du hast dich umsonst aufgeregt, meine Teure! Soweit ich Evelyn kenne, ist er wegen einer privaten Affäre weggefahren, von der du nichts wissen sollst. Du würdest aber davon wissen, hätte er Fimber oder Challow mitgenommen, und das weiß auch er. Sie mögen für dich eine Beruhigung sein, ihm aber sind sie oft verdammt lästig. Was einen Unfall betrifft ... Unsinn! Davon wärest du verständigt worden. Verlass dich darauf. Er wäre nicht losgefahren, um Silverdale zu besuchen, ohne sein Visitenkartenetui!«
»Richtig, sehr richtig!«, stimmte sie zu. »Daran habe ich nicht gedacht!« Ihre Stimmung hob sich ein wenig, doch nur, um gleich wieder abzusinken. Ihre schönen Augen wurden trübe, und sie sagte: »Aber zu solch einem Zeitpunkt, Kit! Wenn so vieles von seinem morgigen Erscheinen in der Mount Street abhängt! Nein, da kann er nicht auf eines seiner Abenteuer ausgezogen sein!«
»Nein?«, fragte Kit. »Ich bin nicht sicher. Erzähle mir doch ein wenig mehr über diese Verlobung, Mama. Du hast gesagt, er hätte keine Zeit mehr gehabt, mir selbst darüber zu berichten. Das ist wohl zu viel behauptet. Mag sein, dass es seine Zeit nicht mehr erlaubte, mir brieflich mitzuteilen, dass er im Begriff stand, um die Hand des Mädchens anzuhalten, aber er hat im letzten Brief nicht einmal ihren Namen erwähnt, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, in Kürze zu heiraten. Und das, weißt du, sähe Evelyn so wenig gleich, dass ich, hätte mir jemand anderer als du die Neuigkeit überbracht, geglaubt hätte, es handle sich um ein Märchen. Nun, mir fällt nur zweierlei ein, was Evelyn veranlasst haben könnte, mir sein Vertrauen vorzuenthalten.« Er hielt inne und blinzelte. »Nämlich, wenn er in einer Klemme wäre, aus der ich ihn nicht befreien könnte, oder wenn er gezwungen wäre, etwas zu tun, was ihm widerstrebt –«
»Oh nein, nein, nein!«, rief Lady Denville außer sich. »Es widerstrebt ihm nicht, und er wurde auch nicht gezwungen! Er besprach die Sache mit mir in äußerst vernünftiger Weise, indem er sagte, dass er nun, da er sich entschlossen habe zu heiraten, glaube, es wäre ihm am angenehmsten, einen Kontrakt in altmodischer Weise einzugehen, ohne Gefühlsüberschwang auf jeglicher Seite. Und ich muss sagen, Kit, ich glaube, er hat recht, denn eine der Frauen, in die er sich für gewöhnlich verliebt, zu heiraten, ist nicht möglich, ja, es ist geradezu unmöglich. Außerdem hat er einen so starken Hang, sich zu verlieben, der arme Junge, dass es wohl das Beste ist, für ihn eine Heirat mit einem vernünftigen und wohlerzogenen Mädchen zu arrangieren, dem nicht, sooft es entdeckt, dass er eine chère amie hat, das Herz bricht, und das solche Affären nicht überbewertet.«
»Das Beste!«, rief er aus. »Gerade für Evelyn! Ich verstehe: Solange sie genügend gleichgültig und wohlerzogen ist, kann nichts anderes von Bedeutung sein, sie mag sommersprossig sein, schielen ...«
»Im Gegenteil! Es ist doch selbstverständlich, dass ihr Äußeres Evelyn in keiner Weise abstößt, und auch dass beide bereit sind, einander gernzuhaben.«
Er sprang auf und rief: »Um Himmels willen!« Mit blitzenden – wohl aber nicht vor Lachen blitzenden – Augen blickte er auf sie herab: »Du bist eine solche Ehe eingegangen, Mama! Willst du, dass Evelyn das Gleiche tut, ja?«
Sie antwortete eine Weile nicht, und als sie zu sprechen begann, war sie ein wenig gehemmt: »Ich bin nicht eine solche Ehe eingegangen, Kit. Dein Vater hat sich in mich verliebt. Die Fancots sagten, er wäre verrückt, aber nichts konnte ihn von seinem Entschluss, mich zu heiraten, abbringen. Und ich – nun, ich war siebzehn, und er sah so hübsch aus, genau wie die Helden, von denen Schulmädchen träumen! – Aber die Fancots hatten recht: Wir passten keineswegs zueinander.«
Er sagte in einem anderen Tonfall: »Das habe ich nicht gewusst. Ich bitte dich um Entschuldigung, Mama! Ich hätte nicht so zu dir sprechen sollen. Aber du hast mir nicht die Wahrheit gesagt. All die Worte über Evelyns Entschluss, zu heiraten, klangen, als ob er vierunddreißig statt vierundzwanzig wäre ... Gerede!«
»Ich habe dir die Wahrheit gesagt!«, erklärte sie entrüstet. Sie sah die Ungläubigkeit in seinem Gesicht und schränkte ihre Behauptung ein: »Nun, einen Teil der Wahrheit jedenfalls.«
Er konnte ein Lächeln nicht verbergen. »Sag mir die ganze Wahrheit! Eben hast du noch behauptet, es wäre die Schuld meines Onkels und auch deine, doch in welcher denkbaren Weise könnte einer von euch Evelyn zu einer Vernunftehe nötigen? Evelyn hängt mit seinem Lebensunterhalt nicht von meinem Onkel ab und ist ihm auch mit nichts verantwortlich, sei es, was immer er vorhat. Die einzige Gewalt, die mein Onkel besitzt, besteht darin, ihm gegebenenfalls zu verbieten, etwas von seinem Kapital aufzubrauchen.«
»Und das ist genau das, was er tun will. Ich bin nicht sicher, dass es sein ausgesprochener Wunsch ist, aber es wäre für ihn eine große Erleichterung, könnte er alle Ärgernisse und Sorgen ob meiner Schulden los sein.«
»Deine Schulden? ... Ist Miss Stavely eine Erbin? Und ist Evelyn verrückt genug, um zu glauben, er könne über ihr Vermögen nach Belieben verfügen? Das ist nicht möglich!«
»Nein, er würde auch nicht daran denken, so etwas zu tun, wenn es möglich wäre. Er beabsichtigt, meine Schulden mittels seines eigenen Vermögens zu liquidieren. Er sagte – und du hast es auch gesagt, Kit –, dass dies zwar Papa hätte tun sollen und dass es nun nicht anders ist, als hätte er es getan. Und er sagte auch, er wäre entschlossen, den Onkel nichts davon wissen zu lassen. So ging er zu ihm, um ihn zu überreden, den Trust aufzulösen. Dabei wies er auf sein Alter hin und darauf, dass es ihm sehr unangenehm sei, wie ein Schuljunge behandelt zu werden, womit er ja auch recht hat, Kit!«
»Ja, ich weiß es. Was hatte mein Onkel dazu zu sagen?«
»Nun, zu Evelyn hat er nicht viel gesagt, nur dass er froh wäre, wenn er den Trust loswerden könnte und ihn gern auflösen wolle, sobald Evelyn seine Sturm- und Drangzeit überwunden hätte. Aber nachher kam er zu mir, und obgleich er sehr förmlich war, muss ich, um ihm gerecht zu werden, sagen, dass er die Sache lange nicht mit jener Zurückhaltung besprach, die ich bei ihm so entmutigend finde. Er äußerte sich auch sehr freundlich über Evelyn. Er hätte viele gute Eigenschaften, sagte er, und, obgleich er zu sorglos in den Tag hineinlebe und ungebärdig sei, so sei er doch nicht ausschweifend und bewege sich nicht in schlechter Gesellschaft, wie dies, so sagte Henry, in einem bestimmten Kreis junger Männer Mode geworden sei. Dann meinte er, er wäre froh, Evelyn mit einer charaktervollen Frau verheiratet zu wissen, da er zu der Erkenntnis gekommen sei, dass eine Heirat für ihn das Richtige wäre, ihn gesetzter und verantwortungsbewusster machen würde, wenngleich nicht, so fürchte er, zu einem solchen Musterknaben, wie du es bist.«
»Sehr liebenswürdig von ihm! Was kann in ihn gefahren sein, dass er so etwas Närrisches sagte? Hast du ihn zurechtgewiesen?«
Sie lachte und sagte: »Nein, ich war eher geneigt, ihn zu umarmen, weil er dich so sehr schätzt. Außerdem weiß ich, dass es wahr ist. Ach, ich meine nicht, dass du so ein Tugendschäfchen bist, du brauchst mich nicht so anzusehen, so ... so ...«
»Wie ein geschlachtetes Kalb!«, schlug ihr undankbarer Sprössling vor.
»Grässliches Wesen! Ich wollte, ebenso wie dein Onkel, nichts anderes sagen, als dass du verlässlicher bist als Evelyn. Das warst du schon immer. Ich bitte dich, höre nun auf zu spaßen. Das hier ist eine ernste Sache!« Sie sah zu ihm auf und lächelte gequält. »Ich weiß, dass ich leichtlebig bin, Kit, aber nicht, wenn es um das Wohlergehen meines Sohnes geht, das kannst du mir glauben. Ich würde jedes Opfer bringen ... wirklich! Ich habe mir schon überlegt, ob ich dieses Zimmer nicht wieder ändern sollte. Vielleicht blau, rosa oder senffarben ausmalen lassen, ganz gleichgültig, wie alltäglich es dann auch aussehen würde. Man sagt, dass Grün eine Unglücksfarbe ist, weißt du, und es ist nicht zu leugnen, dass mein Glück in den letzten Monaten ausblieb, was dem armen Evelyn keinesfalls zugutekommt. Ich dachte, wenn ich nur ein Vermögen gewinnen könnte, dann wären alle seine Sorgen beseitigt. Ja, so wäre es, aber das Glück ist mir selten hold. Und das gibt mir zu denken: Man hört immer wieder von Leuten, die ihr Vermögen im Spiel verloren haben, aber nie von jemandem, der ein Vermögen gewonnen hätte. Das kommt mir seltsam vor. Wohin kommen alle die verlorenen Vermögen?«
»In deine Tasche nicht, meine Teure ... das ist sicher! Darum flehe ich dich an, ändere das Zimmer nicht! Das würde gewiss ein Vermögen kosten.«
»Ja, aber ich würde keinen Penny davon bereuen!«, sagte sie ernsthaft und fügte mit einer gewissen Härte hinzu: »Und ich habe keine Ahnung, warum du deshalb so aufbraust!«
»Nichts für ungut, Mama!«, sagte er unsicher. »Nur bringe keine ... Opfer für Evelyn! Ich bin überzeugt, er würde sie nicht würdigen, wie es sich gebührte.«