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Dem Ruf Gottes folgen hinein in eine sprechende Stille
- Das besondere Buch für Klosterliebhaber
- Ein spirituelles Buch von einem der bekanntesten und aufgeschlossensten Ordensmenschen
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Seitenzahl: 209
Ich bin Mönch. Und ich sage ein herzliches Willkommen! Willkommen in meinem Kloster, willkommen in meiner Welt und willkommen in meiner Seele. Seit fast 30 Jahren bin ich im Kloster, trage ein bodenlanges schwarz-weißes Gewand, wie es der Tradition der Zisterzienser entspricht, und stehe jeden Tag über drei Stunden beim Chorgebet, um mit meinen Mitbrüdern Gott mit Psalmen und Hymnen zu loben. Mein Kloster ist das Stift Heiligenkreuz im Wienerwald, das 1133 gegründet wurde. Wenn Ihnen der Name bekannt vorkommt, dann vielleicht deshalb, weil wir in den letzten Jahren ein wenig in die Öffentlichkeit geraten sind. Wir standen plötzlich im Rampenlicht, weil hier ein Oscar-Drehbuch geschrieben wurde, weil der Papst uns besuchte und wir mit einer CD die Musik-Charts stürmten. Obwohl auf der CD nichts anderes zu hören war als unser tägliches Gebet: unsere Gesänge im Gregorianischen Choral, mit denen wir Gott anbeten. Klöster sind eine faszinierende Welt, und der liebe Gott hat es gefügt, dass mein Kloster Heiligenkreuz besonders faszinierend ist.
Ich bin Mönch, und zwar ein christlicher Mönch. Das muss ich gleich eingangs deshalb betonen, weil die romantische Begeisterung für östliche Religionen, die in den letzten Jahren bei uns ausgebrochen ist, dazu geführt hat, dass man beim Wort Mönch schon eher an orangegekleidete buddhistische Shaolins denkt als an Benediktiner und Zisterzienser. Und noch genauer: Ich bin ein katholischer Mönch. Auch das muss ich gleich am Beginn anführen, weil es das Mönchtum auch in den altorientalischen und orthodoxen Kirchen gibt, und im Westen mit wenigen Ausnahmen nur in der katholischen Kirche. Martin Luther war zwar anfangs Mönch, er gehörte den Augustiner-Eremiten an, aber das war dann nicht sein Weg. Die Frau, die er heiratete, gehörte übrigens meinem Orden an, sie war Zisterzienserin. Das Katholisch-Sein ist auch insofern wichtig, als ich mit wahrer Begeisterung und Freude zu dieser katholischen Kirche stehe mit allem, was zu ihr gehört, auch wenn es ihr gerade nicht so gut geht im öffentlichen Ansehen. Dies alles muss ich gleich am Anfang erwähnen, weil ich dieses Buch ja schließlich auch deshalb schreibe, um ein bisschen Werbung für den katholischen Glauben zu machen, für einen Glauben, der mich selbst erfüllt und glücklich macht.
Ich weiß, dass viele Menschen heute auf der Suche sind, weil sie den Einheitsbrei eines Lebens, wo es immer nur um dasselbe geht, satt haben. Viele wollen einmal heraus aus dem Hamsterrad des Geldverdienens; viele haben das Gefühl, ganz innen drinnen ein großes Loch zu haben, das sich nicht zustopfen lässt. Vielleicht haben auch Sie zu diesem Buch gegriffen, weil Sie einmal etwas anderes wollen, weil Sie vom »Fast-Food«, das die Welt bietet, schon genug haben. Alles schmeckt irgendwie gleich: Am Anfang steht ein leckerer Geschmack, am Ende steht die Wirkung, dass man träge und dick geworden ist. Wir Mönche leben nach einem Alternativprogramm. Ein Kloster ist eine institutionalisierte Oase des Aussteigertums. Wir ernähren unsere Seele hier nicht mit fettmachendem Fast-Food, sondern mit biologischem Long-Food. Schließlich macht diese unsere Lebensform schon über Jahrhunderte Menschen glücklich, sonst wären wir ja längst ausgestorben. Dass wir Mönche definitiv nicht aussterben werden, das werde ich gleich anschließend erzählen. Der theologische Grund dafür liegt auf der Hand: Offensichtlich hat Gott den Menschen so intelligent geschaffen, dass er immer wieder fähig ist, sich zum Guten zu verändern. Ja, die Menschen sind bekehrbar. Der christliche Glaube macht uns da rettungslos optimistisch. Und ein Zeichen dafür, dass sich die Gesellschaft wieder für die wahren Werte öffnet, dass man sich wieder für das Richtige und Entscheidende zu interessieren beginnt, ist die Faszination, die unsere Klöster in den letzten Jahren auf die Menschen ausüben. Die Begeisterung für das Klosterleben ist ein richtiger Trend. Der Boom ist okay, denn er geht in die richtige Richtung.
Mein Kloster Heiligenkreuz ist voll mit jungen Berufungen. Ich bin Jugendseelsorger und als Rektor der Hochschule auch Anlaufstelle für viele, die Priester oder Ordensfrau werden wollen. Ich habe mir ein kleines Ritual, das ich von dem großen Theologen Hans Urs von Balthasar abgeschaut habe, angewöhnt: Jedesmal, wenn ein junger Mann mir sagt, dass er Priester werden möchte, oder wenn mir jemand offenbart, dass er ins Kloster eintritt, rauche ich vor Freude eine Zigarre. Sonst bin ich natürlich Nichtraucher, paffen gilt ja nicht als rauchen. Schön langsam wird dieser anfänglich nette Brauch aber gesundheitsgefährdend, ich komme gar nicht mehr nach. Letzten Sommer habe ich fast jeden zweiten Tag nach dem abendlichen Rosenkranz in unserem Klostergarten gesessen und habe mir unter mildem Abendhimmel die obligate Zigarre angeraucht …
Aber ich schreibe dieses Buch nicht, weil ich mit unseren vielen Berufungen angeben möchte und schon gar nicht, weil ich will, dass Sie ins Kloster eintreten … Bei Gott ist zwar nichts unmöglich, aber unsere Kapazitäten sind begrenzt. Nein, ich schreibe, weil Sie offensichtlich auch zu jenen gehören, die gerne ein wenig ausbrechen wollen aus einer Welt, der Atmosphäre, Geist und Sinn fehlt. Wenn Sie hineinschnuppern wollen in das klösterliche Leben, dann sind Sie herzlich willkommen. Aber Achtung: Klosterbücher gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Klosterbücher liegen im Trend. In meinem Büro für Öffentlichkeitsarbeit gibt es ganze Regale von Klosterurlaubsführern, Klosterpilgerpfaden, Kloster-ABCs und Klostererlebnisbüchern … Meist von faszinierten Menschen geschrieben, die sich in einem nicht unwesentlichen Punkt von mir unterscheiden: Es sind Laien, die eine Zeitlang im Kloster mitgelebt haben und von der Wucht ihrer Eindrücke so überwältigt waren, dass sie unbedingt darüber schreiben mussten … Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, dass ich keinerlei positive Laienerfahrung mit dem Klosterleben habe. Heiligenkreuz lernte ich mit 16 kennen, es hat mich gar nicht überwältigt, das Chorgebet fand ich langweilig, das frühe Aufstehen anstrengend. Erst der Ruf hat dann alles umgedreht, und zu meiner eigenen Überraschung kniete ich am 31. Jänner 1982 vor dem damaligen Abt Franz und wurde als Novize eingekleidet. Mein Ordenseintritt kam so überwältigend schnell, dass ich keine Zeit hatte, auch nur annähernd so romantische Gefühle gegenüber dem Mönchsleben zu entwickeln, wie ich das aus der überbordenden Klosterliteratur herauslese. Plötzlich war ich mit 18 Jahren Zisterzienser und musste nachreifen. Ich habe mir die Liebe zum Ordensleben, zum Chorgebet, zum Gregorianischen Choral, zur Liturgie, zum Gehorsam, zur Zeitordnung im Rhythmus von Ora et Labora, Gebet und Arbeit, erst langsam erobern müssen. Was manchmal nicht leicht war. Dieses Buch schreibe ich als einer, der nicht ein paar Tage oder ein paar Wochen im Kloster war und sich schon während seines Trips als Mönch auf Zeit dauernd selbst beobachtet hat, um Notizen für ein künftiges Klosterbuch zu machen. Solche Typen kenne ich, die kommen auch als Gäste zu uns. Und manches, was sie schreiben, ist ja recht hilfreich. Aber was ich Ihnen hier biete, ist etwas anderes.
Ich wiederhole den ersten Satz: Ich bin Mönch. Der heilige Benedikt sagt in seiner Regel, dass man sich darauf nichts einbilden soll, weil man ja immer ein schlechter Mönch bleibt. Dass ich in meinem Mönchsein immer unter der hohen Latte durchlaufe, die der heilige Benedikt da gelegt hat, das ist mir voll bewusst. Aber auch wenn ich ein schlechter Mönch bin, bin ich doch ein Mönch oder versuche zumindest seit 30 Jahren, ein ordentlicher Mönch zu werden. Und was ich Ihnen hier zu lesen gebe, schreibe ich als einer, der wirklich »bis zum Tod« in dieser Lebensform bleiben will. Jahrelang habe ich mein Leben als Zisterzienser überhaupt nicht reflektiert, es war einfach schön, hier an diesem lebendigen Ort mit seiner faszinierenden Liturgie und seiner herausfordernden seelsorglichen Offenheit Gott zu dienen. Erst als ich vor einigen Jahren die Öffentlichkeitsarbeit übernahm und mich mit dem regen Interesse der Journalisten – »Wie leben Sie? Was machen Sie? Warum leben Sie so? Wie halten Sie das aus?« – konfrontiert sah, musste ich beginnen, über das Warum und Wie meiner Existenzform nachzudenken. Das steigerte sich dann noch im Zusammenhang mit den hunderten Interviews – oder waren es tausende? –, die ich über den Erfolg unserer CD »Chant – Music for Paradise« geben musste. »Warum schauen Sie so glücklich aus? Kann man wirklich mit Gott sprechen? Warum stehen Sie jeden Tag so früh auf? Was spüren Sie, wenn Sie stundenlang beten? Wie kann man es ohne Fernseher aushalten?« Die Fragen haben mich selber bewegt und zum Nachdenken gebracht. Und dadurch habe ich mein Klosterleben noch mehr lieben gelernt.
Noch etwas habe ich mir angewöhnt, das eigentlich keine klösterliche Tugend ist, für die christliche Verkündigung jedoch unverzichtbar zu sein scheint: Dass ich nämlich offen und frei über mein Leben, meine Erfahrungen und meine Gedanken rede. Der heilige Benedikt gebietet das Schweigen, das wir auch heute durchaus einhalten. Wir reden nur, wo es notwendig ist, und die Nacht hindurch herrscht das heilige »Silentium nocturnum«, das nächtliche Stillschweigen. Im Mittelalter gab es in den Zisterzienserklöstern einen eigenen Raum, das »Parlatorium«, wohin man sich zurückzog, um miteinander zu reden. Doch ich denke, dass hier das berühmte »Tempora mutantur« gilt. Die Zeiten haben sich geändert. Eine Ordensgemeinschaft in der katholischen Kirche ist ohnehin niemals ein esoterischer Geheimbund, sondern immer ein Teil des öffentlichen kirchlichen Lebens. Es gibt bei uns auch keine Schweigegelübde und keine Sprechverbote. Der westlichen Welt heute geht es schlecht, sie hat ihre Mitte verloren, weil die Menschen nicht mehr in dieser kraftgebenden Beziehung zum lebendigen Gott stehen. Unsere Klöster sind »Orte der Kraft«, wie Papst Benedikt XVI. es formuliert hat. Warum sollten wir Mönche dann nicht den Menschen helfen, indem wir ihnen erzählen, wie schön es ist, mit Gott auf »Du und Du« zu leben? Freilich: In der Kirche werden viele Bücher über Gott und allerlei Drumherum geschrieben, das Meiste in einer sehr ernsten und feierlichen Sprache. Als Theologe kenne ich dieses Geschäft des Verfassens oder Lesens von Fachartikeln oder Fachbüchern; es ist mit dem Stigma der Mühsamkeit verbunden. Diese Mühsamkeit möchte ich Ihnen und mir ersparen, auch wenn es ein bisschen gegen meine Theologenehre ist. Wenn man sich bei uns in Österreich in einer entspannten und lockeren Atmosphäre austauscht, dann nennt man das »plaudern«. Wir haben eine eigene Kaffeehauskultur entwickelt, um dieses Plaudern zu praktizieren. Das Angenehme daran ist, dass man nicht jedes Wort auf die Waagschale legen muss, dass man sich selbst öffnen kann, ohne immer die Wirkung zu berechnen. Denn das Plaudern hat eben kein Ziel, es möchte den anderen nicht überzeugen, es möchte nicht manipulieren, es möchte einfach bezeugen.
Ich werde nun also als Mönch über das Klosterleben plaudern. Und zu diesem Plaudern gehört es, dass die persönlichen Empfindungen und die eigenen Erlebnisse vorkommen. Willkommen also auch in meinem eigenen Leben! Wenn Sie weiterlesen, werden Sie mich ein Stück besser kennenlernen. Dieses Buch ist ein Seelenführer, denn ich möchte Sie ein Stück in meine eigene Seele mitnehmen. Für mich ist das ein Wagnis, denn je mehr man sein Herz öffnet, desto verwundbarer wird man. Und es gilt ja auch das »Si tacuisses, philosophus manisses!« Wer schweigt, wird eher für weise gehalten als einer, der seine Seele auf der Zunge trägt. Dieses Risiko nehme ich auf mich, weil ich denke, dass ich bei Gott in der Schuld stehe. Ich bin nämlich wirklich glücklich in dieser Lebensform als Mönch. Derzeit wird in der Kirche zu viel geschwiegen über das Wunderbare des Glaubens, über die Schönheit der christlichen Spiritualität, über die Kraft, die in unseren Gebeten steckt, über den Trost, der sich dem Glaubenden erschließt … Darum hoffe ich nicht, dass es gegen die Demut ist, wenn ich so viel von mir spreche. Mir wäre es auch lieber, wenn ich mich mit der Aura des weisen Schweigens umgeben könnte, anstatt mir die Seele aus dem Leib zu plaudern, um ein bisschen gute Stimmung für den lieben Gott zu machen. Manchmal gehört auch Demut dazu, nicht zu schweigen und sich der Öffentlichkeit preiszugeben. Deshalb habe ich am Anfang gesagt: Willkommen in meinem Leben! Ich finde keinen plausiblen Grund, warum ich das Wort des Herrn nicht auf mich anwenden sollte: »Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern.« (Matthäus 10,27).
Freilich muss ich noch eine kleine Warnung an die besonders frommen Leserinnen und Leser einfügen. Der Pater Karl, der hier vor sich hinplaudern wird, hat es sich nicht ausgesucht, dass er an einem Faschingssonntag in Wien geboren wurde. Ich kann schon ernst sein, ich kann schon getragen und seriös auftreten, aber hier werde ich eher dem Wesenszug meiner Natur frönen, der durch meinen Geburtstag markiert ist.
Wer tiefschürfende spirituelle Unterweisung erwartet, der soll bitte nicht weiterlesen. Oder wenn er doch weiterliest, dann soll er wissen, dass er die Fähigkeit braucht, zwischen den Zeilen zu lesen, um fündig zu werden. Bücher für die Superfrommen gibt es ohnehin genug; dieses Buch ist für die geschrieben, die es erst werden sollen. Und wenn, dann bitte so, dass sie beim Wachsen im Glauben die Fröhlichkeit nicht ablegen. Denn ein Christ, der nicht auch froh sein kann, wäre ein trauriger Christ.
Aber ich muss noch eine zweite Warnung anfügen, dieses Buch ist nämlich, zumindest hintergründig, als Werbeschrift gedacht. Einer meiner Aufgabenbereiche hier im Kloster trägt den Namen »Öffentlichkeitsarbeit«. Eine junge Schülerin von mir, die ihre Diplomarbeit in Sozialwissenschaft über die »PR im Zisterzienserkloster Heiligenkreuz« geschrieben hat, hat mir den Unterschied zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Werbung erklärt. Öffentlichkeitsarbeit ist, wenn man einfach zeigt, wie man ist. Und das tue ich über die täglich neuen Nachrichten auf der Homepage, meine Mitbrüder über Facebook und unseren eigenen YouTube-Kanal. Es geht uns darum, einfach die neuen Mittel der Technik zu nutzen, um den Menschen »draußen« zu zeigen: Schaut, so schön ist es im Kloster. Der heilige Paulus hat hierfür das Motto vorgegeben, wenn er schreibt: »Wir waren euch so zugetan, dass wir euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen wollten, sondern auch an unserem eigenen Leben, denn ihr wart uns sehr lieb geworden.« (1 Thessalonicher 2,8). Öffentlichkeitsarbeit dient dazu, die verschrobenen und klischeehaften Vorstellungen vom Klosterleben zu zerstreuen. In gewisser Weise ist die Öffentlichkeitsarbeit also »absichtslos«. Ganz anders ist es mit der »Werbung«, denn Werbung will etwas. Werbung möchte eine Veränderung auf Seiten des Adressaten. Werbung hat eine suggestive Absicht: »Ich möchte, dass du dieses und jenes kaufst; dass du dieses und jenes tust.« Darum muss ich die Karten offen auf den Tisch legen. Mein Plauderton ist zu neunzig Prozent zweckfrei. Jesus sagt, dass der Mund dessen überfließt, wessen Herz voll ist. So geht es mir. Doch da bleiben doch zehn Prozent Absicht, also Werbung. Ich gestehe, dass es mich freuen würde, wenn die Klöster bei uns noch mehr geschätzt werden; mehr noch: Ich würde mich freuen, wenn sich noch mehr Menschen trauen, sich als Gast in ein christliches Kloster zurückzuziehen ; wenn sie hier wieder christliche Spiritualität entdecken und wertschätzen lernen. Um ganz offen zu reden: Wenn ich Papst wäre, dann würde ich dafür sorgen, dass alle jungen Katholiken eingeladen werden, zumindest für zwei, drei Monate in einer klösterlichen Gemeinschaft mitzuleben – wie das im Buddhismus regulär der Fall ist. So ein »spirituelles Jahr« wäre doch einmal etwas Innovatives für die Kirche ! Wenn der heilige Benedikt vor eineinhalb Jahrtausenden in seiner Regel das Kloster eine »Schule für den Dienst am Herrn« genannt hat, warum sollte man das nicht aktualisieren und unsere Klöster zu »Schulen« im Kampf gegen das spirituelle Verhungern und den religiösen Analphabetismus ausbauen? Zumindest darauf zielt meine »Werbung« ab, dass sich möglichst viele trauen, sich einmal auf das Abenteuer einzulassen und Gast in einem Kloster zu werden.
Mönch ist man immer an einem konkreten Ort, in einem konkreten Kloster. Der heilige Benedikt schreibt zwar, dass man an allen Orten Christus dient, dennoch muss sich eine Berufung zum Mönchtum konkretisieren. In der Formel, mit der wir nach den Probejahren die »Ewigen Gelübde«, die sogenannte Feierliche Profess, ablegen, heißt es sogar, dass wir Gott »in hoc loco, qui vocatur Sancta Crux« dienen wollen, das heißt: »an diesem Ort, der Heiligenkreuz genannt wird«, – und keinem anderen. Wir treten ins Kloster ein, um in der Weite des Herzens Gott zu lieben und Gott zu dienen. Aber Weite erreicht man nicht durch Bindungslosigkeit und Beliebigkeit. In der menschlichen Liebe ist das ja auch so: Liebe ist nicht wirklich Liebe, wenn ich gleichsam abstrakt »das Weibliche« oder beliebig »die Frauen« liebe. Liebe ist erst dann groß und weit, wenn es konkret die Eine gibt, in die ich mich verliebt habe, und diese die Einzige ist, mit der ich mein Leben teilen möchte.
Es gibt viele Klöster, in Österreich allein 32 alte Stifte der Benediktiner, Zisterzienser, Augustiner-Chorherren und Prämonstratenser. Und dazu noch eine Fülle von anderen Orden und gottgeweihten Gemeinschaften. Mein Kloster ist Heiligenkreuz, und über dieses Kloster muss ich zunächst einmal erzählen. Dabei geht es mir nicht um das Exklusive und Besondere meines Klosters, sondern ich sehe das, was wir hier leben und erleben, als ein »pars pro toto«, als einen Teil, der für das Ganze steht. Sicher gibt es einige Besonderheiten, die es nur und allein in Heiligenkreuz gibt. Doch die grundlegenden Erfahrungen, über die ich erzählen möchte, kann man auch in allen anderen Klöstern machen.
Stift Heiligenkreuz heißt mit korrektem Titel: »Kloster Unserer Lieben Frau zum Heiligen Kreuz«. »Stift« nennt man bei uns in Österreich die uralten Klöster, die auf einen prominenten Stifter zurückblicken können. Im Mittelalter war für das Gelingen einer Klostergründung maßgeblich, dass es mit ausreichendem Grundbesitz ausgerüstet wurde, um sich dann selbst wirtschaftlich erhalten zu können. Heiligenkreuz ist bis heute eines der größten Stifte Österreichs, und das verdankt es vielleicht der Fürsprache des Stifters, der nämlich ein Heiliger war. 1133 stiftete Leopold III., Markgraf von Österreich, aus der Familie der Babenberger, unser Kloster. Hinter der Klostergründung steht eine abenteuerliche Familiengeschichte, denn Markgraf Leopold III. war mit der Schwester des Kaisers, Agnes, verheiratet, und hielt offensichtlich etwas darauf, seinen vielen Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Einen seiner Söhne, Otto, schickte er zum Studium nach Paris. Zu dieser Zeit erlebte der Zisterzienserorden gerade seine erste Blüte. Das Kloster Cistercium, von dem sich der Name »Zisterzienser« ableitet, war erst 1098 gegründet worden, und Schlag auf Schlag folgte eine Tochtergründung nach der anderen. Besagter Otto trat nun in Morimond ein, wurde Zisterzienser und bewegte seinen Vater Leopold, in seiner weit entfernten Markgrafschaft im Osten ein Kloster zu gründen. Dieser familiäre Hintergrund ist sogar in der Gründungsurkunde von 1136 festgehalten. Otto wurde dann später Abt, schließlich Bischof von Freising. Auch er wird als Seliger verehrt, sodass gleichsam zwei Heilige am Ursprung meines Klosters stehen.
Im 12. Jahrhundert entstanden hunderte von Zisterzienserklöstern, denn unser Orden war eine Art explosionsartige Aufbruchbewegung innerhalb der damaligen Kirche. Doch in den meisten Ländern wurden die Klöster im Laufe der Jahrhunderte aufgehoben oder gar zerstört. Frankreich etwa ist in Folge der Französischen Revolution übersät mit Klosterruinen; in Deutschland hat die Reformation und im 19. Jahrhundert die Säkularisation vielen Abteien ein Ende bereitet. Österreich ist hier die Ausnahme; trotz Türkennot im 16. und 17. Jahrhundert, trotz Josephinismus, trotz Nationalsozialismus und teilweiser sowjetischer Okkupation ist unser Land immer noch übersät von alten Stiften, in denen das Ordensleben intakt ist. In gewisser Weise hat sich hier der Reformkaiser Joseph II. (1780 -1790) »Verdienste« erworben. Nicht, weil er das Mönchtum geliebt hätte, im Gegenteil. Das stundenlange Chorgebet galt dem Kaiser, dem aufgeklärten Sohn Maria Theresias, als gesundheitsschädliches »Geblöke« und musste aus dem Kirchenraum verschwinden. Die Mönche transferierten daraufhin das Chorgestühl auf Kirchenemporen oder in Seitenkapellen und übernahmen eilig Pfarren, um der Aufhebung zu entgehen. Hunderte Klöster hob Kaiser Joseph II. auf, während er gleichzeitig »nützliche« Orden, die Schul- oder Krankendienst betrieben, förderte. Die kaiserlichen Kirchenreformen nahmen zumindest der aggressiven antikirchlichen Stimmung, die sich in Frankreich in regelrechten Massakern an Priestern und Ordensleuten entlud, den Wind aus den Segeln. Und nicht wenige Mönchsklöster, die bereit waren, auch Pfarrseelsorge oder andere seelsorgerliche Aufgaben zu übernehmen, ließ der Kaiser ja bestehen. Gott sei Dank auch Heiligenkreuz. Nach der mündlichen Tradition unseres Hauses hat Joseph II. Heiligenkreuz persönlich per Handbillet vor der Aufhebung gerettet.
So kann mein Kloster heute auf eine ununterbrochene Geschichte von fast 900 Jahren zurückblicken; es ist sogar das einzige Zisterzienserkloster der Welt, das – formal – ohne jede Unterbrechung durchgehend besteht. Nur ein Zisterzienserkloster ist älter, das ist Stift Rein in der Steiermark, das 1129 gestiftet wurde, also vier Jahre vor uns. Dass es unter den Nationalsozialisten aufgehoben war, kann sich dieses Kloster eigentlich als Ehre anrechnen, und heute betont Pater August, der im Stift Rein für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, lustvoll, dass Rein das »weltälteste Zisterzienserkloster« ist. Diese Ehre wollen wir den Mitbrüdern in Rein gerne lassen, dürfen wir uns doch wiederum daran erfreuen, dass bei uns die mittelalterliche Klosteranlage in ihrer strahlenden Schönheit vollständig erhalten ist, während Rein im 17./18. Jahrhundert im üppigen Barockstil umgebaut wurde. Da macht es uns gar nichts aus, uns mit dem Titel »zweitältestes Zisterzienserkloster der Welt« zu begnügen.
Die Klosteranlage von Heiligenkreuz ist eine Sensation, denn sie ist pures Mittelalter. Die Abteikirche stammt im romanischen Teil aus dem 12. Jahrhundert, das Langhaus von 1187 wurde 1295 durch einen lichtdurchfluteten hochgotischen Hallenchor ergänzt. Der Kreuzgang stammt von 1240. Mit Recht besichtigen hunderttausende Touristen jährlich unser Kloster. Gotisches Brunnenhaus, Lesegang, Kapitelsaal, Dormitorium, Fraterie, barocke Totenkapelle und Annakapelle, die hochbarocke Sakristei. All das ist atemberaubend. Nicht nur für die kultur- und geschichtsbeflissenen Touristen, sondern auch für uns Mönche selbst, zumindest für mich. Auch nach 30 Jahren läuft mir ein wenig die Gänsehaut über den Rücken, wenn ich um 5 Uhr morgens durch den mittelalterlichen Kreuzgang in die Abteikirche laufe, vorbei an dem Wald von Säulen, die das »Paradies« andeuten sollen, in dem sich der Mönch nach mittelalterlicher Vorstellung befindet. Wenn ich mich in der Großen Sakristei schweigend mit den liturgischen Gewändern bekleide und mir Christus aus einem prachtvollen Barockgemälde aus seiner Verklärung her zulächelt … Im Lauf der Jahre gewöhnt man sich zwar ein wenig daran, in einer Art »Sacro-History-Land« leben zu dürfen, aber nicht ganz. Der Schauer der Größe der Geschichte bleibt immer erhalten.
Wir leben hier in einer einzigartigen Geschichtskulisse, das prägt sich auch der Seele ein. Umgeben von Räumen, die die Ereignisse von 900 Jahren erzählen, beginnt man plötzlich selbst in Jahrhunderten zu denken. Mir ist das in meinem ersten Klosterjahr bewusst geworden. Damals war ich als Novize, also als »Neuling« im ersten Jahr, ganz fasziniert von der Weite der historischen Räume, in denen ich plötzlich leben durfte. Damals erhielt ich plötzlich den Anruf des Klosterpförtners: Unangemeldet sei ein hoher US-Minister der Reagan-Administration angekommen. Es sei niemand sonst zu finden, der Englisch spricht, ich solle doch die Führung halten. Normalerweise wurden solche Prominentenführungen immer von erfahrenen alten Mitbrüdern gemacht, meist von Pater Gregor Henckel Donnersmarck, dem späteren Abt. Jedenfalls wurde ich als Novize auf den Minister losgelassen und führte den Herrn, der umgeben war von Kaugummi kauenden Bodyguards, durch mein heißgeliebtes Kloster. Es war eine einzige Frustration, denn je mehr ich schwärmte: »The church ist from 1187, almost 800 years old … The windows of the fountain house are 700 years old … «, desto heftiger wehte mir höfliches Desinteresse entgegen. Übrigens kaute auch der Minister Kaugummi, ja, es war wie in einem Klischeefilm. Mein Frust wuchs immer mehr, bis wir schließlich in der Barocksakristei ankamen. Ich kann es nicht verbergen, aber Barock ist gar nicht mein Stil; zudem stehen dort Schränke, die von zwei Laienbrüdern um 1804 angefertigt wurden und mit Intarsien verziert sind. Es handelt sich um eine nette handwerkliche Leistung, aber keinesfalls um wirkliche Kunstwerke. Schon etwas genervt vom ostentativen Desinteresse sagte ich, dass diese Schränke »almost 200 years« alt sind. Und genau das war, als würde ich bei meinem amerikanischen Gast einen Hebel umlegen. Euphorie ist gar kein Ausdruck, er hob regelrecht ab: »That is wonderful, marvellous, tremendous, fantastic, incredible …«. Und er erzählte mir, dass er auch ein kleines Schränkchen mit Intarsien aus dem 19. Jahrhundert für sein Wohnzimmer erworben hatte. Die Führung habe ich dann so fortgesetzt, dass ich die Kunstwerke angepriesen habe, die unter 200 Jahre alt waren. Das erzielte nun endlich Wirkung, denn bei Menschen, die aus einem Kontinent stammen, der erst entdeckt wurde, als es mein Kloster bereit 359 Jahre lang gab, und aus einem Land, das seine Unabhängigkeit erhielt, als Heiligenkreuz bereits 643 Jahre alt war, muss man mit Zeitdimensionen arbeiten, die für sie vorstellbar und fassbar sind. Dabei haben wir Europäer aber keinen Grund, uns über Menschen jüngerer Kulturen lustig zu machen. Auch bei uns schwindet ja beständig der Sinn für die großen Zeiträume unserer Geschichte und Kunst. Wir alle, die wir in Heiligenkreuz als Mönche leben, haben erst hier den großen Atem der Geschichte kennengelernt. Und ich denke oft an meine liebe Großmutter, Gott hab sie selig, die jedesmal, wenn sie mit mir durch den mittelalterlichen Kreuzgang gegangen ist, gefragt hat: »Warum lasst ihr die hässlichen Mauern nicht endlich verputzen?«
Die Kirchenreformen von Joseph II. haben in Österreich eine spezifische Form des Mönchtums und des Ordenslebens hervorgebracht, die weltweit einzigartig ist. Die Regel des heiligen Benedikt, nach dem die beiden großen Mönchsorden Benediktiner und Zisterzienser leben, kennt keine Seelsorge im Außenbereich des Klosters. Das Wort Kloster kommt von »claustrum – abgeschlossen«, und der heilige Benedikt ordnet in seiner Regel an, dass die Mönche nicht draußen »herumschweifen« sollen, ja, dass sie alles, was sie zum Leben brauchen, innerhalb des klösterlichen Bereiches finden sollen. Der Josephinismus ließ nun zwar einige Klöster bestehen, verformte aber ihren Geist: Man musste, um weiterbestehen zu können, seelsorgerliche Aufgaben außerhalb übernehmen. Das Stift übernahm Pfarren, man sprach sogar von einer »Inkorporation«, einer »Einverleibung« der Pfarren in den klösterlichen Bereich. Freilich kann ein Mönch, der als Pfarrer eine Pfarre leitet, nicht zugleich wie ein Mönch leben. All die klösterlichen Gebräuche wie Chorgebet, Stillschweigen, Geistliche Lesung, gegenseitiger Gehorsam fallen weg. Das Pfarrersein eines Teils der Mönche wirkte sich auch aus auf die »Besatzung«, die weiterhin im Hause lebte. Man betrachtete sich plötzlich nicht mehr als bescheidener Mönch, sondern als »Stiftsherr«. Viele klösterliche Tugenden starben in den österreichischen Stiften im 19. Jahrhundert regelrecht aus. Da die Stifte ja über ökonomische Mittel verfügten, konnte man sich Angestellte für die einfachen Arbeiten im Kloster leisten, sogar für den klösterlichen Bereich: Pforte, Küche, Handwerks- und Wirtschaftsbetriebe wurden mit bezahlten Arbeitern und Angestellten besetzt. Die Mönche blieben zwar nicht untätig, aber als einzige ihnen gemäße Aufgabe betrachteten sie bald nur mehr die Seelsorge bzw. den Unterricht in den angeschlossenen Schulen. Im Fall von Heiligenkreuz war das die 1802 gegründete heutige Hochschule.
Die eigentliche Berufung, die Gott uns Mönchen geschenkt hat, ist die Berufung, ihn zweckfrei zu preisen: das gemeinsame Chorgebet war aber in der josephinisch-aufklärerischen Atmosphäre staatlich verboten und aus der Kirche verbannt worden, da man es als gesundheitsschädlich ansah. Die Mönche zogen sich zum Gebet auf eine Empore in der Kirche zurück. Heiligenkreuz wäre heute nicht Heiligenkreuz, hätte nicht nach der Not von 1945 der damalige Abt Karl Braunstorfer eine Welle der Begeisterung für das monastische Leben ausgelöst. Für diesen Abt Karl läuft mit Recht ein Seligsprechungsprozess, schon deshalb, weil er die Reformen gegen großen Widerstand josephinisch geprägter Mitbrüder durchführen musste. So ließ er 1949 die barocke Orgelempore abreißen und das Chorgestühl wieder an seinen Platz mitten in der Kirche stellen. Nach über 150 Jahren sah die Abteikirche endlich wieder wie eine Mönchskirche aus. Und die Mönche waren beim Chorgebet wieder sichtbar, vorher waren sie auf der Empore versteckt. Was aus den Augen ist, das ist aber aus dem Sinn. Heute ist es gleichsam ein Markenzeichen unseres Klosters, dass die Menschen an unserem Chorgebet teilnehmen können, um in Stille den Gesängen des Gregorianischen Chorals zu lauschen.
Unter Abt Karl Braunstorfer fiel noch eine wichtige Entscheidung, die Heiligenkreuz das heutige Gepräge gibt: Von 1962 bis 1965 fand das Zweite Vatikanische Konzil statt, das heute in kirchlichen Diskussionen oft nur »das Konzil« genannt wird. Das Konzil wollte die Reform der Liturgie, aber es wollte keinesfalls die Zerstörung uralter spiritueller Gebetsformen. Das Konzil erlaubte die Landessprache für die Heilige Messe und die anderen Gebete, aber es hat das Latein nicht abgeschafft. Abt Karl und die damals maßgeblichen Mitbrüder entschieden, dass die Heiligenkreuzer Zisterzienserliturgie reformiert werden soll. Das Latein – und damit den Gregorianischen Choral – wollte man aber unbedingt beibehalten. Obwohl das Konzil ausdrücklich sagt, dass »die Kleriker beim Stundengebet das Latein beizubehalten haben« (Sacrosanctum Concilium Nr. 101 § 1) und sogar anordnete, dass »die Gläubigen die ihnen zukommenden Teile der Messe auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können« (Sacrosanctum Concilium Nr. 54), lag diese Entscheidung damals gar nicht im Trend! Überall hatte sich schon die Mär verbreitet, dass das Konzil das Latein abgeschafft, ja sogar verboten habe. Dazu kam die 1968er-Mentalität, die auch weite Teile des Klerus erfasst hatte. Damals war Heiligenkreuz wegen der Treue zum Gregorianischen Choral und zum Latein »out«. Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute ist mein Kloster aus eben diesem Grund wieder »in«.
Wer hätte das gedacht! Als ich 1982, kurz vor meinem 19. Geburtstag, im Stift Heiligenkreuz eingetreten bin, warnte mich sogar mein Heimatpfarrer: »Du wirst doch nicht in dieses alte Kloster eintreten, die leben ja nicht zeitgemäß: In Heiligenkreuz singen sie noch Latein. Die sind am Aussterben. « Diese Worte fallen mir heute noch manchmal ein, wenn ich beim Chorgebet aufschaue und mein Blick über die große Schar der Brüder schweift. Das Chorgestühl ist gefüllt mit jungen, weißen Mönchen … Nein, die Warnung hat sich nicht bestätigt. Wir sind nicht nur nicht ausgestorben, sondern mein Kloster hat den höchsten Personalstand seit 500 Jahren. Und ich bin absolut zuversichtlich, dass Gott uns auch weiterhin viele gute Berufungen schicken wird.
1982 war mir noch nicht bewusst, dass Mönche ja eigentlich »die erfolgreichste Firma« der Welt sind. Wir Zisterzienser sind reformierte Benediktiner und leben nach einer Regel, die der heilige Benedikt in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts verfasst hat, also vor 1.500 Jahren. Und seither ist das benediktinische Mönchtum ein Erfolgsprogramm, das höchstens durch den Gottes- und Glaubenshass, den es leider in den letzten Jahrhunderten immer wieder gegeben hat, zerstört oder beschädigt werden konnte. Das Mönchtum ist eine geistig stabile Bewegung innerhalb der Kirche. Und ich danke Gott, dass ich dieser erfolgreichen Bewegung angehören darf. Speziell in Heiligenkreuz hat Gott uns in den letzten Jahren einige wirkliche Erfolgserlebnisse geschenkt, die mich zu einem geradezu euphorischen Optimisten machen. Ich bin überzeugt, dass das klösterliche Leben ein großes Potential auf Zukunft hin hat. Mönchtum ist zeitlos modern, weil wir nach einer zeitlos richtigen Grundoption leben, die Jesus im Evangelium mit den Worten formuliert hat: »Euch muss es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.« (Matthäus 6,33). Ich muss gestehen, dass ich auch dazugelernt habe.
Vor 30 Jahren war ich nicht so überzeugt, dass meine Lebensform als Mönch in einem fast 900 Jahre alten Kloster zukunftsfähig ist. Solche Reflexionen und Grübeleien waren mir damals ohnehin fremd, denn ich hatte mich einfach in den lieben Gott verliebt, dann kam Sein Ruf, der mich kurzfristig verblüfft, irritiert und regelrecht schockiert hat. Gottes Ruf war so deutlich, dass mir gar keine andere Wahl blieb, als zum damaligen Abt zu gehen und um Aufnahme zu bitten. Und plötzlich war ich Mönch, mit 18 Jahren, trug einen neuen Namen, den Ordensnamen »Karl«, und lief mit einem bodenlangen Gewand herum … Wer von Gott gerufen wird, der folgt. Erst jetzt in den letzten Jahren, wo mein Kloster von Gott so stark auf eine Bühne gestellt wurde, versuche ich, meine Erfahrungen zu reflektieren. Hier im Kloster läuft heute im Prinzip alles so wie immer. Von den fast 900 Jahren, in denen Heiligenkreuz besteht, überblicke ich natürlich nur die Spanne von etwa drei Jahrzehnten. Alles ist heute so wie damals. Nur, dass wir viel mehr geworden sind. Wir haben uns seither verdreifacht und den Altersschnitt enorm gesenkt. Sonst läuft ein Tag im Kloster heute genauso ab wie 1982, als ich als frisch eingekleideter Mönch durch die Gänge stolperte und aufpassen musste, dass ich nicht beim Stiegensteigen über das ungewohnte lange Gewand, den Habit, stolperte. Bei den Karthäusern, dem strengsten Orden der Kirche, gilt der Grundsatz: »Stat crux, dum volvitur orbis! Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht.«
Der Stabilität des klösterlichen Lebens steht die Flüchtigkeit der Moden und Strömungen der Welt gegenüber. Der Heilige Geist ist weit weniger launenhaft als der Zeitgeist. Die steife Moderne ist in die bunte Postmoderne hinübergekippt. Das Liberal-Sein nach dem Motto »Ich tue, was mir gefällt«, muss man sich heute nicht mehr erobern, wie das die 1968er-Bewegung noch wollte. Heute ist ohnehin alles erlaubt, was einem Spaß macht. Die Jungen müssen nicht mehr gegen eine strenge Eltern- oder Großelterngeneration rebellieren, denn die Alten tun ja auch, was sie wollen und wie sie’s wollen. »Panta rhei — alles fließt!« Und wie man früher starren Ordnungen entfliehen wollte, hat sich heute eine regelrechte Sehnsucht entwickelt, nach Geborgenheit und Identität, eine Sehnsucht nach »geordneten Verhältnissen«. Und genau das bietet ein Kloster. Freilich: Das Prinzip, das bei uns alles ordnet, ist nicht der militärische Drill einer Kaserne, sondern der fröhliche Glaube an einen liebenden Gott und die Gewissheit, dass es nichts Schöneres gibt, als für diesen Gott zu leben.
Tempora mutantur! Die Zeiten ändern sich wirklich. Unsere Klöster sterben nicht aus, im Gegenteil: Sie ziehen suchende Menschen an. Wenn ich früher eine Führung durch unsere mittelalterliche Klosteranlage machte, kam mit Sicherheit irgendwann die Frage: »Herr Pater, wie viele Mönche leben hier denn noch?« Das »noch« habe ich immer als ein extrem unbehagliches Wort empfunden. Denn da schwingt ja der Verdacht mit, als seien wir Mönche so etwas wie Dinosaurier, die kurz vor dem Aussterben stehen. Es hat sich jedoch herumgesprochen, bei uns zumindest seit dem Besuch von Papst Benedikt XVI. im Jahre 2007, dass wir Mönche nicht auf der Liste der aussterbenden Tierarten stehen, sondern dass das Gegenteil der Fall ist. Mein Kloster Heiligenkreuz ist voll mit jungen Mönchen, der Altersschnitt liegt um 46 Jahre, sodass ich mich schon als Oldie fühlen darf. Wir haben nicht das Problem leerstehender Räume, sondern im Gegenteil: Wir werden in den nächsten Jahren dringend Hilfe benötigen, um dazuzubauen, denn wir haben jetzt bereits zu wenige Zimmer für den Ordensnachwuchs, und auch unsere Hochschule platzt aus allen Nähten.
Wenn ich das schreibe, so klingt das vielleicht ein bisschen hochmütig. Das ist es nicht, denn wir können uns ja diese Fruchtbarkeit, die wir erleben, selbst nicht erklären. Die Ursache liegt nicht bei uns, sondern bei Gott. Und wenn heute so viel Schlechtes über die Kirche geredet wird, dann muss es doch auch einmal erlaubt sein, über das Gute zu reden, das Gott gemacht hat. »Haec fecit Dominus! Dieses Werk hat der Herr gemacht!«, heißt es am Ende von Psalm 22 (Psalm 22,32), den Christus selbst am Kreuz anstimmt. Jesus sagt: »Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.« (Matthäus 5,14-16).
Durch das, was uns in den letzten Jahren passiert ist, ist unser Kloster eines der bekanntesten Europas geworden. Ohne dass wir es gesucht oder gewollt hätten. Wenn man heute »Heiligenkreuz« in eine Internet-Suchmaschine eingibt, dann wird man über eine Million Treffer finden, wobei man ein paar Hits für die beiden anderen Orte gleichen Namens in Österreich abziehen muss … Unsere Homepage zählt seit 2007 zwei Millionen Besucher. Wie kam es dazu, dass Heiligenkreuz so bekannt wurde? Die Geschichte habe ich wohl schon hunderte Male erzählt und tue es schon deshalb wieder gerne, weil in ihr so viele kleine Wunder stecken, dass ich sie als Lobpreis auf das Wirken Gottes verstehe. Das Jahr 2007 stellt eine gewisse Zäsur dar. Freilich: Heiligenkreuz war schon vorher berühmt. Wir zählten bis 2007 bereits 150.000 Klosterbesucher, hatten zahlreiche Berufungen, durften uns über das Wachsen der Hochschule und den Zustrom von Jugendlichen zu unseren Jugendgebeten freuen. Da ich bei all dem, was dann passierte, als Verantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit tätig war, denke ich mir in aller Kindlichkeit: Offensichtlich hatte dem lieben Gott unser treues und konzentriertes Leben gefallen; offensichtlich brauchte er uns, um durch uns ein bisschen Werbung für sich zu machen.
Das Jahr 2007 war aus zwei Gründen spannend. Zum einen wurden wir urplötzlich zum Oscar-Kloster. Mittlerweile ist es ja schon fast Routine, dass jedes Jahr ein Oscar an einen österreichischen Film (2008: »Die Fälscher«) oder einen österreichischen Schauspieler (2010: Christoph Waltz) geht. Das war damals noch nicht so eingespielt; umso größer war der Medienhype. Der Neffe des Abtes Gregor Henckel Donnersmarck, Florian Henckel von Donnersmarck, hatte gleich mit seinem ersten Film den Oscar gewonnen: »Das Leben der Anderen« ist ein Film, der zutiefst therapeutisch auf die Seele der wiedervereinigten Deutschen wirkt, und das Drehbuch dazu hatte Florian in einer asketischen Mönchszelle bei uns geschrieben. In der Öffentlichkeit hatte ich bis dahin immer nur mit braven Journalisten aus dem kirchlichen oder dem kulturellen Bereich zu tun, die zahme Dokumentationen über Klosterbibliotheken oder Klostergärten drehen wollten. Jetzt kam ein Ansturm von Journalisten. Ungewohnt, aber sympathisch. Die klischeehaften Vorurteile vom weltfremden Kloster bröckelten sehr schnell, als sie uns Mönche mit Handys und Laptops hantieren sahen. Die Fragen waren naiv, doch unsere Botschaft war: Ein Kloster ist ein Ort der Kreativität und der Inspiration. Tatsächlich kommen jetzt immer wieder Künstler, Schriftsteller und Komponisten zu uns, um sich zurückzuziehen. Manche möchten sogar ausdrücklich in der Zelle wohnen, wo Florian damals wie ein Mönch, fern von seiner Frau und seinen kleinen Kindern, das Drehbuch verfasste.
Wenige Tage nach dem Oscar-Trara wurde es noch spannender. Am 8. März kam die Nachricht, dass Papst Benedikt XVI. sich wünschte, bei seiner Pilgerreise nach Mariazell im September 2007 Heiligenkreuz zu besuchen. Das rückte uns wiederum völlig in den Fokus der katholischen Öffentlichkeit. Wie stark, wurde mir noch einige Jahre später bewusst, als ich in Rom war und im Petersdom eine Heilige Messe feiern durfte. Überall, wo man mich im schwarzweißen Zisterziensergewand als Mönch von Heiligenkreuz erkannte, hieß es sofort: »Ah, Heiligenkreuz, das Kloster, das der Heilige Vater besucht hat!« Übrigens hat Papst Benedikt XVI. eine Schwäche für das Mönchtum, wie ja schon aus der Wahl seines Namens deutlich wird. Ich halte den Papst für einen der größten Intellektuellen unserer Zeit. Er ist einer, der weiß, dass es keine Zukunft der Kirche geben wird, wenn sie nicht Kraft aus ihren spirituellen Wurzeln schöpft. Und eine davon ist das Gebet in der Form des Gesanges des Gregorianischen Chorals. So wünschte sich der Papst, dass wir bei seinem Besuch ein Stück Choral singen. Noch nie hatte ein Papst unser Kloster besucht, und wohl noch nie zuvor hatte ein Papst ein Kloster einfach so besucht. Wenn Päpste bisher in Stifte und Klöster kamen, so nur, weil sie als Austragungsorte für Treffen mit bestimmten kirchlichen Kreisen oder Gruppen dienten. Natürlich ging es Benedikt XVI. bei seinem Besuch nicht nur um Heiligenkreuz; wieder gilt das Prinzip »pars pro toto«, ein Teil steht für das Ganze. Aus seiner Ansprache ist klar zu entnehmen, dass er auf die Bedeutung des Mönchtums insgesamt hinweisen wollte. Dieser 9. September 2007 hat sich unauslöschlich in unser aller Gedächtnis eingeprägt. Da ich als Rektor der Hochschule die Ehre hatte, mit dem Herrn Abt hinter dem Papst gehen und sitzen zu dürfen, läuft mir jetzt noch eine Gänsehaut über den Rücken, wenn ich an verschiedene Szenen denke. Ich sah den Papst auf seinem Thron im Altarraum von hinten und hatte den Eindruck, dass er in sich versank. Die Fernsehaufnahmen zeigen es auch deutlich: Der Papst meditierte, während die Mitbrüder sangen. Und er begann zu strahlen. Ja, da war etwas von Friede und Glückseligkeit, von Geborgenheit und Wärme, das plötzlich um ihn und in uns allen war. Das war die Kraft des Gregorianischen Chorals, des »gesungenen Gebetes«, wie es Abt Gregor immer genannt hat. Der Papstbesuch war eines der intensivsten seelischen Ereignisse, die ich je hatte. Als der Heilige Vater dann, umjubelt von Zehntausenden, mit seinem Konvoi in großer Verspätung, weil er länger als geplant geblieben war, aus dem inneren Stiftshof fuhr, war ich so glücklich wie selten zuvor in meinem Leben. Und ich dachte mir: »Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden …« (Lukas 2,29). Denn etwas Größeres als das Heutige kannst du nicht mehr erleben. Und in all den damaligen Emotionen stand mir auch der Gedanke vor Augen: »Pater Karl, jetzt hast du genug erlebt. Von nun an rüste dich wieder für ein ruhiges verborgenes Leben als Mönch.« Ich sollte mich irren.
Wenige Monate später ging es dann weiter: Das österreichische Fernsehen und 3Sat drehten eine einstündige Dokumentation, und der amerikanische Dokumentationskanal HBO verbreitete die Geschichte weltweit in einer brillanten dreißigminütigen Doku. Es ist die Geschichte eines kleinen Wunders. Denn im Frühjahr 2008 bekamen wir einen Plattenvertrag von einer mir völlig unbekannten Firma namens »Universal Music«. Und fest steht: Wenn Mönche einen Vertrag mit einem säkularen Musikkonzern machen, der in der Popwelt Größen wie Eminem, Madonna und Amy Winehouse unter Vertrag hat, dann ist das exotisch und folglich auch sensationell. Der Medienhype war gigantisch. Ein YouTube-Video, das unser junger Pater Martin über unser klösterliches Leben online gestellt hatte, unterlegt mit unserem Gregorianischen Choral, zählte binnen kurzer Zeit über eine Million Zugriffe. Wir haben das alles nicht gesucht, es wurde verfügt. Ein Medienexperte sagte mir: Um eine solche positive Aufmerksamkeit zu erzielen, wie das bei Heiligenkreuz der Fall ist, müsste man einer Werbefirma viele Millionen zahlen. Nun: Wir haben keinerlei Marketing-Etat, und wir sind als Mönche normalerweise auch sehr zufrieden, wenn wir in Ruhe gelassen werden. Niemand von uns ist ins Kloster gegangen, um gefilmt oder interviewt zu werden. Wir sind hier an diesem geistlichen Ort, weil wir Gott in Gebet und Arbeit unsere Liebe zeigen wollen.
Wie es uns trotzdem erwischte – das ist eine wunderbare Geschichte. Sie zeigt, dass Gott großartig ist und dass er Humor hat. Die Universal Music Group hatte schon seit Wochen über Inserate in allen religiösen Medien in England und Amerika »the most beautiful sacred voices« gesucht und daraufhin hunderte von Bewerbungen von geistlichen Chören, von Klöstern und Ordensgemeinschaften aus der ganzen Welt erhalten. Wir hatten davon natürlich keine Ahnung, bis uns am 28. Februar 2008 ein Freund unseres Hauses, der sich immer wieder einmal bei uns im Kloster von seiner reizenden Frau und seinen drei lieben Kindern erholt, durch eine E-Mail darauf aufmerksam machte. Ohne zu wissen, was sich hinter »Universal Music« verbergen mochte, schickte ich am nächsten Tag eine kurze E-Mail. Es war der 29. Februar 2008 – der letzte Tag vor Ablauf der Bewerbungsfrist. Dabei machte ich mir, ehrlich gesagt, keine große Mühe, weil ich mir ohnehin keine Chancen ausrechnete. Ich verwies einfach auf die Hörbeispiele von Gregorianischem Choral auf unserer Homepage und auf den besagten Videoclip, den unser Pater Martin bei dem Internetportal YouTube geladen hatte. Freilich versäumte ich es nicht, zum Schluss noch die kleine Bemerkung anzubringen: »We are singing beautifully, even the Holy Father is a big fan of us! Wir singen ganz schön, sogar der Heilige Vater ist ein großer Fan von uns!« Was ja zweifellos stimmte.
Und dann geschah das Unerwartete. Noch am Nachmittag desselben Tages kam ein begeisterter Anruf von einem gewissen Tom Lewis: »You are the one! Sie sind es! Sie haben den Zuschlag! Congratulations!« Tom, so stellte sich heraus, war der Erfinder des Projektes von den »most beautiful sacred voices«. Von Anfang an war er begeistert und schwärmte von der Qualität des Chorals der Mönche von Heiligenkreuz. Er würde sogar »the most famous« Anna Barry mitbringen, eine der besten Produktionsleiterinnen für klassische Musik, die es überhaupt gibt. Anfang April fanden die Aufnahmen für die CD »Chant – Music for Paradise« in unserer Kreuzkirche statt. Unser Kantor, Pater Simeon Wester, und 17 junge Mitbrüder, die er aus uns 74 Mitbrüdern für die Aufnahmen ausgewählt hatte, wollten nicht in ein Studio gehen, sondern in einer Kirche singen – mit Blickrichtung auf das Allerheiligste, den Altar, das Kreuz. Den Gregorianischen Choral singt man immer für Gott. Ihn eben mal für eine Hi-Fi-Aufnahme aus diesem Kontext herauszulösen, ist Kitsch. Hier nun wurde in der Gegenwart Gottes gesungen. Damit begann eine einzigartige, weltweite Erfolgsgeschichte – freilich auch das kritische Fragen innerhalb der Klostergemeinde : Haben wir das nötig, uns als »Pop-Mönche« feiern zu lassen ? Dürfen wir das denn, mit den heiligen Gesängen auf den Markt gehen? Für uns ist der Gregorianische Choral ja nicht eine Musik wie jede andere, sondern letztlich gesungenes Gebet. Es ging uns auch nicht um das Honorar. Wir erhielten ohnehin nur die üblichen Tantiemen, das sind ca. 42 Cent pro CD. Wobei es natürlich erstaunlich genug ist, wenn man mit dem täglichen Gebet eine halbe Million Euro verdienen kann. Denn so viel ist bei ca. 1,1 Millionen verkauften CDs hereingekommen. Und es ist schon alles ausgegeben, denn wir haben es für unsere Priesterstudenten aus Asien und Afrika, aus Syrien und anderen Ländern verwendet.
Eine wichtige Frage für uns war, ob das überhaupt zu uns passt. Ob wir es als Mönche verantworten können, so sehr in der Öffentlichkeit zu stehen. Wir haben sehr ernsthaft überlegt, und Abt Gregor, der sonst Kameras und Journalisten nicht scheut, war durchaus zögerlich. Es war dann niemand Geringerer als der Papst selbst, der uns geholfen hat, unser Ja zur CD zu sagen. Ohne das Wort von Benedikt XVI. hätten wir uns wahrscheinlich nicht ins Rampenlicht der Medien getraut. Bei seinem Besuch in Heiligenkreuz am 9. September 2007, also fünf Monate vor unserer »Entdeckung« durch Universal Music, sagte er nämlich wörtlich: »Ein Kloster, in dem sich die Gemeinschaft mehrmals zum Gotteslob versammelt, bezeugt, dass die urmenschliche Sehnsucht nach letzter Erfüllung höchsten Glücks nicht ins Leere geht.« Das entscheidende Wörtchen in diesem Text lautet: »bezeugt«. Abt Gregor empfand das wie den päpstlichen Auftrag: »Tut es!« Und schließlich mussten wir uns ja auch selbst eingestehen : Seit Jahrhunderten waren wir Mönche bereit, Seelsorge in den Pfarren und in den unterschiedlichsten Einrichtungen außerhalb des Klosters auszuüben. Das »Apostolat« gehört wesentlich zu unserer österreichischen Form des Zisterzienserseins. Wir sind kein abgeschottetes Grüppchen, dem der Rest der Welt egal ist, sondern wir sind für die Menschen da. Unser Gesang gilt zwar Gott, aber was ist dagegen einzuwenden, dass man ihn nun in aller Welt hören soll, als Zeugnis unseres Glaubens? Und genau das wollten wir: Den Menschen »bezeugen«, dass wir an Gott glauben, dass wir Gott lieben und dass wir deshalb Gregorianischen Choral singen, weil nur die schönste Musik für Gott gut genug ist. Ich denke, dass die unerwartete Wirkung die Richtigkeit dieser Entscheidung bestätigt hat: Menschen, die »Chant« gehört haben, schrieben uns in Briefen und E-Mails, wie sehr
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