Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Zwischen Dreikönig und Aschermittwoch, in einer Ausnahme sogar bis drei Wochen vor Ostern, verwandelt die schwäbisch-alemannische Fasnet beschauliche Orte in umtriebige Narrennester, in denen althergebrachte Fasnacht gelebt wird. Vom Hänselejuck in Überlingen bis zur Tschättermusik in Laufenburg, vom Ehrsamen Narrengericht zu Grosselfingen bis zum Rammla in Oberndorf, vom Letzkopf-raus! in Meßkirch bis zum Urhexensprung in Bräunlingen: Erleben Sie ursprüngliche Fasnet in 88 Hochburgen und Narrennestern: schwäbisch-alemannisch-närrisch!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 146
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Edi Graf
Fasnet
Schwäbisch-Alemannische Zünfte und Hochburgen
Die hier nicht gelisteten Bilder stammen vom Autor. Weitere: Martin Schnell 68; Birgitt Ressel 70; Stefan Asal 166.
Alle Seitenangaben in diesem Buch beziehen sich auf die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.
Besuchen Sie uns im Internet:
www.gmeiner-verlag.de
© 2019 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75/20 95-0
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2019
Lektorat/Redaktion: Isabell Michelberger
Herstellung: Julia Franze
Umschlaggestaltung: Benjamin Arnold
unter Verwendung der Fotos von: © Edi Graf
E-Book: Mirjam Hecht
Kartendesign: ©Maps4News.com/HERE
Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten
Printed in Germany
ISBN 978-3-8392-6046-3
Impressum
»’s goht dagega!« …
Karte
1 Eine freudenreiche Fasnet
Narrenzunft Oberndorf am Neckar
2 Mit einer Alten Fasnet »nei da Flegga«
Narrenzunft Empfingen
3 In Raudaburg isch Fasnetszeit
Narrenzunft Rottenburg
4 Maschgera gau em Flecka
Butzenzunft Kiebingen
5 Äscha-Deida - Hexenorakel an Lichtmess
Narrenzunft Bühl
6 Lebendige Flegga-Fasnet
Narrenzunft Wurmlinger Knöpfle
7 Kübelesrennen, Schnurren und Geizig
Kübelesmarkt Bad Cannstatt
8 Butzenspringen ab Lichtmess
Butzenzunft Hirrlingen
9 Gebräutelt wird nur all Schaltjahr
Narrenzunft Haigerloch
10 Narrenspiel im Venezianischen Reich
Das Ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen
11 Bärentreiben und Mondstupfen
Narrenzunft Dotternhausen
12 Buntes Bild beim Bolanes
Narrenzunft Schömberg
13 Rußeln am Schmotzigen
Narrenzunft Schörzingen
14 Ma goht ge hexa auf dem Heuberg
Hexenzunft Obernheim
15 Wo der wilde Geselle gebändigt wird
Narrenzunft Wehingen
16 Straohbär und Schellnarr auf dr Gass
Narrenzunft Wilflingen
17 Faszination einer historischen Fasnet
Narrenzunft Rottweil
18 Das närrische Reich des Hölzlekönigs
Narrenzunft Schwenningen
19 Ganze Pracht einer traditionellen Fasnet
Historische Narrozunft Villingen
20 Liedlesingen mit Hansel und Gretle
Narrenzunft Frohsinn 1854 Donaueschingen
21 Schnarchende Eulen auf der Entenburg
Schnuferzunft Pfohren
22 Baptischtli schaut im Häs aus dem »Fenster«
Narrenzunft Hüfingen
23 Feurige Akrobatik beim Sprung der Urhexe
Narrenzunft Eintracht Bräunlingen
24 Fasnachtsspiel und Ritt des Narrenrats
Pflumeschlucker Bonndorf
25 Hansele und Gretele Arm in Arm
Narrenzunft Strumpfkugler Immendingen
26 Schemenrichter und Scherbelgruppen
Narrenzunft Möhringen
27 Wenn die Hexenpuppe Feuer fängt
Funkenhexen Spaichingen
28 Alte Bräuche an der jungen Donau
Narrenzunft Fridingen
29 Auf der Stange um den Marktbrunnen
Narrenzunft Vetter Guser Sigmaringen
30 Brunnenkult in der Hausfasnet
Bräutelzunft Scheer
31 Hausfasnet mit Ditzelede
Mengener Narrenzunft
32 ’s geit a Fasnet mit Weckazwinger
Narrenzunft Herbertingen
33 Gole-Raus am Glompigen
Narrenzunft Gole 1865 Riedlingen
34 Nasskalte Tradition in Wuselingen
Trommgesellenzunft Munderkingen
35 Die Narrenschar des Vater Federsee
Narrenzunft Moorochs Bad Buchau
36 Kuhhausens Nachtumzug
Karnevalsgesellschaft Narrenzunft Ochsenhausen
37 Am Glompiga geht’s da Bach nab
Narrenzunft Zeller Schwarze Katz Eberhardzell
38 Heischebrauch und Fasnetstradition
Dorauszunft Saulgau 1355
39 Hexensprünge und Hausfasnet
Narrenzunft Aulendorf
40 Um Mitternacht tanzen die Schrättele
Narrenzunft Waldsee
41 Ulkumzug für eine lebendige Dorffasnet
Die Närrischen Gaisbeurer
42 Gumpala Dunschtig und Schmalzgala Samstig
Narrenzunft Kißlegger Hudelmale
43 Zünftige Traditionen
Wangemer Narrenzunft Kuhschelle weiß-rot
44 Heimat von Fasnetsbutzarössle und Plätzler
Plätzlerzunft Altdorf-Weingarten 1348
45 Die Zunft des Räuberhauptmanns
Ravensburger Schwarze Veri Zunft
46 Springerhexen in Humpishausen
Narrenzunft Brochenzell
47 Hopfen ranken sich um die Fasnet
Narrenzunft Tettnang
48 Bunte Narrenschar mit Gockelores
Narrenzunft Seegockel Friedrichshafen
49 Am Gumpigen ist Lottenweilertag
Narrenzunft Lottenweiler
50 Narrenweckruef lockt den Hänseler
Historische Narrenzunft Markdorf
51 Vom Schinderkarren vors Streckgericht
Narrenzunft Stegstrecker Pfullendorf
52 Faszination Hänselejuck
Narrenzunft Überlingen
53 Fasnetküchlefahrt und Kriese
Fastnachtsgesellschaft Sipplingen 1907
54 »Ho Narro!« am Bodensee
Konstanzer Blätzlebuebe Zunft und Große Konstanzer Narrengesellschaft Niederburg
55 Ein Bodenseefisch als Hansele
Narrenverein Alet Allensbach
56 Klepperle und Soecherversle
Narrizella Ratoldi 1841
57 Tradition der bäuerlichen Dorffasnet
Poppele-Zunft Singen 1860
58 Wiege der Narrenvereinigung
Narrenzunft Rehbock Volkertshausen
59 Großkopfete grobgünstig vor Gericht
Das Hohe Grobgünstige Narrengericht zu Stocken 1351
60 Der Letzkopf lässt die Katz aus em Sack
Katzenzunft Meßkirch
61 Zum »Hans blib do« jucken die Hanseli
Narrenzunft Furtwangen
62Teuflisch, tierisch, traditionell
Narrenzunft Triberg
63 Im Zuber auf nasser Fahrt dr Bach na
Narrenzunft Schramberg
64 Zwölf Umzüge an schier sieben Tagen
Freie Narrenzunft Wolfach
65 Elfemess und Katzenmusik
Freie Narrenzunft Hausach
66 Schnurren, Kleppern, Ranzengarde
Narrenzunft Haslach
67 Am Fasendssonntag wird der Narro erweckt
Narrenzunft Zell am Harmersbach
68 Fasendszit mit Schalk im Turm
Narrenzunft Gengenbach 1499
69 Hexen und Spättle in Bohneburg
Althistorische Narrenzunft und Offenburger Hexenzunft
70 Uralte und unverfälschte Fasnet
Narrenzunft Elzach
71 Hexensabbat am Fuß des Kandel
Narrenzunft Krakeelia Waldkirch
72 Fasnetsfraid mit dem Jokili
Endinger Narrenzunft 1782
73 Gauklertage unterm Münster
Narrenzunft Breisach am Rhein
74 Die Vielfalt zahlreicher Narrennester
Breisgauer Narrenzunft Freiburg
75 Hexen, Tod und Teufel
Höllenzunft Kirchzarten
76 Rathausstürmen mit Leiter und Holzhammer
Narrenzunft Lenzkircher Dengele
77 Schiibii - Schiiboo« beim Schiibeschla
Todtnauer Narrenzunft 1860
78 Städtlifasnet, Märt und Schnurre
Schelmenzunft Staufen
79 Sympathische Schnooge mit Schellenbengel
Narrenzunft D’ Rhiischnooge Neuenburg am Rhein
80 Hochnotpeinliches Malefizgericht
Bürger- und Narrenzunft 1503 Tiengen
81 Geltentrommler wecken am Dritten Faißen
Narro-Zunft Waldshut 1411
82 Stimmungsvolle Tschättermusik
Narro-Altfischerzunft 1386 Laufenburg (Baden und Schweiz)
83 Maisenhardt-Joggele, Siechemännle, Römer
Narrenzunft Bad Säckingen
84 Die Explosion der Guggemusiken
Narrengilde und Narrenzunft Lörrach
85 Die Alte Fasnet dreht auf
Fasnachtsgesellschaft Buurefasnacht Hauingen
86 Buurefasnachtsumzug am Rhy
IG Weiler Straßenfasnacht Weil am Rhein
87 Die drey scheenschte Dääg
Basler Fasnacht
88 Die wohl letzte Fasnacht der Welt
Groppenfasnacht Ermatingen
Kleines närrisches Vokabelheftle:
… so ruft man sich in vielen Narrennestern am Ende der Fasnet zu – frei übersetzt »Es geht dagegen!« – und drückt damit die Gewissheit aus, dass man am Abend des Fasnachtdienstags oder »Fasnetszeischdig« oder »Fasentzischtig« die Tage bis zum nächsten 6. Januar schon wieder zählen kann. Denn an Dreikönig beginnt in den allermeisten Hochburgen des badischen und schwäbischen närrischen Südwestens das, was hier eben nicht Karneval oder Fasching, sondern »Fasnet« oder »Fasent« heißt. Der Begriff »Fastnacht« verweist auf die »Nacht vor dem Fasten«. Im Buch wird dennoch – wenn es nicht speziell um die schwäbisch-alemannische »Fasnet« geht – von »Fasnacht« die Rede sein, der schriftdeutschen Form von »Fasnet«.
Bei so vielen Begriffen, die dazu auch noch in den Dialekten variieren, darf ich schon hier auf das »Kleine närrische Vokabelheftle« auf den letzten Seiten verweisen.
Es ist ein Glücksfall für einen närrischen Autor, wenn sein Verlag in einer Hochburg sitzt und sich der Verleger an der Fasnet im »Häs« des Zunftrats zeigt. Danke, Armin Gmeiner, für Deine Unterstützung bei der Entstehung dieses Buchs, und gleichfalls Deiner lieben »Fledermaus« Angelika, die mich in die Meßkircher Fasnet eingeführt hat.
Als »Schantle« in der Narrenzunft Oberndorf, und somit verwurzelt in den historischen Brauchformen des Viererbunds mit Elzach, Überlingen und Rottweil, habe ich mich – wie viele Narren es tun – schon immer für Fasnet interessiert und bereise seit vielen Jahren die Hochburgen, um echtes Brauchtum live zu erleben.
Sicher sind auch die zahlreichen Narrentreffen eine wunderbare Möglichkeit, die Buntheit der schwäbisch-alemannischen Masken kennenzulernen, doch Fasnet lebt besonders dort, wo sie verwurzelt, wo sie zu Hause ist. Wer je dem »Villinger Narro« in der Kulisse der alten Zähringerstadt beim Strählen zugesehen oder die Begeisterung der Narren bei der Erweckung des Endinger »Jokili« aus dem Brunnen erlebt hat, wird verstehen, was ich meine.
Daher möchte ich meine Leser mit diesem närrischen Ausflugsführer ermuntern, sich auf die vielen Brauchformen der Fasnacht einzulassen und das närrische Treiben in den Narrennestern vor Ort zu genießen. Es war mir die größte Freude, bei der Recherche in all die Fasnachten einzutauchen, die ich noch nicht kannte, und ich danke an dieser Stelle allen Zünften, die mich dabei unterstützten.
Es war eine närrische Rundreise durch die Region, angefangen bei der »Laufenburger Tschättermusik« am »Ersten Faißen« über die »Geltentrommler« am Morgen des »Schmotzigen« oder »Gumpigen«, »Fasnetsküchle« auf der Fahrt nach Sipplingen zum »Usriefe vu de Fasnet«, das »Ochseneinspannen« in Pfullendorf, das »Möhringer Schemengericht« und den »Hemdglonker« in Konstanz; am Freitag die »Närrischen Gaisbeurer«, am Samstag die »Gugge-Explosion« in Lörrach, am Sonntag der »Gauklertag« in Breisach, am Montag in Schramberg »da Bach na«, bis zum »Schiibeschla« in Todtnau am Funkensonntag – und das waren nur einige Stationen der »Fasnets-Rallye« zu diesem Buch.
Infiziert mit der Fasnet wurde ich schon als kleiner Bub, die Eltern beide aus Oberndorf am Neckar, aufgewachsen bei den »Seegockeln« in Friedrichshafen und seit einem halben Leben in der »Ahlandstadt« Rottenburg daheim, im Ortsteil Wurmlingen mit seiner wunderbaren »Fleggafasnet« und dem rührigen Zunftmeister Frank Foitzik, dem ich – stellvertretend für alle anderen Zunftpräsidenten – für die Mithilfe danken möchte.
Mein Dank gilt nicht zuletzt meiner Familie, die mich ganze Wochenenden lang wegen närrischer Umtriebe entbehren musste, und meiner Privatlektorin Veronika Wieland, die auch in diesem Buch wieder mit narrensicherem Blick Fehler aufgespürt und dafür manchen Abend geopfert hat.
Jetzt aber hinein ins schwäbisch-alemannische Narrentreiben entlang von Neckar, Rhein und Donau, auf die Alb, in den Hegau, auf die Baar und in den Schwarzwald, ins Allgäu, nach Oberschwaben und an den Bodensee, und allen närrischen Lesern eine – wie man in Oberndorf sagt – »freudenreiche Fasnet«!
Freudenreich nennen die Oberndorfer ihre Fasnet, und wer die Heiterkeit der Narren und die Fröhlichkeit bei den Narrensprüngen erleben will, der muss am Fasnetsdienstag ins Städtle am Oberen Neckar, denn nur an diesem Tag und nur daheim – mit Ausnahme der Narrentage des Viererbunds in Elzach, Überlingen und Rottweil – gibt es die Oberndorfer Fasnet mit den historischen Masken zu erleben. Zu den Klängen ihres mitreißenden Narrenmarsches, dessen Textzeilen vom Publikum am Straßenrand begeistert mitgesungen werden, jucken Hansel und Narro durchs Städtle, gefolgt vom hinkenden Schantle und bewacht vom Polizeischantle, der am Ende des Narrensprungs schreitet.
Es ist ein faszinierender Anblick, wenn die Stadtkapelle Oberndorf in ihrer historischen blau-weißen Bürgerwehruniform hinter dem Narrensamen aufmarschiert, die Posaunen in stolzer Sechserreihe voran. Nach der viertaktigen Einleitung des Narrenmarsches wogen die leuchtenden Schirme der Hansel in rhythmischer Wellenbewegung auf und ab, während die Glocken dazu erklingen. Mit ihrer blumenbekränzten Hanfperücke, dem schwarzen Knebelbart und der orangefarbenen Pluderhose sind die Oberndorfer Hansel einmalig in der Fasnetslandschaft. Der Narro ist der klassische Weißnarr mit ölbemaltem Leinenkleidle, Gschell und Glattlarve in weiblicher und männlicher Ausprägung, dem Bartnarro. Die Schantle im Sackleinenkleid mit aufgenähten runden Filzflecken sind schon lange keine Schandkerle mehr. Ihre Larven mit Warzen und großem Zinken zeigen verschmitzt lächelnde Gesichter. Freigiebig sind sie alle, die Hansel mit Süßigkeiten, die Narros mit Brezeln und die Schantle mit Würsten und Orangen. Am Nachmittag des Fasnetsmentig haben die Schantle ihren großen Auftritt, wenn sich beim »Rammla« die Kinder um sie scharen, um beim Aufsagen und Singen der Narrenverse eine Orange zu fangen oder eine Wurst von der Angel mit dem Mund zu schnappen.
Jetzt ganga mer halt ao gar nemme, gar nemme hoim. Bis mei Muader Kiachle bacht ond a anders Gsicht na macht …(aus dem Oberndorfer Narrenmarsch)
www.nz-oberndorf.de
72138 Oberndorf am Neckar
Juhuhu! Rohoho!
Eine lebendige und dennoch in weiten Teilen unorganisierte Fasnet hat sich bis heute in Empfingen erhalten. Hier kann man überlieferte Brauchformen einer alten bäuerlichen »Fleckenfasnet« erleben, die in anderen Narrenorten verschwunden sind, wie das Treiben der Strohbären und das »Rußeln«. Schon 1900 ist diese Tradition des Schwarzmachens mit Ofenruß beschrieben worden; ebenso die Fasnetshexen mit Ofengabel. Noch heute pflegt die urige Rußhexe mit ihrer Stoffvermummung und Gatterhaube diesen Brauch am Ruaßigen Dauschdig (das ist der Schmotzige) ab Punkt 12 Uhr.
Zu den Gestalten der »Alten Fasnet«, die seit 2004 als eigene Fasnetsgruppe existiert, zählen an die zehn historische Figuren, vom Bäuerle, dem stoffvermummten Gegenstück zur Alten Hexe, die eine bleiche Holzmaske mit großer schwarzer Radhaube trägt, bis zu Butzenweible, Bajass und Domino.
Verschiedene Strohbären werden als Erbsenbär, Langhalm-Strohbär, und Reisigbär am Fasnetssonntag durch den Ort getrieben. Eine Besonderheit stellen die Ausgestopften dar, die sich, wie der Villinger Wuescht, ihre Anzüge mit Heu und Stroh ausstopfen, mit einer Gardine vermummt und mit allerlei Gerümpel oder Saublodern (Schweinsblasen) ausgestattet, wilden Unfug treiben.
Viele dieser freien Traditionen wurden in Empfingen von den örtlichen Altersjahrgängen und Kameradschaften erhalten. Ein Teil der Figuren, wie der Kneller mit seiner »Goaßl« (Peitsche) und das Oberschantle im Fleckleshäs, übernahm die 1951 gegründete Narrenzunft. Durch Figuren-Umgestaltung zur Rettung der Dorftracht entstanden das Osterbachmännle und die Saiwald-Hexe mit Reisigbesen, und aus einer Schar unterschiedlicher Masken mit Gschell entwickelte sich das heute einheitliche Schantle im Weißnarrenkleid. Die ganze Buntheit der »E’pfinger Fasnet« ist am Fasnetssonntag zu erleben, beim Umzug »Nei da Flegga«. Aber auch am Fasnetsmentig bieten die Cliquen und Ausgestopften beim »Bettla em Flegga« ein buntes närrisches Bild.
Oh Latschaboo - oh Schaluschée (überlieferter Anfang des uralten Empfinger Strohbärenliedes)
www.narrenzunft-empfingen.de
72186 Empfingen
Narri - Narro!
Am Abend des Schmotzigen Dauschteg drängt sich auf dem Rottenburger Marktplatz das Publikum in mehreren Reihen und lauscht zunächst der Proklamation und Verkündung der Narrenfreiheit durch Gräfin Mechthild, offizielle Repräsentantin der »Raudaburger Fasnet«, und der Übergabe der närrischen Gewalt an den Hofnarren Halberdrein. Nach »Pompeles Kellerspuk«, dem Tanz des Klopfgeists mit seiner dunklen Fellhaube, erscheinen nach dem Auftritt des Nachtwächters die Rottenburger Stadthexen am Feuer, angeführt von der Oberhexe Susann mit Laterne und Stock, gefolgt von Feuerhexe Traudele, Kartenschlägerin Hannele und wie sie alle heißen. Nur das Heuberger Hexle wird beim Tanz nicht geduldet und schließlich vom Teufel beschützt. Der Hexentanz beginnt, doch schon bald wird der Spuk von hellem Schellenklang gestört und die Ahlande vertreiben mit ihren Saublodern die Hexen. Als Weißnarr mit ungewöhnlicher Teufelsmaske und Lammfellhaube ist der Ahland die Symbolfigur der Raudaburger Fasnet und der nun folgende Ahlandtanz, ein grandioses Schauspiel.
Der Fasnetssamstag ist der Tag der Straßenfasnet, bei der in Raudaburg wahrlich die Post abgeht. Im Anschluss an die Zunftmesse führt ein unorganisierter Umzug zum Markplatz, wo zahlreiche »Fasnets-Musiken« in der Narrenmeile für die typische Stimmung einer Straßenfasnet sorgen. Am Fasnetssonntag ist der »Raudaburger Ommzug« das zentrale Fasnetsereignis der Region. Nachdem sich die stattliche Gruppe der Ahlande bei ihrem »Ahlandhoppa« vom Kalkweiler Tor am Marktplatz eingefunden hat, ist dort noch einmal der Ahlandtanz zu bewundern. Zu den zahlreichen Gastzünften, Laufgruppen und Musikkapellen gesellen sich natürlich auch die Rottenburger Traditionsfiguren mit dem Fanfarenzug, dem »Historischen Teil« um Gräfin Mechthild und den Bogges. Die wunderbaren Laufnarren mit ihren kunstvoll geschminkten Gesichtern sind stets zu Späßen und Albernheiten aufgelegt.
Fasnet he’mer, Narre se’mer, ond des emmer - Narri-Narro! Zo ’me Narre do g’hört a Sparre, basta jo iatz isch halt so! (Narrenmarsch, T: Heinz-Eugen Schramm)
www.narrenzunft-rottenburg.de
72108 Rottenburg am Neckar
Narri - Narro!
Butzen kennen wir in der schwäbisch-alemannischen Fasnet unter anderem in Haigerloch und Hirrlingen. Auch in Kiebingen, einem Teilort von Rottenburg am Neckar, ist »sich verbutzen« eine regionale Bezeichnung für »sich vermummen«. Die Erwähnung der jährlich als Bodenzins zu zahlenden Fasnachtshennen in einer Schrift aus den Jahren 1512/13 hat zu dem Brauch geführt, dass die Ortsobrigkeit in Kiebingen für alle »Maschkera« eine Steuer in Form der Fasnetshear (Fasnachtshenne) bekommt, die am Gemmeligen Dauschteg – das ist andernorts der Schmotzige – vor dem Rathaus übergeben wird.
»Maschgera gau« ist ein anderer noch verbreiteter Fasnetsbrauch im Flecken, sprich im Dorf. Gemeint sind die fasnächtlichen Hausbesuche. Ab Lichtmess sind die maskierten Gruppen im Ort unterwegs: montags, dienstags und donnerstags. Werden sie eingelassen, gilt es für die Hausleute, die Vermummten zu erraten. Falls dies gelingt, gibt’s für die Narren was zu trinken, wird die ganze Gruppe erkannt, wird zünftig aufgetischt: Fasnetsküchle oder auch deftige Hausmannskost.
Beim »Butzasprenga« in der unorganisierten Dorffasnet waren schon immer Butzen unterwegs. So bildete sich die Butzenzunft Kiebingen mit neuen, nach den alten Vorlagen gestalteten Butzen mit Stoffverlarvung, spitzem Hut und Fleckleshäs und Teufeln, die sich mit zwei übereinander gestreiften schwarzen Frauenröcken und Stofflarve mit zwei Hörnern vermummen.
Am Fasnetsdienstag findet in Kiebingen der Umzug der »Eierleser« mit einer sich anschließenden »Fasnetspredigt«am Rädlesbrunnen statt. Die Eierleser setzen sich aus den Kiebinger Rekrutenjahrgängen der 19- und 20-Jährigen zusammen, die alle zwei Jahre (gerade Jahre) am Ostermontag den Brauch des Eierlesens durchführen. An der Fasnet sind sie für die Organisation des Umzugs verantwortlich.
Item die von Kiebingen … dar zu geben sy järlich zu stür … großhünr, herbsthünr und Vastnachthenna …(Untere Herrschaft Hohenberg 1512/13)
www.butzenzunft.de
72108 Rottenburg-Kiebingen
Narri - Narro!
Ihren großen Auftritt haben die »Bühlemer Daal-Hexa« im Tübinger Stadtteil Bühl, Richtung Rottenburg gelegen, schon an Lichtmess, am 2. Februar: Beim »Äscha-Deida«, dem Hexenorakel auf dem Rathausplatz, deuten die auf 13 beschränkten – ausschließlich männlichen – Hexen aus der Asche das kommende Jahr. Das Spektakel beginnt um 18.58 Uhr mit gruseligen Windgeräuschen, rufenden Käuzen und seltsamem Ächzen, wenn schließlich der Rotznasenzwerg mit einer ersten Hexe im Fackelschein auf den Platz läuft. Die anderen Daal-Hexa werden unter geiferndem Kichern persönlich gerufen: »Aschbik-Zuttl, wo bisch denn? Griables-Emma, mach halt nore! Kecka-Resle, greif a!«
Schließlich bilden sie mit ihrem ständig rauchenden, stinkenden und mit einem rußigen Kupferkessel ausgestatteten Hexawägele einen Kreis. Graue Asche wird zu Häufchen aufgeschichtet und hellseherisch gedeutet: »So wia da Besa leit – ond d’ Äscha sait des sowieso: Em Sommer isch oft der Hemmel blô!« Ein kleines Feuerwerk beendet den Spuk.
Schon vor der Gründung der Narrenzunft tauchte in Bühl der »Schägge-Mägge« auf. Sein hoher, gestreifter spitzer Hut wird Goggs genannt und das Tuch, das statt einer Holzmaske das Gesicht bedeckt, deutet auf die Pestzeit. Sein Häs ist das eines Flecklenarren, das aus wirklich alten Stoffflecken besteht, die auf den Anzug genäht werden.
Als Vorbild für die Larve des Drotzer dienten zwei Schreckensmasken, die sich, in Stein gehauen, an der Fassade des Bühler Schlosses finden. Vor dessen Kulisse führen die Drotzer am Vorabend des Schmotziga bei der Schlossstürmung ihren »Original-Bühlemer-Drotzer-Glogga-Hopser« auf; ebenso am Schmotziga vor der Rathausstürmung. Am Fasnetsdienstag treten nochmals vier Drotzer in Aktion, wenn sie beim Narrensprung von einer kleinen Bogenbrücke aus in den – strohgepolsterten – Bühler Talbach hinunterspringen, in der Hand je ein Symbol für die vier Jahreszeiten: Schneemann (Winter), Sonne (Frühling), Dreschflegel (Sommer) und Mostkrug (Herbst).
O Schäggade Mäggade, kommat au amol, Fasnet isch schau do!(Narrenmarsch, T: trad.)
www.nzbuehl.de
72072 Tübingen-Bühl
Schäggade - Mäggade - kommet au amol!
Eine bunte Fasnet im »Flegga« (Flecken, also im Dorf) gab es schon lange vor Gründung der Narrenzunft 1978. Aus dem Necknamen »Milchknöpfle« – das sind eine Art Spätzle, deren Teig durch die Knöpfles-Maschee (Maschine) gedreht wird – entstand die Weißnarrenfigur Milchknöpfle mit seinem Schellengurt und den Knöpfle, die aus dem Mund hängen. Der Randelmäx ist ein dämonischer Sprungnarr, der auf einen Einsiedler im Flurstück Randel zurückgeht. Aus der überlieferten Dorffasnet wurden das Wurmlinger Weible