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Locker und leicht verständlich, klar und präzise erklärt bell hooks in "Feminismus für alle", weshalb es die feministische Bewegung gibt, warum es sie braucht und vor allem, warum sich ihr alle anschließen können und sollten. Denn der Feminismus, für den bell hooks das Wort ergreift, zielt darauf ab, einen ganzheitlichen Wandel herbeizuführen. Um das Leben aller Menschen, unabhängig von Alter oder Geschlecht, auf Dauer zum Besseren zu verändern, müssen alle sexistischen Verhältnisse nachhaltig abgeschafft werden. Solange sich Frauen, getrieben vom Schönheitswahn, zu Tode hungern, solange Kinder Gewalt ausgesetzt sind, egal welcher Art, weil ihre Eltern einen patriarchalen Erziehungsstil pflegen, solange nicht gleiche Arbeit mit gleichem Lohn bezahlt wird – so lange hat der Feminismus nicht ausgedient. Im Gegenteil: Es gilt, ihn immer wieder neu zu entfachen, zu befeuern und zum Lodern zu bringen! Mit "Feminismus für alle" hat bell hooks genau die kompakte Einführung in den Feminismus geschrieben, die sie selbst gerne längst gelesen hätte: Ein Buch, das ein breites Spektrum an Diskussionen auffächert und zahlreiche Impulse liefert, die einer inklusiven, solidarischen feministischen Bewegung – just zur richtigen Zeit – den Rücken zu stärken vermag. »Ein beherzter Beitrag, der innerhalb der feministischen Theorie trotz seines Alters an Aktualität nichts missen lässt. Ein Muss für alle, die nach wie vor an den betonierten gesellschaftlichen Spaltinstrumenten etwas ändern wollen. Empfehlenswert!« – Margarita Ruppel, WeiberDiwan
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Seitenzahl: 180
bell hooks, am 25. September 1952 als Gloria Watkins in Hopkinsville, Kentucky geboren, ist eine afroamerikanische Literaturwissenschaftlerin. In ihren zahlreichen Veröffentlichungen beschäftigt sie sich mit Feminismus und Gender-Fragen, Antirassismus, Klassismus und Kulturkritik.
bell hooks
Feminismus für alle
Aus dem amerikanischen Englisch von Margarita Ruppel
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
Die Arbeit der Übersetzerin am vorliegenden Text wurde im
Rahmen des Programms „NEUSTART KULTUR“ aus Mitteln
der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert.
bell hooks: Feminismus für alle
1. Auflage, Oktober 2021
eBook UNRAST Verlag, Januar 2022
ISBN 978-3-95405-094-9
© UNRAST Verlag, Münster
www.unrast-verlag.de | [email protected]
Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe)
Titel der Originalausgabe:
Feminism Is for Everybody, 2nd Edition
Veröffentlicht von Routledge, 2015
Erstveröffentlichung South End Press, 2000
Copyright © 2015 Gloria Watkins
Alle Rechte vorbehalten
Autorisierte Übersetzung der englischsprachigen Ausgabe,
herausgegeben von Routledge, einem Mitglied der Taylor & Francis Group LLC
Umschlag: Unrast Verlag, Münster
Satz: Unrast Verlag, Münster
Vorwort zur Neuauflage
Einleitung: Nähert euch dem Feminismus an!
1 Feministische Politik: Wo wir stehen
2 Bewusstseinsbildung: Ein ständiger Sinneswandel
3 »Sisterhood is still powerful«
4 Feministische Bildung für ein kritisches Bewusstsein
5 Unser Körper, unser Selbst: Reproduktive Rechte
6 Schönheit von innen und von außen
7 Feministischer Klassenkampf
8 Globaler Feminismus
9 Arbeitende Frauen
10 Race und Gender
11 Die Gewalt beenden
12 Feministische Männlichkeit
13 Feministische Erziehung
14 Befreiende Ehe und Partnerschaft
15 Feministische Sexualpolitik: Eine Ethik gegenseitiger Freiheit
16 Vollkommenes Glück: Lesbischsein und Feminismus
17 Zurück zur Liebe: Das Herz des Feminismus
18 Feministische Spiritualität
19 Visionärer Feminismus
Anmerkungen
Vorwort zur Neuauflage
Nach über vierzig Jahren der Auseinandersetzung mit feministischer Theorie und Praxis bin ich stolz darauf, bezeugen zu können, dass meine Hingabe zur feministischen Bewegung, die das Patriarchat herausfordern und abschaffen will, mit jedem Lebensjahr gewachsen ist. Mehr als je zuvor arbeite ich daran, die befreiende Freude zu teilen, die der feministische Kampf in unser Leben als Frauen und Männer bringt, die sich nach wie vor um einen Wandel bemühen, die nach wie vor auf ein Ende von Sexismus, sexistischer Ausbeutung und Unterdrückung hoffen.
Als ich mich für die feministische Bewegung zu engagieren begann, war ich vom ersten Moment an hellauf von der Idee begeistert, eine feministische Massenbewegung aufzubauen. In dem Glauben, die feministische Bewegung für soziale Gerechtigkeit könne unser aller Leben verändern, suchte ich schon als 20-Jährige nach Wegen und Ideen, die Bedeutung feministischer Denk- und Verhaltensweisen einem größeren Publikum, der breiten Bevölkerung, näherzubringen. Und während viele meiner Texte tatsächlich Menschen ansprachen, die noch nie über Feminismus nachgedacht hatten, vor allem in der Schwarzen[1] Community, führte die Tatsache, dass ich fast alle meine Bücher als Studentin oder Professorin geschrieben hatte, dazu, dass sie nicht immer dieses größere Publikum erreichten. In der Regel erfährt die lesende Öffentlichkeit von einem Buch, wenn es in einer Buchhandlung ausgestellt wird oder eine Rezension dazu erscheint. Wenn Veröffentlichungen gesellschaftskritisch und progressiv sind, ist es aber eher unwahrscheinlich, dass sie in den Mainstream-Medien häufig besprochen werden.
Ich schätze mich glücklich, Bücher veröffentlicht zu haben, die, auch wenn sie kaum rezensiert wurden, ihr Publikum fanden. Definitiv waren Seminarlektürelisten ein Weg, auf dem Bücher, die kaum Aufmerksamkeit vom Mainstream bekamen, zu ihrer Leser*innenschaft gelangen konnten. Und wenn man Bücher schreibt, über die die Leute sagen: »Dieses Buch hat mein Leben gerettet«, dann verkaufen sie sich natürlich auch durch Mundpropaganda. Blicke ich nun auf vierzig Jahre des Schreibens feministischer Theorie zurück, bin ich zutiefst beeindruckt, dass mein Werk noch immer Leser*innen findet, noch immer zu kritischer Auseinandersetzung beiträgt.
Über die Jahre, in denen sich immer mehr unterschiedliche weibliche und männliche Stimmen mit beeindruckenden Schriften über feministische Theorie und Kulturkritik zu Wort meldeten, hat sich das akademische zum primären Umfeld für die Verbreitung feministischen Gedankenguts entwickelt. Diese Tendenz hat sich positiv auf die Studierenden ausgewirkt, da sie dadurch mehr Gelegenheit haben, die Macht und die Bedeutung feministischen Denkens und Handelns kennenzulernen. Auf die Arbeit, das Engagement für die feministische Bewegung in einer breiteren Öffentlichkeit zu verankern, hat sie sich jedoch negativ ausgewirkt.
Mein feministisches Bewusstsein entfaltete sich voll und ganz im Grundstudium, das mein Denken geformt und verändert hat, durch die Seminare in Frauenforschung und die Bücher, die wir lasen. Aufgewachsen in einer Familie mit sechs Mädchen und einem Jungen, wollte ich jedoch auch, dass meine Mama, meine Geschwister, alle, die ich kannte, so berauscht vom feministischen Denken wären wie ich. Das diesem Vorwort vorangestellte Bild zeigt meine beste Freundin und mich in unserem ersten Jahr auf dem College. Rassismus stand unserer Bindung nicht im Weg, denn uns hatten gemeinsame Belange der Arbeiter*innenklasse zusammengebracht. Wir sind Ende neunzehn, fast zwanzig auf dem Foto. Als mich die Begeisterung für den Feminismus packte, begleitete April mich zu feministischen Konferenzen, um zu lernen, worum es bei alldem ging. Mehr als vierzig Jahre später besuchen wir noch immer gemeinsam feministische Vorträge. Wir erfuhren, dass es stimmte, was alle sagten, »Sisterhood is powerful«, indem wir die Reise des Lebens gemeinsam erlebten und bewältigten.
Wenn ich darüber nachdachte, was ich schreiben sollte, bin ich immer von konkreten Erfahrungen ausgegangen und habe über das geschrieben, was in meinem und im Leben der Frauen und Männer um mich herum geschah. Jahrelang habe ich Leute innerhalb wie außerhalb der Uni sagen hören, dass sie die Theorie und Praxis des Feminismus nicht verstünden. Studierende, die Seminare in Frauenforschung belegt und ein kritisches Bewusstsein entwickelt hatten, standen meist vor dem Problem, dass sie ihre neuen Denkweisen gegenüber Familie und Freund*innen nur schwer erklären konnten.
Angesichts all der Klagen, feministische Theorie sei einfach »zu akademisch« oder verwende »zu viele Wörter, die die Leute nicht verstehen können«, gewann ich den Eindruck, dass die Bewegung in gewisser Weise versagt hätte, wenn wir feministische Politik nicht allen näherbringen könnten. Ich sagte oft, wir sollten von Tür zu Tür gehen, um feministisches Denken zu verbreiten (dazu kam es aber nie). Dann kam mir die Idee, ein Buch zu schreiben, das leicht zu lesen sein sollte, feministische Ansichten erklären und die Leute ermutigen würde, sich feministische Politik zu eigen zu machen.
Zu keinem Zeitpunkt habe ich geglaubt, dass sich die feministische Bewegung nur an Frauen richten sollte oder dies jemals getan hat. Im Grunde meines Herzens wusste ich, dass es uns nie gelingen würde, eine erfolgreiche feministische Bewegung auf die Beine zu stellen, wenn wir nicht jede und jeden, weiblich wie männlich, Frauen wie Männer, Mädchen wie Jungen dazu ermutigen könnten, sich dem Feminismus zu nähern. Ich erzählte meinen Studierenden, dass ich vorhatte, ein Buch zu schreiben, das feministische Denkweisen erklärt, eines, das man mit nach Hause nehmen und mit Verwandten, Eltern, Großeltern oder Gemeindemitgliedern teilen kann.
Der Titel Feminismus für alle ist wie ein Slogan, der bereits alles enthält, worum es in dem Buch geht. Klar, präzise, leicht zu lesen, für mich geht damit ein Traum in Erfüllung. Denn es lädt uns alle ein, dem Feminismus näherzukommen.
bell hooks
EinleitungNähert euch dem Feminismus an!
Überall, wo ich hingehe, erzähle ich den Leuten, die wissen möchten, wer ich bin und was ich mache, stolz, dass ich Autorin, feministische Theoretikerin und Kulturkritikerin bin. Ich erzähle ihnen, dass ich über Filme und Popkultur schreibe, die Botschaft im Medium analysiere. Die meisten Leute finden das spannend und möchten mehr erfahren. Jede*r geht ins Kino, schaut Fernsehen, blättert durch Zeitschriften und macht sich Gedanken über die Botschaften, die wir erhalten, über die Bilder, die wir sehen. Den verschiedenen Zuhörer*innen, denen ich begegne, fällt es leicht, zu verstehen, was ich als Kulturkritikerin mache, meine Leidenschaft für das Schreiben zu verstehen (viele Leute möchten gerne schreiben und tun es auch). Aber feministische Theorie – da hören die Fragen auf. Stattdessen bekomme ich meist über all die Boshaftigkeit des Feminismus und die bösen Feministinnen zu hören: dass »sie« Männer hassen; dass »sie« sich der Natur widersetzen wollen – und, bei Gott, dass »sie« alle lesbisch sind; dass »sie« alle Jobs wegnehmen und weißen Männern, die nicht die geringste Chance haben, das Leben schwer machen.
Wenn ich dieselben Leute nach den feministischen Büchern oder Zeitschriften frage, die sie lesen, wenn ich sie nach den feministischen Vorträgen frage, die sie gehört haben, nach den feministischen Aktivist*innen, die sie kennen, erfahre ich aus ihren Antworten, dass alles, was sie in ihrem Leben über Feminismus gelernt haben, aus dritter Hand kam, dass sie dem Feminismus gar nicht nahe genug gekommen sind, um zu begreifen, was eigentlich passiert, worum es eigentlich geht. Hauptsächlich glauben sie, Feminismus bestehe aus einem Haufen wütender Frauen, die wie Männer sein wollen. Sie denken nicht einmal daran, dass es im Feminismus um Rechte gehen könnte – darum, dass Frauen gleiche Rechte erlangen. Wenn ich über den Feminismus spreche, wie ich ihn kenne – ganz persönlich – hören sie bereitwillig zu, wenngleich sie, sobald unsere Unterhaltung zu Ende geht, schnell die Meinung äußern, ich sei anders, nicht wie die »richtigen« Feministinnen, die Männer hassen, die wütend sind. Ich versichere ihnen dann, dass ich eine so richtige und radikale Feministin sei, wie eine nur sein könne, und wenn sie sich trauten, dem Feminismus näherzukommen, würden sie sehen, dass er anders ist, als sie ihn sich vorgestellt hatten.
Jedes Mal, wenn ich mich bei einer solchen Begegnung verabschiede, wünsche ich mir, ich hätte ein kleines Buch zur Hand, damit ich sagen kann: Lies dieses Buch und es wird dir erzählen, was Feminismus ist, worum es in der Bewegung geht. Ich möchte ein kurzes und prägnantes Buch in der Hand halten, leicht zu lesen und zu verstehen,; kein langes Buch, kein Buch voller schwer verständlichen Jargons und akademischer Sprache, sondern ein Buch, das klar und geradeheraus ist – leicht zu lesen, ohne vereinfachend zu sein. Von dem Moment an, in dem das feministische Denken, die feministische Politik und Praxis mein Leben verändert haben, habe ich mir dieses Buch gewünscht. Ich wollte es den Menschen geben, die ich liebe, damit sie diese Sache besser verstehen, diese feministische Politik, an die ich zutiefst glaube, die die Grundlage meines politischen Lebens bildet.
Ich wollte, dass sie eine Antwort auf die Frage »Was ist Feminismus?« haben, die weder auf Angst noch Fantasievorstellungen basiert. Ich wollte, dass sie diese einfache Definition haben, die sie wieder und wieder lesen können, damit sie wissen: »Feminismus ist eine Bewegung, die Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung beenden will.« Ich liebe diese Definition, die ich vor mehr als zehn Jahren zum ersten Mal in Feminist Theory: From Margin to Center vorgeschlagen habe. Ich liebe sie, weil sie so deutlich macht, dass es in der Bewegung nicht darum geht, männerfeindlich zu sein. Sie sagt klar aus, dass Sexismus das Problem ist. Und diese Klarheit hilft uns, uns daran zu erinnern, dass wir alle, weiblich und männlich, von Geburt an daraufhin sozialisiert wurden, sexistisches Denken und Handeln zu akzeptieren. Folglich können Frauen genauso sexistisch sein wie Männer. Das entschuldigt oder rechtfertigt nicht die männliche Vormachtstellung, bedeutet aber, dass es von feministischen Denker*innen naiv und falsch wäre, die Bewegung vereinfachend als eine für Frauen gegen Männer zu betrachten. Um das Patriarchat (eine andere Bezeichnung für den institutionalisierten Sexismus) zu beenden, muss uns klar sein, dass wir alle daran teilhaben, Sexismus aufrechtzuerhalten, bis wir uns in unseren Köpfen und Herzen ändern, bis wir sexistisches Denken und Handeln hinter uns lassen und es durch feministisches Denken und Handeln ersetzen.
Als Gruppe profitieren Männer, früher wie heute, am meisten vom Patriarchat, von der Annahme, sie seien Frauen überlegen und sollten über uns herrschen. Diese Vorteile haben jedoch ihren Preis. Im Austausch für all die Leckerbissen, die Männer vom Patriarchat erhalten, wird von ihnen verlangt, Frauen zu dominieren, uns auszubeuten und zu unterdrücken, Gewalt anzuwenden, wenn sie müssen, um das Patriarchat intakt zu halten. Den meisten Männern fällt es schwer, Patriarchen zu sein. Die meisten Männer sind verstört vom Hass gegen und der Angst von Frauen, von männlicher Gewalt gegen Frauen, selbst diejenigen, die diese Gewalt fortsetzen. Sie fürchten sich jedoch, die Vorteile aufzugeben. Sie sind unsicher, was mit der Welt, die ihnen so vertraut ist, passieren wird, wenn sich das Patriarchat wandelt. Also fällt es ihnen leichter, die männliche Herrschaft passiv zu unterstützen, selbst wenn sie in ihren Köpfen und Herzen wissen, dass es falsch ist. Immer wieder erzählen mir Männer, sie wüssten nicht, was Feminist*innen eigentlich wollten. Ich glaube ihnen. Ich glaube an ihre Fähigkeit, sich zu verändern und zu wachsen. Und ich glaube, wenn sie nur mehr über Feminismus wüssten, dann würden sie ihn nicht länger fürchten, denn sie fänden in der feministischen Bewegung die Hoffnung auf ihre eigene Befreiung von den Fesseln des Patriarchats.
Für diese Männer, ob jung oder alt, und für uns alle habe ich dieses kurze Handbuch geschrieben, das Buch, nach dem ich mich zwanzig Jahre lang gesehnt habe. Ich musste es schreiben, weil ich vergeblich darauf gewartet habe, dass es erscheint. Und ohne dieses Buch gab es keinen Weg, jene Massen von Menschen in diesem Land zu erreichen, die täglich mit antifeministischen Abwehrreaktionen bombardiert werden, denen beigebracht wird, eine Bewegung zu hassen und zu bekämpfen, über die sie nur wenig wissen. Es sollte so viele kleine feministische Fibeln, leicht zu lesende Broschüren und Bücher geben, die uns alles über Feminismus erzählen, dass dieses Buch bloß eine weitere leidenschaftliche Stimme wäre, die sich für feministische Politik starkmacht. Es sollte Werbeplakate geben, Anzeigen in Zeitschriften, Werbung in Bussen, U-Bahnen, Zügen, Fernsehspots, die die Botschaft verbreiten, der Welt mehr über Feminismus beibringen. Wir sind noch nicht so weit. Doch genau das ist es, was wir tun müssen, um den Feminismus bekanntzumachen, damit die Bewegung in die Köpfe und Herzen aller gelangt. Feministischer Wandel hat bereits unser aller Leben auf positive Weise berührt. Und doch verlieren wir das Positive aus den Augen, wenn alles, was wir über Feminismus hören, negativ ist.
Als ich begann, mich männlicher Vormacht zu widersetzen, gegen patriarchales Denken zu rebellieren (und mich der stärksten patriarchalen Stimme in meinem Leben entgegenzustellen – der Stimme meiner Mutter), war ich noch eine Jugendliche, selbstmordgefährdet, depressiv, unsicher, wie ich in meinem Leben einen Sinn und einen Platz für mich finden sollte. Ich brauchte den Feminismus, um ein Fundament der Gleichheit und Gerechtigkeit zu erhalten, auf dem ich stehen konnte. Mama hat inzwischen auch zum Feminismus gefunden. Sie sieht, wie ich und alle ihre Töchter (wir sind sechs) dank feministischer Politik ein besseres Leben führen. Sie sieht das Versprechen und die Hoffnung in der feministischen Bewegung. Dieses Versprechen und diese Hoffnung möchte ich in diesem Buch mit euch, mit allen, teilen.
Stellt euch eine Welt vor, in der es keine Herrschaft gibt, in der Frauen und Männer einander nicht gleich und auch nicht stets ebenbürtig sind, in der aber unser zwischenmenschliches Handeln von einem Ethos der Gegenseitigkeit geprägt ist. Stellt euch eine Welt vor, in der wir alle sein können, wer wir sind, eine Welt des Friedens und der Möglichkeiten. Die feministische Revolution allein wird diese Welt nicht hervorbringen; wir müssen auch Rassismus, Klassismus und Imperialismus beenden. Sie wird es uns jedoch ermöglichen, zu vollkommen selbstverwirklichten Frauen und Männern zu werden und als solche liebevolle Communitys zu erschaffen, zusammenzuleben und unsere Träume von Freiheit und Gerechtigkeit zu verwirklichen, die Wahrheit zu leben, dass wir alle »gleich geschaffen« sind. Kommt näher. Seht, wie der Feminismus euer und unser aller Leben berühren und verändern kann. Kommt näher und erfahrt aus erster Hand, worum es in der feministischen Bewegung geht. Kommt näher und ihr werdet sehen: Feminismus ist für alle.
bell hooks
1
Feministische Politik: Wo wir stehen
Vereinfacht gesagt, ist Feminismus eine Bewegung, die Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung beenden will. Diese Definition habe ich vor mehr als zehn Jahren in Feminist Theory: From Margin to Center vorgeschlagen. Damals hoffte ich, sie würde zu einer gängigen Definition werden, die jede*r benutzte. Ich mochte diese Definition, da sie nicht davon ausgeht, dass Männer der Feind sind. Indem sie Sexismus als das Problem benennt, trifft sie genau den Kern der Sache. Diese Definition umfasst praktisch alle sexistischen Denkweisen und Handlungen als Problem, ganz egal, ob diejenigen, von denen sie ausgehen, nun weiblich oder männlich sind, Kinder oder Erwachsene. Sie ist auch weit genug gefasst, um systemisch institutionalisierten Sexismus zu verstehen und mit einzubeziehen. Als Definition ist sie ergebnisoffen. Um den Feminismus zu verstehen, muss man ihr zufolge notwendigerweise den Sexismus verstehen.
Wie alle Vertreter*innen feministischer Politik wissen, verstehen die meisten Menschen Sexismus nicht oder, falls doch, halten sie ihn für kein Problem. Die meisten Menschen denken, im Feminismus gehe es immer und ausschließlich darum, dass Frauen Männern gleich sein wollten. Und eine große Mehrheit von ihnen glaubt, Feminismus sei männerfeindlich. Dass sie feministische Politik derart missverstehen, reflektiert die Tatsache, dass den meisten Leuten Feminismus über die patriarchalen Massenmedien vermittelt wird. Der Feminismus, über den sie am meisten hören, wird von Frauen verkörpert, die sich vor allem für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen – gleicher Lohn für gleiche Arbeit und manchmal die gerechte Aufteilung von Haushalt und Erziehung zwischen Mann und Frau. Sie sehen, dass diese Frauen in der Regel weiß und materiell privilegiert sind. Sie wissen aus den Massenmedien, dass die Befreiung der Frau sich auf die Freiheit konzentriert, abzutreiben, lesbisch zu sein, gegen Vergewaltigung und häusliche Gewalt vorzugehen. Im Rahmen dieser Themen ist die breite Bevölkerung mit der Idee der Gleichstellung am Arbeitsplatz einverstanden – gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Da unsere Gesellschaft weiterhin hauptsächlich auf einer »christlichen« Kultur basiert, glauben die Menschen weiterhin massenhaft, dass die Unterordnung von Frauen gegenüber Männern im Haushalt gottbefohlen sei. Obwohl unzählige Frauen ins Arbeitsleben eingetreten sind, obwohl das Oberhaupt vieler Familien Frauen sind, die die alleinigen Broterwerberinnen darstellen, ist die Vision vom häuslichen Leben, die in der Vorstellung unseres Landes vorherrscht, eine, in der die Logik männlicher Vormacht intakt ist, ob Männer im Haushalt präsent sind oder nicht. Die irreführende Annahme, die feministische Bewegung sei männerfeindlich, brachte die irreführende Annahme mit sich, alle weiblichen Räume seien zwangsläufig Umgebungen frei von Patriarchat und sexistischem Denken. Viele Frauen, selbst diejenigen, die in feministische Politik involviert waren, wollten das ebenfalls gerne glauben.
In der Tat gab es eine große Portion männerfeindlicher Ansichten unter den anfänglichen feministischen Aktivistinnen, die wütend auf die männliche Dominanz reagierten. Diese Wut gegenüber der Ungerechtigkeit gab den Anstoß für eine weibliche Befreiungsbewegung. Schon früh wurde das Bewusstsein vieler feministischer Aktivistinnen (von denen die Mehrheit weiß war) in Bezug auf die Natur der männlichen Dominanz geschärft, als sie in antiklassistischen und antirassistischen Settings mit Männern zusammenarbeiteten, die der ganzen Welt etwas über die Bedeutung von Freiheit erzählten und gleichzeitig die Frauen in ihrer Umgebung unterdrückten. Seien es weiße Frauen, die sich für den Sozialismus einsetzten, Schwarze Frauen, die sich für Bürger*innenrechte und die Schwarze Freiheitsbewegung einsetzten, oder amerikanische Indigene, die sich für eigene Rechte einsetzten, stets war klar, dass Männer anführen wollten und Frauen zu folgen hatten. Die Teilnahme an diesen radikalen Freiheitskämpfen weckte den Geist der Rebellion und des Widerstands bei progressiven Frauen und führte sie zur modernen Frauenbefreiung.
Als sich der moderne Feminismus weiterentwickelte, weil Frauen klar wurde, dass Männer nicht die einzige Gruppe in unserer Gesellschaft waren, die sexistisches Denken und Handeln unterstützte – dass auch Frauen sexistisch sein konnten –, bestimmten männerfeindliche Ansichten nicht länger das Selbstverständnis der Bewegung. Im Fokus stand nun, alle Kräfte zu bündeln, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Frauen konnten sich jedoch nicht zusammenschließen, um den Feminismus voranzutreiben, ohne sich mit ihren eigenen sexistischen Denkweisen auseinanderzusetzen. Sisterhood konnte nicht powerful sein, solange Frauen untereinander konkurrierten. Utopische Visionen von Schwesterlichkeit, die auf der reinen Wahrnehmung basierten, dass alle Frauen in irgendeiner Weise Opfer männlicher Dominanz seien, wurden durch Diskussionen über Klassismus und Rassismus gestört. Diskussionen um Klassenunterschiede entstanden schon früh im modernen Feminismus, noch bevor Rassismus thematisiert wurde. Diana Press veröffentlichte schon Mitte der Siebzigerjahre revolutionäre Erkenntnisse über die Klassenunterschiede zwischen Frauen in der Essaysammlung Class and Feminism. Diese Diskussionen trivialisierten den feministischen Standpunkt »Sisterhood is powerful« nicht, sie betonten lediglich, dass wir nur dann Schwestern im Kampfe werden konnten, wenn wir offen ansprachen, wie Frauen – sexistisch, klassistisch oder rassistisch – andere Frauen unterdrückten und ausbeuteten, und eine politische Plattform schufen, die sich dieser Unterschiede annahm.
Obwohl einzelne Schwarze Frauen in der modernen feministischen Bewegung von Beginn an aktiv waren, gehörten sie nicht zu den »Stars« der Bewegung, die die Aufmerksamkeit der Massenmedien auf sich zogen. Häufig gehörten die Schwarzen Frauen, die in der Bewegung aktiv waren, zu den revolutionären Feministinnen (wie auch viele weiße lesbische Frauen). Sie waren bereits uneins mit reformistischen Feministinnen, die eisern ein Bild von der Bewegung nach außen tragen wollten, in dem es nur darum ging, dass Frauen im bestehenden System eine Gleichberechtigung mit Männern erlangen sollten. Noch bevor die Zugehörigkeit zu rassifizierten Gruppen in feministischen Kreisen thematisiert wurde, war Schwarzen Frauen (und ihren revolutionären Kampfgenossinnen) klar, dass sie im bestehenden kapitalistischen, von weißer Vorherrschaft geprägten Patriarchat niemals Gleichberechtigung erlangen würden.
Seit ihren frühesten Anfängen war die feministische Bewegung polarisiert. Reformistische Denker*innen zogen es vor, den Schwerpunkt auf Geschlechtergleichheit zu legen. Revolutionäre Denker*innen wollten nicht nur das bestehende System korrigieren, um Frauen mehr Rechte zu gewähren. Wir wollten dieses System grundsätzlich transformieren, Patriarchat und Sexismus abschaffen. Da die patriarchalen Massenmedien an einer revolutionäreren Vision nicht interessiert waren, wurde sie von der Mainstream-Presse nie beachtet. Das Bild der »Frauenbefreiung«, das die öffentliche Wahrnehmung bestimmte und bis heute vorhält, repräsentierte Frauen, die das haben wollten, was Männer hatten. Und das war die Vision, die einfacher zu verwirklichen war. Veränderungen in unserer nationalen Ökonomie, Wirtschaftskrisen, Arbeitsplatzverluste usw. bereiteten den Weg dafür, dass die Bürger*innen unseres Landes die Vorstellung von Gleichberechtigung der Geschlechter am Arbeitsplatz akzeptierten.